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Full text of "Die Gynäkologie des Soranus von Ephesus : Geburtshilfe, Frauen-und Kinder-Krankheiten, Diätetik der Neugeborenen"

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BIBLIOTHEK  MEDICINISCHER  KLASSIKER. 

Herausgegeben  von  Medicinalrath  Dr.  J.  Ch.  Huber. 

BAND  I. 

Soranus  von  Ephesus. 


DIE 

GYNÄKOLOGIE 

(ticqI  ywaixeLiov) 

DES 

SORANUS  VON  EPHESUS 

GEBURTSHILFE, 

FRAUEN-  und  KINDER-KRANKHEITEN, 
DIÄTETIK  der  NEUGEBORENEN. 


ÜBERSETZT 


Dr.  phil.  H.  LUNEBURG. 

COMMENTIRT  UND  MIT  BEILAGEN  VERSEHEN 

VON 

DR.  J.  CH.  HUBER, 

MEDICINALRATH. 


1894. 

MÜNCHEN. 

J.  F.  LEHMANN’s  VERLAG. 

VERTRETUNG  FÜR  DIE  SCHWEIZ : E.  SPEIDEL  IN  ZÜRICH. 


Weltcoras  Library 

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Druck  der  kgl.  Universitäts-Druckoret  von  H.  Stürtz,  Würzburg. 


Vorwort. 


Nicht  das  prächtige  Korinth , nicht  das  parteidurchwühlte 
Athen,  nicht  das  pindarische  Theben  waren  im  Stande,  der  Ent- 
wicklung der  Heilkunde  einen  geeigneten  Boden  zu  bereiten. 
An  den  friedlich  belebten  Ufern  der  kleinasiatischen  Halbinsel, 
wo  die  jonische  Intelligenz  mit  den  Schätzen  des  Orients  vereint, 
zu  herrlicher  Kultur  emporblühte,  da  nur  gedieh  die  heilige 
Kunst  des  Asclepios.  Da  standen  ;die  Tempel  des  Gottes  auf 
Knidos  und  Kos,  letzteres  dier  Mutter  des  Hippokrates  und 
Praxagoras.  Hier  stand  Pergamus,  das  uns  den  grossen  Galen 
schenkte,  hier  erblühte  der  Ivappadocier  Aretaeus,  hier  der 
originelle  Asclepiades  von  Prusa,  hier  der  unsterbliche  Cilicier 
Dioscorides,  hier  die  verdienstvollen  Sammler  Oribasius  von  Sardes 
und  Aetius  von  Amida,  hier  Alexander  von  Tralles,  hier  in  dem 
reichen  Ephesus  der  bedeutende  Rufus  und  der  Gynäkolog 
Soranus. 

Das  Wenige,  was  wir  über  die  Lebensumstände  des  grossen 
Arztes  erfahren,  müssen  wir  aus  dem  Byzantiner  Suidas  ent- 
nehmen: „Soranos,  der  Sohn  des  Menander  und  der  Phoebe,  aus 
Ephesus,  hielt  sich  als  Arzt  (Studirender !)  zu  Alexandria  auf, 
praktizirte  in  Rom  unter  den  Kaisern  Trajan  und  Hadrian,  war 
der  Verfasser  vieler  vorzüglicher  Schriften. 

Ein  jüngerer  ephesischer  Arzt  Soranus  schrieb  vier  Bücher 
über  weibliche  Krankheiten;  zehn  Bücher  über  die  Sekten  und 
Biographien  der  Aerzte,  auch  über  die  medizinische  Litteratur 
und  allerlei  Anderes.“  Soweit  Suidas. 

Offenbar  sind  diese  beiden  Sorane  identisch. 

Wie  überall  werden  wir  uns  das  Bild  des  bedeutenden  Arztes 
am  sichersten  aus  dem  Inhalte  seiner  Schriften  rekonstruiren. 


IV 


Die  ärztliche  Schule  des  Soranus  war  die  der  Methodiker  was 
aus  seinen  Büchern  an  zahllosen  Stellen  deutlich  erhellen  würde 
wenn  wir  auch  nicht  das  Zeugniss  des  Pergameners  (ed.  Kühn 
XIV,  484)  besitzen  würden.  Aus  dieser  wichtigen  Stelle  ersehen 
wir  aber  auch,  dass  Soran  zu  seiner  Schule  eine  sehr  unab- 
hängige Stellung  einnahm,  was  von  seiner  zur  Kritik  geneigten 
ichtung  zu  erwarten  war.  Neben  Olympiacus  von  Milet, 
Menemachus  von  Aphrodisias  wird  hier  Soranus  als  Dissenter 
bezüglich  einiger  Punkte  aufgeführt. 

Die  philosophische  Richtung  des  Ephesiers  entsprach  den 
Lehren  Epicur’s,  die  uns  der  Römer  Lucretius  Carus  in  seinem 
berühmten  Lehrgedichte  popularisirt  hat.  Sein  durchdringender 
Verstand  setzte  sich  zu  jedem  Supranaturalismus  und  Mysticismus 
in  scharfen  Gegensatz  und  suchte  Befriedigung  in  dem  Atomismus 
des  samischen  Materialisten. 

Wir  werden  sehen,  dass  er  sogar  von  den  Elebammen  ver- 
langte, dass  sie  ddeioidai/iiovec;  seien  und  dass  sie  ihren  Pflichten 
zuliebe  selbst  auf  gottesdienstliche  Handlungen  zu  resigniren 
haben. 

Jener  für  Soranus  so  charakteristische  Widerwille  gegen  alles 
Geheimniss volle  zeigt  sich  auch  in  dem  Kapitel  über  das  Alp- 
drücken (Cael.  Aurelian.,  Chron.  Lib.  I.  cap.  3):  „Nam  quod  neque 
Deus,  neque  semideus,  neque  cupido  sit,  libris  causarum  plenissime 
Soranus  explicavit.“ 

Dass  er  seine  Praxis  zu  Rom  ausübte,  dürfte  feststehen, 
(Theil  I,  § 1 1 3),  da  er  eine  gewisse  Kenntniss  römischer  Verhält- 
nisse zeigt.  Dass  seine  Klientel  den  begüterten  Klassen  ange- 
hörte, kann  man  aus  manchen  seiner  Rathschläge  erschliessen, 
z.  B.  wenn  er  empfiehlt,  für  alle  Fälle  zwei  Ammen  in  Bereit- 
schaft zu  halten.  — Dass  er  Grundbesitzer  war,  das  zu  vermuthen 
könnten  die  sehr  oft  wiederholten  Gleichnisse  berechtigen , in 
denen  er  den  Landbau  zum  Gegenstände  wählt. 

Der  Charakter  seiner  Schriftstellerei  ist  der  Kriticismus,  bei 
grosser  Belesenheit  in  der  medizinischen  Litteratur  ist  er  frei  von 
jeder  Nachbeterei  und  gestattet  sich  den  gefeiertsten  Namen  des 
Alterthums  den  Handschuh  hin  zu  werfen. 

Es  ist  bekannt,  dass  das  Werk  des  Caelius  Aurelian  us 
aus  Sicca:  De  morbis  acutis  et  chronicis  Libri  VIII  nach  einem 


V 


Buche  des  Ej^esiers  bearbeitet  wurde.  Zur  näheren  Kenntniss 
Soran’s  ist  ein  Studium  des  C.  Aurelianus  sehr  noth  wendig.  Leider 
fehlt  eine  kritische,  zeitgemässe  Edition. 

Ein  Verzeichniss  der  WLrke  des  Soranus  findet  sich  in  der 
Ausgabe  von  Ermerins  p.  XX.  Das  obgenannte  von  Cael.  Aure- 
lianus redigirte  Buch  neql  o^kov  xai  xqovlmv  naOtov  dürfte  eines 
seiner  bedeutendsten  Werke  sein.  Ausserdem  hat  er  auch  die 
Chirurgie  behandelt  und  ein  aus  vier  Büchern  bestehendes  Werk 
tisq'l  cpaQf.iay.dag  publizirt. 


Aus  gaben: 

Sorani  Ephesii  de  Arte  obstetricia  morbisque  mulierum  quae 
supersunt.  Ex  apographo  Friderici  Reinholdi  Dietz,  nuper  fato 
perfuncti  primum  edita.  Regimontis  Prussorum  1838.  8.  VI.  und 
300  p.  (Mit  Varianten.)  Mit  Benützung  des  Codex  Parisiensis 
2153  und  des  Codex  Romanus  Barberinus  35g,  mendosus. 

Sorani  Ephesii  Liber  de  muliebribus  affectionibus.  Recensuit 
et  latine  interpretatus  est  Franciscus  Zacharias  Ermerins.  Irajecti 
ad  Rhenum  1859.  8-  CXVII.  u.  305  p.  (Mit  sehr  guter  kritischer 
und  historischer  Einleitung.) 

Sorani  Gynaeciorum  vetus  translatio  latina  nunc  primum  edita 
cum  additis  graeci  textus  reliquiis  a Dietzio  repertis  atque  ad 
ipsum  Codicum  Parisiensem  nunc  recognitis  a Valentino  Rose 
(c.  2,  Tab.  lith.)  Lipsiae,  in  aedibus  Teubneri  1882.  XX.  u.  423  p. 
Enthält  vorn  auch  die  Gynaecia  Muscionis,  die  alte  lateinische 
Bearbeitung  des  Soranus.  Leider  ist  diese  Teubner’sche  Edition 
nicht  arm  an  Druckfehlern. 

Memmingen,  16.  Juni  1894. 


Dr.  J.  Chr.  Huber, 


Litteratur. 


Galenus,  ed.  Kühn  X.  53.  XII.  414.  493_9S.  9g7.  XIIr.  ^ XIy>  ^ 

I ertullianus,  de  anima,  cap.  VI. 

Oribasius  III.  369-82  ed.  Bussemaker  et  Daremberg.  (Abdruck  des  Kapitels 

itepi  pijrpa?.)  1 

A e t i u s v.  Amida,  Tetrabibiion.  Bei  vielen  Kapiteln,  welche  dieAufschrift  ex  „Sorano“ 

Itagen,  ist  dem  Aetius  nicht  ganz  zu  trauen.  Hierüber  Näheres  in  der  Edition 
von  Ermerins, 

Paulus  Aegi  net  a IV.  59  (aepi  Spaxovrt'oiv).  VI.  99.  de  Humero  fracto  etc. 
Suidas,  Lexicon;  etwa  976  post  Chr.  verfasst. 


Haeser,  de  Sorano  Epliesio  ejusque  mrspl  pvaixsttuv  na&djv  libro  nuper  reperto 
programma.  Jenae  1840.  4. 


Geschichte  d.  Medizin  I.  304—31^  (3.  Aull.)  1875. 

Pinoff,  Isidor,  Diss.  Artis  obstetriciae  Sorani  Ephesii  doctrina  etc.  Vralisl. 
1841.  8.  und  in  Janus  I.  705.  II.  16  etc. 

L.  Choulant,  Handbuch  d.  Bücherkunde  f.  die  ältere  Medizin.  Leipzig  1841. 
2.  Aufl.  p.  92 — 94. 


Inhalt. 


Erstes  Buch.  Seite 

Einleitung 1 

Eintheilung  des  Stoffes 1 

Kap.  I.  Welche  Frau  eignet  sich  zur  Hebamme? 2 

„ II.  Die  tüchtigste  Hebamme - 3 

III.  Die  physische  Beschaffenheit  der  Gebärmutter  und  der  weib- 
lichen Scham 4 

„ IV.  Die  Menstruation 10 

„ V.  Die  Zeichen  der  eintretenden  Menstruation 13 

„ VI.  Der  Nutzen  der  monatlichen  Reinigung 15 

„ VII.  Ist  dauernde  Jungfrauschaft  der  Gesundheit  zuträglich?  ...  18 

„ VIII.  Wie  lange  muss  das  Weib  die  Jungfrauschaft  bewahren?  . . 20 

„ IX.  Die  Zeichen  der  mulhmasslichen  Fruchtbarkeit  21 

„ X.  Ueber  die  zur  Conception  passendste  Zeit  der  Begattung  . . 23 

„ XI.  Ist  die  Conception  der  Gesundheit  zuträglich? 27 

„ XII.  Die  Zeichen  der  Conception 28 

„ XIII.  Die  Merkmale,  aus  denen  die  alten  Aerzte  das  muthmassliche 

Geschlecht  der  Frucht  bestimmten 30 

„ XIV.  Die  Pflege  der  Frauen,  welche  concipirt  haben 31 

„ XV.  Gelüste  der  Schwangeren  (y.iarsa) 33 

„ XVI.  Die  Pflege  der  Schwangeren  in  der  Zeit  seit  der  Kissa  bis 

zum  Geburtsakt 37 

„ XVII.  Ueber  die  Entwickelung  des  Eies  in  der  Gebärmutter  ...  40 

* XVIII.  Die  Zeichen  eines  bevorstehenden  Absterbens  der  Frucht  . . 42 

„ XIX.  Ueber  den  Gebrauch  der  Abortiva  und  der  Mittel,  welche  die 

Conception  verhindern 43 

„ XX.  Die  Vorzeichen  einer  normalen  Geburt 47 

» XXI.  Die  Vorbereitungen  für  die  Geburt 47 

n XXII.  Die  zurückgehaltene  Nachgeburt 51 

„ XXIIT.  Die  Pflege  der  Wöchnerinnen e? 

. XXIV.  — - - 54 

r XXV.  Das  Anschwellen  der  Brüste 54 

Die  Pflege  des  Kindes 56 

» XXVI.  Die  Kennzeichen  eines  zur  Aufziehung  geeigneten  Kindes  . . 56 

„ XXVII.  Das  Durchtrennen  der  Nabelschnur 57 


VIII 


Seite 

Kap.  XXVIII.  Die  Reinigung  des  Kindes 58 

„ XXIX.  Das  Wickeln  des  Kindes 59 

„ XXX.  Die  Lagerung  des  neugeborenen  Kindes Ci 

„ XXXI.  Die  Nahrung  des  Säuglings 62 

„ XXXII.  Die  Auswahl  der  Amme 64 

„ XXXIII.  Die  Prüfung  der  Milch 67 

„ XXXIV.  Die  Lebensweise  und  Diät  der  Amme 69 

„ XXXV.  Die  Massregeln,  welche  zu  ergreifen  sind,  wenn  die  Milch  ganz 

ausgeht  oder  verdorben  wird,  zu  dick  oder  zu  dünn  ist  . 73 

A XXXVI.  Das  Baden  und  Frottiren  der  Kinder 74 

„ XXXVII.  Wie  und  wann  dem  Kinde  die  Brust  zu  geben  ist  ...  . 78 

„ XXXVIII.  Das  Abfallen  des  Nabels 81 

„ XXXIX.  Wann  und  wie  ist  das  Kind  aus  den  Windeln  zu  nehmen  . 82 

A XL.  Wie  muss  man  die  Kinder  im  Sitzen  und  Gehen  üben?  . . 83 

fl  XLI.  Zeit  und  Methode  der  Entwöhnung  des  Kindes 84 

„ XL1I.  Das  Zahnen 86 

„ XLIII.  Die  Entzündung  der  Mandeln 87 

„ XLIV.  Die  Aphthen 87 

fl  XLV.  Ausschlag  und  Jucken 88 

„ XLVI.  Vom  Katarrh  und  Husten 9° 

A XLVII.  Die  Siriasis 9° 

„ XLVIII.  Der  Bauchfluss 91 

Zweites  Buch. 

Einleitung 95 

Giebt  es  Krankheiten,  welche  den  Frauen  e i g e n t h ü m 1 ich  sind?  95 

Kap.  I.  Amenorrhoe  und  Dysmenorrhoe 98 

„ II.  Entzündung  des  Uterus I07 

„ III.  Die  Satyriasis 111 

„ IV.  Hysterischer  Stickkrampf 111 

B V.  Die  Anspannung  des  Uterus rl6 

B VI.  Anfüllung  des  Uterus  mit  Luft JI6 

„ VII.  Oedem  des  Uterus 118 

B VIII.  Scirrhus  und  Scleroma  uteri 1 

IX.  Die  Mola II() 

fl  X.  Ilaemorrhagia  uteri 121 

„ XI.  Der  Ausfluss  aus  den  weiblichen  Gesclilechtstheilen  ....  124 

XII.  Die  Gonorrhoe I2' 

„ XIII.  Atonie  des  Uterus 128 

A XIV.  Paralyse  des  Uterus I29 

XV.  Ueber  Lateralflexion,  Version  und  Elevation  des  Uterus  . . 130 

A XVI.  Impotenz  und  Sterilität I$1 

XVII.  Von  der  schweren  Geburt I3I 

, XVIII.  (Fortsetzung) 


IX 


Seite 

Kap.  XIX.  (Fortsetzung) r4x 

XX.  Die  zurückgehaltene  Nachgeburt *45 

XXI.  Abscesse  an  den  Genitalien r46 

XXII.  Geschwüre  im  Uterus *46 

XXIII.  Carcinome  der  Gebärmutter J46 

XXIV.  Fistelgeschwüre  der  Gebärmutter 146 

XXV.  Abnorme  Grösse  der  Clitoris ...  146 

XXVI.  Cercosis  (schwanförmiger  Auswuchs  an  den  Genitalien)  . . 147 

„ XXVII.  Warzen  an  den  Genitalien 147 

„ XXVIII.  Risse r4  7 

„ XXIX.  Condylome  (Feigwarzeu) 147 

„ XXX.  Hämorrhoiden  im  Uterus 147 

„ XXXI.  Vorfall  der  Gebärmutter ....  148 

„ XXXII.  Phimose  der  Gebärmutter 153 

„ XXXIII.  Atresie  des  Uterus 153 

Honiggeschwülste , Breigeschwülste  und  Speckgeschwülste  an 

den  äusseren  Genitalien 153 

„ XXXIV.  Die  Anwendung  des  Mutterspiegels 153 

Die  Materia  medica  et  diaetetica  des  Soranus 154 

I.  Pflanzen  und  ihre  Produkte [54 

II.  Thierreich ....  166 

III.  Fossilien  etc 1 7 1 


Erstes  Buch. 


Einleitung. 


Eintheilung  des  Stoffes.1) 

§ i.  Da  zur  leichteren  Bearbeitung-  des  Themas  die  Glie- 
derung des  Stoffes  wesentlich  beiträgt,  ist  es  von  Nutzen,  zu- 
nächst den  letzteren  in  seine  Theile  und  Abschnitte  zu  zerlegen 
und  diese  schriftlich  zu  fixiren.  Manche  theilen  ihn  nun  zwei- 
fach und  zwar  unterscheiden  sie  einen  praktischen  und  einen  theo- 
retischen Theil;  den  praktischen  zerlegen  sie  wieder  in  Hygiene 
und  Therapie.  Andere  behandeln  im  ersten  Theile  die  normalen, 
im  zweiten  Theile  die  widernatürlichen  Vorgänge;  noch  andere 
nehmen  einen  physiologischen,  einen  pathologischen  und  einen 
therapeutischen  Theil  an.  Wir  selbst  sondern  den  Stoff  in  zwei 
Abschnitte,  von  welchen  der  erste  über  die  Hebamme  das  Nötige 
sagt,  der  zweite  die  in  den  Bereich  ihrer  Thätigkeit  kommenden 
Fälle  bespricht. 

§ 2.  Weiter  untersuchen  wir  im  ersten  Abschnitte  zunächst, 
wie  man  beschaffen  sein  muss,  um  Hebamme  zu  werden,  und 
dann,  welches  die  tüchtigste  Hebamme  ist;  im  zweiten  Abschnitt 
besprechen  wir  die  natürlichen  und  widernatürlichen  Erschein- 
ungen. Wir  unterscheiden  ferner  bei  den  natürlichen  einen  physio- 
logischen Theil,  welcher  über  den  Samen  und  die  Zeugung  handeln 
wird,  und  einen  hygienischen  und  geburtshülflichen  Theil,  in 


1)  Zum  Verständnis  dieses  Abschnitts  und  zugleich  zahlreicher  anderer  Stellen 
des  Autors  muss  man  sich  erinnern,  dass  derselbe  zu  der  Schule  der  Methodiker 
gehörte,  welche  in  Themison  ihr  Haupt  erblickte.  Basirt  auf  der  alten  Atomenlehre 
des  Demokritos  wurden  die  paihischen  Züstände  von  dieser  medizinischen  Theorie 
auf  zwei  Kategorien  („Kommunitäten“)  zurückgeführt,  das  „Laxum“  und  das 
„Strictum“,  Erschlaffung  und  Zusammenziehung,  womit  auch  dem  therapeutischen 
Eingriff  der  Weg  vorgezeichnet  war. 

Die  wegwerfende  Aeusserung  über  den  Werth  der  Anatomie  (»uctixo'v)  etc. 
beruht  ebenfalls  auf  den  Grundsätzen  der  Schule,  welche  jene  Verachtung  mit  ähn- 
lichen doctrinären  Richtungen  stets  getheilt  hat. 

Ausführliches  über  die  Methodiker  bei  Häser,  Lehrbuch  I.  268  und  Darembero- 
Histoire  des  Sciences  med.  I.  178  — 190. 

So  ran us:  (Jcbcr  die  Krankheilen  des  weiblichen  Geschlechtes.  r 


2 


welchem  wir  über  die  Pflege  der  schwangeren  und  gebärenden 
Frau  unterrichten  und  zugleich  die  Ernährung  und  Erziehung  des 
Kindes  mit  berücksichtigen;  bei  den  widernatürlichen  besprechen 
wir  aber  zunächst  die  Leiden,  welche  diätetisch  behandelt  werden, 
wohin  das  Ausbleiben  der  Periode,  die  Dysmenorrhoe,  die  Mutter- 
beschwerden und  ähnliche  Krankheiten  gehören,  sodann  die  Leiden, 
welche  chirurgisch  und  nicht  mit  Medikamenten  zu  behandeln  sind 
wie  die  schwere  Geburt,  der  Gebärmuttervorfall  und  dergleichen. 
Die  Abhandlung  des  Physiologischen  aber  haben  wir,  da  es  für 
unsere  Aufgabe  unwesentlich  und  nur  wissenschaftlich  interessant 
ist,  davon  losgelöst  und  im  Vorliegenden  nur  das  Notwendige  ge- 
geben. Vor  Allen  werden  wir  uns  zunächst  über  die  Hebamme 
unterrichten  und  dann  den  hygienischen  und  pathologischen  Theil 
bhandeln;  denn  dieser  Theil  ist  stoffreicher  und  wegen  der  Mannig- 
faltigkeit schwieriger  zu  behandeln  als  die  übrigen,  weswegen  er 
ans  Ende  des  Werkes  gehört. 


Kapitel  I. 

Welche  Frau  eignet  sich  zur  Hebamme?1) 

§ 3.  Diese  Erörterung  ist  nothwendig,  damit  wir  nicht  unge- 
eignete Personen  unterrichten  und  uns  umsonst  bemühen.  Er- 
forderlich ist  Kenntniss  des  Lesens  und  Schreibens,  scharfer  Ver- 
stand, gutes  Gedächtniss,  Fleiss,  Ehrbarkeit,  normale  Sinnesorgane, 
gesunde  und  kräftige  Gliedmassen ; manche  verlangen  auch,  dass 
die  Hebamme  lange  und  schmale  Finger  habe  und  die  Nägel 
kurz  gerundet  trage.  Die  Kenntniss  der  Schrift  verschafft  ihr  die 
Möglichkeit,  auch  theoretisch  ihre  Kunst  zu  studiren,  scharfer 
Verstand  erleichtert  es  ihr,  was  sie  hört  und  sieht  zu  verstehen, 
das  gute  Gedächtniss,  die  erlernten  Kenntnisse  zu  behalten;  denn 
das  Wissen  gründet  sich  auf  Merken  und  Auffassung.  Liebe  zur 
Arbeit  verleiht  ihr  Ausdauer;  denn  mannhaften  Ausharrens  im 
Leiden  bedarf,  wer  eine  solche  Wissenschaft  erlernen  will.  Ehr- 
bar muss  sie  sein,  weil  ihr  bisweilen  Hauswesen  und  Privatge- 
heimnisse anvertraut  werden,  und  weil  verdorbene  Charaktere  die 
Einbildung,  medizinische  Kenntnisse  zu  besitzen,  oft  zu  Intriguen 
verleitet;  ferner  im  Besitze  gesunder  Sinnesorgane,  weil  sie  bald 
mit  den  Augen,  bald  mit  dem  Gehör  untersuchen,  bald  mit  dem 


1)  Die  Aufzählung  der  zum  Hebammenberuf  nöthigen  Qualitäten  erinnert  an  die 
Schilderung,  welche  Celsus  im  VH.  Buche  von  dem  Ideale  des  Chirurgen  gibt. 
(,,Esse  autem  debet  chirurgus  adolescens  etc.  manu  strenua“  etc.)  Da  Celsus  etwa 
80  Jahre  vor  Soranus  geschrieben  hat,  so  konnte  Letzterer  kaum  ohne  Kenntniss 
des  gelesensten  römischen  Mediziners  gewesen  sein. 


3 


Tastsinn  erfassen  muss;  mit  geraden  Gliedern  begabt,  damit  sie 
unbehindert  ihren  Geschäften  nachgehen  kann , von  kräftiger 
Konstitution,  denn  weil  sie  auf  mühsame  Wanderungen  ange- 
wiesen ist,  unterzieht  sie  sich  gewissermassen  doppelter  An- 
strengung.  Auch  ist  es  gut,  wenn  sie  lange  und  schmale  Finger 
hat  und  kurze  Nägel  trägt,  damit  sie  beim  Berühren  entzündeter 
Stellen  im  Innern  keine  Schmerzen  verursacht.  Dieses  erreicht 
sie  jedoch  auch  von  selbst  durch  fleissige  Arbeit  und  Uebung. 


Kapitel  II. 

Die  tüchtigste  Hebamme1). 

§ 4.  Es  ist  nöthig,  das  was  zu  einer  tüchtigen  Wehemutter 
g'ehört,  zu  besprechen,  damit  die  tüchtigsten  ihrer  selbst  bewusst 
werden,  die  Anfängerinnen  dieselben  als  Muster  ansehen , das 
Publikum  aber  wisse,  welche  es  rufen  soll. 

Im  Allgemeinen  nennen  wir  diejenige  fertig,  welche  die  Heil- 
kunst völlig  erfasst  hat  (theoretisch),  die  tüchtigste  aber  die,  welche 
schon  mit  Hand  angelegt  hat  und  mit  der  Theorie  viele  Erfahrung 
verbindet. 

Im  Besonderen  aber  betrachten  wir  diejenige  Hebamme  als 
die  tüchtigste,  welche  im  ganzen  Gebiete  der  Therapie  geübt 
ist  — denn  bald  muss  man  diätetisch,  bald  chirurgisch,  bald 
pharmaceutisch  eingreifen  — , die  im  Stande  ist,  richtige  An- 
weisungen zu  geben,  die  den  Zusammenhang  mit  dem  Allge- 
meinen erfasst,  das  Nützliche  daraus  zu  entnehmen  versteht,,  dann 
im  Einzelnen  sich  nicht  beim  Wechsel  der  Symptome  verwirren 
lässt,  sondern  dieselben  in  entsprechender  Weise  lindert,  welche 
ferner  ruhig  und  unerschrocken  bei  Eintreten  von  Lebensgefahr 
ist,  in  geschickter  Weise  den  richtigen  Weg  der  Hilfe  vorzu- 
schlagen versteht,  Trost  den  Leidenden  zuspricht,  Mitgefühl  be- 
sitzt. Dass  sie  bereits  geboren  habe,  ist  nicht  durchaus  erforder- 
lich, wie  einige  Autoren  meinen,  damit  sie  bei  eigener  Ivenntniss 


1)  Die  Hebamme  soll  „aSeiaiSalp-ov“  sein,  was  man  frei  übersetzen  kann  „nicht 
bigott,  nicht  abergläubisch“;  wörtlich  hiesse  es  „ohne  Furcht  vor  einem  Dämon“, 
d.  h.  vor  einem  übersinnlichen  Wesen.  Es  zeigt  sich  hier  die  philosophische  Schule 
des  Ephesiers,  welche  ohne  Zweifel  die  des  Demokritos  und  des  Epikurus  ist.  Diese 
Schulen,  deren  Dogmen  in  dem  Lehrgedichte  des  Lucretius  Carus  popularisirt  sind, 
verwarfen  jede  metaphysische  Endursache  im  Gegensatz  zu  dem  allerdings  stark 
ausgearteten  polytheistischen  Volksglauben. 

„v.Xr)Bova4“  der  Glaube  an  das  „Beschreien“ , „Berufen“  („favete  linguis“  der 
Römer).  Odyss.  XVIII.  117. 

„Weichheit  der  Hände“  hier  vergleiche  man  Iuvenal  VI  289  ff.  „vellere  Tusco 
vexatae  duraeque  manus“. 

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der  Schmerzen  mit  den  Kreissenden  fühle,  was  bei  solchen,  die 
geboren  habe,  eher  vorauszusetzen  sei. 

Ferner  erfordert  ihr  Dienst  Kraft,  doch  braucht  sie  nicht  durch- 
aus jung  zu  sein,  denn  auch  eine  junge  kann  kraftlos  und  im  Gegen- 
theil  eine  ältere  stark  sein;  dann  muss  sie  mässig  im  Genuss  und 
stets  nüchtern  sein,  weil  der  Augenblick  nicht  vorauszusehen  ist, 
wo  sie  zu  gefährlich  Kranken  gerufen  wird,  auch  verschwiegen, 
da  ihr  viele  Lebensgeheimnisse  an  vertraut  werden,  auch  unbe- 
stechlich, auf  dass  sie  nicht  für  Geld  Abtreibungsmittel  ver- 
abreiche, frei  von  Aberglauben,  damit  sie  nicht  um  eines  Traumes 
oder  einer  Beschreiung  oder  des  gewohnten  Mysteriums  und 
Gottesdienstes  willen  eine  heilbringende  Handlung  unterlässt. 
Schliesslich  soll  sie  für  die  Weichheit  der  Hände  sorgen,  weshalb 
die  Wollarbeiten  zu  unterlassen  sind,  welche  die  Hände  hart 
machen  können,  und  diejenigen,  welche  von  Natur  keine  weichen 
Hände  besitzen,  sie  durch  Salben  zart  machen  müssen.  So  muss 
diejenige  beschaffen  sein,  welche  für  die  tüchtigste  Hebamme 
gelten  will. 

§ 5.  Wenn  wir  auf  die  Hygiene  zu  sprechen  kommen  wollen, 
wird  es  zuerst  nothwendig  sein,  in  eine  Erörterung  über  die  Be- 
schaffenheit der  weiblichen  Organe  einzutreten.  Diese  erkennen 
wir  theils  durch  den  Augenschein  selbst,  theils  durch  die  Ana- 
tomie; da  die  letztere,  wenn  auch  an  sich  werthlos,  dennoch  im 
wissenschaftlichen  Interesse  beigezogen  wird,  werden  wir  auch 
zeigen,  was  durch  sie  zu  erfahren  ist.  Man  wird  unserer  Be- 
hauptung, die  Anatomie  sei  werthlos,  leichter  glauben,  wenn  wir 
zuvor  derselben  kundig  befunden  werden,  und  wir  werden  nicht 
den  Argwohn  erwecken,  als  verwürfen  wir  aus  Unkenntniss 
Dinge,  welche  sonst  als  werthvoll  gelten. 


Kapitel  III. 

Die  physische  Beschaffenheit  der  Gebärmutter 
und  der  weiblichen  Scham1). 

§ 6.  Die  Gebärmutter  [/.trjrQa)  heisst  auch  voiega  (Uterus) 
oder  delq)vs-  Der  Name  f.iijrQa  stammt  daher,  weil  die  Gebär- 
mutter die  Mutter  aller  aus  ihr  erzeugten  Früchte  ist  oder  weil 
sie  diejenigen  zu  Müttern  macht,  welche  sie  ebenfalls  besitzen, 

i)  Dieser  Abschnitt  war  lange  Zeit  das  einzige  grössere  von  Sora nus  erhaltene 
Fragment  und  wurde  von  Oribasius  in  sein  Sammelwerk  aulgeuommen  (ed.  Busse- 
maker u.  Daremberg  III.  369  mit  französ.  Version.) 

Ob  Soranus  selbst  anatomisch  gearbeitet  hat,  ist  zu  bezweifeln,  da  er  einer- 
seits seine  Verachtung  der  Anatomie  offen  bekennt,  da  sich  andererseits  viele  An- 


o 


nach  einigen  Autoren  nennt  man  sie  so,  weil  sie  das  Zeitmass 
(usTQov)  für  die  Reinigung  und  die  Geburt  giebt.  „‘YoveQa“  heisst 
sie,  weil  sie  erst  spät  (votsqov)  in  Funktion  tritt  oder  weil  sie, 
wönn  auch  nicht  genau  so  doch  annähernd,  den  Schluss  der 
Eingeweide  bildet.  Jelyvg“  heisst  sie,  weil  sie  zum  Gebären  von 
Geschwistern  (adeXcpoi)  bestimmt  ist. 

§ 7.  Die  Gebärmutter  liegt  in  dem  breiten  Raum  der  Hüften 
(Beckenhöhle)  innerhalb  des  Bauchfells  zwischen  der  Harnblase 
und  dem  Mastdarm,  auf  diesem  und  unter  jener  liegend,  bald 
ganz  bald  theilweise,  je  nach  ihrer  Grösse.  Bei  den  Kindern  ist 
der  Uterus  kleiner  als  die  Blase,  weswegen  er  sich  auch  ganz 
unter  derselben  versteckt;  bei  den  reifen  Jungfrauen  liegt  er  auf 
der  gleichen  Höhe  mit  der  Blase,  bei  noch  älteren,  zumal  bei 
solchen,  welche  bereits  die  Jungfrauschaft  verloren  oder  sogar 
schon  einmal  geboren  haben,  ist  der  Uterus  grösser,  so  dass  er 
sich  bei  den  meisten  unmittelbar  an  das  Ende  des  Kolon  (Grimm- 
darm) anlehnt.  Am  meisten  wächst  er  in  der  Schwangerschaft, 
wovon  man  sich  schon  durch  den  Augenschein  überzeugen  kann, 
da  das  Peritoneum  und  der  obere  Bauch  wegen  des  Umfanges 


gaben  finden,  welche  mit  der  Natur  durchaus  nicht  stimmen,  so  z.  B.  wenn  er  die 
Konsistenz  der  Cervicalportion  bei  Jungfrauen  mit  der  Lunge  vergleicht.  Auch  In- 
konsequenzen finden  sich,  einmal  wird  TpayrjXoc  als  Cervix  beschrieben*,  ein  ander- 
mal muss  der  Ausdruck  als  Vagina  gedeutet  werden. 

Die  Vergleichung  der  Gebärmutter  mit  einem  Schröpfkopf  ist  allerdings  treffend, 
beweist  aber  noch  keine  Autopsie  Jedenfalls  gegenüber  HerOphilos  ein  grosser 
Fortschritt,  welcher  den  Uterus  nach  dem  Befunde  an  Thieren  schildert  (iXr/.osioY]?). 
Man  vergleiche  auch  Häser,  Lehrbuch  I.  307. 

n-öp'jycop.a-a  nehme  ich  als  Labia  minora,  gegen  Daremberg,  welcher  das  "Wort 
als  Labia  majora  deutet.  Die  von  Soranus  angegebene  Verbindung  mit  der  Klitoris 
spricht  für  ,, minora1,  SiSupoi  = Hoden,  testes  muliebres,  Ovaria. 

„itopoc  a7tspp.G<Ti-/.o;“  wird  von  Albrecbt  v.  Haller  als  ,,arteria  vaginalis“ 
aufgefasst.  Ich  möchte  eher  an  die  „Ligamenta  rotunda“  denken. 

„vupcfY]“  heisst  bei  uns  „Labium  minus“,  bei  Soranus  ist  es  die  Klitoris,  uud 
wird  bei  den  Alten  mit  einer  sich  öffnenden  Rosenknospe  verglichen  (cfr.  auch  Rufus 
von  Ephesus,  ed.  Ruelle  pag.  147),  ferner  Paulus  Aegineta  Lib.  VI.  cap.  70. 

Die  Existenz  des  Plymen  wird  geläugnet,  was  wohl  daher  rührt,  dass  die 
Untersuchungen  an  Thieren  gemacht  wurden  (v.  Haller,  Element,  physiol.  Tom  VII 
Pars.  II.  p 91  ff.),  historisch  und  litterarisch  sehr  genaue  Darstellung. 

hoXutcouc,  Polyp,  wird  sich  wohl  auf  Octopus  vulgaris  beziehen  (Aristoteles 
Thiergeschichte,  ed.  Aubert  und  Wimmer,  Lib.  IV.  § 5 und  Einleitung  I.  p.  150). 

itXexTa'vif]  Fangarm  des  Polypen,  mit  Saugnäpfchen  besetzt,  welche  mit  den 
Kotyledonen  der  Wiederkäuer  Aehnlichkeit  haben. 

Das  Oeffnen  des  Muttermundes,  welches  Soranus  erwähnt,  wurde  auch  von 
neueren  Gynäkologen  gesehen  (Hensen,  Physiologie  der  Zeugung  p.  in). 

Ueber  die  Sympathie  zwischen  Uterus  und  Mamma  sehe  man  auch  Hippo- 
krates  de  morb  mulier.  Lib.  II  174. 

Aus  dem  Welkwerden  der  Brüste  wird  der  kommende  Abortus  vorhergesagt, 
übereinstimmend  mit  Hippokrates  Aphorism.  V.  37  und  53. 

Die  anatomischen  Wahrnehmungen  des  Soranus  werden  auch  von  A.  von 
Haller  mit  Anerkennung  besprochen  (Bibliolhec.  anatom.  I.  p.  71 — 72.  Zu  ver- 
gleichen ist  Rufus  von  Ephesus  (nspt  ovopaoia;)  pag.  160  ed.  Ruelle. 


der  Prucht  nebst  Eihäuten  und  Fruchtwasser  (Liquor  Amnii)  stark 
anschwellen;  nach  der  Geburt  zieht  er  sich  wieder  zusammen, 
bleibt  jedoch  grösser  als  er  vor  der  Geburt  war.  Zu  jener  Zeit 
ist  die  Gebärmutter  grösser  als  die  Blase  und  bleibt  nicht  unter 
ihr  versteckt.  Denn  vorne  ragt  der  Hals  der  Blase  weit  vor, 
indem  er  ja  auch  in  der  Harnröhre  endet  und  sich  längs  der 
ganzen  Mutterscheide  erstreckt,  aber  er  trennt  sich  vorher  vom 
Uterus;  zuhinterst  aber  findet  sich  der  Grund  (Fundus)  des  Uterus 
weit  oberhalb  der  Blase  und  zwar  unmittelbar  unter  dem  Nabel, 
so  dass  der  Körper  der  Blase  auf  dem  Halse  der  Gebärmutter, 
der  Grund  aber  auf  dem  Körper  derselben  liegt. 

§ 8.  Die  Gebärmutter  ist  durch  dünne  Häute  verbunden 
nach  oben  mit  der  Blase,  nach  unten  mit  dem  Darm,  nach  den 
Seiten  und  hinten  mit  den  Theilen,  die  von  den  Hüften  und  dem 
Heiligenbein  her  wachsen.  Wenn  diese  sich  durch  Entzündung 
zusammenziehen , wird  sie  nach  oben  gezogen  oder  gebeugt, 
•wenn  sie  dagegen  nachlassen  und  schlaff  werden,  so  fällt  sie  vor, 
und  dies  kommt  nicht  daher,  wie  manche  glauben,  weil  sie  ein 
Thier  ist,  sondern  weil  sie,  wie  andere  Theile,  Reizbarkeit  hat 
und  deswegen  durch  Kälte  sich  zusammenzieht  und  unter  aus- 
dehnenden Einflüssen  wieder  erschlafft. 

§ 9.  Die  Gestalt  des  Uterus  ist  nicht  wie  bei  den  vernunft- 
losen Thieren  gewunden,  sondern  ähnlich  dem  Schröpfkopf  der 
Heilkunst.  Im  Grunde  (Fundus)  anfänglich  rund  und  breit  zieht 
er  sich  allmählich  zu  einer  engen  Mündung  zusammen.  Es  heisst 
nun  der  erste  hervorragende  Theil  „der  Mund“  (ozö/.uov,  ostium), 
der  darauf  folgende  der  Hals  (zgayiftos,  collum),  der  nächste  der 
Nacken  ( avyijv , cervix),  alle  diese  zusammen  der  Schaft  (y.av).ds, 
c.aulis),  die  sich  dann  von  beiden  Seiten  nach  der  Enge  des  Halses 
erstreckenden  Theile  heissen  im  Anfang  die  Schultern  (c olioi, 
humeri),  dann  die  Seiten  [rc Ievqci,  latera),  am  Ende  der  Grund  der 
Gebärmutter  (nvO-fnjv,  fundus);  darunter  liegt  die  Basis;  der  ganze 
Raum  aber  heisst  die  Höhlung  (y.vzog,  cavum),  Leib  ( ydazQa , venter) 
oder  Schoss  (y.ölnog,  sinus). 

§ 10.  Der  Mund  liegt  in  der  Mitte  der  weiblichen  Scheide, 
der  Hals  wird  durch  die  Schamlippen  umfasst.  Von  diesen  ist 
aber  der  Mund  bei  den  einen  mehr,  bei  anderen  weniger  weit 
abstehend  je  nach  dem  Alter,  so  im  Durchschnitt  bei  denen, 
welche  bereits  geschlechtsreif  sind,  5 bis  6 Finger  breit.  (Ausser 
anderen  Gründen  sollen  auch  gerade  deswegen  junge  Mädchen 
von  Greisen  schwanger  werden  können,  weil  ihre  Mündung  nur 
4 Finger  von  den  Flügeln  entfernt  ist,  dagegen  nie  mehr  ältere 
Weiber  von  Jünglingen,  weil  ihr  Mund  zu  weit  von  den  klügeln 
sich  zurückgezogen  hat.)  Leichter  zugänglich  wird  der  Mund 
gegen  die  Geburt,  weil  der  Hals  sich  verlängert.  Die  Grösse  ist 


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verschieden,  abgesehen  davon,  dass  bei  den  meisten  naturgemäss 
der  Mund  so  gross  ist  wie  das  äussere  Ende  des  Gehörganges, 
Zu  manchen  Zeiten  öffnet  sich  der  Mund,  so  bei  der  Aufregung 
des  Coitus,  um  den  Samen  aufzunehmen,  bei  der  monatlichen 
Reinigung!  um  das  Blut  auszuscheiden,  endlich  in  der  Schwanger- 
Schaft  im  Verhältnis  zum  Wachsthum  des  Embryo.  Bei  der  Geburt 
jedoch  öffnet  er  sich  am  weitesten  und  zwar  so  weit,  dass  die 
Hände  Erwachsener  hineingelangen  können.  Im  natürlichen  Zu- 
stande ist  er  weich  und  fleischig  bei  den  Jungfrauen,  so  schwammig 
wie  die  Lunge  oder  so  weich  wie  die  Zunge,  bei  denen,  die 
bereits  geboren  haben,  verhärtet  er  sich,  wie  etwa  der  Kopf 
eines  Polypen  oder  nach  Herophilos  wie  das  obere  Ende  des 
Kehlkopfes;  er  wird  hart  durch  den  Ausfluss  des  Sekrets  und 
durch  den  Durchtritt  der  Frucht. 

§ ii.  Die  ganze  Gebärmutter  ist  vorherrschend  nervig.  Sie 
setzt  sich  aber  nicht  nur  aus  Nerven,  sondern  auch  aus  Venen 
und  Arterien  und  Fleisch  zusammen.  Von  diesen  kommen  die 
Nerven  von  der  Rückenmarkshaut  (Dura  mater)  her,  die  Arterien 
und  Venen  von  der  Hohlader,  welche  bei  dem  Rückgrats wirbel 
liegt,  und  der  grossen  Arterie  und  zwar  trennen  sich  zwei  Venen 
von  der  Hohlader  und  zwei  Arterien  von  der  grossen  Arterie. 
Je  eine  Vene  und  Arterie  geht  zu  beiden  Nieren;  bevor  sie  dann 
in  sie  eintreten,  spalten  sie  sich  und  verlaufen  in  zwei  Aesten  in 
beide  Nieren,  mit  zwei  umflechten  sie  die  Gebärmutter,  so  dass 
sich  vier  Gefässe  in  sie  ergiessen,  zwei  Arterien  und  zwei  Venen, 
Aus  diesen  ergiessen  sich  in  beide  Hoden  je  eine  Vene  und  eine 
Arterie. 

§ 12.  Die  Hoden  (Ovarien)  lagern  ausserhalb  in  der  Nähe 
des  Cervix,  an  jeder  Seite  eine.  Sie  sind  mürbe  und  drüsig,, 
dabei  mit  besonderer  Haut  bedeckt.  Ihre  Gestalt  'ist  nicht  wie 
bei  den  Männern  länglich,  sondern  etwas  aufwärts  gekrümmt, 
stielrund  und  an  der  Basis  abgeplattet. 

Der  Samengang  zur  Gebärmutter  führt  aus  beiden  Hoden, 
sich  an  den  Seiten  längst  ziehend,  bis  zur  Blase  und  pflanzt  sich 
in  den  Hals  derselben.  Daher  glaubte  man,  es  trage  der  weib- 
liche Samen  zur  Erzeugung  nicht  bei,  weil  er  sich  nach  aussen 
ergiesse.  Doch  hierüber  reden  wir  in  dem  Abschnitt  über  den 
Samen. 

Einige  und  unter  ihnen  auch  Chius  behaupten,  sie  besitzen 
auch  Aufhängebänder.  Auch  wir  haben  dies  durch  Augenschein 
an.  einer  Frau  gesehen,  welche  an  Darmbruch  (Enterocele)  litt; 
bei  deren  Operation  'fiel  der  Hoden  vor,  da  die  ihn  haltenden 
und  umfassenden  Gefässe  nachliessen,  mit  welchen  auch  ein  Band 
(Ligam.  Suspensorium)  vorfiel. 


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§ 13.  Die  ganze  Gebärmutter  setzt  sich  aus  zwei  aufeinander 
liegenden  Schichten  zusammen,  die  Papierfasern  ähnlich  sind. 
Die  äussere  ist  mehr  nervig,  glatt,  hart  und  bleich,  die  innere 
mehr  fleischig,  unebener,  weich  und  röthlich,  ganz  und  gar  mit 
Gefässen  verwoben  und  zwar  sind  diese  nach  dem  Grunde  zu 
zahlreicher  und  bedeutender,  weil  hier  der  Samen  haftet  und  von 
hier  aus  die  Reinigung  vor  sich  geht.  Die  beiden  Schichten  hängen 
wieder  mit  einander  durch  schlaffe  Gewebe  und  Nerven  zusammen, 
so  dass  der  Uterus  bei  häufiger  Ausdehnung  vorfällt,  indem  die 
nervige  Haut  an  ihrem  Platze  bleibt,  die  innere  aber  sich  heraus- 
stülpt. 

§ 14.  Ferner  hat  in  der  Regel  der  Uterus  bei  denen,  die 
nicht  geboren  haben,  in  seinem  Grunde  zwei  Falten  gerunzelt, 
wie  Filz,  bei  denen  aber,  welche  bereits  geboren  haben,  dehnt 
sich  der  ganze  Uterus  aus  und  wird  rund.  Diokles  behauptet, 
auch  Saugnäpfe,  welche  auch  nlzxxdvai  oder  Mutterhörner  heissen, 
befänden  sich  in  dem  Aveiten  Raum  der  Gebärmutter;  sie  seien 
zitzenförmige  Auswüchse,  auf  dem  Grunde  breit  und  nach  oben 
spitz,  an  beiden  Seiten  liegend;  vorsorglicher  Weise  seien  sie  von 
der  Natur  geschaffen,  damit  der  Embryo  schon  vorher  lerne  die 
Warzen  der  Mutterbrust  anzuziehen.  Doch  dies  ist  ein  anatomischer 
Irrthum.  Die  Saugwarzen  lassen  sich  nicht  finden  und  es  wider- 
spricht der  Natur,  was  man  über  sie  sagt,  wie  in  den  Kommen- 
taren über  die  Zeugung  bewiesen  wird. 

§ 15.  Man  muss  nicht  annehmen,  dass  die  Gebärmutter  für 
das  Leben  von  grosser  Bedeutung  ist.  Denn  sie  fällt  nicht  nur 
vor,  sie  wird  auch  bei  manchen  herausgeschnitten,  ohne  den  Tod 
herbeizuführen,  wie  Themison  erzählt.  In  Gallien  soll  man  den 
zur  Mast  bestimmten  Schweinen  die  Gebärmutter  ausschneiden. 

Wenn  sie  jedoch  krank  ist,  so  zieht  sie  Magen  und  Gehirn- 
häute in  Mitleidenschaft.  Auch  besteht  zwischen  ihr  und  den 
Brüsten  eine  natürliche  Sympathie.  Sobald  die  Gebärmutter  sich 
in  den  reifen  Jahren  vergrössert,  schwellen  auch  die  Brüste  an; 
während  die  Gebärmutter  den  Samen  gestaltet,  bereiten  die  Brüste 
Milch  zur  Ernährung  der  Früchte;  während  der  monatlichen 
Reinigung  versiegt  die  Milch,  fliesst  sie  jedoch  wieder,  so  ist  die 
Reinigung  zu  Ende;  ebenso  erschlaffen  auch  die  Brüste  bei 
Aelteren,  wenn  der  Uterus  sich  zusammenzieht,  und  wenn  der 
Embryo  erkrankt  ist,  verkleinert  sich  ihr  Umfang.  Sehen  wir 
bei  Schwangeren,  dass  sich  die  Brüste  zusammenziehen  und 
schrumpfen,  so  sagen  wir  eine  Fehlgeburt  voraus. 

§ 16.  So  ist  die  Gebärmutter  beschaffen.  — Die  weibliche 
Scham  heisst  auch  Scheide.  Sie  ist  ein  n ervenreiches  Häutchen, 
ein  Flohlcylinder,  wie  ein  Darm,  im  Innern  umfangreicher,  nach 


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aussen  schmäler.  Hier  findet  die  sexuelle  Vereinigung  statt.  Der 
innere  Theil  desselben  grenzt  an  den  Hals  des  Uterus  wie  bei 
den  Männern  die  Vorhaut  an  die  Eichel,  der  äussere  an  die  grossen 
Labien,  der  untere  an  das  Gesäss,  die  Seiten  an  die  fleischigen 
Theile  der  Hüften,  der  obere  Theil  an  den  Hals  der  Blase.  Denn 
dieser  ragt,  wie  wir  schon  sagten,  über  den  Mund  des  Uterus, 
verläuft  längs  der  Scheide  und  mündet  in  die  Harnröhre.  Es 
zeigt  sich  nun  die  Mutterscheide  unterhalb  des  Halses  der  Blase 
und  oberhalb  des  Afters,  des  Schliessmuskels  und  auf  dem  Ende  des 
Mastdarmes  liegend.  Wie  wir  gleichfalls  schon  behaupteten, 
schwankt  ihre  Grösse  und  zwar  nicht  nur  im  Verhältniss  zum 
Alter  oder  zu  dem  ausgeübten  Beischlaf,  bei  welchem  sich  der 
Hals  des  Uterus  dehnt  und  zugleich  mit  dem  männlichen  Gliede 
einen  Theil  der  Scheide  einnimmt,  sondern  auch  von  Natur  ragt 
bei  manchen  der  Hals  vor,  bei  anderen  ist  er  ganz  kurz.  Bei 
der  Mehrzahl  der  Erwachsenen  misst  sie  6 Finger.  Mehr  ab- 
geplattet ist  sie  bei  den  Jungfrauen,  indem  sie  Falten  hat,  welche 
durch  vom  Uterus  kommende  Gefässe  gebildet  werden,  und  diese 
bereiten  bei  der  Defloration  Schmerzen  dadurch,  dass  die  Falten 
sich  glätten;  denn  sie  reissen  und  sondern  das  gewöhnlich  (beim 
Coitus)  fliessende  Blut  aus. 

§ 17.  Die  Annahme  ist  entschieden  falsch,  es  sei  ein  dünnes 
Häutchen  so  gewachsen,  dass  es  die  Mutterscheide  versperre, 
dieses  zerreisse  bei  der  Defloration  und  verursache  den  Schmerz 
oder  schon  früher  bei  Eintreten  der  Menstruation;  wenn  es  aber 
bleibe  und  stärker  werde,  verschulde  es  das  Leiden,  welches  man 
Atresie  (Verschluss)  nennt.  Denn  erstens  lässt  es  sich  nicht  anato- 
misch auffinden,  zweitens  müsste  man  bei  der  Untersuchung  der 
Jungfrauen  mit  der  Sonde  auf  Widerstand  stossen,  doch  diese  dringt 
im  Gegentheil  tief  hinein.  Drittens  müsste,  wenn  bei  der  Deflo- 
ration das  Häutchen  reisst  und  Schmerz  verursacht,  nothwendiger 
Weise  schon  bei  der  Menstruation  vor  dem  ersten  Coitus  bei  den 
Jungfrauen  heftiger  Schmerz  erfolgen,  doch  nicht  mehr  bei  dem 
ersten  Coitus.  Ueberhaupt  müsste,  wenn  das  derber  gewordene 
Häutchen  Atresie  verursachte,  sich  dieses  stets  an  demselben  Orte 
finden,  ganz  wie  wir  bei  allen  anderen  Theilen  jeden  an  seinem 
besonderen  Platze  sehen.  Nun  findet  man  aber  bei  den  an 
Atresie  leidenden  das  die  Oeffnung  versperrende  Häutchen  bald 
an  den  vorstehenden  Labien,  bald  in  der  Mitte  der  Scheide,  bald 
in  der  Mitte  der  Mündung  der  Gebärmutter. 

§ 18.  Die  Mutterscheide  ist  aber  aisobeschaffen.  Die  aussen 
sichtbaren  Fortsätze  kann  man  gewissermassen  die  Lippen  der 
Scheide  nennen.  Sie  sind  dick  und  fleischig,  erstrecken  sich  unten 
an  beide  Oberschenkel,  als  ob  sie  gewissermassen  auseinander 
gerissen  wären,  und  enden  oben  in  der  sogenannten  Nymphe. 


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Diese  bildet  den  Anfangspunkt  der  beiden  Schamlippen  (Labia 
minora)  und  ist  ihrer  natürlichen  Beschaffenheit  nach  ein  Stückchen 
muskulöses  Fleisch.  Der  Name  Nymphe  stammt  daher,  weil  das 
Stückchen  Fleisch  sich  gerade  so  schüchtern  zurückzieht,  wie 
Bräute  (wftq>sv6fievai)  zu  thun  pflegen.  Unter  der  Nymphe  ver- 
birgt sich  noch  wieder  ein  anderes  Stück  Fleisch,  welches  ein 
Theil  des  Halses  der  Blase  ist  und  Harnröhre  (Urethra)  heisst; 
die  innere  faltige  und  rauhe  Oberfläche  heisst  Lippe.  Die  Blase 
des  Mannes  unterscheidet  sich  aber  von  der  des  Weibes  dadurch, 
dass  jene  grösser  ist  und  einen  gebogenen  Hals  hat,  diese  kleiner 
und  geradhalsig  ist. 

Nachdem  somit  die  Erörterung  der  weiblichen  Geschlechts- 
theile  beendigt  ist,  kommen  wir  zu  den  Funktionen  der  Gebär- 
mutter, welche  sind:  die  monatliche  Reinigung,  Empfängniss, 
Schwangerschaft  und  die  nach  der  Reife  der  Frucht  erfolgende 
Geburt.  Der  natürlichen  Ordnung  folgend  werden  wir  zunächst 
über  die  monatliche  Reinigung  sprechen. 


Kapitel  IV. 

Die  Menstruation1). 

§ 19.  Die  Menstruation  heisst  „Emmenon“  und  „Katamenion“, 
weil  sie  jeden  Monat  eintritt,  und  „Epimenion“,  weil  sie  als  Nahr- 
ung für  die  Früchte  bestimmt  ist,  wie  man  ja  auch  den  Proviant 
der  Seefahrer  „Epimenia“  nennt.  Sie  heisst  auch  Reinigung,  weil 
nach  der  Behauptung  einiger  Forscher  durch  die  Aussonderung 
des  überflüssigen  Blutes  eine  Reinigung  des  Körpers  bewirkt 
wird.  Das  Monatliche  besteht  nun  bei  den  meisten  Weibern  in 
reinem  Blute,  bei  einigen  in  blutähnlicher  Feuchtigkeit  oder  Blut- 
wasser, wie  bei  den  vernunftlosen  Thieren.  Dieses  ist  alles  natur- 
gemäss,  da  es  ohne  Beschwerden  ausgesondert  wird.  Demnach 
ist  das  Monatliche  zu  definiren  als  Blut  oder  blutähnliche  Flüssig- 


l)  Die  Lehre  von  der  Menses  ist  in  diesem  Kapitel  in  sehr  vollständiger  und 
kritischer  Weise  abgehandelt. 

Nachdem  die  Synonymik  erörtert  ist,  wird  eine  genaue  Definition  gegeben  und 
die  Blutqualität,  das  Alter  des  Eintrittes  und  der  Cessation,  Blutmenge,  Dauer,  Ein- 
fluss von  Alter,  Jahreszeit,  Körperbau,  Beschäftigung  besprochen. 

Der  Einfluss  des  Mondes  wird  in  Abrede  gestellt. 

Die  physiologische  Amenorrhoe  und  die  Menses  in  graviditate  werden  in  das 
Auge  gefasst. 

Zu  vergleichen  ist  hier:  Hippocrates,  de  natura  pueri  § 14. 1 und  das  VII.  Buch 
der  Thiergeschichte  des  Aristoteles  (apokryph!)  ferner  Hippocrates,  de  morb.  mulier. 
Lib.  I.  cap.  6 (wo  die  Angabe  der  Menge  des  ergossenen  Blutes  — 2 Kotylen, 
stimmt),  (klassisch  ist  die  Darstellung  der  alten  Emmenologie  in  A.  v.  Hallers  Eiern, 
physiolog.  VII.  2.  Pars.  p.  137 — 177). 


11 


keit  welche  zu  ganz  bestimmten  Zeiten  und  zwar  besonders  durch 
den  Uterus  naturgemäss  ausgesondert  wird.  Wir  sagen:  besonders 
durch  den  Uterus,  weil  die  Reinigung  bisweilen  auch  von  der 
Scheide  ausgeht. 

S 20.  Die  Periode  tritt  in  der  Regel  zum  ersten  Male  um 
das  14.  Jahr  herum  ein  und  zu  gleicher  Zeit  mit  der  Reife  und 
dem  Wachsen  der  Brüste.  Die  Menge  der  Absonderung  ist  im 
Anfang  o-ering;  sie  nimmt  dann  zu  und,  nachdem  sie  eine  Zeit 
lang"  auf  derselben  Höhe  geblieben  ist,  wieder  ab,  um  schliess- 
lich0 vollständig  zu  versiegen,  was  nicht  vor  dem  40.  und  nicht 
nach  dem  50.  Jahre  zu  geschehen  pflegt.  So  ist  es  wenigstens 
in  der  Regel,  ausnahmsweise  dauert  die  Reinigung  bei  einigen 
auch  bis  zum  60.  Jahre.  Die  Zu-  und  Abnahme  geschieht  jedoch 
nicht  mit  so  exakter  Regelmässigkeit , wie  Diokles  meint,  der 
sagt,  die  Menstruation  daure  bis  zum  60.  Jahre,  sei  zuerst  gering, 
erreiche  den  Höhepunkt,  bleibe  auf  demselben  eine  gewisse  Zeit, 
nehme  dann  im  Verhältnis  wieder  ab  und  höre  schliesslich  ganz 
auf.  Doch  dies  ist  nicht  immer  so;  die  Zu-  und  Abnahme  ist 
vielmehr  bei  den  einzelnen  Frauen  verschieden  und  lässt  sich 
nicht  genau  abgrenzen.  In  der  Regel  beträgt  die  Menge  des 
abgesonderten  Stoffes  zwei  Kotylen,  bei  welcher  Massbestimmung 
wir  wieder  das  Durchschnittsverhältniss  im  Auge  haben. 

§ 21.  Die  Reinigung  dauert  bei  manchen  nur  einen  Tag, 
bei  anderen  2 Tage,  bei  einigen  sogar  bis  zu  7 Tagen  und  darüber; 
die  gewöhnliche  Dauer  jedoch  ist  3 oder  4 Tage.  Dieses  geschieht 
monatlich,  doch  keineswegs  genau,  sondern  nur  annähernd,  bald 
einige  Tage  früher,  bald  später.  Die  Reinigung  vollzieht  sich 
bei  jedem  Weibe  zu  einem  besonderen  Termine,  sie  fällt  nicht, 
wie  Diokles  will,  bei  allen  Frauen  in  dieselbe  Zeit,  noch,  wie 
Empedokles  behauptet,  in  die  Zeit  des  abnehmenden  Mondes. 
Bald  findet  sie  vor  dem  20.  Tage  bald  am  20.  Tage  des  Monats, 
bald  wieder  zur  Zeit  des  zunehmenden  bald  zur  Zeit  des  ab- 
nehmenden Mondes  statt,  manche  wieder  reinigen  sich  gewohn- 
heitsmässig  (habituell)  innerhalb  einer  gewissen  Reihe  von  Tagen. 
(Manche  haben  den  jedesmaligen  Eintritt  der  Menstruation  nach 
der  Zählung  der  Tage  bestimmt,  als  ob  die  normale  Absonderung 
den  3.  oder  4.  Tag  nicht  überschreiten  dürfe.  Dies  muss  man 
verwerfen.  Denn  einerseits  kann  die  Reinigung  mehrere  Tage 
dauern,  indem  sich  ganz  naturgemäss  die  gleiche  AI  enge  Aus- 
fluss auf  mehrere  Tage  vertheilt,  andrerseits  kann  an  einem  ein- 
zigen Tage  mehr,  als  normal  ist,  sich  aussondern.  Man  kann  da- 
gegen behaupten,  dass  die  im  richtigen  A^erhältniss  menstruirt 
haben,  welche  sich  nach  der  Reinigung  gestärkt  fühlen,  frei 
athmen,  nicht  aufgeregt  und  von  ungeschwächter  Kraft  sind ; bei 
den  übrigen  kann  man  das  Gegentheil  annehmen.)  Das  Normale 


12 


bei  den  geringeren  und  grösseren  Entleerungen  ergiebt  sich  je 
nach  dem  Alter  und  je  nachdem  mastige  oder  scharfe  und 
kühlende  Speisen  genossen  sind. 

§ 22.  Die  Menge  des  Ausflusses  ist  von  Natur  ungleich  und 
abhängig  von  dem  Alter,  der  Jahreszeit,  der  Konstitution,  der 
Beschäftigung,  der  Lebensweise  und  von  anderen  derartigen  ver- 
änderlichen Umständen,  da  ganz  naturgemäss  bei  manchen  mehr, 
bei  anderen  weniger  Blut  abgesondert  wird.  Das  Alter  hat  in 
sofern  Einfluss,  als  die  Reinigung  sowohl  bei  denen,  welche  der 
Cessation  nahe  sind,  als  auch  bei  denen,  bei  welchen  sie  zum 
ersten  Male  auftritt,  geringer  ist.  Ja  bei  diesen  wird  oft  nur  der 
nächste  Umkreis  der  Gebärmutter  feucht.  Nur  bei  ganz  wenigen 
und  auch  nur  bei  solchen,  welche  über  die  Blüte  ihres  Lebens 
hinaus  sind,  tritt  vor  der  Defloration  die  Absonderung  profuser 
auf,  sonst  verunreinigt  sie  nur  die  Umgegend.  Die  Jahreszeit  ist 
von  Bedeutung,  indem  der  Ausfluss  im  Frühling  stärker,  im 
Sommer  geringer,  indem  dann  eine  starke  Ausdünstung  durch  den 
ganzen  Körper  geschieht,  im  Herbst  wieder  stärker  als  im  Sommer 
und  geringer  als  im  Frühling,  im  Winter  wieder  geringer  als  im 
Herbst  ist.  Ferner  ist  die  Absonderung  bei  den  fetten  und  dicken 
Weibern  geringer,  da  der  Stoff  durch  die  gute  Ernährung  des 
Körpers  ganz  aufgebraucht  wird,  bei  den  schmächtigen  und 
mageren  reichlicher.  Denn  was  die  Natur  nicht  zur  Ernährung 
aufbraucht,  um  das  vermehrt  sich  die  Ausscheidung.  Endlich  ist 
noch  die  Art  der  Beschäftigung  und  die  Lebensweise  von  Ein- 
fluss. Bei  denen,  welche  ein  müssiges  Leben  führen,  ist  die  Aus- 
scheidung reichlicher,  bei  denen,  welche  dagegen  sich  viel  be- 
wegen, ist  sie  geringer.  So  verringert  sich  die  Menge  auch  bei 
den  Gesanglehrerinnen  und  bei  solchen,  welche  in  der  Fremde 
umherreisen,  zumal  wenn  sie  aus  dem  Binnenlande  an  die  Küste 
kommen. 

§ 23.  Doch  auch  das  Ausbleiben  der  Menstruation  ist  bisweilen 
physiologisch  normal  und  zwar  ganz  abgesehen  von  dem  Ivindes- 
und  Greisenalter,  auch  in  Folge  von  anstrengenden  Uebungen  im 
Gesang,  wo  der  Stoff  sich  vertheilt  und  ganz  aufgebraucht  wird, 
oder  bei  männlichem  Habitus,  oder  bei  Rekonvalescentinnen, 
wenn  der  Stoff  zur  Wiederherstellung  der  Lebenskraft  verwendet 
wird,  oder  schliesslich  im  Falle  der  Conception,  wo  das  Blut  zur 
Ernährung  des  Embryo  dient.  Bei  manchen  tritt  auch  noch  nach 
der  Empfängniss  die  Menstruation  ein  und  zwar  entweder  aus 
der  Scheide  oder  aus  dem  Halse  des  Uterus  und  den  Seiten. 
Denn  der  Samen  hängt  nicht  überall  am  ganzen  Uterus,  sondern 
nur  an  dem  Grunde  desselben.  Bisweilen  schwitzt  nun  Blut  aus 
dem  Theile  hervor,  an  dem  der  Samen  sich  nicht  festsetzt,  und 
es  tritt  deswegen  auch  bei  manchen  eine  Ueberschwängerung 


13 


ein.  Dass  das  Ausbleiben  der  Menstruation  bisweilen  ganz  natur- 
gernäss  ist,  kann  man  kurz  daran  erkennen,  dass  es  keine  Be- 
schwerden zur  Folge  hat. 


Kapitel  V. 

Die  Zeichen  der  eintretenden  Menstruation.1) 

§ 24.  Der  Eintritt  der  Reinigung  macht  sich  dadurch  be- 
merkbar, dass  man  bei  Herannahen  der  gewohnten  Zeit  Be- 
schwerlichkeit im  Bewegen  und  Schwere  im  Becken  spürt,  zu 
manchen  Zeiten  Mattigkeit,  Trägheit,  Gähnen  und  Gliederspannen, 
bisweilen  auch  Röthe  der  Wangen,  welche  entweder  andauert 
oder  auch  jäh  verschwindet,  um  nach  einiger  Zeit  wieder  auf- 
zublühen. Bei  manchen  zeigt  sich  Geneigtheit  zum  Erbrechen 
und  Appetitlosigkeit.  Der  erstmalige  Eintritt  der  Reinigung  ver- 
räth  sich  ausserdem  noch  durch  das  um  das  14.  Jahr  herum  ein- 
tretende Wachsen  der  Brüste,  durch  fühlbare  Schwere  in  dem 
Hypogastrium  und  durch  das  Jucken  der  Pubes  (Schamgegend.) 
Dies  pflegen  auch  diejenigen  zu  erdulden,  welche  mit  Gewalt 
zum  Beischlaf  genöthigt  werden. 

§ 25.  Was  nun  die  Pflege  vor  dem  Erguss  des  Monatlichen 
betrifft,  so  soll  man  möglichst  dazu  beitragen,  dass  es  sich  vom 
13jährigen  Alter  abwärts  ganz  von  selbst  und  vor  der  Vermählung 
ergiesst.  AVenn  beim  Coitus  der  Stoff  sich  auf  die  Geschlechts- 
theile  sowohl  beim  Manne  wie  beim  Weibe  wirft,  so  ist  Gefahr 
vorhanden,  dass  bei  der  ausscheidenden  Thätigkeit  eine  starke 


l)In  den  Koischen  Prognosen  (Littrö,  Hippocrate  V.  588)  werden  die  Molimina 
also  geschildert: 

Fieberschauer,  Mattigkeit,  Schwere  des  Hauptes,  Halsschmerz  künden  den  Ein- 
tritt der  Regeln  an  (Nr.  530  u.  537). 

auops,  gestatio  = das  Sichherumtragenlassen  in  einer  Sänfte,  vielleicht  auch 
auf  Rädern.  Diese  Art  Körpermotion  war  bei  den  Alten  beliebt  und  wurde  be- 
sonders durch  Asklepiades  eingeführt  und  empfohlen  (Plinius.  Hist  natural.  Lib 
XXYI  § 13). 

rtsico!,  Mutterzäpfchen  (während  ßiXavoi  = Stuhlzäpfchen)  eine  sehr  beliebte 
Applikationsform  von  Arzneien  für  die  Gebärmutter.  Ein  Fragment  des  berühmten 
Chirurgen  Antyllus  (Oribas,  II.  441,  ed  Daremberg)  belehrt  uns,  dass  dieselben  nur 
für  den  Uterus  bestimmt  sind;  es  giebt  erweichende,  adstringirende , eröffnende. 
Man  bereitet  sie  aus  etrurischem  Wachs,  Alkanna-Oel,  Gänsefett,  Butter,  gebranntem 
Harz,  Plirschmark,  Foenum  graecum  etc. 

Man  nimmt  zusammengelegte  Wolle,  wie  ein  Charpiebausch , welche  man  in 
das  Medikament  taucht  und  dem  Muttermunde  applizirt.  Zum  Zwecke  der  bequemen 
Herausnahme  wird  ein  wollener  Faden  angebunden. 

Es  entspricht  der  Begriff  ziemlich  unserem  „Tampon“,  auch  den  „Bacillen“ 
(Becquerel  u A.),  die  intrauterin  applizirt  werden.  Mit  unsern  Pessarien  hat  die 
Sache  nichts  zu  schaffen. 


14 


Congestion  und  Entzündung  entsteht.  Deswegen  muss  die  Be- 
wegung sanft  und  gleichmässig  sein;  die  Gestation  (alojQa)  darf 
andauernd  betrieben  werden,  alle  übrigen  Turnübungen  sind  zu 
verwerfen;  anzuempfehlen  ist  dagegen  in  Pausen  stattfindendes 
Einreiben  mit  reichlichem  Oel,  tägliches  Baden  und  jegliche  Zer- 
streuung des  Gemüthes.  Denn  mit  diesem  entspannt  sich  zugleich 
der  Körper  und  entlässt  ohne  Schwierigkeit  die  Aussonderung, 
es  müsste  denn  jemand  durch  fehlerhafte  Erziehung  verweichlicht 
sein.  Denn  zu  dieser  Zeit  muss  der  Körper  sich  stark  bewähren, 
damit  nicht  auch  der  Uterus  zugleich  mit  erschlafft  und  in  seiner 
eigenen  Thätigkeit  erlahmt. 

§ 26.  Sobald  einmal  beim  Beginn  der  Menstruation  die 
oben  erwähnten  Unannehmlichkeiten  auftreten,  ist  möglichste 
Ruhe  von  Nutzen.  Denn  gleich  wie  die  weinberauschten  durch 
starke  Bewegung  in  Krankheit  verfallen  und  Leute  mit  Gehirn- 
congestion  durch  lautes  Schreien  den  Kopfschmerz  steigern , so 
wird  auch  die  Gebärmutter,  welche  mit  dem  für  die  Reinigung 
bestimmten  Stoffe  angefüllt  ist,  durch  Bewegung  sympathisch  in 
einen  Zustand  von  Ermüdung  versetzt.  Aus  demselben  Grunde 
ist  auch  eine  saftige  und  gleichmässige  Nahrung  und  besonders 
noch  die  mit  warmem  Oel  getränkten  Mutterzäpfchen  (Pessarien) 
zu  empfehlen. 

Diejenigen,  welche  bereits  öfter  sich  gereinigt  haben,  soll 
man  handeln  lassen  wie  sie  gewohnt  sind.  Sie  können  der  Ge- 
wohnheit gemäss  ruhen  oder  sich  in  mässigen  Bewegungen  er- 
gehen. Sicherer  ist  es  zu  ruhen  und  nicht  zu  baden,  zumal  am 
ersten  Tage. 

Bei  denen  aber,  welche  wegen  des  vorgerückten  Alters  über- 
haupt bald  ganz  authören  werden  zu  menstruiren,  soll  man  dafür 
Sorge  tragen,  dass  dies  nicht  plötzlich  auf  einmal  geschieht. 
Denn  jede  plötzliche  Veränderung,  auch  die  zum  Besseren, 
schadet  dem  Köiper  durch  das  Ungewohnte.  Denn  das  Unge- 
wohnte wird  schlecht  ertragen  und  als  Unbequemlichkeit  em- 
pfunden. Was  wir  bei  der  ersten  Menstruation  vorschreiben, 
dasselbe  müssen  wir  auch  für  die  Zeit  der  Menopause  anrathen. 
Denn  so  kann  man  auch  die  fehlende  Menstruation  noch  hervor- 
rufen  und  noch  viel  leichter  die  noch  vorhandenen  Menses  er- 
halten. Auch  jetzt  sind  anzuempfehlen  die  lindernd  wirkenden 
Mutterzäpfchen  und  die  gleichermassen  wirkenden  Einspritzungen 
mit  erweichenden  Mitteln.  In  Fällen,  wo  die  Reinigung  die 
Kräfte  zu  untergraben  droht  oder  wo  sie  widernatürlich  innehält, 
muss  man  therapeutisch  vorgehen , doch  darüber  wird  in  dem 
Abschnitt  über  die  Pathologie  die  Rede  sein. 


15 


Kapitel  VI. 

Der  Nutzen  der  monatlichen  Reinigung1). 


§27  Da  man  allen  nützlichen  Vorgängen  Vorschub,  allen 
nicht  heilsamen  Widerstand  leisten  muss,  müssen  wir  auch  hier- 
über Betrachtungen  anstellen.  Bei  der  vorliegenden  Frage  er- 
heischen zwei  Punkte  eine  Beantwortung:  einmal  ist  die  Reinigung 
der  Gesundheit  heilsam?  und  dann,  ist  sie  förderlich  für  die  Kmder- 
zeuo-ung?  Einige  unter  den  früheren  Forschern,  welche  Hero- 
p hfl os  in  seiner  Schrift  über  volkstümliche  Vorurteile  erwähnt 
(medicin.  Volksaberglauben),  behaupten,  die  Reinigung  sei  sowohl 
für  die  Gesundheit  als  auch  für  die  Kindererzeugung  heilsam, 
Themis on  und  die  Mehrzahl  unserer  Schule  (methodische):  sie 
diene  nur  zur  Kindererzeugung,  andere  mit  berühmteren  Namen: 
sie  sei  weder  für  die  Gesundheit  noch  für  die  Kindererzeugung 
von  Nutzen.  Herophilos  und  Mnaseas  stellen  auf  Grund  ab- 
weichender Beobachtungen  die  Ansicht  auf,  manchen  Weibern 
sei  die  Menstruation  gesund,  manchen  wieder  schädlich.  Erstere 
schliessen  nun  folgendermassen : als  die  Natur  in  ihrer  weisen 
Fürsorge  für  die  Menschen  gesehen  habe,  dass  die  Männer  durch 
anstrengende  Arbeiten  sich  des  überflüssigen  Stoffes  entledigen, 
die  Frauen  jedoch  wegen  ihrer  häuslichen  und  sitzenden  Lebens- 
weise eine  Menge  Stoff  ansammeln,  habe  sie,  um  Gefahr  abzu- 
wenden, die  Vorkehrung  getroffen,  dass  sie  durch  die  Reinigung 
den  überflüssigen  Stoff  ausscheiden  können;  wenn  daher  die 
Reinigung  zu  schwierig  fliesse,  erfolgen  Kopfweh,  Verdunklung 
der  Augen,  Schmerz  in  den  Gliedern  und  in  der  Augenhöhle, 
und  das  gleiche  Gefühl  auch  in  der  Hüfte  und  dem  Unterleibe, 
Aufregung,  Angst,  Aufstossen,  Wechsel  von  Frost  und  Hitze; 
alles  dieses  verschwinde  wieder,  wenn  die  Menstruation  eintritt. 

§ 28.  Diesen  nun  ist  zu  entgegnen,  dass  man  über  die  Zweck- 
mässigkeit der  Natur  verschiedener  Ansicht  und  die  Beantwortung 


l)  Das  Buch  des  Herophilus  ,,-po?  ra?  */otva?  00 62s“  wird  nur  von  Soranus 

citirt. 

tpuoi;  Ttpovo7]tt/.Tj'  — hier  zeigt  sich  der  atomistische  Standpunkt  des  Verfassers, 
gegenüber  den  teleologischen  Ansichten  der  Stoa  und  des  Aristoteles. 

Die  Ausdrücke  „TCB'püuris“,  floulSip  = adstrictio,  laxitas  sind  die  Kommunitäten 
der  Methodiker. 

Mnaseas,  berühmter  Methodiker,  nahm  eine  physiologische  Zusammenziehung 
und  Erschlaffung  an,  womit  Dionysius,  ein  auch  bei  Galen  (Isagoge  cap.  IV)  ge- 
nannter Arzt  derselben  Schule  übereinstimmte,  während  Soranus  beide  Kommunitäten 
als  pathologisch  auffasste. 

Die  Ansichten  der  Alten  über  die  Bedeutung  der  Menstruation  sind  am  be- 
quemsten bei  Albr.  v.  Haller,  Elementa  physiologia.  VII.  b.  p.  175  nachzulesen. 


16 


jener  Frage  schwerer  ist  als  die  dieser,  ob  nämlich  die  Natur 
durch  ihre  Fürsorge  den  Appetit  der  Menschen  derartig  zu  regeln 
vermag,  dass  sie  nicht  mehr  Nahrung  als  noth wendig  zu  sich 
nehmen,  oder  verhindern  kann,  dass  Üeberschuss  entstehe.  Denn 
wenn  sie  dafür  sorgen  kann,  dass  man  das  Ueberflüssige  aus- 
sondert, so  ist  es  auch  ihre  Pflicht  zu  verhindern,  dass  zu  viel 
Stoff  sich  bildet.  Wenn  sie  nun  doch  einmal  in  ihrer  Fürsorge 
die  Reinigung  geschaffen  hat,  so  that  sie  dies  nicht  zum  Zweck 
der  Erhaltung  der  Gesundheit,  sondern  zum  Zweck  der  Kinder- 
erzeugung. Daher  gab  sie  die  Reinigung  weder  denen,  welche 
noch  nicht  empfangen  können,  wie  den  kleinen  Kindern,  noch 
denen,  welche  nicht  mehr  zu  empfangen  fähig  sind,  wie  z.  B.  den 
alten  Frauen,  sondern  hob  ausserhalb  der  Grenzen  des  Bedürf- 
nisses ihr  Werk  auf.  Cessirt  die  Menstruation,  so  leidet  der 
Körper  wegen  der  Aufhäufung  der  Stoffe,  durch  welche  der 
Monatsfluss  gehindert  ist.  Deswegen  scheint  auch  der  Eintritt 
der  Reinigung  nicht  zweckmässig,  da  er  weder  die  Anhäufung 
noch  eines  ihrer  Symptome  wegnimmt,  sondern  erst,  wenn  die 
Anhäufung  sich  löst,  auftritt,  ganz  wie  die  Aussonderung  des 
Darmkothes  und  des  Schweisses.  Die  Krankheit  hat  nichts  mit 
der  Gesundheit  gemein;  das  was  die  Aufhebung  eines  Leidens 
herbeiführt,  ist  noch  nicht  zugleich  auch  für  die  Erhaltung  der 
Gesundheit  förderlich.  Der  Aderlass  z.  B.  löst  die  Verstopfung 
des  Blutes,  dient  aber  nicht  zugleich  zur  Erhaltung  der  Gesundheit. 

Die  Forscher,  welche  behaupten  auch  nicht  einmal  für  die 
Kindererzeugung  wirke  die  Reinigung  nützlich,  sagen  so: 
die  Reinigung  entsteht,  wenn  die  Gebärmutter  eitert,  jedes 
Geschwür  aber  ist  pathologisch,  kein  pathologischer  Zustand 
erzeuge  Normales,  könne  also  auch  nicht  die  Empfängniss  fördern; 
allerdings  empfangen  manche,  die  noch  gar  nicht  menstruirt  haben, 
und  wieder  andere,  die  vor  der  Reinigung  empfangen,  menstruiren 
nach  der  Conception.  Auch  die  Ansicht  dieser  Leute  ist  zu 
verwerfen.  Denn  nicht  dadurch,  dass  die  Gebärmutter  schwärt, 
entsteht  die  Reinigung,  sondern  in  Folge  von  Durchsickern  von 
Blut  aus  den  Blutgefässen  und  von  Durchschwitzen,  wie  ja  auch 
das  Zahnfleisch,  wenn  daran  gerieben  wird,  ohne  Geschwürs- 
bildung blutet  und  wie  wir  ja  auch  bei  den  nicht  komplizirten 
Frakturen  die  Binden  beim  Abnehmen  derselben  blutgetränkt 
finden.  Dass  aber  die  Empfängniss  auch  ohne  jede  vorhergehende 
Reinigung  stattfinden  kann,  ist  einfach  nicht  wahr.  Denn  ge- 
schieht die  Reinigung  auch  nicht  durch  Blut,  so  doch  sicherlich 
durch  irgend  einen  andern  flüssigen  Stoff,  wie  bei  manchen  Thieren. 
Nach  der  Empfängniss  menstruiren  aber  manche  aus  anderen 
Körpertheilen,  wie  wir  oben  bewiesen  haben,  als  aus  denen, 
an  welchen  der  Samen  haftet. 


17 


§ 2g.  H er o philos  ist  der  Ansicht,  dass  die  Reinigung  für 
manche  Frauen  schädlich  wirke,  denn  manche  erfreuen  sich  bei 
Amenorrhoe  ungestörter  Gesundheit  und  werden  oft  im  Gegen- 
theil  durch  die  Reinigung  blass  und  mager  und  beginnen  zu 
leiden,  dass  sie  andrerseits  für  manche  auch  nutzbringend  sei, 
sodass  bei  ihnen  an  Stelle  der  früheren  Blässe  und  Magerkeit 
nach  der  Menstruation  ein  blühendes  und  wohlgenährtes  Aus- 
sehen tritt.  Mnaseas  meint,  manche  hätten  eine  starke,  manche 
eine  schwache  Natur  und  letztere  besitzen  bald  eine  straffe  bald 
eine  laxe  Konstitution;  für  diejenigen  nun,  die  eine  straffe  Faser 
besitzen,  sei  die  Reinigung  gesund,  für  diejenigen,  welche  eine 
schlaffe  (laxe)  Faser  besitzen,  dagegen  ungesund,  ganz  wie  auch  der 
Aderlass  nur  den  an  Straffheit  Leidenden  Eröffnung  verschafft, 
dagegen  den  an  Ausflüssen  (durch  Laxität)  Leidenden  die  Ab- 
führung noch  verstärkt.  Dies  hat  er  dem  Dionysios  entlehnt, 
dass  er  von  einem  naturgemässen  Straffen  und  Laxen  spricht, 
was  eben  nicht  gesund  ist,  wie  in  dem  zweiten  Buche  über  die 
Kommunitäten  erwähnt  ist.  Die  normale  Straffheit  ist  sicherlich 
harmloser  als  die  kleinste  pathologische  Straffheit.  Wie  nun 
der  Aderlass  nicht  nur  den  an  Ausflüssen  Leidenden,  sondern 
auch  den  an  geringer  Straffheit  Leidenden  nachtheilig  ist,  weil 
mehr  Schaden  dadurch  entsteht,  dass  Kräfte  zum  Ersatz  ver- 
wendet werden,  so  dürfte  auch  die  Reinigung  nicht  nur  denen, 
welche  physiologisch  eine  laxe  Faser  besitzen,  sondern  auch  denen, 
■welche  von  Natur  eine  straffe  Konstitution  haben,  schaden.  Ihm 
wie  auch  zugleich  dem  Herophilos  ist  zu  erwidern,  dass  die 
Reinigung  in  jedem  Falle  gesundheitlich  schadet,  nur  tritt  dies 
mehr  bei  denen,  welche  für  Krankheiten  empfindlicher  sind,  als 
bei  denen  hervor,  deren  Körper  Krankheiten  grossen  Widerstand 
zu  leisten  vermag.  Man  kann  beobachten,  dass  gerade  die  Mehr- 
zahl derjenigen,  die  nicht  menstruiren,  recht  kräftig  ist,  wie  z.  B. 
die  Viragines  und  die  unfruchtbaren  Frauen.  Wenn  im  höheren 
Alter  die  Reinigung  aufhört,  so  schadet  dies  der  Gesundheit 
durchaus  nicht,  überhaupt  macht  die  Entziehung  des  Blutes  die 
meisten  noch  weichlicher.  Auch  sind  die  Jungfrauen,  welche  noch 
nicht  menstruirt  haben,  keineswegs  in  ihrer  Gesundheit  dadurch 
benachtheiligt.  Wenn  diese  aber  sich  andauernder  Gesundheit 
erfreuen,  so  kann^die  Reinigung  nicht  zur  Gesundheit  beitragen, 
sondern  nur  zur  Kindererzeugung.  Denn  ohne  Menstruation  giebt 
es  keine  Conception. 


Soranus,  Ueber  die  Krankheiten  des  weiblichen  Geschlechtes. 


IS 


Kapitel  VII. 

Ist  dauernde  Jungfrauschaft  der  Gesundheit 

zuträglich1)? 

§ 30.  Die  Frage,  ob  dauernde  Jungfrauschaft  der  Gesund- 
heit zuträglich  ist,  bejahen  manche,  andere  verneinen  sie.  Die 
ersteren  sagen,  der  Körper  leidet  unter  den  sinnlichen  Trieben. 
So  sehen  vielfach  die  Liebenden  blass,  schwach  und  mager  aus; 
die  Jungfrauschaft  kennt  aber  die  Liebe  nicht  und  hat  daher  auch 
kein  Verlangen  danach.  Ferner  schadet  jeder  Samenerguss  den 
Frauen  in  demselben  Grade  wie  den  Männern;  somit  ist  die 
Jungfrauschaft  gesundheitlich  heilsam,  da  sie  den  Samenerguss 
hindert.  Als  Beweis  dienen  auch  die  unvernünftigen  Thiere. 
Stuten,  welche  nicht  belegt  sind,  laufen  besser;  Säue,  denen  die 
Gebärmutter  ausgeschnitten  ist,  werden  grösser,  fetter  und  stärker, 
ihr  Fleisch  so  fest  wie  bei  den  männlichen  Schweinen.  So  ist  es 
offenbar  auch  bei  dem  Menschen.  Denn  da  unter  den  Männern 
gerade  die,  welche  unschuldig  bleiben,  stärker  und  grösser  sind 
als  andere  und  sich  einer  besseren  Gesundheit  in  ihrem  ganzen 
Leben  erfreuen,  ist  folglich  auch  in  gleicher  Weise  dem  weib- 
lichen Geschlechte  die  Erhaltung  der  Jungfrauschaft^  gesünder. 
Denn  die  Conceptionen  und  Geburten  nehmen  den  Körper  der 
Weiber  arg  mit  und  lassen  ihn  schnell  hin  welken,  daher  muss 
man  mit  Recht  den  Zustand  der  Jungfrauschaft,  der  das  weib- 
liche Geschlecht  vor  jenen  Schädlichkeiten  bewahrt,  als  gesund 
bezeichnen. 

§ 31.  Die  Forscher,  welche  entgegengesetzter  Ansicht  sind, 
behaupten  dagegen,  das  Verlangen  nach  Liebe  sei  nicht  nur  den 
Frauen,  sondern'  auch  den  Jungfrauen  eigentümlich.  Bei  einigen 
Jungfrauen  mache  sich  das  Verlangen  lästiger  bemerkbar  als  bei 
Frauen,  da  ja  das  Verlangen  nur  in  dem  Beischlaf,,  nicht  in  der 
Entsagung  seine  Befriedigung  finde.  Das  Verbleiben  in  dem 
Stande  der  Jungfrauschaft  hebt  jedenfalls  den  sinnlichen  Ineb 
nicht  auf.  Man  sagt  auch,  der  Samenerguss  sei  an  und  tur  sich 
weder  beim  männlichen  noch  beim  weiblichen  Geschlechte  schäd- 
lich, sondern  erst,  wenn  er  ohne  Maass  stattfindet..  Bei  andauern- 
dem Samenerguss  leidet  der  Körper,  dagegen  ist  die  Samen- 


1)  onsouaTO?  ev.xpwi;  Aussonderung  des  Samens.  Die  Alten  nahmen  ein  Semen 
muliebre  an"  Die  Frage  wird  noch  durch  A.  v.  Haller  in  einem  eigenen  Kapitel 
ventilirt  (Elementa  physiolog.  VIII,  pag.  24  § XIII  Nun,  lemmae  suum  semens.) 
Hippocrales  («01  vovn;,  apocryph)  nahm  weiblichen  Samen  an , ebenso  Democrii, 
Anaxagoras  bis'  aJf  (de  Semine  Lib.  1) , welcher  die  Beobachtung  an  einer 

Wittwe  machte.  Auch  de  usu  partus  Lib.  XIII  cap.  XI  ivird  die  Lehre  '° 
muliebre  breit  abgehandelt,  wobei  jedoch  kein  Eipfiuss  dieses  Fluidums  auf  die 
Zeugung  angenommen  wird.  (Excret  der  Glandula  Bartholim. 


19 


aussonderung  heilsam,  wenn  sie  nach  Pausen  geschieht,  insofern 
als  dadurch  das  Gefühl  von  Schwere  in  der  Bewegung  und  die 
Verstimmung  (des  Kehlkopfs)  aufgehoben  wird.  Viele  bewegen 
sich  wenigstens  nach  dem  Coitus  leichter  und  gehen  stolzer. 
Manche  sagen,  die  Verschwendung  des  Samens  sei  schädlich,  denn 
sie  bewirke  Schwäche  und  schade  schon  so;  wenn  der  Coitus  aber 
nur  wenig  und  zur  rechten  Zeit  stattfinde,  so  nütze  er  sogar  zu 
etwas,  nämlich  zu  einer  leichten  Menstruation.  Wie  nämlich  die 
Bewegung  des  ganzen  Körpers  Schwitzen  zu  verursachen,  Ruhe 
jedoch  es  zu  dämmen  und  zurückzuhalten  pflegt  und  wie  eine 
rednerische  Kraftanstrengung  in  höherem  Grade  Aussonderung 
des  Speichels  verursacht,  der  gewissermassen  dem  Hauche  auf 
dem  Fusse  folgt,  so  bewirkt  auch  die  häufige  Anstrengung  der 
weiblichen  Geschlechtstheile  bei  den  Liebeswerlcen  eine  gleich- 
zeitige Erschlaffung  des  ganzen  Körpers.  So  wird  auch  die 
Gebärmutter  locker  und  die  Menstruation  kann  ungehindert  vor 
sich  gehen.  So  haben  viele  während  einer  langen  Wittwenzeit 
nur  tropfenweise  und  unter  Mühen,  nach  einer  Wiederverheiratung 
jedoch  wieder  ohne  Schwierigkeit  menstruirt.  Die  castrirten 
Säue  werden  allerdings  fetter,  doch  dies  kommt  daher,  weil  sie 
kein  inneres  Organ  haben,  welches  die  Funktion  der  Menses 
ausübt.  Wenn  einer,  der  überhaupt  keine  Füsse  hat,  auch  nicht 
an  Podagra  leiden  und  ein  Blinder  nicht  schielen  kann,  da  das 
Organ  als  Sitz  der  Krankheit  fehlt,  ebenso  können  natürlich  auch 
die,  welche  überhaupt  keinen  Uterus  haben,  nichts  von  den  Be- 
schwerden spüren,  die  durch  ihn  veranlasst  werden.  Die  Jung- 
frauen haben  nun  aber  eine  Gebärmutter.  Wenn  sie  sich  also 
ganz  der  Umarmung  enthalten,  so  ist  zu  befürchten,  dass  die 
Thätigkeit  der  Gebärmutter  bei  ihnen  ganz  aufhört.  Wenn 
andrerseits  behauptet  wird,  dass  mit  der  Enthaltung  vom  Coitus 
auch  die  Nachtheile  des  Gebäraktes  wegfallen,  so  sagen  sie  da- 
gegen,  dass  der  Nachtheil  der  Enthaltsamkeit  doch  insofern  viel 
grösser  ist,  als  die  Menstruation  erschwert  ist.  Solche  werden 
sicherlich  fett  und  körperlich  umfangreich,  da  der  Stoff  sich  all- 
mählich aufhäuft,  der  eigentlich  durch  die  Reinigung  aufgebraucht 
werden  sollte.  Demnach  ist  also  die  Jungfrauschaft  im  Allge- 
meinen schädlich. 

§ 32.  In  dieser  Weise  suchen  beide  Ansichten  ihre  Be- 
rechtigung zu  beweisen.  Wir  meinen  jedoch,  dass  dauernde 
Jungfrauschaft  der  Gesundheit  förderlich  ist,  weil  der  Coitus 
überhaupt  schädlich  ist,  wie  ich  bereits  in  meinem  AVerke  über 
die  Gesundheit  ausführlich  erörtert  habe.  Wir  sehen  ja  auch, 
dass  unter  den  weiblichen  Thieren  die  am  Coitus  gehinderten  die 
stärkeren  sind,  und  dass  diejenigen  Weiber  den  Krankheiten 
grösseren  AViderstand  leisten,  welche  durch  gesetzliche  oder 
religiöse  Rücksichten  dem  Coitus  ferngehalten  und  zur  Bewahrung 

2* 


20 


der  Jungfrauschaft  gezwungen  werden.  Dass  aber  bei  diesen  die 
Menstruation  nur  schwierig  vor  sich  geht  und  dadurch  vielfach 
ein  fetter  und  dicker  Körper  erzeugt  wird,  das  hat  seinen  Grund 
in  der  Trägheit  und  Ruhe  des  Körpers.  Denn  da  die  Mehrzahl 
dieser  in  ihren  vier  Wänden  unter  Obhut  gehalten  werden,  ent- 
behren sie  auch  der  körperlichen  Uebungen  und  demnach  auch 
des  hieraus  entspringenden  Wohlbefindens,  dagegen  befallen  sie 
die  oben  erwähnten  Beschwerden. 

Es  ist  somit  zwar  die  beständige  Bewahrung  der  Jungfrau- 
schaft für  beide  Geschlechter  gesund,  aber  das  allgemeine  Natur- 
gesetz, nach  welchem  beide  Geschlechter  bei  der  Erzeugung  der 
Nachkommenschaft  mitwirken  sollen,  setzt  die  sexuelle  Ver- 
mischung voraus.  Doch  darüber  wird  demnächst  die  Rede  sein. 


Kapitel  VIII. 

Wie  lange  muss  das  Weib  die  Jungfrauschaft 

bewahren1)? 

§ 33.  Da  der  Mann  nur  Samen  entleert,  so  erwächst  ihm 
keine  Gefahr  aus  dem  ersten  Coitus;  da  düs  Weib  aber  ausser- 
dem noch  den  Samen  aufnehmen  und  als’  Grundstoff  zu  einem 
neuen  Geschöpfe  empfangen  muss,  ist  Gefahr  vorhanden,  dass  sie 
zu  früh  oder  zu  spät  als  für  diesen  Zweck  zuträglich  ist,  deflorirt 
wird.  Daher  müssen  wir  auch  diese  Frage  in  Erwägung  ziehen. 

Manche  sind  der  Ansicht,  das  Weib  solle  zweckmässig  so 
lange  Jungfrau  bleiben,  bis  sich  der  Drang  zur  Vermischung 
geltend  mache.  Denn  die  Natur  selbst  hat  Thieren  und  Menschen 
Anreize  und  Triebe  eingepflanzt  und  in  Bewegung  gesetzt,  die 
sich  bemerkbar  machen,  wann  die  Begattung  naturgemäss  ein- 
treten  soll,  indem  der  Körper  dann  heftig  nach  dem  Genuss  der 
Liebe  verlangt.  Diese  übersehen  aber  dabei,  dass  nur  die  Thiere 
sich  allein  durch  die  Natur  und  Zufall  bestimmen  lassen,  von 
sich  selbst  aus  aber  nicht  zur  Erweckung  der  Begierden  bei- 
tragen. Daher  ist  auch  ihnen  grösstentheils  der  Termin  zur 


l)  Das  von  einem  unbekannten  Sophisten  verfasste  Buch:  de  virginum 
m orbis  (Littrb,  Hippocrate  VIII,  467),  schildert  maniakalisclie  ekstatische  Zustände 
bei  Mädchen,  gegen  welche  die  Vermählung  empfohlen  wird. 

Die  Gefahren  der  Geburten  älterer  Primiparen  hat  die  Neuzeit  vollauf 
bestätigt  (Rumpe,  Archiv  d Gynäk.  NX,  117.  — Ahlfeld,  ebenda  IV,  510  — 
Cohnstein,  ebenda  499.  — Win  ekel,  Berichte  1876,  2.  Bd.  pag.  229 — 237. 

Das  Wort  pppa  gebe  ich  mit  „Bärmutter“.  Man  sehe  hierüber  Hyrtl, 
die  alten  deutschen  Kunstworte  der  Anatomie  1884  pag.  17.  — Grimm,  Deutsche 
Mythologie  int  (neue  Ausgabe  969). 

Stazopiuaic  = Defloration,  wird  edler  mit  Vermählung  übersetzt  als  mit  Ent- 
jungferung. 


21 


Brunst  vorher  fest  bestimmt,  bei  den  Menschen  steht  er  aber 
keineswegs  sicher  fest,  indem  die  Phantasie  oft  durch  ungewohnte 
üppige  Vorstellungen  erregt  wird.  Da  ja  Jungfrauen,  welche 
nicht  züchtig  erzogen  sind,  eben  wegen  der  mangelhaften  Er- 
ziehung zu  früh  Begierden  hegen,  kann  man  sich  auf  jene  Triebe 
nicht  verlassen.  Vielmehr  ist  es  förderlich,  so  lange  in  dem  Zu- 
stande der  Jungfrau  zu  beharren,  bis  die  Menstruation  von  selbst 
eintritt.  Denn  dies  beweist,  dass  der  Uterus  bereits  fähig  ist, 
die  ihm  zukommende  Thätigkeit  auszuüben,  wozu  auch  die  Con- 
ception  gehört,  wie  ich  oben  erläuterte.  Es  besteht  Gefahr,  dass 
Empfängniss  stattfindet,  solange  die  Gebärmutter  noch  nicht  ganz 
entwickelt  ist;  dann  wird  der  Fötus  bei  dem  Wachsthum  des 
Fruchthalters  gedrückt  (indem  die  Gebärmutter  mit  dem  Embryo 
im  Wachsen  nicht  Schritt  halten  kann)  und  geht  so  entweder 
ganz  zu  Grunde  oder  verliert  seine  eigentümliche  Gestalt  oder 
versetzt  auch  zur  Zeit  der  Geburt  die  Gebärende  in  die  höchste 
Gefahr,  indem  er  durch  die  engen  und  noch  nicht  reifen  Ge- 
schlechtsteile um  den  Muttermund  hindurchtritt.  So  kommt  es 
auch  vor,  dass  manche  Früchte  Mangel  an  Nahrung  leiden,  indem 
die  Gebärmutter  noch  nicht  mit  genügend  grossen  Blutgefässen 
durchzogen  ist,  sondern  nur  solche  hat,  welche  ganz  dünn  sind 
und  nicht  das  zur  Ernährung  der  Frucht  nötige  Blut  verschaffen 
können.  Die  Menstruation  tritt  nun  zum  ersten  Male  in  der 
Regel  um  das  vierzehnte  Jahr  herum  ein.  Dies  ist  eine  natur- 
gemässe  Erscheinung,  die  auch  den  richtigen  Zeitpunkt  der  Ver- 
heiratung anzeigt.  Nicht  ganz  ohne  Gefahr  ist  andrerseits  die 
Verheiratung,  wenn  sie  erst  in  späten  Jahren  stattfindet.  Denn 
auch  der  Gebärmutterhals  bleibt  ganz  ebenso  wie  die  männlichen 
Geschlechtsteile  in  unentwickeltem  Zustande,  wenn  er  die  sexuellen 
Funktionen  nicht  ausübt.  Wenn  sich  nun  der  Samen  in  dem 
Raume  der  Uterushöhle  geformt  hat  und  zum  lebenden  Wesen 
gebildet  ist,  so  können  grosse  Beschwerden,  ja  Lebensgefahr 
dadurch  entstehen,  dass  bei  der  Geburt  die  Frucht  durch  den 
engen  Hals  nicht  durchkommen  kann.  Nach  diesen  Erwägungen 
ist  demnach  die  Zeit,  in  welcher  das  zur  Zeugung  bestimmte 
Organ  die  Fähigkeit  gewinnt  eine  Empfängniss  zu  ertragen,  auch 
am  geeignetsten  zu  der  Vermählung. 


Kapitel  IX.. 

Die  Zeichen  der  muthmasslichen  Fruchtbarkeit1). 

§ 34.  Da  die  grosse  Mehrzahl  der  Ehen  nicht  um  der  Wollust 
willen,  sondern  der  Erzielung  von  Nachkommenschaft  wegen  ge- 
schlossen jwird,  ist  es  ganz  sonderbar,  dass  man  dabei  mehr  aut 

b Hierzu  vergleiche  man  das  Buch  de  sterilibus  (Littre,  Hippocrates  Vlir,  408). 


22 


ahnenreiche  Abstammung  und  Vermögen  Gewicht  legt,  statt  zu 
berücksichtigen,  ob  die  Frau  zur  Conception  fähig  und  zum  Ge- 
bären gut  gebaut  ist.  Hierüber  müssen  wir  noch  Einiges  sagen. 
Die  wahrscheinliche  Fruchtbarkeit  setzt  ein  Alter  von  15  bis 
höchstens  40  Jahren  voraus;  die  Frauen  dürfen  nicht  viragines 
(=  Mannweiber),  dick  und  derbknochig,  aber  auch  nicht  schlaff 
und  lymphatisch  sein,  denn  der  Uterus,  der  mit  dem  ganzen 
Leibe  in  Sympathie  steht,  könnte  bei  zu  grosser  Härte  leicht  die 
Aufnahme  des  Samens  verhindern  oder  bei  zu  grosser  Erschlaffung 
und  Schwäche  ihn  wieder  ausfliessen  lassen;  der  Uterus  darf 
weder  zu  feucht  noch  zu  trocken,  weder  zu  weit  noch  zu  eng 
sein;  die  Reinigung  muss  normal  mit  Blut  geschehen,  nicht  mit 
irgend  einem  abnormen  leukorrhöischen  Ausfluss,  auch  darf  dabei 
das  Blut  weder  in  zu  grossen  noch  in  zu  kleinen  Mengen  fliessen ; 
der  Muttermund  muss  weit  vorne  und  in  gerader  Richtung  liegen; 
denn  wenn  er  schief  und  zu  nahe  am  Schosse  liegt,  ist  er  weniger 
zum  Ansaugen  und  zur  Aufnahme  des  Samens  befähigt.  Auch 
müssen  die  Weiber  leicht  verdauen  und  dürfen  nicht  habituellen 
Durchfall  haben,  müssen  ruhigen  Gemüthes  und  immer  heiter  sein. 
Denn  andauernde  Dyspepsie  erschwert  die  Empfängniss  und  der 
Durchfall  lässt  den  aufgenommenen  Nährstoff  nutzlos  wieder  ab- 
gehen. Trauer  und  Leidenschaft  aber  stossen  durch  die  Störung 
der  Respiration  das  Produkt  der  Empfängniss  wieder  aus. 

§ 35.  Die  fruchtbaren  Weiber  zeigen  nach  der  Ansicht  einiger 
Forscher  weder  Trauer  noch  Freude  im  Angesicht.  Sie  halten 
diejenigen,  welche  die  Farbe  schnell  — zumal  ins  Dunkelrothe  — 
wechseln , für  weniger  entsprechend.  Denn  solche  besässen  zu 
grosse  Hitze,  welche  sie  einerseits  von  sinnlicher  Lust  ferne  halte 
und  dunkelroth  färbe,  andrerseits  auch  gewissermassen  den  Samen 
vertrocknet  und  vernichtet.  Diokles  giebt  als  ein  ziemlich 
sicheres  und  als  erstes  Zeichen  der  Fruchtbarkeit  an,  wenn  die 
AVeiber  an  der  Hüfte  und  in  den  AVeichen  recht  fleischig  und 
breit,  sommersprossig,  dunkelblond  (rothblond)  sind  und  ein  männ- 
liches Aussehen  haben,  unfruchtbar  dagegen  seien  die,  bei  denen 
dies  nicht  zuträfe,  welche  zu  mager,  zu  dürr  oder  zu  fett,  zu  alt 
oder  viel  zu  jung  seien.  Das  sicherste  Zeichen  gewänne  man 
aus  der  Anwendung  von  Suppositorien  wie  z.  B.  Harz,  Raute, 
Knoblauch,  Koriander.  Wenn  der  Geruch  dieser  Stoffe  zum 
Munde  heraus  käme,  so  könne  man  Fruchtbarkeit  konstatiren, 
im  entgegengesetzten  Falle  sie  leugnen.  Euenor  und  Euryphon 
liessen  die  Frauen  auf  dem  Geburtsstuhl  Platz  nehmen  und 
räucherten  mit  denselben  Mitteln.  Alles  dieses  ist  Schwindel. 
Man  kann  fruchtbar  sein,  ohne  dass  man  an  der  Plüfte  sehr 
fleischig  ist,  auch  die  Suppositorien  sind  trügerisch,  da  deren 
Eigenschaften  auch  durch  die  hypothetischen  Poren  hinaufdringen 
können  und  so  keinesfalls  die  Fähigkeit  zu  empfangen  voraus- 


23 


setzen.  Auch  Asklepiades  behauptet,  wenn  man  jemand,  der 
ein  Geschwür  am  Schenkel  habe,  die  Rautensalbe  auflegc,  so 
werden  deren  Eigenschaften  von  dem  kranken  Körper  angezogen 
und  vertheilen  sich.  Vor  allem  muss  man  zu  erforschen  suchen, 
ob  die  Frau  am  ganzen  Körper  und  an  der  Gebärmutter  gesund 
ist.  Denn  wie  der  dürftige  Boden  die  Saat  nicht  reifen  und 
Früchte  nicht  hervorzubringen  vermag,  sondern  vermöge  seiner 
schlechten  Qualität  die  guten  Eigenschaften  der  Pflanzen  und 
Samen  verdirbt,  so  vermögen  auch  beim  Weibe  abnorme  Organe 
den  in  sie  gedrungenen  Samen  nicht  zu  behalten,  sondern  ihre 
eigene  Krankheit  zieht  auch  die  Frucht  mit  in  Krankheit  und 
Verderben.  • 


Kapitel  X. 

Ueber  die  zur  Conception  passendste  Zeit 
der  Begattung  l). 

§ 36.  Wie  der  Boden  nur  zu  einer  bestimmten  Zeit  die 
Saat  empfängt  und  Früchte  trägt,  so  ist  auch  bei  den  Menschen 
nicht  zu  jeder  Zeit  ist  der  Beischlaf  zur  Aufnahme  des  im  Akte  er- 
gossenen Sperma  geeignet.  Damit  die  Begattung  Erfolg  habe, 
muss  sie  zur  günstigen  Zeit  geschehen,  und  so  ist  es  nöthig,  diese 
Zeit  näher  zu  bestimmen.  Der  Beischlaf,  welcher  zur  Conception 
führen  soll,  findet  am  besten  zur  Zeit  der  abnehmenden  und  auf- 
hörenden Menstruation  statt,  wo  Verlangen  nach  der  Umarmung 
vorhanden  ist,  wann  der  Körper  weder  ganz  nüchtern  noch  voll 
von  Getränken  und  unverdautem  Inhalt  ist,  sodann  auch  zur  Zeit 
der  erfolgten  Unction  des  Körpers,  wenn  nur  ein  geringer  Im- 
biss genommen  ist  und  bei  allgemeinem  Wohlbefinden. 

Wir  sagten  zunächst:  zur  Zeit  der  abnehmenden  und  auf- 
hörenden Menstruation.  Denn  die  Zeit  vor  der  Menstruation  ist 
ungeeignet,  da  dann  der  Uterus  arg  durch  den  Andrang  des 

i)  Die  Hygiene  der  Suvoutna  wurde  von  den  Alten  sorgfältig  erörtert.  Zur 
weiteren  Orientirung  dienen: 

Galen,  Ars  medica.  Kap.  XXIV. 

Rufus,  ed.  Ruelle.  pag.  318. 

Oribasius  ed.  Daremberg  et  Bussemaker  I,  540  (nach  Rufus)  und  668  mit 
werthvollen  Excerpten. 

Hippocrat.  de  Superfötatipne  (Littrö  VIII  495)  de  Sterilibus  Littre  VIII,  408. 

Aristoteles,  Problem  III,  33.  Es  wird  ein  starkes  Frühstück,  dagegen  eine 
kleine  Coena  empfohlen. 

Palladius,  Comment.  ad.  Epidem.  VI,  5 (ed.  Dietz). 

Unction  ('ArtollspaTuo) , Galen,  de  sanitate  tuenda  III  wurde  als  eine  Art 
Massage  zur  Förderung  der  Digestion  vielfach  angewendet.  Oribasius  I 482  (nsoc 
Tpt'iiuj;  dnollipaTt£v-t-/.fj;).  ‘ 

Herrschervon  Kypros,  Galen,  de  Cheriaca  ad  Pisonem  (K  ü h n XIV,  253). 

Pneuma.  Die  Methodiker  betrachteten  den  Pneumatiker  Athenaeus  als  einen 
der  Ihrigen. 


24 


Stoffes  beschwert  ist  und  zwei  entgegengesetzte  Thätigkeiten 
entfalten  müsste,  nämlich  den  einen  Stoff  ausscheiden  und  den 
anderen  in  sich  aufnehmen,  was  unmöglich  ist.  Wie  nämlich  der 
mit  irgend  einem  Stoffe  beschwerte  Magen  bei  Unwohlsein  wohl 
die  Last  durch  Erbrechen  von  sich  wirft,  aber  gegen  Aufnahme 
neuer  Speise  sich  sträubt,  ganz  ebenso  entleert  auch  die  volle 
Gebärmutter  zur  Zeit  der  Menstruation  gerne  das  in  ihr  zusammen- 
geflossene Blut,  nimmt  aber  nicht  zugleich  den  Samen  auf  und 
behält  ihn.  Aber  auch  die  Anfangszeit  der  Menstruation  ist 
wegen  der  allgemeinen  Anstrengung  ungeeignet,  ebenso  die 
folgende  Zeit  der  Zunahme  und  des  Höhepunktes,  weil  dann  der 
Samen  durchnässt  und  mit  dem  ausgesonderten  Blute  weg- 
geschwemmt wird.  Wie  nämlich  jede  Wunde  bei  erfolgendem 
Bluterguss  sich  nicht  schliesst,  sondern,  abgesehen  von  einer 
momentanen  Verklebung,  nach  Eintritt  der  Blutung  wieder  aus- 
einander klafft,  so  kann  auch  der  Samen  nicht  in  der  Uterushöhle 
ankleben,  sondern  wird  von  dem  herausströmenden  Blutstoffe  aus- 
gestossen.  Die  einzig  geeignete  Zeit  zur  Befruchtung  ist  die  der 
nachlassenden  Menstruation,  dann  ist  die  Gebärmutter  entlastet 
und  Wärme  und  Feuchtigkeit  stehen  in  harmonischem  Verhält- 
nisse. Doch  ist  wiederum  die  Anklebung  des  Samens  unmöglich, 
wenn  nicht  die  Gebärmutter  vorher  wieder  rauh  geworden  und 
gewissermassen  in  der  Höhle  ausgereinigt  ist.  Wie  bei  Kranken 
die  Speise,  welche  zur  Zeit  des  Nachlassens  der  Krankheit  ge- 
nommen ist,  vor  dem  Anfalle  behalfen,  aber  bei  einem  Anfalle 
wieder  erbrochen  wird,  so  wird  auch  nur  der  Samen  ganz  sicher 
festgehalten,  welcher  zur  Zeit  der  abnehmenden  Menstruation 
eingedrungen  ist.  Wenn  nun  auch  manche  schon  zu  einer  anderen 
Zeit  und  zumal,  wann  die  Reinigung  nur  gering  floss,  concipirten, 
so  kann  man  doch  von  diesen  Ausnahmen  abstrahiren  und  den 
aus  der  Theorie  der  Kunst  genommenen  Termin  annehmen. 

§ 37.  Wir  behaupteten  ferner,  es  müsse  Trieb  und  Verlangen 
nach  einem  Coitus  vorhanden  sein.  Wie  der  Mann  nicht  ohne 
den  Trieb  zum  Samenerguss  kommen  kann,  so  kann  auch  das 
Weib  nicht  ohne  ihn  concipiren.  Wie  die  Speise,  welche  ohne 
Appetit  oder  gar  mit  Widerwillen  genossen  wird,  nicht  in  ge- 
höriger Weise  oder  auch  gar  nicht  verdaut  wird,  so  kann  auch 
der  Samen  nicht  aufgenommen  werden  und  die  Schwangerschaft 
herbeiführen,  wenn  Lust  und  Neigung  zum  Coitus  fehlt.  Wenn 
trotzdem  manche  nach  einer  Vergewaltigung  schwanger  wurden, 
so  kann  man  dennoch  dreist  behaupten,  dass  auch  bei  diesen 
das  Verlangen  vorhanden  und  nur  momentan  durch  psychische 
Aufregung  übertäubt  war,  wie  ja  auch  bei  Leidtragenden  viel- 
fach Appetit  vorhanden  ist,  diesen  aber  die  Trauer  wegen  des 
Unglücks  nicht  aufkommen  lässt;  später  wenn  das  Gemüth  sich 
beruhigt  hat,  werden  sie  vom  Hunger  zur  Nahrung  gezwungen. 


25 


§ 38.  Die  richtige  Zeit  zur  Liebeslust  (Brunst),  um  Befruchtung 
herbeizuführen,  ist,  wenn  der  Leib  weder  nüchtern  noch  voll  ist. 
Die  Lust  zum  Coitus  genügt  nicht,  es  muss  sich  der  Körper  in 
passender  Verfassung  befinden.  Wie  wir  nämlich  häufig  auch 
dann,  wenn  die  genossenen  Speisen  unverdaut  und  verdorben  im 
Magen  liegen,  noch  zu  neuer  Nahrung  Appetit  haben  und,  falls 
wir  diesem  Verlangen  nachgeben,  diese  Nahrung  auch  noch  ver- 
derben, so  beweist  das  Verlangen  nach  dem  Coitus  noch  nicht, 
dass  die  rechte  Zeit  dazu  vorhanden  ist,  sondern  es  muss  auch 
das  Uebrige  berücksichtigt  werden.  Denn  diegeilen  und  liederlichen 
Dirnen  haben  immer  Lust  zur  Begattung.  Der  Körper  darf  nicht 
schwach  und  matt  sein,  denn  naturgemäss  zieht  der  ganze  Körper 
auch  seine  Theile  in  Mitleidenschaft.  So  ist  es  wahrscheinlich, 
dass  eine  schlaffe  Gebärmutter  auch  ihre  Funktionen  nur  in 
dürftiger  Weise  ausübt,  und  die  Conception  ist  eine  Funktion  der 
Gebärmutter.  Somit  soll  man  den  Beischlaf  nicht  ausüben,  wenn 
der  Körper  sich  schwach  fühlt  oder  wenn  er  (schwer)  voll  ist, 
wie  z.  B.  bei  Anfüllung  mit  unverdauten  Speisen  und  in  der 
Trunkenheit,  und  zwar  erstens  weil  der  Körper  nur  in  normaler 
Verfassung  seine  Funktionen  zu  verrichten  vermag;  in  normaler 
Verfassung  ist  er  aber  nicht  zur  Zeit  der  Anfüllung  oder  Trunken- 
heit. Wie  jede  andere  natürliche  Funktion,  so  kann  auch  die  des 
Concipirens  in  solchem  Zustande  nicht  stattfinden.  Zweitens  darf 
der  Körper  nicht  schwach  oder  beladen  sein , weil  er  den  auf- 
genommenen Samen  auch  ernähren  muss.  Die  Nahrung  zieht  er 
aber  aus  dem  zuströmenden  Blute  und  dem  Pneuma;  in  der 
Trunkenheit  und  bei  Unverdaulichkeit  wird  auch  jeder  Athemzug 
mit  verunreinigt  und  verdorben.  Es  ist  also  Gefahr  vorhanden, 
dass  bei  Verabreichung  schlechter  Nahrung  auch  der  Samen 
schlecht  wird.  Ferner  kann  durch  die  Trunkenheit  ein  Ueber- 
mass  von  Stoff  entstehen  und  dieses  das  Festwachsen  des  Samens 
im  Uterus  hindern.  Denn  wie  bei  den  Trunkenen  der  Wein 
durch  das  häufige  Aufsteigen  der  Gase  das  Zuwachsen  von 
Wunden  erschwert,  ganz  ebenso  wird  aus  gleichem  Grunde  das 
Ankleben  des  Samens  gestört. 

§ 39-  Wunderbarer  weise  hat  auch  der  Zustand  der  Seele 
Einfluss  auf  die  Gestaltung  des  Empfangenen.  So  wurden  solche, 
die  im  Augenblicke  des  Coitus  Affen  sahen,  mit  affenähnlichen 
V esen  schwanger.  Ein  missgestalteter  Herrscher  von  Kypros 
zwang  seine  Gattin  während  des  Coitus  auf  sehr  schöne  Statuen 
zu  blicken  und  erzeugte  so  schön  gestaltete  Kinder.  Die  Pferde- 
züchter stellen  beim  ßespringen  vor  die  Stuten  edle  Thiere.  Auf 
dass  nun  nicht  eine  Missgeburt  dadurch  geschehe,  indem  die 
frunkenheit  der  Seele  hässliche  Bilder  vorspiegelt,  sollen  die 
krauen  nüchtern  sein,  und  dieses  auch  aus  dem  Grunde,  weil  die 
inder  der  Mutter  sowohl  körperlich  wie  geistig  ähnlich  werden. 


26 


So  wird  einer  Frau  von  stetigem  Gemüthe,  die  nicht  aus  Trunken- 
heit wahnsinnig  ist,  auch  ein  gleiches  Kind  geboren.  Es  ist  ganz 
unsinnig  bei  den  Menschen  anzunehmen,  dass  die  Natur  schon 
für  sich  die  Erzeugung  schön  gestalte,  wenn  auch  der  Samen 
sich  in  Körper  ergiesst,  welche  übermässig  feucht  und  über- 
schwemmt sind,  während  man  doch  sieht,  dass  der  Landmann 
seine  Saat  nicht  auf  feuchtem  und  sumpfigem  Boden  ausstreut. 

§ 40.  Nächst  diesen  wird  als  günstig  die  Zeit  nach  der 
Salbung  mit  Oel  angegeben,  wenn  nur  ein  geringer  Imbiss  ge- 
nommen ist.  Dieser  wird  dann  heftigen  Drang  zum  Coitus  her- 
vorrufen,  indem  die  Lust  zur  Umarmung  nicht  durch  Verlangen 
nach  Speise  gehemmt  ist,  während  die  Salbung  mit  Oel  das  Fest- 
halten des  geflossenen  Samens  vorbereitet.  Wie  die  Salbung  die 
vollständige  Verdauung  der  Speise  fördert,  so  unterstützt  sie  auch 
das  Aufnehmen  und  Festhalten  des  Samens.  Sie  bewirkt,  dass 
sich  der  Körper  von  den  Ueberbleibseln  der  gestrigen  Speise 
entlastet  und  durch  Reinigung  sich  in  normales  Wohlbefinden 
versetzt.  Wie  auch  der  Landmann  erst  säet,  wenn  er  den  Boden 
durch  Reinigung  und  Ausrodung  fremder  Gewächse  gehörig 
präparirt  hat,  so  rathen  auch  wir,  erst  nach  vollzogener  Salbung 
die  Besamung  zum  Zwecke  der  Zeugung  vorzunehmen. 

Wenn  wir  nun  in  dem  Buche  über  die  Hygiene  behaupteten, 
die  beste  Zeit  zum  Coitus  sei  die  vor  der  Salbung,  so  widerspricht 
das  dem  oben  Gesagten  nicht.  Denn  dort  war  im  Allgemeinen 
von  jeder  Art  Coitus  und  von  Männern  die  Rede,  hier  aber  im 
Besonderen  davon,  wie  das  Geschäft  der  Kindererzeugung  am 
besten  zu  betreiben  sei.  Denn  wie  das  Salben  an  sich  nach  der 
Aufregung  des  Coitus  gesund  ist,  so  ist  es  auch  angemessen  zum 
Zwecke  der  Festhaltung  des  Samens  der  Ruhe  zu  pflegen. 

§ 41.  Einige  alte  Aerzte  bestimmten  auch  den  Termin  nach 
äusseren  Zufälligkeiten.  So  hielten  sie  die  Zeit  des  \ ollmondes 
für  besonders  günstig.  Denn  die  irdischen  Dinge  ständen  im 
Connex  mit  den  kosmischen;  wie  die  meisten  Meeresgeschöpfe 
zur  Zeit  des  Vollmondes  fett,  zur  Zeit  des  abnehmenden  Mondes 
schlecht  genährt  seien  und  wie  die  Leberlappen  der  Hausmäuse 
zur  Zeit  des  Vollmondes  grösser,  kleiner  zur  Zeit  des  abnehmenden 
Mondes  seien,  so  sei  bei  uns  und  auch  bei  den  Thieren  die  dem 
Samen  innewohnende  Kraft  zur  Zeit  des  Vollmondes  bedeutender 
als  zur  Zeit  des  abnehmenden  Mondes.  Ferner  sei  zur  Erzielung 
der  Conception  ganz  besonders  die  Frühlingszeit  geeignet.  Denn 
im  Winter  würde  der  Körper  hart  und  fest  und  der  Samen  zur 
Empfängniss  wenig  brauchbar;  träte  sie  doch  ein,  so  bliebe  der 
Samen  ohne  Nahrung,  ganz  ebenso  wie  es  der  Saat  in  der  Erde 
erginge,  die  ebenfalls  im  Winter  nicht  hervorschiessen  könne. 
Unter  den  Thieren  gedeihen  wenig  die  im  Winter  geborenen. 


27 


Der  Sommer  dagegen  lasse  durch  grosse  Verdunstung  alles  welken, 
den  Samen,  die  Geschlechtstheile  und  überhaupt  den  ganzen  Körper. 

Doch  dies  wird  durch  die  Thatsachen  selbst  ohne  weiteres 
widerlegt.  Denn  zu  jeder  Zeit  konstatiren  wir  den  Eintritt  von 
Conception  und  Geburt.  Wenn  einige,  sich  im  Sommer,  andere 
im  Winter  weniger  wohl  befinden,  so  ist  daran  nicht  ehe  Jahre 
zeit,  sondern  die  Körperkonstitution  schuld.  Im  Allgemeinen 
empfehlen  wir  die  Zeit,  wo  sich  der  Körper  weder  zu  leer  noci 
zu  voll,  sondern  in  jeder  Beziehung  wohl  fühlt.  Wenn  aber 
unser  körperliches  Befinden  von  dem  Mondwechsel  abhängig 
wäre,  so  hätten  wir  dies  jedenfalls  auch  schon  bemerkt  wie  bei 
den  Mäusen  und  Austern.  Da  nun  eine  derartige  Beobachtung 
bis  jetzt  nicht  hat  gemacht  werden  können,  ist  diese  Lehre  trotz 
ihres  glaubwürdigen  Scheines  als  falsch  zu  verwerfen. 


K apitel  XI. 

Ist  die  Conception  der  Gesundheit  zuträglich? 

§ 42.  Manche  sind  der  Ueberzeugung,  die  Conception  sei 
gesund,  weil  jede  natürliche  Thätigkeit  heilsam  sei,  und  die 
Conception  sei  eine  natürliche  Thätigkeit.  Ferner  würden  manche, 
die  nur  schwierig  menstruirten  und  von  Druck  im  Uterus  gequält 
würden,  nach  der  Empfängniss  von  diesen  Leiden  befreit. 

Dagegen  ist  zu  erwidern,  dass  auch  die  Menstruation  eine 
physiologische  Funktion  und  trotzdem  nicht  gesund  ist,  wie 
wir  bereits  erörterten.  Das,  was  nützlich  ist,  ist  darum  noch  nicht 
immer  gesund.  Freilich  sind  Menstruation  und  Conception  für 
die  Entstehung  der  Menschen  förderlich,  trotzdem  sind  sie  der  Ge- 
sundheit der  Schwangeren  nicht  zuträglich.  Die,  welche  schnell 
empfangen,  werden  von  früheren  Gebärmutterbeschwerden  nicht 
befreit;  wenn  sie  aber  davon  befreit  sind,  dann  empfangen  sie. 
Und  selbst  zugegeben,  die  Conception  beseitige  jene  Beschwerden, 
so  wäre  sie  doch  nur  ein  Heilmittel  gegen  Krankheiten,  nicht 
schon  ein  Mittel  zur  Erhaltung  der  Gesundheit,  wie  man  ja  auch 
vom  Aderlass  noch  nicht  behaupten  wird,  dass  er  gesundheitlich 
zuträglich  ist,  weil  er  Krankheiten  beseitigt.  Nach  dem  was 
vorausging,  muss  man  erwähnen,  dass  die  Schwangerschaft  zu- 
nächst viele  Beschwerniss  und  Unannehmlichkeit  mit  sich  führt 


l)  Hier  ist  zu  vergleichen:  Hippocrates,  de  morbis  virginum  icepl  TOxp&svtu>v 
(Litti  fe  VIII,  467).  Hier  wird  den  mannbaren  Mädchen  bei  auftretenden  nervösen 
und  psychischen  Störungen  empfohlen , sich  möglichst  bald  zu  vermählen , da  sie 
durch  die  Gravidität  gesundin  werden  (xsXsucu  ö’Eycuys  tä;  itapihvouc,  öxoxtxv  xo 
xotoOxov  Ttdsyajaiv,  ö;  xäywxa  £uvowrj<roct  avSpebi«,  1 jv  yap  xunoiuatv,  üyüsc  ylvovxa'). 


28 


und  krankhafte  Gelüste  erzeugt.  Bald  muss  man  erfahren,  dass 
die  Nahrung,  welche  für  e i n lebendes  Wesen  vollkommen  hin- 
reicht, zur  Ernährung  und  Entwickelung  zweier  Wesen  dienen 
muss,  so  dass  der  Schwangeren  nicht  mehr  genügende  Nahrung 
bleibt.  Denn  die  Speise,  welche  dem  Foetus  zugeführt  wird,  wird 
nothwendigerweise  der  Schwangeren  entzogen.  Auch  kann  sie 
nicht  im  Aerhältniss  zum  A erbrauch  mehr  Nahrung  zu  sich  neh- 
men, da  die  Verdauungsfunktion  nicht  eine  Ueberlastung  erträgt. 
W enn  die  Schwangere  also  nur  so  viel  zu  sich  nimmt,  als  sie  ver- 
dauen kann,  so  wird  dasjenige,  was  von  der  verdauten  Speise  dem 
Foetus  zu  Gute  kommt,  ihr  entzogen.  Was  aber  eine  Entziehung 
bewirkt,  ist  nicht  gesund,  somit  ist  also  auch  die  Conception  nicht 
gesund.  Dass  die  Schwangerschaft  Abmagerung,  Schwäche  und 
frühes  Altern  verursacht,  lehrt  schon  der  Augenschein  der  That- 
sachen,  dafür  spricht  aber  auch  noch  die  Aehnlichkeit  mit  dem 
Acker,  der  durch  das  rasch  aufeinander  folgende  Zeitigen  von 
Früchten  derartig  mitgenommen  wird,  dass  er  nicht  mehr  jedes 
Jahr  Früchte  zu  reifen  vermag. 


Kapitel  XII. 

Die  Zeichen  der  Conception. 

§ 43.  Der  Name  „Empfängniss“  (avXh^is,  conceptio)  be- 
zeichnet das  Festhalten  des  Samens,  der  Name  „Schwangerschaft“ 
(xv?]Ois)  dagegen  das  Verborgensein  ( yevfh]<ns ) desselben.  Denn 
bergen  ( y.evöetv ) ist  so  viel  wie  „verhüllen,  verstecken“  (y.Qvjixeiv). 
Wir  definiren  also  die  Empfängniss  als  das  dauernde  Festhalten 
(sich  bemächtigen)  von  Samen,  oder  eines  oder  mehrerer  Em- 
bryonen in  der  Gebärmutter  durch  natürliche  Ursache. 

Ich  sage  „sich  bemächtigen“  (y.Qccx^ois),  denn  die  Conception 
ist  ein  Festhalten  ( y.axoyj ]). 

„Auf  die  Dauer“:  denn  bisweilen  wird  der  Samen  nur 
flüchtig  festgehalten  und  bald  wieder  ausgestossen  (ausgehustet!), 
das  ist  aber  keine  Empfängniss. 

„Des  Samens  oder  des  Embryo“:  denn  in  den  ersten 
Zeiten,  wo  der  Zeugungssaft  (yovog)  noch  formlos  ist,  ist  nur  von 
Conception  des  Samens  die  Rede.  Wenn  sich  hierauf  der  In- 


l)  oüat?  Geschöpf,  so  gebraucht  es  Sophokles,  Electra  325  ^T/jv  srjv  ouatuov,  sx 

TiaTpO?  TCIUTOÜ  tp'-ITtv“. 

Hippocrates,  de  sterilibus  Lib.  III,  215  (Littrö  VIII,  417)  gibt  als  Signa  gra- 
viditatis: Die  Augen  sind  tief  und  eingesunken,  die  Sklera  ist  bläulich.  Im  Ge- 
sichte findet  sich  „stpnpic“  ; anfangs  besteht  Widerwillen  gegen  den  Wein,  der  Appetit 
weicht,  es  zeigt  sich  Herzklopfen  und  Salivation. 


29 


halt  der  Gebärmutter  (ro  y.axä  yaoTQug)  geformt  hat  und  kein  Same 
mehr  ist,  besteht  doch  die  Conception  fort,  aber  als  die  des 
Foetus,  nicht  mehr  des  Samens.  Denn  der  Same  verwandelt  sich 
in  ein  Geschöpf  ((fvaig)-  endlich  auch  Seele  und  hört  als  Samen 
ganz  auf. 

Deswegen  unterscheiden  auch  manche  bei  der  Conception  die 
Anfangszeit  als  die  Zeit  der  Unreife  von  der  nächsten  als  der 
Zeit  der  Reife.  Um  gleich  beide  Arten  der  Conception  zu  be- 
zeichnen, sagten  wir  vorher:  des  Samens  oder  der  Embryo  und 
fügten  auch  noch  „Embryonen“  hinzu,  weil  bisweilen  eine  Con- 
ception von  Zwillingen  und  Drillingen  stattfindet. 

„Inder  Gebärmutter“:  denn  nicht  in  jedem  Organ  kann 
das  dauernde  Festhalten  des  Samens  stattfinden,  sondern  nur  in 
dem  Fruchthalten  (vozeQq.)  Es  wird  der  Samen  auch  wohl  mal  in 
den  Samengängen  festgehalten,  er  bleibt  auch,  aber  es  tritt  nicht 
Conception  ein. 

Endlich  muss  der  Vorgang,  naturgemäss,  normal  sein.  In  den 
Fällen,  wo  der  Samen  für  eine  Dauer  im  Uterus  dadurch  zurück- 
gehalten wird,  dass  der  Gebärmuttermund  sich  aus  Kälte  geschlossen 
hat,  oder  dieses  mit  dem  Embryo  bei  Schwergeburten  geschieht, 
kann  nicht  von  Conception  die  Rede  sein.  Dies  ist  kein  nor- 
maler, sondern  ein  pathologischer  Zustand. 

Das  „Aufnehmen“  (analepsis)  ist  auch  wieder  was  anderes 
als  das  „Empfangen“  (conceptio).  Unter  Aufnehmen  versteht  man 
das  Eindringen  des  Samens  bis  in  die  Uterushöhle,  unter  Em- 
pfangen den  auf  dieses  Eindringen  folgenden  Akt  des  Festhaltens 
und  Anklebens.  Die  Aufnahme  hat  es  nur  mit  dem  Samen,  das 
Empfangen  auch  mit  dem  Embryo  zu  thun. 

§ 44.  Nach  dieser  Feststellung  kommen  wir  zu  der  Behaup- 
tung Mancher,  dass  die  Conception  ohne  subjektive  Erscheinungen 
vor  sich  gehe.  Nach  unserer  Meinung  muss  man  aus  mehreren 
Anzeichen,  die  zu  gleicher  Zeit  auftreten , mit  Bestimmtheit  den 
Eintritt  der  Conception  merken,  so  z.  B.  daraus,  dass  das  Weib 
gegen  das  Ende  des  Coitus  ein  Schaudergefühl  befällt  und  der  Ge- 
bärmuttermund  weich  geschlossen  erscheint.  Bei  Erkältungen  und 
Entzündungen  schliesst  er  sich  zwar  auch,  aber  hart  und  derb. 
Ferner  verräth  sich  die  Conception  dadurch,  dass  die  weibliche 
Scham  gar  nicht  oder  nur  sehr  wenig  mit  dem  Samen  befeuchtet 
ist,  indem  die  übrige  Flüssigkeit  nach  oben  steigt.  Nach  einiger 
Zeit  erfolgt  dann  das  Ausbleiben  der  monatlichen  Reinig-ung  oder 
sie  beginnt  nur  kurze  Zeit  zu  fliessen,  Gefühl  von  Schwere  im 
Becken,  ganz  unmerklich  nehmen  die  Brüste  zu  unter  einem  Ge- 
fühl gelinden  Schmerzes,  es  tritt  Brechneigung  auf,  die  Venen 
der  Brust  erscheinen  gefüllt  und  bläulich,  es  zeigen  sich  gelbe 
Ränder  um  die  Augen,  bisweilen  treten  auch  schwarze  Flecken 
aut  der  Haut  des  Gesichtes  auf  und  auch  die  sogenannte  Ephelis. 


30 


Danach  kommt  die  „Kissa“  und  fortschreitende  Ausdehnung  des 
Unterleibes,  bis  schliesslich  die  Schwangere  die  Bewegung  der 
Frucht  spürt. 


Kapitel  XIII. 

Die  Merkmale,  aus  denen  die  alten  Aerzte  das  muth- 
massliche  Geschlecht  der  Frucht  bestimmten. 

§ 45.  Hippokrates  behauptet,  männlich  werde  das  Kind, 
wenn  die  Schwangere  von  guter  Farbe  und  leichter  Bewegung, 
wenn  die  rechte  Brust  grösser,  mehr  angeschwollen  und  voller 
sei  und  die  Warze  mehr  hervortrete,  weiblich  würde  dagegen 
das  Kind,  wenn  bei  gleichzeitiger  Blässe  im  Gesicht  die  linke 
Brust  und  wieder  besonders  deren  Warze  in  höherem  Grade 
angeschwollen  sei.  Eine  falsche  Voraussetzung  hat  Hippokrates 
zu  dieser  Behauptung  verleitet.  Er  glaubte  nämlich,  der  auf  der 
rechten  Seite  des  Uterus  concipirte  Samen  erzeuge  ein  männ- 
liches Kind,  der  auf  der  linken  Seite  concipirte  dagegen  ein  weib- 
liches. Diese  Ansicht  haben  wir  bereits  in  dem  physischen  Ab- 
schnitt unserer  Schrift  über  die  Erzeugung  der  Thiere  widerlegt. 
Andere  wieder  behaupten,  wenn  die  Frucht  männlich  sei,  so 
fühle  die  Schwangere  heftigere  und  stärkere  Bewegungen,  bei 
einer  weiblichen  Frucht  dagegen  spüre  sie  nur  langsame  und 
matte  Bewegungen,  während  sie  selbst  sich  nur  schwerfällig  be- 
wegt und  mehr  Ekel  (vor  Speisen)  empfindet.  Das  Schwanger- 
sein mit  männlichen  Kindern  erzeuge  durch  fleissige  Bewegung 
der  Frucht  ein  gesundes  Aussehen,  das  Schwangersein  mit  weib- 
lichen Kindern  dagegen  durch  die  Unthätigkeit  der  Frucht  schlech- 
ten Teint.  Alles  dieses  ist  recht  schön  erdacht,  aber  nicht  wahr, 
denn  in  Wirklichkeit  sehen  wir  bald  das  eine,  bald  das  andere 
eintreten. 


1)  Die  Stelle  der  Hippokratischen  Sammlung  findet  sich  in  dem  Buche  „de 
sterilibus“  (Littre  VIII,  417).  „Die  Schwangeren,  welche  Flecken  im  Gesichte 
haben,  tragen  Mädchen,  die  aber,  die  einen  guten  leint  behalten,  tragen  meistens 
Knaben.  Wenn  die  Brustwarzen  nach  oben  stehen,  ist  das  Geschlecht  männlich, 
wenn  nach  unten  weiblich.  Man  nimmt  Milch  von  der  trau,  macht  mit  Mehl  ein 
Brot  daraus  und  backt  es  bei  gelindem  Feuer,  wenn  es  anbrennt,  wird  es  ein  Knabe; 
wenn  es  aufgeht,  ein  Mädchen.“  Nach  Ermerins  dürfte  der  "\  erfasser  des  Buches 
ein  nachhippokratischer  Jatrosophist  gewesen  sein.  (Ermerins  Hippocratis  Reliquiae 
II  p.  LXXXVII,  Prolegomena.) 


31 


Kapitel  XIV. 

Die  Pflege  der  Frauen,  welche  concipirt  haben. 

§ 46.  Bei  der  Pflege  der  Schwangeren  sind  drei  Zeitab- 
schnitte zu  berücksichtigen.  Die  Behandlung  der  ersten  Zeit  hat 
sich  auf  die  Bewahrung  des  eingedrungenen  Samens,  die  des 
zweiten  Zeitabschnittes  auf  die  Milderung  eintretender  Zufälle,  wie 
z.  B.  der  Gelüste  zu  richten  und  die  des  letzten  Zeitabschnittes, 
der  fast  mit  dem  Geburtsakt  zusammenfällt,  hat  die  Ausbildung 
des  Embryo  und  die  Erleichterung  des  Gebäraktes  zu  fördern. 

Was  zunächst  die  erste  betrifft,  so  muss  man  jede  übermässige 
Erregung  und  Bewegung  des  Körpers  und  der  Seele  vermeiden. 
Den  Abgang  des  Samens  befördern:  Furcht,  Trauer,  plötzliche 
Freude  und  überhaupt  jede  starke  Gemüthserregung,  anstrengende 
Turnübungen,  gewaltsames  Anhalten  des  Athems,  Husten,  Niesen, 
Schläge,  Fallen,  zumal  auf  die  Hüften,  das  Heben  von  Lasten, 
Springen,  harte  Sitze,  der  Gebrauch  von  Arzneien,  zumal  scharfer 
und  niesen  verursachender  Mittel,  mangelhafte  Ernährung,  Ver- 
dauungsstörung und  Trunkenheit,  Erbrechen,  Durchfall,  Bluten 
aus  der  Nase  oder  sonstwo,  Blutflüsse,  Erschlaffung  durch  er- 
hitzende Agentien,  durch  heftiges  Fieber,  Frost  und  Krampf,  kurz 
alles,  was  eine  so  heftige  Bewegung  verursacht,  dass  dadurch 
eine  Fehlgeburt  entsteht.  Alles  dieses  müssen  wir,  soweit  es  m 
unseren  Kräften  steht,  verhüten.  Die  Frau  mag  nach  der  Con- 
ception  ruhig  für  einen  oder  zwei  Tage  im  Bette  bleiben  unter 
geringem  Gebrauch  von  Salbe,  auf  dass  sich  der  Appetit  wieder 
hebt  und  die  genossene  Nahrung  im  Körper  bleibt;  die  Ober- 
bauchgegend darf  dabei  nicht  gerieben  werden,  damit  nicht  durch 
die  lokale  Erschütterung  der  bereits  angeklebte  Samen  wieder 
abgetrieben  wird;  salben  soll  man  sie  mit  Oel,  das  soeben  aus 
grünen,  noch  unreifen  Oliven  gepresst  ist,  ihre  Nahrung  muss 
aus  Mehlspeisen  bestehen  und  darf  nur  gering  sein.  In’s  Bad 
soll  man  sie  in  den  ersten  sieben  Tagen  nicht  schicken.  Denn 
indem  es  dem  schwächer  gewordenen  Körper  gegeben  wird,  wird 
das  Bad  auch  den  noch  lockeren  Samen  auflösen , man  müsste 
denn  schon  der  Ansicht  sein,  dass  das  Bad,  obwohl  es  noch  nicht 
festgeschlossene  Wunden  aufklaffen  macht  und  die  festesten  Ath- 
lethenkörper lockert,  doch  nicht  im  Stande  sei,  den  Samen  aus- 


1)  Hier  ist  zu  vergleichen  Paulus  Aegineta  Lib.  I,  Kap  1 
fach  mit  Oribasius  III,  98  stimmt.  Es  dürfte  von  beiden  Galen 
worden  sein. 


welche  Stelle  viel- 
und  Rufus  kopirt 


rP(J  . Knoblauch,  Zwiebel,  Lauch  = cxopoS«,  xpApa.  itpcba  werden  bei  den  Alten 
CelsuTlTgCanUSa?-men  ,besProc>T-  so  z'  B-  Oribas.  I,  249  als  erhitzende  Mittel: 
med! V ,29P'  7'  ~~  S‘m0n  S h Pag‘  I0°  (6d'  Langkavel)  pseüus,  Carm.  de  re 


32 


zuwaschen,  der  von  weicher  Konsistenz  ist  und  eine  neugebildete 
Substanz  darstellt.  In  Uebereinstimmung  hiermit  ist  auch  der 
Genuss  des  Weines  für  eine  gleiche  Anzahl  von  Tagen  zu  ver- 
bieten , damit  die  Verdauung  nicht  gewaltsam  und  stürmisch  vor 
sich  gehe.  Wie  die  Knochenbrüche  nur  bei  absoluter  Ruhe 
wieder  mit  den  Körpertheilen  verwachsen,  so  wächst  auch  der 
Samen  im  Uterus  nur  dann  sicher  und  fest  an,  wenn  jede  mög- 
liche Erschütterung  vermieden  wird.  Andererseits  darf  man  bei 
diesem  Verfahren  nicht  zu  lange  beharren,  es  könnte  sonst  mit 
dem  Körper,  der  unter  der  andauernden  Enthaltung  von  Wein 
und  Speise  leidet,  auch  die  Gebärmutter  geschwächt  werden.  All- 
m äh  lieh  muss  das  Verfahren  geändert  werden.  Schon  am 
zweiten  Tage  kann  man  sie  auf  einem  Stuhl  oder  Sessel  sitzen 
lassen;  nicht  zu  empfehlen  ist  das  Fahren  auf  Wagen,  da  dies 
den  Körper  zu  stark  erschüttert.  Dann  erlaubt  man  langsames 
und  gemächliches  Spaziergehen,  das  sich  allmählich  von  Tag  zu 
Tag  etwas  weiter  ausdehnen  kann,  und  Speisen  mittlerer  Qualität, 
wie  nicht  zu  fette  Fische,  mageres  Fleisch  und  mildes  Gemüse. 
Alles  Bittere  und  Scharfe  ist  zu  verbieten,  so  Knoblauch,  Zwiebel, 
Fauch,  Pökelfleisch,  kurz  alle  scharfen  Speisen.  Jene  faulen 
zwar  leicht,  aber  die  scharfen  Speisen  erregen  Blähungen,  sind 
reizend  und  bewirken  dünnen  Stuhlgang,  weswegen  wir  sie  auch 
bei  chronischen  Krankheiten,  z.  B.  bei  Verhärtungen,  verordnen. 
Es  ist  unbegreiflich,  wie  man  nicht  einsehen  will,  dass  Speisen, 
welche  ausspülen,  mager  machen,  schwächen,  die  ganze  Konsti- 
tution vertrocknen  und  die  grössten  Verhärtungen  zertheilen,  dann, 
wenn  sie  durch  die  Verdauung  der  Uterusgegend  zugeführt  werden, 
den  Samen,  der  noch  ganz  schleimig  und  noch  nicht  fest  geronnen 
ist,  noch  viel  eher  zum  Schmelzen  bringen.  Auch  des  Beischlafs 
soll  man  sich  enthalten,  denn  dieser  erregt  den  ganzen  Körper 
und  zumal  die  der  Ruhe  bedürftige  Gebärmuttergegend.  Wie  näm- 
lich der  Magen  im  Zustande  der  Ruhe  die  Speise  in  sich  behält, 
jedoch  wenn  er  erschüttert  wird,  oft  durch  Erbrechen  von  sich 
giebt,  so  behält  auch  die  Gebärmutter  den  Samen  nur  dann,  wenn 
sie  nicht  erschüttert  wird,  lässt  ihn  jedoch  wieder  heraus,  wenn 
sie  in  unruhige  Bewegung  versetzt  wird.  Das  Bad  kann  wärmer 
genommen  werden,  sowohl  bezüglich  der  Luft  als  auch  des  Wassers, 
doch  ist  längeres  Verweilen  darin  und  vieles  Schwitzen  zu  ver- 
meiden, damit  der  Körper  nicht  entkräftet  und  matt  wird.  Auch 
darf  es  unter  Umständen  kalt  sein,  doch  so,  dass  nicht  das  Ge- 
fühl des  Schauders  hervorgerufen  wird.  Nach  der  Salbung  darf 
man  nicht  eher  wieder  essen,  bis  sich  der  Körper  wieder  beruhigt, 
die  Athemstörung  und  die  Erregung  der  Körpersäfte  (des  Ge- 
fässsystems)  sich  wieder  gelegt  haben.  Später  soll  man  für  längere 
Zeit  zuvor  Wasser  oder  auch,  aber  nur  wenn  man  es  gewohnt 
ist,  ein  kleines  Maass  leichten  Weines  trinken. 


33 


§ 47-  Glaube  nur  ja  keiner,  dass  wenn  trotz  der  Ueberschrei- 
tung  einer  oder  aller  dieser  Vorschriften  ein  Abortus  nicht  statt- 
findet, die  Frucht  überhaupt  gar  nicht  gelitten  hat.  Vielmehr 
bleibt  die  Frucht  dann  leicht  ungeboren  oder  klein  und  schlecht 
genährt,  im  Allgemeinen  schädlichen  Einflüssen  leichter  zugäng- 
lich, eine  Missgeburt  an  Leib  und  Seele.  Wir  sehen,  dass  die 
Häuser,  welche  auf  festem  Fundament  errichtet  sind,  lange  Zeit 
unerschüttert  stehen,  dagegen  die  auf  schadhafter  und  loser 
Grundlage  erbauten  bei  dem  geringsten  Ansturm  leicht  Zusammen- 
stürzen. So  gestaltet  sich  auch  die  Schöpfung  der  lebenden  Wesen 
je  nach  den  Elementen  und  Grundlagen  verschieden,  durch  die 
sie  gestützt  werden. 

Dass  eine  Ausstossung  des  Samens  stattgefunden  hat,  merkt 
man  an  der  Nässe  der  Mutterscheide.  Nun  wird  man  nach  einer 
Abhilfe  verlangen , damit  nicht  zum  zweiten  Male  die  Conception 
missglückt.  Zu  diesem  Zwecke  ist  die  körperliche  Bewegung, 
wenn  sie  schuld  war,  zu  beseitigen,  das  Gemüth  zu  beruhigen, 
falls  Lebenssorgen  dasselbe  aufgeregt  haben,  und  sind  zugleich 
mit  dem  ganzen  Körper  die  Geschlechtstheile  zu  stärken,  wenn 
die  Schwäche  von  der  Gebärmutter  ausging. 

So  muss  das  Verhalten  in  der  ersten  Zeit  der  Conception  sein. 
Im  Verfolg  der  Schwangerschaft  tritt  dann  die  sogenannte  „Kissa“ 
auf,  über  die  das  folgende  Kapitel  handeln  wird. 


Kapitel  XV. 


Gelüste  der  Schwangeren  (xiooa).1) 

(Pica,  Malacia,  Pseudorexia.) 

§ 48.  Den  Namen  der  Krankheit  leiten  einige  von  dem 
gleichnamigen  Vogel  (xiooa,  pica,  Eichelhäher  [Garrulus  glan- 
danusj  ab.  "Wie  der  Häher  in  buntem  Gefieder  schillert  und  die 
mannichfaltigsten  Laute  ausstösst,  so  zeitige  auch  das  in  Rede 


Eichelhäher  (Garrulus  glandarius).  Aristoteles,  Thierkunde  (ed  Aubert 

an  ieIimTer)  9\  ”Der  Eichelhäher  ^sst  sehr  verschiedene  Stimmen  hören 
an  jedem  Tage,  konnte  man  sagen,  eine  andere. 

Oliven,  cfr.  Alexander  von  Tralles  II,  464  ed  Puschmann 

auch  L »■  »’  «*  *»»*•  — . vielleicht 

xiooa  = Pica,  malacia,  pseudorexia  wird  von  den  Alten  mit  besonderer  Ge- 
nauigkeit  erörtert  ; so  Hippocrates,  de  morbis  mulierum  (Littre  VIII,  79)  Aristoteles 

Aet  üs  TTT3^  VI1,  Cap‘  4’  § 29-  Galen,  de  Symptom,  causis  Lib.  I (Kühn  VII  133)’ 
Aetius  III.  Sermo  1,  cap.  23.  Paul.  Aeginet.  Lib.  I,  cap.  1.  V ’ 33j‘ 

Aristoteles  nennt  den  Zustand  xtoträv  und  behauptet  dass  die  n-elücte  k«; 

her,iser  —■  ^ 


Soranus:  Uebcr  die  Krankheiten  des  weiblichen  Geschlechtes. 


34 


stehende  Symptom  die  verschiedensten  Gelüste.  Andere  wieder 
leiten  den  Namen  von  „xlooos“  (Epheu)  ab,  der  ebenfalls  in  seinen 
Umschlingungen  mannigfaltig  sei. 

In  der  Regel  beginnt  die  Pica  bei  den  Schwangeren  unge- 
fähr am  40.  Tage  und  dauert  dann  höchstens  vier  Monate  lang; 
doch  ist  auch  Anfang  und  Ende  bei  den  Einzelnen  verschieden, 
bald  früher,  bald  später,  selten  dauert  sie  bis  zum  Moment  der 
Geburt.  Bei  Manchen  tritt  sie  überhaupt  gar  nicht  auf.  Das 
Leiden  äussert  sich  durch  Aufstossen  von  Flüssigkeiten  und  über- 
flüssige Nässe  im  Magen,  Ueblichkeit  und  Appetitlosigkeit  bald 
für  alle,  bald  nur  für  die  eine  und  andere  Speise,  Verlangen  nach 
ungewöhnlicher  Nahrung,  wie  z.  B.  nach  Erde,  Kohlen,  sauren 
Weintrauben,  unreifem  und  saurem  Obste.  Bei  Manchen  zeigt 
sich  ferner  noch  ein  periodisches  Erbrechen  von  allem  Genossenen, 
Druckgefühl,  Schwindel,  Kopfschmerzen,  Abfluss  einer  Menge 
roher  Säfte  (Lienterie),  Blässe,  Abmagerung,  harter  Stuhlgang, 
bei  einigen  verbunden  mit  Spannung  des  Magens,  Brustschmerzen. 
Bisweilen  erfolgt  auch  leichtes  Fieber  und  Anschwellen  der  Brüste. 
Die  angespannten  Gefässe  zeigen  bald  eine  grünliche,  lauchartige, 
bald  eine  schwarzblaue  Farbe.  Einige  bekommen  auch  die  Gelb- 
sucht. 

§ 49.  Sobald  sich  die  ersten  Anzeichen  des  Leidens  zeigen, 
soll  man  Enthaltsamkeit  von  Speisen  für  einen  Tag  anempfehlen, 
damit  der  Magen  dadurch,  dass  er  nicht  zu  seinen  natürlichen 
Verrichtungen  veranlasst  wird,  ungestört  in  Ruhe  gehalten  werde. 
Man  soll  dabei  nicht  die  allgemeine  Anschauung  beachten,  dass 
man  möglichst  viel  Nahrung  darreichen  müsse,  da  zwei  Wesen 
zu  ernähren  seien.  Denn  jede  nicht  zu  gehöriger  Zeit  verabreichte 
Speise  verdirbt,  sie  ernährt  nicht  nur  nicht,  sondern  schadet  oben- 
drein noch  dem  Körper  der  Erwachsenen,  wie  auch  dem  Samen, 
der  eben  erst  Konsistenz  gewonnen  hat.  Deswegen  ist  Enthal- 
tung am  Platze.  So  bekommen  Schiffer,  welche  einen  Tag 
vorher  fasten,  die  Seekrankheit  überhaupt  nicht  oder  doch  nicht 
in  heftigem  Grade. 

An  den  nächsten  Tagen  kann  die  Behandlung  mit  Salben  Vor- 
gehen, man  darf  leicht  verdauliche  Speisen  in  geringen  Quanti- 
täten gestatten,  z.  B.  ein  weiches  Ei,  Brei,  kleines  Stück  von 
magerem  Geflügel  und  zum  Irinken  Wasser,  nur  wenig',  aber 
kaltes,  wenn  man  daran  gewöhnt  ist,  damit  der  Magen  nicht  über- 
schwemmt werde.  An  den  folgenden  Tagen  muss  man  vor  dem 
Gebrauch  der  Salbe  den  Körper  mit  weichem  Linnen  solange 
zart  reiben,  bis  er  sich  rnässig  röthet.  Nach  Verlauf  einiger  Tage 
kann  man  dann  schon  ein  wärmeres  Bad  verordnen,  ferner  mass- 
vollen  Genuss  leichten  Weines,  Umhertragen,  das  zuerst  in  der 
Sänfte  und  im  Sessel,  dann  im  Wagen  stattzufinden  hätte,  Spa- 


35 


zierengehen,  lautes  und  deklamatorisches  Lesen,  gymnastische 
Spiele,  wie  z.  B.  Tanzen,  Werfen  mit  dem  Ledersack  und  dem 
Balle,  Frottiren.  Zur  Stärkung  des  Magens  ist  es  gut,  trockenes 
Waizenbrod  zu  essen.  So  wird  der  Körper  leicht  von  den  Be- 
schwerden der  „Kissa“  befreit.  Ist  die  Vornahme  eines  täglichen 
Bades  nicht  möglich,  so  rathen  wir  doch,  jeden  zweiten  oder 
dritten  Tag  zu  baden. 

§ 50.  Ist  der  Brechreiz  heftig  und  der  Magen  mit  Flüssig- 
keit gefüllt,  so  wende  man  feuchte,  zusammenziehende  Umschläge 
um  Magen  und  Unterleib  mittelst  frischen  aus  unreifen  Oliven 
gepressten  Oeles  an  und  schlage  obendrein  noch  wollene  Decken 
herum.  Oel  aus  Rosen,  Quitten,  Myrten,  Mastix  oder  Nardus 
bereitet,  stärkt  wieder  den  erschlafften  Magen,  oder  Applikation 
einer  Cerat-Salbe  mit  solchen  Stoffen  gemischt.  Bedarf  es  aber 
wegen  eingetretenen  Erbrechens  einer  stärkeren  Zusammenziehung, 
so  müssen  Umschläge  gemacht  werden,  wie  trockene  Datteln, 
welche  vorher  ein  geweicht  oder  in  herbem  Wein  oder  Essig  ge- 
kocht sind,  und  auf  dieselbe  Weise  gekochte  Quittenäpfel,  welche 
entweder  allein  oder  in  Verbindung  mit  den  Datteln  oder  einer 
der  vorher  erwähnten  Ceratsalben  in  Anwendung  kommen.  Wir 
können  die  Wirkung  dieser  Mittel  noch  erhöhen,  indem  wir  hin- 
zufügen: feuchten  oder  trockenen  Alaun,  Aloe,  Mastix,  Rosen, 
Saffran,  Weinbliithe,  Schale  des  Granatapfels,  unreife  Oliven, 
Galläpfel,  Hypocistis,  Akazien-Gummi,  feines  Gerstenmehl.  Wenn 
das  Erbrechen  und  Auswerfen  der  Speisen  andauert,  thut  man 
gut,  die  Extremitäten  zu  binden,  denn  zugleich  mit  der  Ein- 
schnürung dieser  zieht  sich  auch  der  Mag-en  zusammen,  oder 
dieselben  in  siedend  heisses  Wasser  zu  tauchen,  was  ebenfalls 
adstringirend  wirkt.  Auf  den  Magenmund  setze  man  einen  breiten 
Schröptkopf,  den  man  stark  erwärmt  applizirt;  nützt  dies  nicht, 
lege  man  noch  einen  zweiten  auf  den  Rücken.  Denn  diese 
hemmen  in  ähnlicher  Weise  den  Magenfluss.  Wenn  der  Fluss 
Schmerz  verursacht,  soll  man  ein  zusammenziehendes,  warmes 
Kataplasma  machen,  so  z.  B.  geschrotenes  Mehl  mit  Essig  zumal 
aus  Gerste  und  ungesiebtem  Waizen. 

§ 51-  Vor  allem  aber  soll  man  Speisen  verordnen,  die  dem 
Magen  genehm  sind,  leicht  von  ihm  verdaut  werden  und  nicht 
leicht  gähren,  wie  weiche  Eier  und  Waizengraupen,  die  mit  kaltem 
Wasser  oder  Essig  oder  mit  dem  Samen  der  Granatäpfel  zu  ge- 
messen sind,  ferner  ganz  weiches,  feines  Gerstenmehl,  besonders 
in  der  Gestalt  von  Reis;  mageres  Geflügel  mit  mürbem  Fleische, 
wie  z.  B.  ein  Haselhuhn1),  eine  wilde  Taube,  ein  Steinhuhn,  wilde 
Enten,  Krammetsvögel,  Amseln,  Tauben,  Flühner  und  von  diesen 


l)  Aristoteles,  ed.  Aubert  und  Wimmer  I,  88. 

3* 


36 


hauptsächlich  das  Bruststück;  von  Wild  Hasen-  und  Rehfleisch, 
ausserdem  noch  junges  Ziegenfleisch  und  von  zartem  Schweine- 
fleisch den  Rüssel,  Füsse,  Ohr,  Gebärmutter;  von  Seethieren 
gleichfalls  nur  solche  mit  festem  Fleisch,  wie  z.  B.  Seebarben, 
Langusten,  Garnelen,  Schnecken,  Austern,  Riesenmuscheln,  Pur- 
purschnecken; von  Gemüsearten  die  Cichorie  roh  und  gekocht,  Ra- 
punzel, Portulak,  Wegerich,  wilden  Spargel ; von  Konserven  end- 
lich die  mit  Salz  eingemachten  Oliven  und  Quittenäpfel,  beson- 
ders in  gebratenem  Zustande.  Denn  alles  Rohe  ist  schwer  zu 
verdauen;  sobald  es  aber  im  Wasser  gekocht  ist,  verliert  es  zum 
Theil  das  zusammenziehende  Prinzip,  wird  es  dagegen  zerquetscht 
und  geröstet,  so  behält  es  seine  Kraft  und  ist  obendrein  noch 
leicht  zu  verdauen.  Will  man  nun  Gekochtes  essen,  so  soll  man 
es  so  kochen,  dass  man  es  auf  Rohrhalme  legt  oder  irgendwie 
authängt,  dass  es  das  Wasser  nicht  berührt,  sondern  durch  die 
aufsteigenden  Dämpfe  allmählich  gekocht  wird.  Man  kann  auch 
Birnen,  Mispel,  Arlesbeeren  (Sorbus  domestica),  Weintrauben 
empfehlen  und  zwar  entweder  aus  dem  Topfe,  oder  vorher  aufge- 
hängt (getrocknet,  Rosinen).  Denn  die  frische  Traube  blähtauf. 
Ferner  sind  auch  Mandeln  zu  gestatten.  Nur  darf  nichts  von 
allem  diesem  leckerhaft  zubereitet  sein.  Denn  das  Komplizirte 
und  Gekünstelte  in  der  Zubereitung  verlangsamt  die  Verdauung 
und  verdirbt  die  Speisen  leicht. 

§ 5 2.  Sollte  sich  im  Magen  vor  dem  Essen  eine  Flüssigkeit 
angeschoppt  haben,  so  soll  man  nicht  verhindern,  dass  der  Magen 
diese  ohne  jede  Mithilfe  aufstossen  lässt  und  durch  Erbrechen 
herauswirft.  Denn  wenn  der  Magen  nicht  vorher  ganz  ausgeleert 
ist,  so  kann  die  Speise  leicht  verderben.  Einige  von  denen,  welche 
anderer  Ansicht  sind,  schrieben  vor,  zunächst  lauwarmes  Wasser 
zu  trinken  und  dann  die  Finger  in  den  Hals  zu  stecken  und  so 
das  Erbrechen  zu  erzwingen.  Auch  sagen  sie,  wenn  die  über- 
flüssige Feuchtigkeit  scharf  und  brennend  sei  und  den  Magen 
anätze  und  brenne,  so  solle  man  den  Aufguss  oder  Dekokt  von 
Portulak  trinken  oder  Portulak  essen,  ferner  empfehlen  sie  Me- 
lonen und  Gurkensamen  mit  Wasser  vermischt,  süssen  Kreter- 
wein oder  Stabwurz  oder  Wermuth  oder  den  Abguss  von  dem 
syrischen  Nardus  oder  den  kretischen  Bocksoriganon.  Ist  die 
Feuchtigkeit  aber  dicker  und  zäh , so  verordnen  sie  R.ettig  zu- 
sammen mit  Essigmeth  und  mit  Pökelfleisch  und  ein  Senfmittel 
und  Isop,  welches  in  Meth  abgekocht  ist.  Dies  ist  jedoch  alles 
planlos.  Denn  nicht  die  verschiedenen  Zustände  der  Säfte,  sondern 
die  verschiedene  Konstitution  des  Körpers  muss  man  berück- 
sichtigen. Ausserdem  sind  Rettige  schwer  zu  verdauen,  bläht 


1)  cfr.  Alexander  Trall  II,  464. 


37 


der  süsse  Wein  auf  und  befördert  der  Wermuth  den  Abortus. 
Es  ist  also  vor  dessen  Verabreichung  zu  warnen. 

§ 53.  Die  Begierden  der  Schwangeren  nach  schädlichen 
Sachen  muss  man  zunächst  durch  mündliche  Vorstellungen  einzu- 
dämmen suchen,  indem  man  sie  belehrt,  dass  jene  Dinge  ihrem 
Magen  und  damit  auch  dem  Foetus  schaden,  weil  ihm  damit  nicht 
eine  reine  und  angemessene  Nahrung  zugeführt  werde,  sondern  eine 
solche,  welche  nur  einen  ungesunden  Körper  schaffen  könne.  Denn 
auch  das  aus  der  Erde  fliessende  W^asser  sei  nur  klar,  Ayenn  die 
Erde  rein  sei,  dagegen  trübe,  wenn  sie  schmutzig  sei.  Ver- 
schliessen  sie  diesen  Ermahnungen  ihr  Ohr,  so  soll  man  ihnen  an 
den  ersten  Tagen  nichts  verabreichen,  sondern  erst  nach  einigen 
Tagen,  wenn  sie  aus  Gram  darüber,  dass  ihr  Verlangen  nicht 
erfüllt  wird,  abmagern.  Um  den  Schaden  möglichst  zu  mindern, 
muss  man  zunächst  darauf  sehen,  dass  sie  das  Begehrte  nicht  vor 
der  beendeten  Einreibung  des  Körpers  erhalten,  wo  ja  auch  das 
an  sich  Nützliche  schadet,  und  dann,  dass  sie  es  nicht  allein, 
sondern  stets  unter  einer  zuträglichen  Speise  bekommen,  damit 
deren  gute  Qualität  die  schädliche  vernichte  oder  doch  wenig- 
stens einhülle.  Ferner  soll  man  nur  eine  geringe  Quantität  geben, 
denn  das  Zuviel  schadet  stets  in  höherem  Masse.  Auch  muss 
es  zwischen  einer  anderen  Speise  genossen  werden,  nicht  früher, 
denn  es  schadet  dem  leeren  Magen,  noch  später,  denn  das  Un- 
verdauliche verdirbt  auch  die  übrige  Nahrung. 

So  hat  die  Behandlung  der  Schwangeren  während  der  Zeit 
der  „Kissa“  zu  sein;  die  Behandlung  derselben  in  der  nächsten 
Zeit  wird  im  folgenden  Kapitel  besprochen  Averden. 


Kapitel  XVI. 

Die  Pflege  der  Schwangeren  in  der  Zeit  seit  der 
Kissa  bis  zum  Geburtsakt1). 

§ 54.  Nachdem  Avir  im  vorhergehenden  Kapitel  uns  genügend 
über  das  Verhalten  der  Schwangeren  zur  Zeit  der  Kissa  ausge- 


*)  Hier  ist  zu  vergleichen  Oribasius  (ed.  Bussemaker  et  Daremberg)  I,  98; 
2rj|ieTa  _ouXX7)'t})i<jus  y.a\  nepi  Staürjc.  'E/.  xüv  PaXfjvou  (Poütpou?).  Bezüglich  des  Coitus 
wird  hier  die  Ansicht  verfochten,  dass  sich  die  Schwangeren  weder  gänzlich  ent- 
halten, noch  zu  häufig  sich  demselben  hingeben  sollen;  denn  bei  Enthaltung  werde 
die  Geburt  schwieriger,  bei  zü  vieler  Uebung  des  Coitus  aber  werde  das  Kind  schwach. 
, . Pas  Niesen  gilt  als  besonders  gefährlich:  „‘0  bk  ypfj  oGScvos  yjoaov  Ssootxevai 

sv  a-rcaorj  rfi  -/.uvjaet,  01  icTappof  euriv. 

Bockshorn,  Foenum  graecum,  -i)Xic,  cfr.  Dioscorides,  Mat.  med.  II,  cap.  124. 

Das  Mehl  der  Samen  hat  erweichende  und  zertheilende  Kraft  und  wird  als 
Kataplasma  gebraucht,  besonders  auch  bei  Uterinleiden. 


— 38  - 

lassen  haben,  bleibt  noch  übrig,  auch  über  das  Verhalten  in  der 
nächsten  Zeit  einiges  zu  sagen. 

Der  Schwangeren  sind  im  Verhältniss  zu  ihren  Kräften  an- 
zuempfehlen: allerlei  Schaukelübungen,  Spazierengehen,  Rede- 
übungen, Lesen,  Salben,  Einreiben,  reichliche  Nahrung  doch  ohne 
Uebersättigung,  Weintrinken,  die  gewohnten  Bäder,  Zerstreuung 
des  Gemüths  in  jeglicher  Art  und  hinreichender  Schlaf.  Hier- 
durch wird  die  Schwangere  unempfindlicher  gegen  Krankheiten, 
befindet  sich  wohl  und  ist  besser  im  Stande  die  Wehen  zu  er- 
tragen, wie  andererseits  auch  der  Foetus  gesund  und  kräftig  wird 
und  hinreichende  Nahrung  geniesst. 

§ 55.  Im  siebenten  Monate  soll  man  dann  von  den  stärkeren 
Bewegungen,  namentlich  vom  Fahren,  Abstand  nehmen  und  in 
sonstigen  Bewegungen  behutsamer  sein.  Denn  während  im  Be- 
ginn der  Gravidität  ein  Krampf  gefährlich  werden  kann,  so  lange 
der  Samen  noch  nicht  fest  geworden  und  Konsistenz  gewonnen 
hat  und  so  leicht  aus  dem  Uterus  sich  ablösst,  muss  man  in  der 
späteren  Zeit,  wo  der  ausgebildete  Foetus  einen  Druck  ausübt, 
befürchten,  dass  bei  grösserer  Unruhe  das  Chorion  reisst  und 
dann  das  angesammelte  Fruchtwasser  abfliesst,  im  Falle  einer 
trockenen  Gravidität  der  in  die  Geburtswege  eingetretene  Foetus 
mit  der  Schwangeren  in  Gefahr  komme.  In  der  mittleren  Zeit 
ist  aber  die  Bewegung  nicht  gefährlich,  da  der  Foetus  noch  klein, 
aber  sicher  gebettet  ist,  das  Chorion  weder  zu  schlaff  noch  zu 
angespannt  ist  und  den  Embryo  besser  umschliesst.  Auch  soll 
man  billiger  Weise  auf  die  Anschwellung  des  Bauches  Acht 
geben , ob  sich  nicht  daraus  die  Anzeichen  der  nahen  Geburt 
zeigen.  Diese  Anzeichen  besprechen  wir  später.  Wenn  sich  der- 
artige Vorboten  zeigen,  soll  man  alles  zur  Geburt  bereitlegen. 
Denn  der  Augenschein  lehrt,  dass  auch  im  siebenten  Monat  be- 
reits reife  Früchte  geboren  werden.  Zeigen  sich  derartige  Vor- 
zeichen noch  nicht,  so  handle  man  nach  den  vorher  angegebenen 
Vorschriften.  Beim  Frottiren  muss  man  sich  vorsehen,  dass  man 
nicht  die  Warzen  der  mehr  und  mehr  anschwellenden  Brüste 
verletzt,  denn  sie  sind  sehr  empfindlich,  und  leicht  bildet  sich  in 
ihnen  ein  Abscess.  Deswegen  soll  man  auch  die  gewohnten 
Brustbinden  lockern,  um  die  gleichmässige  Anschwellung  zu  er- 
möglichen. 

§ 56.  Im  achten  Monate,  den  man  euphemistisch  als  den 
leichten  bezeichnet,  der  aber  in  Wirklichkeit  alle  Beschwerden 
in  erhöhtem  Masse  auftreten  lässt,  soll  man  die  Quantität  der 
Speise  beschränken,  von  Bewegungen  nur  die  in  der  Sänfte  oder 
auf  einem  langen  Sessel  zulassen,  es  sei  denn,  dass  eine  nicht  bis 
zu  Ende  das  Verlangen  trüge,  spazieren  zu  gehen.  Wenn  aber 
die  Beschwerden  zunehmen,  wird  es  gut  sein,  einen  Tag  zu  pau- 


39 


siren,  auf  dass  durch  Ruhe  diese  gehoben  werden.  Das  Baden 
im  kalten  Wasser,  wie  es  die  Menge  liebt,  soll  man  nicht  ge- 
statten, weil  die  Schwangeren  Zusammenziehungen  nicht  ertragen, 
unter  denen  sie,  wenn  sie  zu  ungelegener  Zeit  gegessen  haben, 
sehr  viel  leiden.  Denn  zersetzte  Nahrung  nährt  nicht  nur  nicht, 
sondern  schafft  auch  Beschwerde.  Auch  das  Bad  ist  bis  zu  einem 
gewissen  Grade  zu  verwerfen. 

Der  Beischlaf  schadet  den  Schwangeren  zu  jeder  Zeit  ein- 
mal wegen  der  dadurch  verursachten  Erschütterung  und  dann, 
weil  die  Gebärmutter  dadurch  gezwungen  wird,  eine  Bewegung 
zu  erdulden,  die  dem  Werke  der  Empfängniss  feindlich  ist.  In 
den  letzten  Monaten  ist  noch  ganz  besonders  zu  befürchten,  dass 
durch  den  Coitus  das  Chorion  zerrissen  wird  und  das  für  den 
Gebärakt  nöthige  Fruchtwasser  früher,  als  gut  ist,  abgehe.  Bildet 
sich  ein  Hängebauch,  so  soll  man  ihn  durch  eine  Binde  stützen  und 
zwar  so,  dass  man  die  Mitte  der  Binde  unmittelbar  über  die  Wöl- 
bung des  Unterleibs  legt,  die  beiden  Enden  nach  hinten  kreuz- 
weise herumschlägt,  sie  dann  über  den  Rücken  und  die  Schul- 
tern wickelt,  um  sie  schliesslich  vorne  mit  der  rings  den  Körper 
umhüllenden  Binde  zu  verknüpfen.  Man  darf  den  schwangeren 
Leib  auch  salben  mit  einer  Ceratsalbe,  welche  mit  Oel  aus  un- 
reifen Oliven  und  mit  Myrte  bereitet  ist.  Auf  solche  Weise 
stärkt  sich  die  Haut,  bekommt  keine  Schwangerschaftsnarben 
striae  gravidarum)  und  bleibt  frei  von  Runzeln. 

Nach  dem  achten  Monate  soll  man  die  Binde  wieder  lösen, 
wann  der  Augenblick  der  Geburt  naht.  Denn  das  Gewicht  wird 
den  Geburtsakt  beschleunigen.  Oefter  soll  man  jetzt  baden,  um 
die  Geschlechtstheile  zu  erschlaffen,  und  in  süssem  und  warmem 
Wasser  schwimmen.  Denn  die  natürlichen  Mittel  zeigen  dieselben 
kräftigen  Wirkungen  wie  die  Mittel,  welche  zur  Abtreibung  der 
Leibesfrucht  angewendet  werden.  Auch  ist  es  zweckmässig  die 
Geschlechtstheile  erschlaffen  zu  machen  durch  Schwitzbäder  oder 
Sitzbäder,  welche  aus  dem  Dekokt  von  Leinsamen  oder  Bocks- 
horn oder  Malve  bereitet  sind,  durch  Einspritzungen  mit  süssem 
Oele,  endlich  durch  Pessarien  aus  Gänsefett  und  Mark.  Auch 
die  Hebamme  selbst  soll  fortwährend  mit  dem  Finger  den  Mutter- 
mund öffnen  und  ringsherum  salben.  (Ausgabe  von  Ermerins 
fügt  noch  hinzu:  zumal  bei  solchen,  welche  zum  ersten  Male  ge- 
bären, bei  kränklichen,  und  bei  denen,  welche  ein  männliches 
Wesen,  hartes  Fleisch  und  einen  muskulösen  Uterushals  haben.) 
Nachdem  hiermit  die  Erörterung  oder  die  Behandlung  bis  zur 
Geburt  erschöpft  ist,  müssen  wir  noch  von  den  Mitteln  zur  Ab- 
treibung der  Leibesfrucht  sprechen.) 


40 


Kapitel  XVII. 

Ueber  die  Entwickelung  des  Eies  in  der  Gebär- 
mutter1). 

§ 57 • Wie  bei  den  Vogeleiern  sich  im  Innern  unter  der 
Schale  eine  Membran  befindet,  welche  das  Ei  von  der  Kalkschale 
tiennt,  ebenso  bildet  sich  bei  den  schwangeren  Frauen  innerhalb 
aus  dem  Samen  eine  Membran,  die  mit  dem  Uterus  zusammen- 
hdngt  und  keine  Oeffnung  hat.  Sie  ist  am  Fundus  uteri  ange- 
wachsen und  besteht  aus  Nerven,  Venen,  Arterien  und  Muskel- 
substanz. Von  Farbe  ist  sie  purpurn,  an  Gestalt  dem  Ciborien- 
blatte  (Seerose,  Nelumbium)  ähnlich,  dick  an  der  Stelle,  wo  sie 
an  der  Gebärmutterhöhle  (Fundus  uteri)  angewachsen  ist,  an  den 
übrigen  Theilen  dünn  und  häutig,  wofür  wir  den  Grund  später 
angeben  werden.  Diese  Membran  heisst  Chorion  (/ öqiov ) und 
angion  ( ayyelov ) und  secundinae  (öevzeQov  xcci  vozsqov)  und  prae- 
gnans  (iTQOQQTjy/.ia).  Xoqlov  heisst  sie,  weil  sie  den  Embryo  und 
seine  Zubehör  in  sich  aufnimmt  oder,  wie  einige  wollen,  weil  sie 
aus  vielen  Theilen  besteht  wie  der  Reigen  (yopog);  ayyelov,  weil 
sie  den  Embryo  wie  ein  Gefäss  bedeckt;  öevzeQov  xai  votsqov , 
weil  sie  nach  der  Geburt  des  Embryo  folgt;  nQOQQJ]yf.ta,  weil  sie 
vor  der  Geburt  durchreisst  und  das  Fruchtwasser  bereitet,  um  die 
Geburt  des  Embryo  zu  erleichtern. 

Aus  den  in  der  liefe  des  Uterus  liegenden  fleischigen  Theilen 
erhebt  sich  ein  dünnes  Gebilde,  das  in  der  Mitte  des  Bauches  des 
Embryo  sich  einpflanzt,  dort  wo  der  Platz  für  den  Nabel  ist.  Das  so 
dem  Embryo  gewissermassen  als  Körperbestandtheil  angewachsene 
Stück  nennt  man  Nabelschnur.  Sie  ist  aus  vier  Gefässen,  zwei 


l)  y.cßcupiov  = Nelumbium,  Seerose. 

Die  Ausgabe  von  Ermerins  hat  am  Anfang  des  Kapitels  folgende  Stelle:  ,.Zur 
Zeit  der  Conception  entsteht  in  der  Gebärmutter  das  Chorion,  welches  den  ganzen 
Embryo  von  aussen  umfasst  und  mit  ihm  zugleich  zwei  andere  Häute;  die  eine  heisst 
die  Allantois,  welche  doppelt  auf  den  Theilen  der  Frucht  liegt,  und  nach  ihm  die 
Haut,  die  man  dpvetöc  nennt,  zart  und  allenthalben  den  Embryo  umschliessend. 

Zu  vergleichen  ist  Galen,  de  foetus  formatione  (Kühn  IV,  652). 

Ueber  „Allantois“,  Galen,  de  anatomia  matricis  (Kühn  II,  902). 

Rufus  von  Ephesus  (ed.  Ruelle  p.  166 — 67)  rcept  o'voixa<n«;  etc.  Hier  lesen 
wir:  Das  Kind  wird  von  Häuten  umfasst,  zuerst  von  einer  dünnen  und  weichen 
Haut,  welche  Empedoldes  „Amnion“  nennt,  weshalb  auch  die  Ilithyia  „Amnias“ 
heisst,  und  nicht  nach  einem  Hafen  auf  Kreta.  Schneidet  man  diese  Haut  auf,  so 
findet  man  sie  mit  Flüssigkeit  gefüllt,  welche  viel  klarer  ist,  als  die  im  Chorion. 
Man  hielt  sie  theoretisch  für  den  Schweiss  des  Foetus  Wir  fanden  aber  auch,  dass 
durch  den  Urachus  eine  harnähnliche  Flüssigkeit  in  das  Chorion  kommt.  Das  Amnion 
(äp.vioc)  liegt  nach  innen  dicht  auf  dem  Kinde,  das  Chorion  nach  aussen,  als  eine 
rauhe  und  gefässreiche  Flaut  in  der  Gebärmutter.  Aus  dem  Chorion  wächst  der 
Nabel,  zwei  Venen  und  zwei  Arterien,  und  als  fünftes  der  Urachus,  ein  kurzes  Ge- 
fäss mit  zwei  Mündungen  vom  Grund  der  Blase  in  das  Chorion  gehend.  Ueber 
Vorwasser  sehe  man  Winckel,  Lehrbuch  p.  139;  Schröder  p.  144  (10.  Aufl.). 


41 


Venen  und  zwei  Arterien,  zusammengesetzt,  durch  welche  dem 
Embryo  Blut  und  Luft  als  Nahrung  zugeführt  werden.  Em- 
pedokles  lässt  diese  Gefässe  zur  Leber,  Phädrus  dagegen 
zum  Herzen  verlaufen.  Die  meisten  weisen  jedoch  die  Venen 
der  Leber,  die  Arterien  dem  Herzen  zu.  H er  ophi  los  nimmt  an, 
dass  die  Venen  in  die  „Hohlvene“,  die  Arterien  in  die  „Aorta  ab- 
dominalis“, welche  .sich  am  Rückgrat  hinzieht,  verlaufen,  jedoch 
sich  vorher  neben  der  Blase  nach  beiden  Seiten  hin  verzweigen. 
Eudemos  endlich  erklärt  einfach,  im  Nabel  des  Embryo  seien 
die  Gefässe  vereinigt  und  trennten  sich  erst  von  da  aus  in  die 
sogenannten  Hörner  (xegara)  unter  dem  Diaphragma. 

Das  fünfte  Gefäss,  welches  wir  als  Urethra  bezeichnen,  wird 
gewöhnlich  Urachus  (Harngang)  genannt.  Er  soll  am  Blasen- 
grunde befestigt  sein,  und  durch  ihn  ergiesst  sich  der  Harn  des 
Embryo  in  das  Chorion.  Doch  die  Harnentleerung  durch  die 
Urethra  geschieht  erst  nach  der  Geburt.  Aus  diesem  Grunde  ist 
auch  die  Membran  an  den  unteren  Theilen  zarter,  weil  sie  eben 
unter  der  Schärfe  des  Exkrets  und  der  Schwere  des  Embryo  sich 
spannt  und  dünn  wird.  Auch  dieses  Exkret  hat  einen  nützlichen 
Zweck,  es  hat  nämlich  einmal  den  Embryo  vorher  empor  zu 
heben  und  dann,  wenn  bei  der  Geburt  das  Chorion  reisst,  vorher 
sich  zu  ergiessen  und  die  Geschlechtstheile  so  zu  befeuchten,  dass 
der  Embryo  bequem  herausgleitet. 

§ 58.  Soviel  über  das  Chorion  und  die  Nabelschnur.  Ver- 
schiedener Ansicht  ist  man  betreffs  der  zweiten  Hülle.  Die  Majori- 
tät ist  der  Ansicht,  es  bekomme  auch  der  Embryo  eine  zweite 
Hülle,  welche  Amnion  genannt  werde;  diese  würde  bei  den  Thieren 
leicht  bemerkt,  weil  sie  sich  wegen  der  festen  Substanz  nicht 
verdünne , bei  den  Menschen  aber  werde  sie  durch  die  Schärfe 
der  umfliessenden  Feuchtigkeit  zersetzt  und  fände  sich  so  nicht 
am  ganzen  Körper,  sondern  nur  an  den  natürlichen  Körperöffnungen, 
wie  Nase,  Mund  und  After.  Man  sagt,  sie  hätte  von  der  Natur 
gebildet  werden  müssen,  damit  nicht  der  Embryo  dadurch  zu 
Grunde  gehe,  dass  er  das  scharfe  und  verderbliche  Exkret  ein- 
sauge. Doch  einige  leugnen  die  Existenz  dieser  Membran,  weil 
sie  sich  weder  bei  der  Geburt  vorfinden  lasse,  noch  das  Ein- 
saugen nützlich  sei.  Denn  das  Fruchtwasser  sei  nicht  solcher 
Art.  Ja  selbst  wenn  es  solcher  Art  wäre,  so  würde  das  wohl  zu 
erkennen  sein.  Ausserdem  könne  sie  nicht  durch  den  Mund  ein- 
gezogen werden,  weil  ja  die  Athmung  durch  den  Nabel  geschehe. 
Zufluss  könne  nur  sein,  wo  Abfluss  ist.  Da  nun  von  &den  Em- 
bryonen nichts  abfliesst,  möchte  dem  Fruchtwasser  wohl  das 
H indringen  unmöglich  sein.  AVäre  wirklich  ein  natürlicher  Schutz 
nöthig,  so  genüge  es  doch,  wenn  die  offenen  Stellen  durch  eine 
Membran  geschützt  werden,  und  brauche  diese  nicht  den  ganzen 
Körper  zu  umschliessen.  Da  nun  Mund  und  After  des  Embryo 


42 


eng  verschlossen  und  überhaupt  keine  Oeffnung  da  sei,  so  sei 
ein  gewaltsames  Einströmen  schlechthin  unmöglich.  Ueberhaupt 
befindet  sich  das  Fruchtwasser  gar  nicht  in  dem  Hohlraum  des 
Chorion,  in  welchem  der  Embryo  lebt,  sondern  in  den  Geweben 
desselben  und  schafft  sich  darin  einen  Platz  durch  Unterwühlen 
derartig,  dass  das  Chorion  dadurch  zweifach,  ja  bisweilen  auch 
dreifach  getheilt  wird.  Deshalb  stosst  der  Finger  der  Hebamme 
noch  auf  eine  geschlossene  Membran,  wenn  auch  ein  Theil 
des  Fruchtwassers,  welches  abgeschnürt  war,  schon  ausgeschie- 
den wurde. 

Wenn  aber  auch  diese  Haut  reisst,  so  geht  viel  Fruchtwasser 
ab  und  die  Frucht  folgt  bald.  Viele  wollen  das  bestreiten  und  sagen 
das  erste  Wasser  (Vorwasser!1)  werde  durch  Bildung  von  Hyda- 
tiden  abgeschieden,  welche  platzen,  während  das  Chorion  ganz 
bleibt.  Dieses  war  im  Allgemeinen  auch  schon  unsere  Ansicht, 
bevor  Thatsachen  für  die  Existenz  des  Amnion  (Schaf  haut)  zeugten. 


Kapitel  XVIII. 

Die  Zeichen  eines  bevorstehenden  Absterben  der 

Frucht2). 

§ 59.  Steht  der  Tod  der  Frucht  bevor,  so  geht  zunächst 
eine  Flüssigkeit  ab,  ähnlich  dem  Blutwasser  oder  dem  Blute  oder 
auch  dem  Fleischwasser.  Hat  sich  das  Ei  gelöst,  so  folgt  reines 
Blut  und  schliesslich  geronnenes  Blut  und  fleischiges  Gewebe, 
welches  je  nach  der  Zeit  noch  formlos  ist  oder  schon  Form  ge- 
wonnen hat.  Bei  den  meisten  Frauen  zeigt  sich  ferner  Schwere 
und  Schmerzen  in  der  Hüfte,  den  Eingeweiden,  im  Unterleibe, 
in  den  Leistendrüsen,  im  Kopfe,  in  den  Augen  und  den  Gliedern, 
Magenschmerzen,  Kälte,  Schweiss,  Ohnmacht,  bisweilen  auch 
Fieberschauer,  auch  Schluchzen,  Krampf  und  Stimmlosigkeit. 
Diese  Erscheinungen  treten  zumal  bei  den  Frauen  auf,  welche 
Abortiva  genommen  haben.  Bei  Frauen,  welche  spontan  abor- 
tiren,  konstatirte  Hipokrates  ein  abnormes  Welkwerden  der 
Brüste,  Diokl es  dagegen  Frost  in  den  Schenkeln  und  Gefühl  von 
Schwere  im  Becken  um  die  Zeit  der  Geburt. 


1)  cfr.  Winckel  p.  139.  Schröder  p.  144  (10.  Aufl.). 

2)  Das  Welkwerden  (iovviuoi?)  der  Brüste  wird  in  der  Hippokratischen  Samm- 
lung wiederholt  als  Zeichen  des  drohenden  Abortus  erwähnt.  So  in  dem  Buche 
über  Frauenkrankheiten  I.  §'27  (Littre  VIH,  71).  „Wenn  bei  einer  im  7.  oder  8. 
Monate  Schwangeren  die  Völle  der  Brüste  und  des  Bauches  schwindet,  wenn  die 
Brüste  klein  werden  und  keine  Milch  sich  zeigt,  so  ist  das  Kind  entweder  todt 

oder  schwach.  , 

Ferner  Aphorismen  V,  53  und  37.  (Littre  IV,  551).  Epidemienil,  £ 6 (Littr6 

V,  77). 


43 


Kapitel  XIX. 

Ueber  den  Gebrauch  der  Abortiva  und  der  Mittel, 
welche  die  Conception  verhindern1). 

§ 60.  Atokion  unterscheidet  sich  von  Phthorion  so,  dass  das 
erstere  ein  Mittel  bezeichnet,  welches  die  Conception  verhindert, 
das  zweite  dagegen  ein  Mittel,  welches  die  Frucht  tödtet.  Ek- 
bolion  halten  einige  für  synonym  mit  Phthorion,1^  andere  sagen 
dagegen,  das  Ekbolion  bestehe  zum  Unterschiede  von  Phthorion 
nicht  in  einer  Arznei,  sondern  in  einer  gewaltsamen  Erschütte- 
rung des  Körpers  wie  z.  B.  beim  Springen.  So  habe  Hippo- 
krates  in  seinem  Werke  über  die  Natur  des  Kindes  die  Abortiva 
verworfen  und  als  Abtreibungsmittel  den  Sprung  angerathen,  bei 
welchem  man  mit  den  Füssen  den  Steiss  berührt.  Doch  geht  die 
Ansicht  über  den  Gebrauch  der  Abortiva  auseinander.  Manche 
verwerfen  sie,  indem  sie  sich  einmal  auf  die  Worte  des  Hippo- 
krates  „ich  werde  niemals  ein  Phthorion  verordnen“  berufen  und 
dann  weiter  anführen,  es  sei  die  Aufgabe  der  ärztlichen  Kunst, 
die  Werke  der  Natur  zu  erhalten  und  zu  retten.  Andere  lassen 
die  Phthoria  mit  Auswahl  zu,  so  niemals  in  den  Fällen,  wo  statt- 
gefundener Ehebruch  oder  Besorgniss  für  die  Blüthe  Tödtung  der 
Frucht  verlangen,  dagegen  immer,  wenn  die  Geburt  gefährlich  zu 
werden  droht,  sei  es  dass  die  Gebärmutter  zu  klein  ist  und  die 
Entbindung  nicht  vollenden  kann,  oder  dass  sich  im  Muttermunde 
Neubildungen  und  Risse  gebildet  haben  oder  irgend  ein  anderes 


p Die  Schrift  ,,de  natura  pueri“  ist  nicht  von  Hippolcrates,  sondern  von  einem 
späteren  Jatrosophisten.  Hier  wird  einer  Tonkünstlerin  (p.oua&epYo?),  welche  Gravidität 
zu  fürchten  hatte,  gerathen,  wiederholt  mit  den  Füssen  auf  die  Erde  zu  springen. 
Nach  dem  siebenten  Sprung  sei  das  Ei  abgegangen.  Ueber  das  abgegangene  Pro- 
dukt besitzen  wir  eine  ausführliche  Erörterung  von  Charles  Robin  (Littre,  Hippo- 
crate  VII,  463),  welcher  den  Abgang  mit  Dysmenorrhoea  membranacea  in  Zusammen- 
hang bringt.  (Hierüber  Winckel,  Lehrb.  d.  Frauenkrankheiten  p.  563,  wo-  übrigens 
die  Priorität  der  Beschreibung  für  J.  B.  Morgagni  gewahrt  wird.)  Die  Ansicht 
Robins  stützt  sich  auf  den  Umstand,  dass  die  Expulsion  schon  sechs  Tage  nach  dem 
Coitus  slattfand,  zu  welcher  Frist  ein  deutliches  Ei  noch  nicht  vorhanden  sein  konnte. 

Da  der  Eid  des  Hippokrates  offenbar  einen  ganz  anderen  Ursprung  hat  (auch 
er  ist  wohl  nicht  echt  hippokratisch),  so  kann  darin  kein  Widerspruch  erblickt  wer- 
den, wenn  im  „opxos“  gesagt  wird  „ouSs  yüvaoa  -rclaaov  (p&opiov  Siuau/-  — ich  werde 
keiner  Frau  ein  abtreibendes  •tce'jcov  (Mutterzapfen)  reichen. 

Hippokrates,  Aphorism.  V,  31.  Eine  Schwangere,  der  zur  Ader  gelassen 
wird,  abortirt  und  um  so  eher,  je  grösser  der  Embryo  ist. 

Ueber  -/.sopos  sehe  man  Oribas.  II,  645. 

Succus  Cyrenaicus,  hierüber  Alexander  Trall  (ed.  Puschmann  I,  406),  auch 
Dioscorides  Mater,  med.  Lib.  III,  cap.  34  ed.  Sprengel. 

Syrische  Salbe.  Galen  (de  compos.  medicam.  sec.  locos  Lib.  II.  Kühn  XII, 
543)  nach  Archigenes. 

Ruta,  Raute.  Diese  Pflanze  gilt  heute  noch  als  kräftiges  Abortivum.  Helie 
de  Nantes  hat  in  den  Annal.  d’PIygien.  I.  Serie  Tom.  XX,  drei  Fälle  berichtet 
(referirt  bei  Tardieu,  Etüde  med.  leg.  sur  l’empoisonnement). 


44 


Geburtshinderniss  vorliegt.  Diesem  entsprechen  auch  ihre  An- 
sichten über  die  Anwendung  der  Mittel  zur  Verhütung  der  Con- 
ception.  In  Uebereinstimmung  mit  diesen  halten  auch  wir  es  für 
sicherer,  die  Conception  zu  verhindern  als  die  Frucht  zu  tödten. 

§ 61.  In  den  Fällen,  wo  es  nützlicher  ist,  die  Conception 
zu  hindern,  soll  man  den  Coitus  in  den  Zeiten  unterlassen,  welche 
wir  als  besonders  empfänglich  bezeichnet  haben,  das  ist  also  die 
Zeit  unmittelbar  vor  und  nach  der  Menstruation.  Ferner  soll  die 
Frau  beim  Coitus  in  dem  Augenblicke,  in  dem  der  Mann  den 
Samen  ejakulirt,  den  Athem  anhalten,  ihren  Körper  ein  wenig 
zurückziehen,  auf  dass  der  Samen  nicht  in  die  Uterushöhle  drin- 
gen kann,  dann  sofort  aufstehen,  sich  mit  gebogenen  Knieen 
niedersetzen,  in  dieser  Stellung  Niesen  erregen  und  die  Scheide 
sorgfältig  auswischen  oder  auch  kaltes  Wasser  trinken.  Ferner 
verhindern  die  Conception  Inunktionen  des  Muttermundes  mit 
altem  Oel  oder  Honig  oder  Cedernharz  oder  Opobalsamum  ent- 
weder allein  oder  mit  Bleiweiss  verbunden,  oder  mit  Salbe,  welche 
in  Myrthenöl  und  Bleiweiss  bereitet  ist,  oder  mit  Alaun,  welches 
ebenfalls  vor  dem  Coitus  zu  befeuchten  ist,  oder  Galbanum  in 
Wein.  Wirksam  ist  auch  weiche  Wolle  in  den  Muttermund  ein- 
gebracht oder  vor  dem  Coitus  der  Gebrauch  von  Mutterzäpfchen, 
welche  zusammenziehen  und  verschliessen.  Denn  wenn  derartige 
Mittel  adstringirend  und  kühlend  wirken , verschliessen  sie  den 
Muttermund  vor  dem  Augenblicke  des  Beischlafs  und  verhindern 
den  Eintritt  des  Samens  in  die  Uterushöhle;  wirken  sie  dazu 
noch  reizend,  so  verhindern  sie  nicht  nur  das  Verbleiben  des 
Samens  in  der  Uterushöhle,  sondern  ziehen  sogar  noch  eine 
andere  Flüssigkeit  aus  derselben. 

Von  anderen  derartigen  Mitteln  erwähne  ich  noch:  Fichten- 
rinde, Rhus  coriaria,  beides  zu  gleichen  Theilen:  zerreibe  es  mit 
Wein  und  -wende  es  kurz  vor  dem  Coitus  an  vermittelst  Wolle. 
Diese  ist  nach  2—3  Stunden  zu  entfernen,  und  dann  darf  der 
Coitus  stattfinden. 

Ein  anderes  Mittel:  Kimolische  Erde,  Panaxwurzel,  zu  glei- 
chen Theilen  für  sich  allein  oder  auch  mit  Wasser  vermischt 
als  Paste.  Anwendung  wie  vorher. 

Oder:  Das  Fleisch  von  frischen  Granaten  mit  Wasser  zer- 
rieben. 

Oder:  Zwei  Theile  Granatapfelschale,  ein  Theil  Gallaplel; 
zerreibe  diese  zu  kleinen  Kugeln  und  lege  sie  nach  dem  Auf- 
hören der  Menstruation  unter  den  Muttermund. 

Oder:  Gelöster  Alaun  und  das  Fleisch  der  Granate  mit  V' asser 
zerrieben.  Die  Anwendung  geschieht  vermittelst  Wolle. 

Oder:  Unreifer  Gallapfel,  Granatenmark,  Ingwer.  Nimm  von 
jedem  2 Drachmen,  forme  es  zu  Kügelchen  von  Erbsengrösse, 


45 


trockne  sie  im  Schatten  und  gebrauche  sie  als  Mutterzäpfchen 
vor  dem  Coitus. 

Oder:  Verreibe  das  Fleisch  getrockneter  Feigen  mit  Natrum 
und  gebrauche  es  ebenso 

Oder:  Granatapfelschalen  mit  Gummi  und  Rosenöl  zu  glei- 
chen Theilen. 

Ferner  wirkt  in  gleicher  Weise  das  Trinken  des  Honig- 
gemisches1). Vermeiden  muss  man  dagegen  alle  scharfen  Mittel, 
weil  sie  ätzend  wirken.  Alle  angeführten  Mittel  sind  nach  Be- 
endigung der  Menstruation  anzuwenden. 

§ 63.  Manche  empfehlen  auch,  einmal  im  Monat  eine  Quan- 
tität Kyrenaischen  Saftes2)  von  der  Grösse  einer  Kichererbse  mit 
zwei  Cyathi  Wassers  zu  geniessen,  denn  dieses  befördert  die  Men- 
struation. Oder  auch:  Je  zwei  Obolen  von  Opopanax,  vom  Kyre- 
naischen Safte  und  vom  Safte  der  Raute  mit  Wachs  als  Pillen 
zu  formen  und  zu  verschlucken3);  es  ist  dann  gewässerter  Wein 
nachzutrinken  oder  dieses  Mittel  selbst  in  gewässertem  Weine 
zu  geniessen.  Oder  einen  Trank  bestehend  aus  je  drei  Obolen 
Levkoien-  und  Myrthensamen,  einer  Drachme  Myrrhe  und  zwei 
Körner  des  weissen  Pfeffers,  in  Wein  drei  Tage  lang  zu  trinken. 
Oder  eine  Obole  vom  Raukensamen  und  1/ 2 Obole  Sphondylium 
vermischt  mit  Sauerhonig  zu  trinken. 

Diese  Mittel  verhindern  nicht  nur  die  Conception,  sondern 
zerstören  auch  das  Produkt  derselben.  Unserer  Meinung  nach 
ist  der  von  ihnen  ausgehende  Schaden  doch  ein  ganz  beträcht- 
licher, denn  sie  verderben  den  Magen  und  erregen  Erbrechen, 
auch  beschweren  sie  den  Kopf  und  ziehen  ihn  in  Mitleidenschaft. 
Manche  gebrauchen  Amulete  in  der  festen  Ueberzeugung  von 
der  antipathischen  Wirkung  derselben.  Diese  Amulete  enthalten 
die  Gebärmutter  einer  Mauleselin  oder  den  Ohrenschmutz  der- 
selben und  derartiges  mehr.  Doch  der  Erfolg  dieser  Amulete  ist 
trügerisch. 

§ 64.  Hat  die  Conception  einmal  stattgefunden,  so  hat  man 
zunächst  30  Tage  lang  gerade  den  früher  gegebenen  Vorschriften 
entgegen  zu  handeln.  Damit  sich  der  Samen  löst,  soll  man  also 
auf  dem  Spaziergange  sich  stark  bewegen,  sich  im  Wagen  tüchtig 
durchschütteln  lassen,  kräftig  springen  und  übermässig  schwere 
Lasten  heben,  harntreibende  Dekolcte  geniessen  und  das  Monat- 
liche in  Fluss  bringen,  scharfe  Klystire  geben,  welche  den  Unter- 
leib ausspülen,  mit  süssem  und  warmem  Oele  bald  injiziren  bald 
tüchtig  salben  und  reiben  am  ganzen  Körper,  besonders  aber 
die  Scham,  den  Unterleib  und  die  Lende,  täglich  sich  in  einem 

!)  Dioscor.  V,  cap.  17. 

2)  Alexander  Trall.  ed.  Puschmann  I,  406. 

3)  xattmveiv  = verschlingen  etc  , nicht  blos  von  Fluidis. 


46 


süssen  Wasser  waschen,  welches  nicht  zu  heiss  sein  darf,  in  dem 
Bade  längere  Zeit  verweilen,  vor  dem  Bade  einen  schwachen 
Wein  trinken  und  scharfe  Speisen  dazu  essen.  Ist  dieses  noch 
nicht  von  Erfolg,  so  soll  man  sich  mit  jenen  Körpertheilen  in 
eine  Abkochung  von  Leinsamen,  Bockshorn,  Malve,  Althaea, 
Artemisia  setzen  und  mit  diesen  auch  jene  Theile  bähen,  Injek- 
tionen vornehmen  mit  altem  Oel  und  zwar  für  sich  allein  oder 
in  Mischung  mit  Rautensaft  oder  Honig,  ferner  mit  Irissalbe  oder 
Absinth  gemischt  mit  Honig  oder  Opopanax  oder  mit  Graupen- 
schleim in  Mischung  mit  Raute  und  Honig,  oder  mit  Syrischer 
Salbe1).  Tritt  der  Abortus  dann  noch  nicht  ein,  so  soll  man 
nicht  länger  die  gewöhnlichen  Salben  anwenden,  sondern  über- 
gehen zu  Salben  aus  feinem  Bohnenmehle  gemischt  mit  Stier 
galle  und  Wermuth  und  derartigen  Umschlägen. 

§ 65.  Steht  der  Eintritt  des  Abortus  bevor,  so  soll  man  2 
oder  3 Tage  vorher  öfter  baden,  wenig  geniessen,  erweichende 
Mutterzäpfchen  an  wenden,  sich  des  Weines  enthalten,  schliesslich 
zur  Ader  lassen  und  kräftig  abführen.  Der  Ausspruch  des  Hippo- 
krates  in  den  Aphorismen:  „Jedes  schwangere  Weib  erleidet  einefr 
Abortus,  wenn  ihm  zur  Ader  gelassen  wird“  trifft  zwar  nicht  bei 
einer  mit  straffer  Faser  versehenen,  doch  immer  bei  einer  ge- 
sunden Frau  zu.  Denn  wie  Schweiss,  Harn  und  Koth  ausge- 
sondert werden,  sobald  die  ihre  Substanz  umfassenden  Theile  er- 
schlaffen, so  fällt  auch  die  Frucht  heraus,  wenn  der  Uterus  sich 
zu  früh  eröffnet.  Nach  dem  Aderlass  soll  man  sich  im  Wagen 
durchrütteln  lassen,  denn  die  Erschütterung  ist  wirksamer,  wenn 
die  Geschlechtstheile  vorher  erschlafft  sind.  Auch  aufweichende 
Mutterzäpfchen  soll  man  gebrauchen.  Sollte  aber  die  Frau  für  den 
Aderlass  zu  schwach  sein,  so  muss  man  die  Geschlechtstheile  zu- 
nächst durch  Sitz-  und  andere  Bäder,  erweichende  Mutterzäpfchen, 
Wassertrinken,  Fasten,  Abführmittel  schlaff  machen,  auch  kann  man 
ein  aufweichendes  Mittel  als  Klystier  an  wenden,  dann  aber  muss  man 
ein  die  Frucht  tödtendes  Mutterzäpfchen  gebrauchen.  Zum  Pes- 
sarium  darf  man  nicht  zu  scharfe  Mittel  wählen,  auf  dass  sie  nicht  ein 
Allgemeinleiden  und  Fieber  herbeiführen.  Solche  milderen  Mittel 
sind:  Myrrhenöl,  Levkojensamen,  bittere  Lupinen  zu  gleichen 
Theilen  sind  zu  Zeltchen  von  der  Grösse  einer  Bohne  zu  formen. 
Oder:  3 Drachmen  Rautenblätter,  2 Dachmen  Myrrhe  und  eben- 
soviel Lorbeer  sind  mit  Wasser  zu  digeriren.  Ein  anderes  Mutter- 
zäpfchen, das  fast  ohne  Gefahr  abtreibt,  ist  folgendes:  V ermische 
zu  gleichen  Theilen  mit  Wasser  Levkoje,  Ivardamus,  Schwefel, 
Absinth,  Myrrhe.  A^or  dem  Gebrauch  dieses  Pessar’s  soll  man 
sich  ganz  baden  oder  wenigstens  ein  Sitzbad  nehmen;  tritt  der 
Erfolg  nicht  ein,  soll  man  Sitzbad  und  Pessarium  wiederholen. 


l)  cfr.  Alex.  Trall.  II,  304. 


47 


Es  sind  noch  viele  andere  Abortiva  bei  anderen  Aerzten  auf- 
geführt worden.  Doch  muss  man  stets  sich  vor  solchen  hüten, 
die  stark  wirken;  ebenso  ist  die  Loslösung  des  Embryo  mit  einem 
spitzigen  Instrument  zu  verwerfen,  weil  die  Gefahr,  dass  die  um- 
liegenden Geschlechtstheile  verletzt  werden,  doch  gross  ist. 

Die  Nachbehandlung  nach  stattgefundenem  Abortus  ist  die- 
selbe wie  bei  jeder  Entzündung. 


Kapitel  XX. 

Die  Vorzeichen  einer  normalen  Geburt. 

§ 66.  Damit  man  die  für  die  Geburt  nöthigen  Vorbereitungen 
treffen  kann,  muss  man  die  Zeichen  kennen,  welche  dem  Eintritt 
der  Geburt  vorausgehen.  Im  7.,  9.  oder  10.  Monat  werden  die 
Frauen,  welche  der  Entbindung  nahe  sind,  von  Schwere  im  Unter- 
leib und  der  Magengegend,  von  Brennen  in  den  Genitalien,  von 
Schmerzen  in  den  Leistendrüsen,  den  Hüften  und  überhaupt  in 
der  Gegend  unterhalb  des  Uterus  befallen.  Der  Uterus  senkt 
sich  gegen  die  Vulva  zu,  so  dass  die  Hebamme  bei  der  Untersuch- 
ung ihn  leicht  betasten  kann,  der  Muttermund  sich  lockert,  sich  öffnet 
und  Schleim  absondert.  Im  Verhältniss  zur  Annäherung  an  den 
Augenblick  der  Geburt  fallen  die  Lenden  zusammen,  mit  den 
Leisten  schwillt  zugleich  der  Venusberg  an  und  es  tritt  anhalten- 
der Harndrang  ein.  Es  entleert  sich  zunächst  eine  schleimige 
und  feuchte  Masse,  dann  bei  den  meisten  auch  Blut , indem  die 
feinen  Gefässe  des  Chorion  bersten.  Beim  Touchiren  kommt  man 
auf  eine  runde  Geschwulst,  welche  einem  Ei  gleicht. 

Auch  die  Entzündung  bereitet  Schmerzen ; dieselbe  wird  daran 
erkannt,  dass  der  Muttermund  geschlossen  und  trocken  ist. 


Kapitel  XXI. 

Die  Vorbereitungen  für  die  Geburt1). 

§ 67.  Bei  der  normalen  Geburt  muss  man  folgende  Sachen 
in  Bereitschaft  halten:  Oel,  warmes  Wasser,  warme  Umschläge, 


5)  Ueber  den  Geburtsstuhl  spricht  auch  der  Chirurg  Antyllus  (Oribas  II 
425  ed  Bussemaker  et  Daremberg).  Hier  werden  gegen  Hysterie  Räucherungen  auf 
dem  öitppo 5 [Aatumxos  empfohlen. 

Ferner  ist  nachzulesen:  Triller,  Clinotechnia  medica  pag.  221  und  239. 

Siebold,  Geo  Christoph,  Commentatio  de  cubilibus  sedilibusque  usui 
obstetricio  inservientibus.  Gotting.  1790.  4.  ^ 

In  dem  Rosengarten  des  Eucharius  Röslin,  Ausgabe  1394  findet  sich 
hol.  25  eine  entsprechende  Abbildung.  (Diese  Edition  ist  betitelt:  Hebammenbüch- 
lein. Empfengknuss  und  Geburt  dess  Menschen  etc.) 


48 


weiche  Schwämme,  Wolle,  Binden,  ein  Kopfkissen,  Riechmittel, 
den  Geburtsstuhl  oder  Geburtssessel,  zwei  Betten  und  ein  zum 
Gebären  passendes  Zimmer.  Das  Oel  dient  zu  Injektionen  und 
Anfeuchtungen,  das  warme  Wasser  zur  Abwaschung  der  Ge- 
schlechtstheile,  die  warmen  Umschläge  zur  Hinderung  der  Wehen, 
die  Schwämme  zum  Abwaschen,  die  Wolle  zur  schützenden  Be- 
deckung der  Geschlechtstheile,  die  Binden  zu  Windeln  für  das 
neugeborene  Kind,  das  Kissen  zum  einstweiligen  Platze  für  das 
Kind,  bis  auch  die  Nachgeburt  abgegangen  ist,  die  Riechmittel, 
wie  z.  B.  Polei,  armenischer  Bolus,  gebranntes  Mehl,  Quitte  und 
wenn  es  die  Jahreszeit  gestattet,  auch  Citrone,  reife  Melonen* 1) 
und  ähnliches,  zur  Erfrischung  der  Gebärenden. 

§ 68.  Auf  dem  Geburtsstuhle  soll  die  Gebärende  gut  (fest) 
sitzen.  In  der  Mitte  des  Stuhles  und  dort,  wo  die  Genitalien 
ruhen,  soll  ein  kleiner  halbmondförmiger  Raum  ausgeschnitten 
sein.  Dieser  darf  nicht  zu  gross,  damit  die  Frau  nicht  bis  zu  den 
Hüften  einsinke,  noch  zu  klein  sein,  da  sonst  die  weibliche  Scham 
gepresst  wird,  was  noch  lästiger  ist.  Denn  eine  Höhlung,  die  zu 
weit  ist,  kann  man  mit  Leinwand  zustopfen.  Die  Stuhlplatte  sei 
derartig,  dass  auch  recht  starke  Weiber  darin  Platz  haben,  die 
Höhe  im  V erhältniss  dazu.  Kleineren  Personen  kann  eine  Fuss- 
bank  nachhelfen.  Der  unter  dem  Sitze  befindliche  Theil  des 
Stuhles  soll  an  den  Seiten  mit  Brettern  beschlagen , vorne  und 
hinten  dagegen  offen  sein  zur  Verwendung  beim  Geburtsakt. 
Ueber  dem  Sitze  sollen  an  beiden  Seiten  2 Ouerhölzer  von  der 

/V 

Gestalt  des  Buchstaben  TT  eingefügt  sein,  damit  man  in  diesen 
bei  den  Anstrengungen  die  Hände  der  Gebärenden  stützen  kann, 
im  Rücken  befinde  sich  eine  Lehne,  welche  den  Hüften  und  dem 
Becken  das  Zurückweichen  unmöglich  mache.  Denn  würde  in 
dem  Augenblicke,  wo  die  Frau  sich  zurückbeugt,  auch  die  Lehne 
nachgeben,  so  entstände  eine  regelwidrige  Haltung,  die  hindern 
würde,  dass  das  Kind  gerade  heraüskommt.  Einige  wollen  am 
unteren  Theile  des  Stuhles  noch  einen  hervorragenden  Balken 
angebracht  wissen,  der  an  beiden  Enden  Kurbel  und  Achse  trägt 
zu  dem  Zwecke,  um  beim  Herausziehen  des  Foetus  Schlingen 
zu  verwenden,  welche  man  um  die  Arme  nahe  beim  Ohre  oder 
um  andere  Körpertheile  des  Embryo  wirft,  und  welche  man  dann 
mit  den  Enden  an  den  Pflock  bindet,  um  so  mittelst  Drehung 
der  Kurbel  die  Herausziehung  des  Embryo  zu  bewerkstelligen. 


Bei  Jakob  Ru  eff,  de  conceptu  et  generatione  hominis.  Tiguri  1554  ist  das 
Bild  des  Sedile  auf  Folio  21. 

Walter  Ryff  copirt  Fol.  102  den  Röslin  und  fügte  noch  eine  zweite  Ab- 
bildung eines  Geburtsstuhles  bei,  der  wegen  steilerer  Lehne  vielleicht  weniger  zweck- 
mässig ist.  Alle  diese  Geburtsstühle  entsprechen  mehr  oder  weniger  der  Beschreib- 
ung des  Soranus. 

1)  cfr.  Alexander  Trall.  I.  366. 


49 


Dabei  ist  aber  die  allgemeine  Regel  ausser  Acht  gelassen,  dass 
bei  einer  Schwergeburt  das  Herausziehen  nur  bei  liegender  Stel- 
lung der  Frau  zu  geschehen  hat.  Der  Geburtsstuhl  muss  so  sein, 
wie  wir  ihn  beschrieben  haben,  ausserdem  kann  auch  ein  Sessel 
zugelassen  werden,  der  vorne  oder  hinten  ausgeschnitten  ist. 
Der  Höhlung-  wird  hinten  in  der  Regel  noch  ein  mit  Leder  be- 
nähtes Polster  hinzugefügt.  Von  den  beiden  Betten  muss  das 
eine  weich  und  gepolstert  sein,  auf  welchem  das  Weib  gleich 
nach  der  Geburt  ruhen  kann,  das  andere  dagegen,  auf  welchem 
die  Frau  in  liegender  Stellung  zu  gebären  hat,  soll  hart  sein, 
damit  es  nicht  nachgiebt.  Die  Füsse  sollen  aneinander  gestellt 
sein,  die  Schenkel  gespreizt  liegen  und  unter  die  Hüften  muss  eine 
Stütze  gelegt  werden,  damit  die  Genitalien  nach  abwärts  ge- 
richtet sind. 

§ 6g.  Die  Schmerzen  mildert  man  zunächst  durch  Berührung 
mit  warmen  Händen,  dann  taucht  man  Leinwand  in  warmes  und 
süsses  Oel  und  macht  solche  Umschläge  auf  das  Epigastrium 
und  die  Schamlefzen  und  spritzt  fortwährend  mit  warmem  Oel. 
Auch  kann  man  eine  mit  warmem  Oel  angefüllte  Blase  verwenden. 
Hat  sich  der  Muttermund  schon  etwas  geöffnet,  so  soll  die  Heb- 
amme ihre  Hände  mit  warmem  Oel  benetzen,  den  Zeigefinger 
der  linken  Hand,  dessen  Nagel  vorher  zu  beschneiden  ist,  ein- 
führen und  damit  sanft  und  allmählich  den  Mund  weiter  öffnen, 
auf  dass  der  vorstehende  Theil  des  Chorion  vorfällt,  mit  der 
rechten  Hand  aber  die  Genitalien  fortwährend  mit  Oel  bestreichen, 
° wobei  sie  jedoch  ranzig  gewordenes  Oel  sorgfältig  zu  vermeiden 
hat.  Wird  die  Gebärende  in  dem  Augenblicke,  wo  der  unterhalb 
des  Muttermundes  herausragende  Theil  des  Chorion  ungefähr  die 
Grösse  eines  Eies  erlangt,  schwach  und  ohnmächtig,  so  soll  man 
sie  in  horizontaler  Lage  liegend  entbinden,  weil  diese  Art  des 
Gebärens  weniger  Qual  und  Furcht  erregt.  Zeigt  sie  sich  aber 
stark,  so  soll  sie  aufstehen  und  sich  auf  den  sogenannten  Ge- 
bärstuhl setzen.  Einer  Erkältung  ist  durch  Erwärmen  und  Be- 
netzen mit  warmem  Oel  vorzubeugen.  Auch  die  Füsse  sind  mit 
einer  Decke  zu  schützen  


Drei  I rauen  sollen  der  Gebärenden  dienend  zur  Seite  stehen. 
Sie  haben  mit  tröstenden  Worten  ihr  über  die  Gefahr  hinweg- 
zuhelfen, wozu  es  nicht  erforderlich  ist,  bereits  selbst  Geburten 
durchgemacht  zu  haben.  Zwei  von  ihnen  stehen  an  der  Seite, 
eine  hinterm  Rücken  der  Gebärenden  und  verhindern,  dass  diese 
wahrend  der  Wehen  nach  vorn  rutsche.  Ist  kein  Gebärstuhl 
zur  Hand,  so  kann  man  dieselbe  Lage  dadurch  erzielen,  dass  man 
die  Gebärende  sich  auf  die  Schenkel  einer  Frau  setzen  lässt.  Diese 
krau  muss  aber  recht  kräftig  sein,  denn  sie  hat  einmal  die  Last 

So  ran  US,  Ueber  die  Krankheiten  des  weiblichen  Geschlechtes. 


50 


der  auf  ihr  sitzenden  Frau  zu  tragen  und  dann  während  der  Wehen 
sie  zu  halten. 

Die  Hebamme  selbst  endlich  hat  in  reinlichem  Kleide  der 
Gebärenden  gegenüber,  aber  etwas  niedriger  zu  sitzen.  Denn 
das  Herausziehen  der  Frucht  erfolgt  von  oben  nach  unten.  Dass 
sie  in  hockender  Stellung  arbeite,  wie  einige  riethen,  ist  läs- 
tig und  unschicklich.  Ebenso  verhält  es  sich  mit  der  Forder- 
ung Heron’s1),  der  verlangt,  dass  sie  in  einer  Vertiefung  stehe, 
damit  sie  nicht  die  Hände  von  oben  nach  unten  zu  bewegen 
brauche.  Dieser  Vorschlag  ist  einmal  unschicklich  und  dann  auch 
in  zweistöckigen  Häusern  einfach  unausführbar.  Die  Hebamme 
soll  so  der  Gebärenden  gegenüber  sitzen,  dass  sie  die  Ober- 
schenkel auseinanderspreizt  und  den  linken  ein  wenig  zurückzieht, 
damit  die  linke  Hand  leicht  wirken  kann.  Die  seitlichen  Füsse 
des  Stuhles  rathen  wir  zu  bedecken.  Die  hinteren  Theile  des 
Stuhles  sind  von  der  beistehenden  Frau  zu  besetzen,  welche  die 
Compresse  aus  Wolle  unterzulegen  hat.  Denn  den  Damm  muss 
man  stützen,  weil  in  Folge  der  Anspannung  oft  Vorfälle  und 
Einrisse  Vorkommen.  Auch  ist  es  gut,  der  Kreissenden  in  das 
Gesicht  zu  blicken  und  ihr  Trost  zuzusprechen,  ihr  alle  Furcht 
vor  Gefahr  zu  nehmen  und  ihr  eine  glückliche  und  gute  Ent- 
bindung voraus  zu  verkündigen. 

Ferner  soll  man  ihr  rathen,  die  Luft  in  die  Weichen  ohne 
Schreien  eindringen  zu  lassen,  aber  unter  Seufzen  und  Anhalten 
des  Atherns.  Schon  manche  Unwissende  haben  durch  Verhalten  der 
Luft  in  der  Brust,  anstatt  sie  nach  unten  zu  treiben,  einen  Kropf  ver- 
anlasst Um  daher  der  Luft  ungehinderten  Durchgangzu  verschaffen, 
ist  es  zweckmässig  den  Gürtel  zu  lösen  und  die  Brust  von  jeder 
Binde  frei  zu  machen.  Massgebend  ist  dabei  jedoch  nicht  die 
gewöhnliche  Anschauung,  dass  die  Weiber  nicht  gerne  eine  Binde 
tragen.  Aus  demselben  Grunde  ist  auch  das  Haar  zu  lösen, 
denn  die  Lösung  des  Haares  bewirkt  Stärkung  des  Kopfes.  Auch 
soll  man  sie  auffordern,  angestrengt  zu  athmen,  die  Wehen  zu 
verarbeiten  und,  wenn  sie  da  sind,  mitzuwirken.  Die  Hebamme 
mag  es  vermeiden,  andauernd  ihre  Augen  auf  die  Schossgegend 
zu  richten,  damit  nicht  der  Körper  sich  aus  Scham  zusammen- 
ziehe. Mit  dem  Finger  soll  sie  den  Muttermund  und  die  Scham- 
lippen durch  kreisförmige  Bewegungen  ausrunden 

und  der  Muttermund  zieht  sich  bald  zurück,  bald  steht  er  tiefer. 

Mit  der  grössten  Aufmerksamkeit  und  Vorsicht  soll  die  Heb- 
amme die  Finger  zur  Zeit  der  Eröffnung  einführen  und  den  Em- 
bryo anziehen;  indem  sie  nachlässt,  wenn  die  Gebärmutter  sich 
kontrahirt,  und  anzieht,  wenn  die  Wehe  nachlässt.  Wenn  man 

l)  Celsus,  Lib.  VII.  Prätalio  und  cap.  14. 


51 


zur  Zeit  der  Wehe  anzieht,  kann  Entzündung-,  Blutung-  oder  Krampf 
der  Mutter  entstehen. 

Die  zur  Seite  stehenden  Gehülfinnen  sollen  mit  den  Händen 
den  Bauch  nach  unten  drängen  und  reiben.  Schliesslich  soll  die  Heb- 
amme das  Kind  allein  empfangen  und  zu  diesem  Zwecke  die  Hände 
vorher  mit  Leinwand  oder,  wie  es  in  Aegypten  Brauch  ist,  mit  den 
Fasern  der  zarten  Papyrosstaude  bedecken,  damit  das  Kind  nicht 
zu  Boden  gleitet  noch  gequetscht  wird,  sondern  sanft  gebettet 
ist.  Folg-t  dem  Kinde  zugleich  auch  die  Nachgeburt,  so  kann 
man  in  der  Behandlung  ungestört  fortfahren.  Bleibt  die  Nach- 
geburt jedoch  zurück,  so  muss  man  das  Kind  der  Mutter  zur 
Seite  legen 


Kapitel  XXII. 

Die  zurückgehaltene  Nachgeburt1). 

§ 71.  Nach  der  Geburt  des  Kindes  bleibt  bisweilen  die 
Nachgeburt  zurück  und  führt  dadurch  Schwierigkeiten  herbei, 
indem  ^ie  die  Gebärmutter  invertirt  und  zur  Zusammenziehung 
veranlasst.-'  Dadurch  entstehen  Schmerzen  im  Kopfe  und  im  Unter- 
leibe, Krämpfe  oder  Erstickungszufälle.  Dabei  hängt  das  Chorion 
entweder  noch  am  Nabel  des  Embryo  oder  es  ist  von  ihm  ge- 
trennt, indem  die  Geburt  präcipitirt  geschehen  ist  oder  eine  un- 
erfahrene Hebamme  es  abgerissen  hat,  oder  es  liegt  versteckt 
oder  ragt  nur  zum  Theil  hervor;  es  kann  aber  auch  am  Uterus 
angewachsen  sein  und  daran  fest  hängen  oder  davon  gelöst  sein, 
indem  der  Muttermund  bald  verschlossen,  bald  geöffnet  ist,  und 
bald  entzündet  ist,  bald  nicht. 

Hippokrates  gebraucht  dagegen  Niesmittel  und  drückt 
während  des  Niesaktes  die  Nasenflügel  zusammen,  damit  das 
Chorion  durch  das  Eindringen  der  Luft  in  die  Tiefe  herausgestossen 
wird.  Euryphon  aus  Knidos  verordnet  harntreibende  Getränke 


l)  Die  in  diesem  Kapitel  von  Soranus  vorgeschlagene  Therapie  bei  Placen- 
tarretention  verräth  einen  hohen  Grad  von  Einsicht.  Die  an  den  älteren  Methoden 
geübte  Kritik  ist  musterhaft. 

Die  Stellen  bei  Hippokrates  finden  sich:  Aphorism.  V.  49.  (Niesmittel.) 
Epidem  II.  Sect.  VI.  Helleborus  (Nieswurz)  als  Ptarmicum  : De  natura  mulier.  § 32. 

Sehr  ausführlich,  ebenda  § 56  und  § 76. 

EXs /.bvny.')z  ist  nach  Sprengel,  Hist,  rei  herb.  I.  58  = Salvia  triloba. 

Illyrische  Iris  = Iris  florentina  (Theophrast,  de  causis  plantar.  VI.  11.  13.  VI. 
18.  12.  Hier  wird  die  illyrische  Iris  wegen  ihres  kräftigen  Geruches  der  macedoni- 
schen  vorgezogen. 

Xm'pwv  muss  mit  Nachgeburt  übersetzt  werden;  die  Placenta  wurde  von  Sora- 
nus offenbar  als  Theil  des  Chorion  angesehen;  uayu?  p.L  v.i ft'  0 Ttpoo-stpuze  vol 
Tcudusvi  ti)?  pj-pa;  = die  verdickte  Portion,  welche  im  Fundus  Uteri  angewachsen  ist. 

4* 


52 


aus  Dictamnus  und  Elelisphakos  und  bluttreibende  Pessarien  aus 
Seifenkraut,  Illyrischer  Iris,  spanischen  Fliegen  und  Honig,  auch 
Erschütterungen  vermittelst  einer  Leiter,  an  welche  die  Kranke 
zu  binden  ist.  Euenor,  Sostratos  und  Appollonios  aus 
Prusia  rathen  das  hervorragende  Ende  zu  fassen  und  so  das 
Ganze  herauszuziehen.  Dion  verordnet  Getränke  aus  Elelis- 
phakos, Myrrhe  und  Petersiliensamen.  Andere  räuchern  mit  As- 
phalt, Menschenhaaren,  Hirschhorn,  Galbanum,  Schwarzkümmel, 
Artemisia.  Strato,  der  Schüler  des  Er asistratos,  aber  pflegte 
in  einen  silbernen  oder  ehernen  Topf,  welcher  mit  Zinn  aus- 
gegossen war,  starkduftende  Kräuter,  wie  Nardus,  Zimmet,  auch 
Marrubium,  Artemisia,  Dictamnus,  Lilien  und  Rosen,  Honig  zu 
legen,  dann  den  Deckel  festzuschliessen  und  eine  Röhre  damit 
zu  verbinden,  deren  Ende  in  die  weibliche  Scham  hineingebracht 
wurde,  und  so  erwärmte  er  die  Geschlechtstheile,  indem  er  mit- 
telst geringen  Feuers  die  Gefässe  in  Thätigkeit  versetzte.  Mantias 
legt  das  Kind  zwischen  die  Schenkel  der  Mutter  und  lässt  das 
Chorion  durch  dessen  eigene  Kraft  und  Bewegung  hervorziehen; 
in  dem  Falle,  dass  das  Chorion  nicht  mehr  am  Kinde  festhängt, 
lässt  er  ein  Bleigewicht  an  das  hervorragende  Ende  hängen  und 
so  durch  die  Schwere  das  Chorion  hervorziehen. 

§ 7 2.  Doch  alle  diese  Methoden  sind  als  unpraktisch  zu  ver- 
werfen. Denn  die  Niesmittel  zunächst  erschüttern  heftig  und  lassen 
Hämorrhagien  und  für  die  Zukunft  Nervenleiden  befürchten.  Die  Mix- 
turen schaden  dem  Magen  und  erregen  Erbrechen  ; die  bluttreiben- 
den Pessarien  dagegen  führen  dadurch,  dass  sie  ätzen  und  Geschwüre 
verursachen,  Krämpfe,  Kontraktionen  und  Allgemeinleiden  herbei; 
ebenso  veranlasst  die  Erschütterung  gewaltsame  Verletzungen. 
Mag  das  Anziehen  der  Nachgeburt  geschehen  wie  es  will,  immer 
verursacht  das  Zerren  eine  Entzündung,  und  es  lässt  sich  auch 
gar  nicht  ausführen,  wenn  der  Muttermund  geschlossen  ist  und 
das  Chorion  auch  nicht  mit  dem  kleinsten  Theile  vorfällt.  Das 
Räuchern  verschlimmert  durch  die  Schärfe  die  Entzündung  und 
beschwert  den  Kopf.  Aus  demselben  Grunde  ist  die  Dampf- 
entwickelung durch  duftende  Kräuter  unzulässig  und  bei  dem 
Verfahren,  nach  welchem  eine  Röhre  mit  dem  einen  Ende  in  die 
weiblichen  Geschlechtstheile  gesteckt  und  dann  durch  Leitung 
erhitzt  wird,  verbrennen  die  benachbarten  Theile.  Gefährlich  ist  es 
auch,  vermittelst  Anbindens  eines  Bleigewichts  das  hervorragende 
Stück  mit  Gewalt  herauszuziehen  und  zumal  dann,  wenn  bereits  eine 
Entzündung  vorliegt;  denn  ist  die  Schnur  nur  lose  an  das  Chorion 
geknüpft,  so  gleitet  sie  ab,  und  ist  sie  fest  verknüpft,  hat  dies 
Nervenreizung  und  Ohnmacht  zur  Folge.  Auch  ragt  das  Chorion 
nicht  in  allen  Fällen  heraus.  Auch  die  Methode  mittelst  der  Be- 
wegung der  Kinder  ist  schädlich.  Denn  es  muss  methodisch  das 
Ziehen  stattfinden. 


53 


r 73.  Rängt  die  Nachgeburt  noch  an  dem  Nabel  des  Kindes, 
so  soll  die  Hebamme  das  letztere  einer  der  Gehülfinnen  in  die 
Hände  legen,  nachdem  vorher  Leinwand  darunter  gebreitet  ist, 
dann  aber  längs  der  Nabelschnur,  die  als  Wegweiser  dient,  die 
Hand  einführen  und  durch  sanftes  Hin-  und  Herbewegen  der- 
selben, wobei  die  Wöchnerin  selber  mithilft,  ohne  Reissen  und 
Zerren  die  Nachgeburt  herausbringen.  Dauert  dies  zu  lange, 
soll  man  das  Kind  von  der  Placenta  lösen  und  dann  in  derselben 
Behandlung  fortfahren.  Ist  die  Nachgeburt  überhaupt  nicht  an- 
gewachsen, so  muss  man  in  dem  Augenblicke,  wo  man  das  Kind 
empfängt,  den  hervorragenden  Theil  ergreifen  und  sachte  ziehen, 
und  zwar  muss  man  nachlassen,  wenn  der  Muttermund  sich  zu- 
sammenzieht, dagegen  anziehen,  wenn  er  offen  steht.  Ragt  kein 
Theil  der  Nachgeburt  hervor,  so  soll  man  in  den  offen  gebliebenen 
Muttermund  die  mit  Oel  bestrichene  Hand  einbringen,  und  wenn 
das  Chorion  von  der  Verwachsung  mit  dem  Uterus  vollständig 
frei  und  auf  sich  selbst  zusammengerollt  ist,  dasselbe  fassen  und 
herausziehen.  Im  Falle  es  aber  am  Uterus  angewachsen  ist,  soll 
man  versuchen,  die  Nachgeburt  so  allmählich  und  sachte  zu  lösen, 
dass  man  die  Finger  in  der  Uterushöhle  beiderseits  herumführt. 
Manche  haben  in  ihrem  Unverstände  schon  durch  heftiges,  ruck- 
weises Ziehen  Umstülpung  des  Uterus  hervorgerufen.  Folgt  die 
Nachgeburt  dem  sanften  Zuge  nicht,  oder  ist  der  Muttermund  ver- 
schlossen und  entzündet,  so  soll  man  exspektativ  verfahren  und 
wie  bei  jeder  Entzündung  mit  Injektionen,  Umschlägen  und  warmer 
Nahrung  behandeln.  Wenn  die  Entzündung  gehoben  ist,  so  löst 
sich  auch  der  Fremdkörper  und  wird  durch  die  wässerige  Trans- 
sudation abgeführt,  wobei  bisweilen  jedoch  auch  das  ganze  Organ 
aus  seiner  Lage  kommt,  doch  lässt  sich  dieses  nach  der  Beseiti- 
gung der  Entzündung  leicht  wieder  reponiren.  Bei  manchen 
bleiben  Reste  von  Drüsen x)  zurück,  die  durch  scharfe  Säfte  ent- 
standen sind.  Das  Chorion  aber,  welches  mit  seinen  Gefässen  in 
die  Eingeweide  eingewachsen  ist,  muss  man  mit  Gewalt  heraus- 
ziehen, man  darf  es  nicht  zurücklassen,  so  dass  es  erschlaffe  und 
allmählich  verfaule. 


Kapitel  XXIII. 

Die  Pflege  der  Wöchnerinnen. 

§74 


l)  Wohl  Placentarreste. 


54 


Kapitel  XXIV. 


Kapitel  XXV. 

Das  Anschwellen  der  Brüste1). 

§ 76.  Auch  die  vorliegende  Frage  gehört  in  den  Abschnitt 
über  die  Pflege  der  Wöchnerinnen.  Bei  dem  Eindringen  der 
Milch  schwellen  die  Brüste  und  werden  schwer,  was  man  Chon- 
drosis  (Hartwerden)  nennt,  dann  schmerzen  die  Brüste  und  werden 
durch  die  Spannung  heiss,  welches  Leiden  Spargesis  (Spannung- 
von  Milch)  heisst. 

Wie  bei  jeder  Entzündung  so  muss  man  auch  hier  zunächst 
darauf  bedacht  sein  Einhalt  zu  thun,  und  zuerst  solche  Mittel 
anwenden,  welche  allmählich  einen  Stillstand  des  Uebels  be- 
wirken. Solche  Mittel  sind  : ein  weicher  Schwamm,  welcher  in  ein 
Essiggemisch  zu  tauchen  und  fest  umzubinden  ist,  oder  Datteln,  die 
mit  Brot  und  Essig  glatt  und  fein  gerieben  sind.  Will  man 
die  Milch  versiegen  lassen,  so  verordne  man  Alaun  oder  Floh- 
kraut und  Koriander  oder  Portulak.  Nehmen  trotzdem  die  An- 
spannung, Geschwulst  und  die  Anschoppung  noch  zu,  so  ge- 
brauche man  auch  erweichende  Umschläge.  Derartige  Um- 
schläge sind  zu  machen  mit  Brot,  welches  in  einem  Gemisch  von 
Wasser  und  Oel  oder  von  Wasser  und  Honig  eingeweicht  ist, 
oder  mit  Leinsamen  und  Weizen  oder  mit  Bockshorn  und  Honig- 
wasser. Vermögen  die  Brüste  eine  solche  Belastung  nicht  zu  er- 
tragen, so  soll  man  sie  mit  Umschlägen  mit  süssem  und  warmem 
Oele  bedecken,  nachdem  man  Wärme  applicirt  hat  oder  mit 
Schwämmen  bähen,  welche  in  warmem  Wasser  oder  in  einer  Ab- 
kochung von  Bockshorn  oder  Malve  oder  Leinsamen  ausgedrückt 
sind;  tritt  Eiterung  ein,  so  soll  man  die  Flüssigkeit  entleeren,  wie 
wir  in  dem  Werke  über  die  Chirurgie  erläutert  haben.  Wenn  die 


l)  'FuXXiov  Flohkraut  = Plantago  Psyllium.  Auch  bei  Plinius  und  Dioscorides 
erwähnt  (Mater,  med.  IV.  cap.  70). 

Pyrite  s (Dioscorides  Alater.  med.  V.  142)  ist  Schwefelkies,  man  sehe  auch 
Plinius  XXXVI.  137:  „Usus  eorum  in  medicina  excaliäcere,  siccare,  discutere,  ex- 
tenuare,  duritias  in  pus  vertere.“ 

Kyperos-Salbe  ebenda  I.  4.  von  Cyperus  rotundus  L.  Wird  auch  bei 
Alexander  Trall.  wiederholt  erwähnt.  Näheres  bei  Plinius  Lib.  XXI.  § 118  (ed.  Sillig). 

Tribolos,  ebenda.  I.  579.  cfr.  Dioscorides,  Mater,  med.  IV.  cap.  15.  Ob 
Trapa  natans  oder  Tribulus  terrestris  hier  gemeint  ist,  bleibt  zweifelhaft.  Plinius 
(ed.  Sillig)  Lib.  XXII.  § 27. 


Entzündung  im  Abnehmen  begriffen  ist,  so  soll  man  nur  noch 
Wachssalbe  allein  auf  legen. 

§ 77.  Wird  die  Wöchnerin  das  Kind  nicht  selbst  nähren,  so 
kann  man  auch  eine  Quantität  Pyrites  der  gehörig  zerrieben  ist, 
anwenden  und  dann  die  Brüste  allmählich  durch  Um  Wickelung 
zusammendrücken.  Denn  wenn  die  Gefässe  zusammenfallen,  so  hört 
auch  das  Zuströmen  der  Milch  auf  und  sie  versiegt  so.  Nützt  dies 
nicht,  so  muss  man  energisch  mit  Dampfbädern  und  festen  Ver- 
bänden fortfahren.  Es  ist  aber  davor  zu  warnen,  die  Brüste  bei  den 
ersten  widrigen  Empfindungen  auszusaugen,  was  vielfach  in  dem 
Glauben  geschieht,  dass  das  Aussaugen  vermöge  der  dadurch  be- 
wirkten Ausscheidung  die  Spannung  lindert.  Ganz  im  Gegentheil 
strömt  dem  Punkte  des  Aussaugens  noch  heftiger  die  Milch  zu,  auch 
schmerzen  die  Brustwarzen  unter  der  Quetschung.  Zu  verwerfen 
sind  ferner  warme  Bähungen  in  Salzwasser  und  in  der  Brühe  von 
Salzwasser  und  Essig  und  in  Meerwasser;  denn  die  Schärfe  stei- 
gert die  Entzündung.  Manche  bestreichen  auch  die  Brüste  mit 
Kyperossalbe  (cfr.  Dioscorides,  Mat.  med.  A.  4.)  in  Mischung  mit 
Wein  und  Safran,  andere  mit  Kyperosöl  und  zerriebenem  Bim- 
stein, noch  andere  mit  Kümmel  in  Wasser  oder  Oel  oder  mit 
Alaun,  welches  in  Essig  und  Rosenöl  gemischt  wird  bis  zur 
Honig-Konsistenz.  Viele  machen  Umschläge  mit  Kümmel  zu- 
sammen mit  Rosinen,  ausgetrockneten  Weinbeerkernen  oder  mit 
Sesam  vermischt  mit  Honig,  andere  wieder  mit  den  in  Essig  ab- 
gekochten grünen  'lribolen  oder  mit  Epheu  oder  mit  getrockneten 
Feigen,  oder  mit  ebenso  gekochter  Kleie  und  für  den  Fall  einer 
Anschoppung  mit  Eypich  oder  der  wohlriechenden  Minze  oder  mit 
Kohl  vermischt  mit  Brot.  Unter  diesen  Mitteln  soll  man  die 
scharfen  überhaupt  nicht  verordnen,  unter  den  übrigen  aber  die- 
jenigen, welche  zusammenziehen,  im  Anfangsstadium  des  Leidens 
meiden,  und  erst  in  der  nächsten  Zeit  diejenigen,  welche  schmerz- 
stillend wirken  und  erschlaffen,  anwenden. 

Damit  ist  die  trage  der  Pflege  der  Wöchnerin  erledigt  und 
es  kommt  die  Untersuchung  über  die  Behandlung  des  Kindes  an 
die  Reihe. 


56 


Die  Pflege  des  Kindes. 

§ 78.  Das  Kapitel  der  Kindererziehung  ist  umfangreich  und 
vielseitig.  Folgende  Fragen  sind  darin  zu  erledigen:  Welche 
Frucht  ist  zur  Aufziehung  geeignet,  auf  welche  Weise  ist  die 
Nabelschnur  zu  trennen,  das  Kind  zu  wickeln,  zu  reinigen  und 
zu  baden,  wie  ist  es  zu  betten,  welche  Amme  ist  zu  wählen, 
welches  ist  die  beste  Milch,  was  ist  zu  thun  im  Falle  die  Milch 
ausbleibt,  wann  und  wie  ist  das  Kind  zu  entwöhnen,  wie  verläuft 
die  Dentition  und  die  übrigen  zeitweise  auftretenden  Symptome. 
Der  Uebersichtlichkeit  zu  Liebe  werden  wir  den  Gegenstand  in 
kurzen  Kapiteln  einzeln  betrachten. 


Kapitel  XXVI. 

Die  Kennzeichen  eines  zur  Aufziehung  geeigneten 

Kindes1). 

§ 70.  Die  Hebamme  hat  das  Kind  unmittelbar  nach  der 
Geburt  zunächst  auf  den  Boden  zu  legen,  zu  untersuchen,  ob 
es  männlich  oder  weiblich  sei,  und  das  Resultat  dieser  Unter- 
suchung nach  Weibersitte  zu  verkünden,  sodann  soll  sie  sehen, 
ob  das  Kind  zur  Aufziehung  geeignet  ist  oder  nicht.  Ein 
Kriterium  dafür  ist  zunächst,  dass  die  Mutter  zur  Zeit  der 
Schwangerschaft  gesund  war.  Denn  die  Krankheiten  des  Kör- 
pers ziehen  auch  in  der  Regel  die  Frucht  in  Mitleidenschaft 
und  untergraben  die  ersten  Grundlagen  ihres  Lebens.  Ferner 
muss  das  Kind  zur  rechten  Zeit  geboren  sein,  also  im  neun- 
ten Monat  oder  etwas  später,  bisweilen  bereits  im  siebenten 
Monat.  Sodann  ist  es  erforderlich,  dass  das  Kind,  sobald  es  auf 
den  Boden  gelegt  ist,  sogleich  kräftig  schreie.  Wenn  es  nämlich 
eine  längere  Zeit  hindurch  still  ist  oder  nur  ganz  wenig  winselt, 
so  erweckt  das  den  Verdacht,  dass  ihm  irgend  ein  Unfall  zuge- 
stossen  ist  und  es  leidet.  Ferner  müssen  alle  Glieder,  Körper- 
theile  und  Sinneswerkzeuge  in  normalem  Zustande,  die  Körper- 
öffnungen, wie  die  der  Ohren,  der  Nase,  der  Speiseröhre,  der 
Harnröhre,  des  Afters  ganz  frei,  die  Bewegungen  jedes  einzelnen 
Gliedes  normal,  nicht  schwach  und  matt,  ebenso  die  Beugung 

1)  ,,A.uf  den  Boden  legen“,  vergl.  Ploss,  das  Kind  I.  62.  Humi  positio  in- 
fantum, römischer  Rechtsbrauch. 


und  Streckung  der  Extremitäten,  Grösse,  Gestalt  und  Empfindung 
normal  sein,  welches  letztere  wir  am  besten  durch  Augenschein 
ermitteln,  indem  wir  einen  Druck  mit  dem  Finger  ausüben. 
Denn  ganz  natürlich  ist  es,  dtfes  jeder  Stich  und  Druck  schmerzt. 
Ein  gegentheilig  beschaffenes  Kind  ist  nicht  zum  Aufziehen  ge- 
eignet. 


Kapitel  XXVII. 

Das  Durchtrennen  der  Nabelschnur. 

§ 80.  Wenn  sich  das  Kind  ein  wenig  von  dem  durch  die 
Geburt  verursachten  Shock  erholt  hat,  soll  man  es  autheben  und 
die  Trennung  der  Nabelschnur  vornehmen.  Es  ist  die  Nabelschnur 
vier  Finger  vom  Bauche  des  Kindes  entfernt  mit  einem  scharfen 
Instrument  abzutrennen,  damit  keine  Verletzung  veranlasst  werde. 
Das  beste  Material  zum  Schneiden  ist  Eisen.  Doch  die  Mehrzahl 
der  Hebammen  hält  es  für  besser,  die  Nabelschnur  mit  einem 
Nagel,  Schilf  oder  Muschel  oder  einer  dünnen  Brotrinde  abzu- 
sägen, oder  mit  einem  Faden  gewaltsam  abzubinden,  denn  sie 
glauben,  dass  der  Gebrauch  des  Eisens  gleich  in  der  ersten  Zeit  von 
unglücklicher  Vorbedeutung  sei.  Doch  dies  ist  lächerlich,  denn 
dann  müsste  auch  das  Weinen  Unglück  bedeuten  und  doch  be- 
ginnt damit  die  Frucht  ihr  Leben.  Damit  nun  nicht  der  Körper 
unter  dem  Sägen  und  Drücken  sich  eine  Verletzung  zuziehe,  ist 
es  schon  besser  den  Aberglauben  bei  Seite  zu  lassen  und  die 
Nabelschnur  mit  einem  Messerchen  durchzutrennen  und  dann  den 
Inhalt  auszudrücken,  der  in  nichts  anderem  als  geronnenem  Blute 
besteht.  Das  Ende  des  Durchschnitts  ist  sodann  mit  Wolle,  einem 
Wollfaden,  einer  Flocke  oder  ähnlichem  abzubinden.  Denn  der 
Leinenfaden  schneidet  in  den  weichen  Körper  ein  und  erregt  so 
unerträgliche  Schmerzen.  Die  Unterbindung  dieses  Theiles  ist 
deshalb  nothwendig,  damit  nicht  gefährliche  Blutung  entstehe, 
denn  die  darin  befindlichen  Gefässe  waren  dazu  bestimmt,  aus 
dem  Körper  der  Schwangeren  Blut  und  Luft  dem  Körper  des 
Kindes  zuzuführen.  Manche  haben  dann  noch  nach  der  Tren- 
nung den  Nabel  mit  einer  heissen  Röhre  oder  der  breiten  Fläche 
der  Sonde  ausgebrannt,  ein  Verfahren,  welches  unsere  Billiguno- 
mcht  findet,  denn  das  Brennen  erzeugt  an  den  betreffenden  Theilen 
heftige  Schmerzen  und  Entzündung.  Ist  die  Nachgeburt  noch  im 
Uterus  zurückgeblieben,  so  muss  man  den  Nabelstrang  an  zwei 
stellen  unterbinden  und  dann  dazwischen  durchschneiden  Durch 

ein®  LlgatUr  wird  beim  Kinde,  durch  die  zweite  bei  der 

■ U\7’Cru-  verhütet.  Denn  das  Chorion  ist  noch  mit  letzterer 

in  Verbindung. 


58 


Kapitel  XXVIII. 

Die  Reinigung  des  Kindes'). 

§ 8 1 . Nach  vollzogener  Omphalotomie  tauchen  die  meisten 
Barbaren,  namentlich  die  Germanen,  Scythen  und  auch  manche 
griechische  Stämme,  das  Kind  in  kaltes  Wasser,  theils  um  es 
abzuhärten,  theils  um  zu  prüfen,  ob  es  die  Kälte  zu  ertragen  ver- 
möge, und  es,  im  Falle  es  erbleiche  und  Zuckungen  bekomme, 
als  zum  Aufziehen  untauglich  zu  tödten.  Manche  waschen  in 
einem  Gemisch  von  Salzlake  und  Wein  oder  in  reinem  Weine, 
andere  in  dem  Urin  eines  gesunden  Kindes,  noch  andere  wieder 
bestreuen  es  mit  Pulver  von  Myrte  oder  Galläpfeln.  Nicht  eine 
einzige  dieser  Methoden  können  wir  billigen.  Denn  das  kalte 
Wasser  ist  überhaupt  schädlich,  weil  es  eine  starke  und  plötz- 
liche Zusammenziehung  verursacht,  welche  dem  neugeborenen 
Kinde  ungewohnt  war.  Der  erwachsende  Schaden  tritt  bei  den 
weniger  empfindlichen  Naturen  nicht  immer  sofort  zu  Tage,  doch 
bei  den  schwachen  zeigt  er  sich  sofort,  indem  sie  von  Krämpfen 
und  Schlagfluss  befallen  werden.  Damit,  dass  Kinder  diese 
Schädlichkeit  nicht  ertragen  konnten,  ist  noch  nicht  erwiesen, 
dass  sie  auch  dann  nicht  hätten  leben  können,  wenn  diese  Schäd- 
lichkeit ihnen  gar  nicht  zugefügt  wäre;  sogar  die  stärkeren  Na- 
turen werden  sich  besser  aufziehen  lassen,  wenn  man  jede  Schä- 
digung ferne  hält.  Ist  eine  Abkühlung  nothwendig,  so  genügt 
die  an  der  Luft;  schon  bei  dieser  weint  das  Kind  sofort,  weil  die 
Kälte  ihm  ungewohnt  ist,  denn  es  ist  ja  erst  aus  der  allezeit 
warmen  Gebärmutter  herausgekommen.  Der  Wein  ist  durch  die 
Verdunstung  schädlich  und  betäubend  nicht  nur  bei  so  zarten 
Kindern,  sondern  auch  bei  Erwachsenen.  Auch  der  Urin  ist  zu 
verwerfen,  weil  er  übel  riecht.  Myrtenpulver  und  Galläpfel  ziehen 
zwar  zusammen,  reinigen  aber  nicht.  Es  ist  demnach  ein  Ver- 
fahren nothwendig,  das  adstringirt  und  zugleich  reinigt,  damit  die 
natürliche  Kruste  klebrigen  Blutes  vom  Körper  abgespült  und 
zugleich  die  Haut  fest  und  gegen  Hautkrankheiten  widerstands- 
fähig wird. 

§ 82.  Deswegen  ist  folgende  Salzkur  anzuordnen.  Man  nehme 
ganz  fein  geriebenes  Salz  oder  Soda  oder  Aphronitron  (cfr.  Dios- 
corides  V.,  cap.  130)  und  bestreue  damit  das  neugeborene  Kind 


1)  oceppoviTOiv  cfr.  Sprenge],  Commentar  in  Dioscoridem.  Das  vrcpov  der  Alten 
ist  Soda  = Kohlensaures  Natron  -f-  Wasser.  Herodot  berichtet,  dass  die  Aegypler  damit 
ihre  Leichen  beizten.  Plinius  Lib.  XXXI.  beschreibt  die  Gewinnung  aus  den  ägyp- 
tischen Natronseen  (Unterägypten).  . 

Fr.  Harless  (Janus  I.  455.  1845)  Ueber  das  Nitrum  der  Alten  (wichtige 


Abhandlung). 


unter  sorgfältiger  Schonung  der  Augen  und  des  Mundes.  Denn 
an  diesen  Theilen  veranlasst  es  Geschwürsbildung,  Brennen  und 
Ersticken.  Auch  darf  man  nicht  zu  viel  Salz  aufstreuen,  denn 
die  grosse  Schärfe  ätzt  leicht  die  noch  moosartig  zarte  und  schwache 
Konstitution.  Anderseits  darf  die  Menge  des  Salzes  auch  nicht 
zu  gering  sein,  um  eine  genügende  Abhärtung  der  Oberfläche  zu 
erzielen.  Ist  das  Kind  sehr  zart,  so  ist  es  immerhin  gut,  dem 
Salz  Honig  oder  Oel,  Gerstensaft  oder  Bockshorn  oder  Malve 
hinzuzuthun.  Ist  der  Körper  damit  abgerieben,  so  muss  man  ihn 
in  lauwarmem  Wasser  waschen  und  die  ganze  daran  klebende 
schleimige  Masse  abspülen,  dann  ist  das  ganze  Verfahren  zu 
wiederholen,  nämlich  mit  Salz  zu  bestreuen,  in  noch  wärmerem 
Wasser  zu  waschen,  mit  den  Fingern  den  Schleim  aus  den  Nasen- 
löchern zu  entfernen,  ebenso  sind  auch  der  Mund  und  die  Ohr- 
öffnungen zu  reinigen  und  die  Augen  mit  Oel  zu  benetzen.  Denn 
es  ist  gut  auch  aus  den  Augen  die  dicke  Feuchtigkeit  zu  ent- 
fernen ; geschieht  es  nicht,  so  ist  in  der  Regel  Schwachsichtig- 
keit die  Folge.  Mit  dem  kleinen  Finger,  dessen  Nagel  vorher 
zu  beschneiden  ist,  ist  der  After  zu  erweitern  und  der  dünne, 
membranartige  Körper,  der  in  vielen  Fällen  rings  herum  ange- 
wachsen ist,  zu  durchtrennen,  damit  die  Exkremente  ungehin- 
derten Abschluss  finden.  Sofort  leert  sich  auch  die  Masse  aus, 
welche  man  gewöhnlich  Meconium  (Kindspech)  nennt.  Auf  den 
Nabel  lege  man  ein  mit  Oel  getränktes  gefaltetes  Läppchen  oder 
auch  einfach  Wolle.  Römischer  Kümmel  (Cyminum)  ist  als  zu 
scharf  zu  verbieten.  Manche  haben  den  Rest  des  Nabelstranges 
an  den  Schenkel  angebunden,  es  ist  aber  schon  empfehlenswerther, 
ihn  doppelt  zu  falten  und  mit  Wolle  zu  umwickeln  und  dann 
mitten  auf  den  Nabel  zu  legen.  Denn  durch  den  Druck  wird  der 
Nabelrest  bald  zweckmässig  abgeplattet. 


Kapitel  XXIX. 

Das  Wickeln  des  Kindes1). 

§ 83.  Nach  der  Salzbehandlung  und  dem  Waschen  erfoRt 
das  Wickeln  des  Kindes.  Anti  gen  es  empfiehlt  die  Thessalische 
Methode.  Er  legt  zunächst  auf  ein  wannenförmig  ausgehöhltes 
und  längliches  Brett  ein  Kissen  aus  Heu  oder  Spreu,  breitet  da- 
rüber Linnen,  legt  dann  das  Kind  darauf,  das  selbst  bis  zur  Hüfte 
m Leinwand  und  Binden  gehüllt  ist,  und  bindet  es  dann  mit  Gurten 
lest,  die  durch  die  Löcher  gezogen  werden,  welche  an  den  Seiten 
des  Brettes  angebracht  sein  müssen.  Doch  dies  ist  ein  lästiges 


1)  Ueber  das  Ordnen  der  Glieder  sehe 


man  Ploss  1.  c.  I.  299. 


liO 


und  hartes  Verfahren.  Man  soll  vielmehr  jedem  Körpertheile 
seine  natürliche  Gestalt  geben  und  demnach,  wo  irgend  ein  Theil 
während  der  Geburt  etwas  verdreht  ist,  diesen  wieder  richten 
und  zur  natürlichen  Form  zurückführen.  Ist  eine  Stelle  in  Folge 
von  Quetschung  angeschwollen,  so  muß  man  sie  mit  einer  Misch- 
ung von  Bleiweiss  und  Wasser  oder  mit  Bleiglätte  salben.  Die 
Hebamme  lege  das  Kind  sachte  auf  ihren  Schoos,  welchen  sie 
vorher  mit  Wolle  oder  einem  Laken  zu  bedecken  hat,  damit  sich 
sein  nakter  Leib  beim  Einwickeln  der  Glieder  nicht  erkälte.  Sie 
nehme  Binden  aus  Wolle,  welche  rein,  weich  und  noch  nicht  oft 
gebraucht  sind;  von  diesen  seien  einige  3 Finger,  andere  4 Finger 
breit.  Wollene  Binden  sind  wegen  ihrer  stofflichen  Weichheit 
zu  wählen,  während  leinene  im  durchschwitzten  Zustande  arg 
drücken.  Weich  müssen  die  Binden  sein,  damit  sie  nicht  den 
noch  zarten  Gliedern,  welchen  sie  Schutz  gewähren  sollen,  Schaden 
anthun.  Ferner  sollen  sie  reinlich  und  somit  leicht  und  nicht 
schwer  sein,  sie  dürfen  nicht  übel  riechen  und  die  Haut  reizen 
(da  sie  ja  mit  Soda  imprägnirt  sind).  Auch  sind  solche  Binden 
zu  wählen,  welche  noch  nicht  oft  gebraucht  sind.  Ganz  neue 
sind  nämlich  schwer,  ganz  abgetragene  besitzen  keine  Wärme 
mehr,  sind  auch  zuweilen  rauh  und  immer  leicht  zerreissbar.  Auch 
dürfen  sie  keine  Falten  oder  Säume  haben,  damit  sie  nicht  in’s 
Fleisch  einschneiden  und  bald  zu  fest,  bald  zu  locker  anliegen 
Ferner  sollen  sie  von  mässiger  Breite  sein,  denn  die  schmalen 
schneiden  und  die  breiten  drücken  zwar  nicht,  werfen  aber  Falten. 
Drei  Finger  Breite  mögen  die  haben,  welche  den  Gliedern  sich 
anschmiegen  sollen,  und  vier  Finger,  welche  für  den  Brustkorb 
bestimmt  sind. 

§ 84.  Man  nehme  nun  das  Ende  der  Binde  und  lege  es 
am  Vorderarm  an,  wickle  sie  dann  ringsherum  um  die  ge- 
streckten Finger,  den  Vorderarm,  den  Ellenbogen  und  Oberarm, 
dabei  ziehe  man  sie  an  den  Handknöcheln  ruhig  stramm  an, 
lockerer  aber  an  den  übrigen  Theilen  bis  zur  Achsel.  Ebenso 
verfahre  man  bei  der  Einwicklung  der  anderen  Extremität;  den 
Rumpf  umwickle  man  mit  einer  breiteren  Binde  und  zwar  so, 
dass  man  bei  den  männlichen  Kindern  die  Binde  überall  gleich- 
mässig  stramm  zieht,  dagegen  bei  den  weiblichen  die  Gegend  der 
Brustwarzen  etwas  enger  schnürt,  die  Hüftegegend  dagegen  locker 
lässt.  Denn  diese  Methode  eignet  sich  besser  für  das  weibliche 
Geschlecht.  Danach  wickle  man  jeden  Schenkel  für  sich  besonders 
ein.  Denn  würde  man  sie  in  entblösstem  Zustande  beide  aneinander 
binden,  so  könnte  leicht  eine  Hautreizung  entstehen,  wie  ja  über- 
haupt in  Fällen,  wo  Körper  zur  Zeit,  da  sie  noch  zart  sind,  neben 
einander  gelegt  werden,  gar  ba!4  eine  Entzündung  eintritt.  Die 
Einhüllung  in  die  Binden  soll  sich  bis  zu  den  Fingerspitzen  er- 
strecken, sie  soll  locker  sein  an  den  Schenkeln  und  Waden,  da- 


61 


gegen  kompress  an  den  Stellen  des  Knies  und  der  Kniekehle,  an  den 
Fussrücken  und  den  Knöcheln.  Auf  solche  Weise  werden  die 
Füsse  an  der  Spitze  breiter  und  der  Mittelfuss  wird  schmäler. 
Danach  lege  man  die  Arme  an  die  Seiten,  die  Füsse  aneinander 
und  umwickle  dann  das  ganze  Kind  von  der  Brust  bis  zu  den 
Füssen  mit  einer  breiten  Binde.  Dadurch,  dass  die  Hände  ein- 
gefatscht werden,  gewöhnen  sie  sich  an  die  gestreckte  Haltung. 
Das  Zusammenbinden  der  Glieder  auf  eine  längere  Zeit  macht 
die  Sehnen  derartig  dick,  dass  sogar  Gelenksteifigkeit  auftreten 
kann.  Das  Einwickeln  der  noch  zarten  Hände  hindert,  dass  sie 
durch  ungeschickte  Berührungen  verdreht  werden.  Es  ist  schon 
so  oft  vorgekommen,  dass  die  Kinder  mit  den  Fingern  an  die 
Augen  fahren  und  so  das  Sehorgan  schädigen.  Ferner  mag  man 
zwischen  die  Fussknöchel,  die  Kniee  und  die  Ellbogen  Wolle 
einlegen,  damit  sich  diese  hervorstehenden  Theile  nicht  durch  den 
stärkeren  Druck,  dem  sie  ausgesetzt  sind,  und  in  Folge  des  An- 
liegens der  Theile  verschwären.  Das  Köpfchen  soll  man  damit 
schützen,  dass  man  es  rings  herum  in  ein  Laken  oder  in  weiche 
und  reine  Wolle  hüllt.  Es  kann  auch  vorher  unter  den  Rücken 
ein  langes  und  breites  Linnen  oder  Wrolle  gebreitet  werden. 
Ferner  soll  man  nach  der  obigen  Einwicklung  ausser  der  einen 
allgemeinen,  sich  zu  äusserst  befindenden  und  alle  Glieder  zu- 
gleich einhüllenden  Binde  noch  das  untergelegte  Laken  von  Lein- 
wand oder  Wolle  doppelt  nehmen,  nämlich  einmal  für  die  unteren 
Theile  unterhalb  des  Halses  und  dann  für  das  ganze  Kind  mit 
Ausnahme  des  Kopfes.  Schliesslich  umwickle  man  mit  einer 
breiteren  Binde  — sie  möge  ungefähr  eine  Breite  von  fünf  Fingern 
haben  das  ganze  Kind  und  bedecke  den  Kopf,  wie  oben  ange- 
geben. Man  kann  auch  zwei  Laken  unterbreiten ; das  eine  von  der 
nöthigen  Länge  soll  den  ganzen  Körper  einhüllen,  das  andere  nur 
die  Hüften  umhüllen  und  zur  Aufnahme  des  Kothes  dienen.  Denn 
man  darf  nicht  in  der  Annahme,  es  wirke  allzu  beschwerend,  nur 
die  Brust  sammt  Epigastrium  umhüllen,  die  übrigen  Theile.  aber 
unumwickelt  lassen,  wie  ich  früher  gezeigt  habe. 


Kapitel  XXX. 

Die  Lagerung  des  neugeborenen  Kindes1). 

. § ®5-  Sodann  hat  die  Lagerung  des  Kindes  zu  erfolg-en, 

doch  darf  diese  nicht  auf  einem  harten  und  festen  Lao-er  ge- 
schehen, wie  es  z.  B.  die  Thraker  und  Macedonier  machen,  welche 
das  neugeborene  Kind  auf  ein  glattes  Brett  binden,  um  dem 


J)  Ploss,  das  Kind  II.  50. 


Nacken  und  dem  Halse  eine  breite  Form  zu  geben.  'Denn  durch 
die  Härte  der  Unterlage  wird  leicht  Quetschung  und  Eiterung  am 
Körper,  sowie  Missgestaltung  des  Kopfes  verursacht,  und  selbst 
zugegebenes  sei  jene  Form  schön,  so  kann  dieser  Zweck  auch  durch 
Formen  beim  Baden  ohne  Gefahr  und  ohne  andere  Theile  in 
Mitleidenschaft  zu  ziehen,  erreicht  werden.  Andererseits  darf  das 
Lager  auch  wieder  nicht  gar  zu  weich  sein,  es  könnten  sonst 
in  Folge  des  starken  Nachgebens  Rückgrat  und  Nacken  ver- 
krümmt werden.  Das  Kind  ist  also  auf  einem  mässig  weichem 
Lager  zu  betten,  so  nehme  man  z.  B.  ein  mit  Wollflocken  oder 
auch  mit  weichem  Heu  gefülltes  Kopfkissen.  Das  Lager  soll 
eine  Hohlrinne  darstellen,  damit  sich  das  Kind  auf  demselben 
nicht  herumwälzen  kann.  Der  Kopf  muss  hoch  liegen  und  man 
soll  ihn  nicht  tief  in  die  zum  Lager  hergerichtete  Wiege  legen. 
Die  Oberdecken  müssen  je  nach  der  Jahreszeit  wärmer  oder  durch- 
lässiger sein,  die  Unterdecken  entsprechend  ausgelüftet  und  häufig 
gewechselt  werden,  damit  das  Kind  sich  einmal  nicht  erkälte 
und  andererseits  nicht  in  übler  Ausdünstung  liege.  Zu  demselben 
Zwecke,  um  nämlich  Wohlgeruch  zu  erzielen,  haben  manche 
Lorbeer-  und  Myrthenblätter  ausgestreut,  doch  andere  wider- 
riethen  diesem  Verfahren,  da  der  Duft  zugleich  auch  betäube. 

Das  Zimmer  sei  reinlich  und  mässig  warm,  es  darf  keinen 
starken  Zug  haben,  noch  allzu  hell  sein.  Gut  ist,  wenn  man 
ausserdem  für  reichliche  Lüftung  sorgt  und  um  das  Lager  einen 
Umhang  von  Gaze  zieht,  um  die  Mücken  abzuhalten. 


Kapitel  XXXI. 

Die  Nahrung  des  Säuglings1). 

§ 86.  Nach  der  Wicklung  und  Lagerung  des  Säuglings  soll 
dieser  ruhen  und  ihm  wenigstens  in  den  ersten  zwei  Tagen 
keine  Nahrung  gereicht  werden.  Denn  das  Kind  wird  in  diesen 
Tagen  von  allen  Seiten  hin-  und  herbewegt,  auch  ist  der  Körper 
noch  ganz  mit  der  mütterlichen  Nahrung  angefüllt,  welche  es 
erst  verdauen  muss,  bis  es  seiner  Zeit  wieder  neue  Nahrung  zu 
sich  nimmt.  Etwas  anderes  ist  es,  sollte  sich  früher  Appetit 
zeigen.  Woran  man  den  Eintritt  des  Appetites  merkt,  werde  ich 
später  erörtern.  Nach  dieser  Pause  darf  man  eine  Speise  zum 
Auslecken  verabreichen,  aber  ja  nicht  Butter,  denn  diese  ist  schwer 
verdaulich  und  schadet  direkt  dem  Magen.  Ebensowenig  Abro- 
tanum  (Stabwurz)  mit  Butter,  denn  dies  ist  zu  scharf  und  verur- 


l)  Damastes,  richtiger  ist  wohl  die  Lectio  von  Ermerins:  ,, Demosthenes“. 
Welcher  Demosthenes  hier  gemeint  sei,  steht  dahin,  der  bekannte  Demosthenes 
Philaletes,  der  Okulist,  diitfie  es  kaum  sein. 


63 


sacht  deswegen  Durchfall;  auch  nicht  Nasturtium  noch  Gersten- 
mehl, denn  auch  das  Nasturtium  ist  zu  scharf  und  Gersten  mehl 
verursacht  durch  seine  rauhe  Beschaffenheit  Entzündung,  kratzt 
überhaupt  beim  Niederschlucken.  Dagegen  ist  massig  gekochter 
Honig  empfehlenswert!!.  Denn  alles  Rohe  ist  scharf  und  erregt 
Blähungen,  das  übermässig  Gekochte  aber  stopft  in  hohem  Grade, 
während  das  mässig  Gekochte  Magen  und  Gedärme  reinigt.  Es 
ist  der  Mund  des  Säuglings  zunächst  mit  dem  Finger  gelinde  zu 
salben  und  dann  lauwarmes  Honigwasser  einzuträufeln.  Auf  solche 
Weise  wird  das  Rohe  und  Dicke  der  Materie  verdünnt,  der 
Appetit  gesteigert,  indem  sich  das  Kind  des  Genusses  erinnert, 
der  Schlund  öffnet  sich,  die  Verdauung  der  Nahrung  geht  auf 
leichte  Weise  nach  Reinigung  der  Kanäle  vor  sich;  so  wird  die 
ganze  Konstitution  genährt. 

§ 87.  Nachdem  so  der  Säugling  an  diesen  beiden  Tagen 
gepflegt  ist,  kann  man  ihm  am  folgenden  und  den  nächsten  Tagen 
Milch  von  einer  guten  Amme  reichen.  Die  Milch  der  Mutter  ist 
in  den  ersten  zwanzig  Tagen  in  der  Regel  unbrauchbar,  denn  sie 
ist  dick,  käsig,  schwer  verdaulich,  roh  und  schwer  zu  verarbeiten, 
ganz  natürlich,  da  sie  Körpertheilen  entströmt,  welche  krank  und 
gestört  waren  und  die  grosse  V eränderung,  welche  jede  Geburt 
zur  Folge  hat,  erlitten  haben,  während  der  Körper  abgezehrt, 
schwach  und  in  Folge  starken  Blutverlustes  bleich  ist  und  in  der 
Regel  fiebert.  Aus  diesen  Gründen  ist  die  Verordnung  von 
Muttermilch  thöricht,  so  lange  noch  nicht  der  Körper  wieder  in 
die  normale  Verfassung  zurückgekehrt  ist.  Eben  deswegen  ist 
auch  Damastes  (Demosthenes,  Ermerins)  zu  tadeln,  wenn  er 
fordert,  die  Mutter  solle  dem  Kinde  sofort  die  Brust  reichen,  denn 
die  Natur  habe  vorsorglich  die  Milch  früher  bereitet,  damit  das 
Kind  sofort  die  dienliche  Nahrung  habe.  Besonders  sind  so  auch 
alle  zu  tadeln,  welche  seine  Ansicht  sich  zu  eigen  gemacht  haben, 
wie  diese  ja  auch  sein  Buch  geradezu  des  Apollo  würdig  genannt 
haben.  Durch  überredende  Sophistik  wollen  sie  den  klaren  Sach- 
verhalt bekämpfen.  Ist  nicht  gleich  eine  Amme  zur  Hand,  die 
reichlich  Milch  zu  bieten  vermag,  so  soll  das  Kind  in  den  ersten 
drei  Tagen  nur  Honig,  vielleicht  auch  in  Mischung  mit  Ziegen- 
milch erhalten,  sodann  kann  es  die  Mutterbrust  bekommen,  doch 
muss  diese  vorher  durch  ein  Kind  ausgesogen  werden,  denn  sie 
ist  zu  dick,  oder  durch  sanften  Druck  mit  den  Händen  entleert 
werden,  denn  die  dicke  Substanz  kann  bei  Neugeborenen  weo-en 
der  Weichheit  des  Zahnfleisches  leicht  stecken  bleiben.  Wenn 
aber  Weiber  zur  Hand  sind,  welche  säugen  können,  so  muss  man 
unter  diesen  die  brauchbarste  auswählen,  doch  ist  die  Mutter  nur 
dann  vorzuziehen,  wenn  auch  sie  alle  Eigenschaften  hat,  die  man 
bei  den  besten  Ammen  voraussetzt.  Denn  bei  sonst  gleichen  Be- 
mgungen  ist  es  bessei,  das  Kind  mit  Muttermilch  zu  nähren. 


— 64  — 

Sie  ist  ihm  schon  deshalb  angemessener,  weil  Mütter  zu  den 
eigenen  Kindern  natürlich  viel  mehr  Liebe  haben.  Und  dann 
ist  es  ja  auch  der  Natur  ganz  entsprechend,  wenn  das  Kind  wie 
vor  so  auch  nach  der  Geburt  von  der  Mutter  genährt  wird. 
Sprechen  jedoch  Gründe  gegen  das  Stillen  der  Mutter,  so  soll 
man  die  brauchbarste  Amme  wählen,  auf  dass  die  Mutter  nicht 
vor  der  Zeit  altere,  denn  das  tägliche  Aussaugen  der  Brüste  nimmt 
sie  sehr  mit.  Wie  nämlich  das  Ackerland,  wenn  es  nach  der 
Saat  Früchte  gezeitigt  hat,  dadurch  an  Kraft  verliert,  ja  für  län- 
gere Zeit  unfruchtbar  wird,  so  wird  auch  die  ihr  Kind  selbst 
nährende  Mutter  vor  der  Zeit  alt,  denn  sie  nimmt  nur  für  einen 
Körper  Nahrung,  und  der  durch  Ernährung  des  Kindes  erlittene 
V erlust  führt  Abmagerung  herbei. 

Sonach  ist  es  schon  besser,  die  Mutter  denke  an  die  Stärkung 
ihrer  Kräfte  und  erhole  sich  für  weitere  Geburten  als  dass  die 
Milchdrüse  fortwährend  funktionire.  Denn  wie  von  den  Gärtnern  die 
Gemüsepflanzen  in  anderen  Boden  gesät,  in  anderen  Boden  dann 
verpflanzt  werden  zur  richtigen  Vollentwicklung,  damit  nicht  die 
Erde  zu  beiden  Zwecken  untauglich  werde,  so  wird  auch  das 
Kind  kräftiger,  wenn  es  die  Nahrung  von  einer  anderen  als  der 
Mutter  empfängt,  im  Falle  letztere  durch  irgend  ein  Leiden  ge- 
hindert ist  selbst  zu  nähren. 


Kapitel  XXXII. 

Die  Auswahl  der  Amme1). 

§ 88.  Die  Amme,  welche  man  wählt,  darf  nicht  jünger  als 
zwanzig  und  nicht  älter  als  vierzig  Jahre  sein,  soll  bereits  zwei- 
oder  dreimal  vorher  geboren  haben,  sie  soll  frei  von  Krankheit, 
von  kräftiger  Konstitution,  wohlgebautem  Körper  und  gesundem 
Teint  sein.  Die  Brüste  sollen  normal,  locker,  weich,  ohne 
Runzeln,  die  Warzen  weder  zu  gross  noch  zu  klein,  weder  zu 
hart  noch  so  porös  sein,  dass  sie  Milch  in  Strömen  geben, 
sie  selbst  muss  ausserdem  mässig,  liebevoll,  sanftmüthig,  eine 
Griechin  und  reinlich  sein. 

Alle  diese  Eigenschaften  wollen  wir  der  Reihe  nach  be- 
gründen. Ein  reifes  Alter  ist  zu  verlangen,  weil  allzu  junge  Per- 
sonen noch  keine  Erfahrung  in  der  Kinderernährung  haben  und 


i)  Oribasius,  III.  120.  nep't  exD-ff)?  § 13-  Dieses  Kapitel  stimmt 

vielfach  mit  Soranus;  Daremberg  zögert  es  dem  Galen  zuzuschreiben. 

ibid.  III.  129  nach  Mnesiiheus  Von  Ivyzikos.  Hier  wird  eine  Thracierin 
oder  Aegypterin  als  Amme  vorgeschlagen,  nicht  älter  als  3°  Jahre.  Allerlei  Milch- 
proben werden  geschildert. 


65 


auch  sonst  in  ihrem  Wesen  noch  zu  leichtfertig-  und  kindisch 
sind  und  allzu  alte  Frauen  wegen  der  Schlaffheit  ihres  Körpers 
nur  wässerige  Milch  hervorbringen,  während  im  mittleren  Alter  alle 
physischen  Funktionen  normal  ablaufen.  Sodann  soll  sie  zwei-  bis 
dreimal  geboren  haben,  denn  Erstgebärende  sind  in  der  Kinder- 
ernährung noch  unerfahren  und  der  Bau  ihrer  Brüste  ist  noch 
kindlich,  zu  klein  und  zu  derb,  während  diejenigen,  welche  schon 
sehr  oft  geboren  und  Säuglinge  genährt  haben,  welk  geworden 
sind  und  eine  zu  dünne  und  wenig  kräftige  Milch  absondern. 
Ferner  muss  sie  ganz  gesund  sein,  denn  nur  einem  gesunden 
Körper  entfliesst  gesunde  und  nahrhafte  Milch,  während  jeder 
kranke  Körper  kranke  und  schlechte  Milch  giebt.  Es  ist  ja  auch 
das  Wasser,  welches  einem  schlechten  Boden  entspringt,  schlecht, 
indem  es  durch  die  schlechte  Beschaffenheit  der  Oertlichkeiten, 
die  es  durchfliesst,  verdorben  wird.  Sodann  ist  eine  gute,  d.  h. 
wohlgenährte  und  kräftige  Konstitution  zu  verlangen,  denn  nur 
eine  solche  erträgt  mit  Leichtigkeit  die  Anstrengungen  des  Dienstes 
und  die  nächtlichen  Störungen  und  verhindert  eine  Verderbniss 
der  Milch.  Ferner  soll  die  Amme  wohlentwickelten  Körpers  sein, 
denn  viel  nahrhafter  ist  die  Milch  bei  grossen  Ammen,  wenn  sie 
sonst  die  gleichen  Eigenschaften  mit  anderen  theilen.  Gesunder 
Teint  ist  erforderlich,  denn  bei  solchen  ist  reichlicherer  Säfte- 
zufluss zu  den  Brüsten  anzunehmen,  so  dass  mehr  Milch  abge- 
sondert wird.  Die  Brüste  müssen  von  mittlerem  Umfange  sein. 
Sind  sie  zu  klein,  so  enthalten  sie  zu  wenig  Milch,  sind  sie  über- 
mässig entwickelt,  so  bleibt  nach  dem  Stillen  Milch  zurück,  welche 
dem  Säugling  nicht  mehr  frisch  genug  ist  und  sich  zersetzt. 
Werden  aber  die  Brüste  ganz  entleert,  sei  es  durch  andere  Kinder 
oder  durch  Thiere,  so  ist  Gefahr  vorhanden,  dass  der  Milchfluss 
ganz  aufhört.  Allzu  grosse  Brüste  lasten  ferner  auch  zu  schwer 
auf  dem  Säugling.  Dagegen  glauben  manche,  diese  enthielten 
ott  weniger  Milch,  da  die  genossene  Nahrung  dem  Wachsthum 
des  Fleisches  und  nicht  der  Vermehrung  der  Milch  zu  Gute 
komme.  , 

Die  Brüste  sollen  voll,  weich  und  ohne  Runzeln  sein,  sie 
a rU  i.?  we<^er  von  durchscheinenden  (grossen)  Blutadern,  noch  von 
Mflchknoten  bedeckt  sein.  Denn  die  dichten,  harten  und  gefäss- 
reichen  Brüste  schaffen  wenig  Milch,  die  welken,  wie  nTan  sie 
bei  alten  und  schwächlichen  Frauen  vorfindet,  produziren  nur 
wässerige  Substanz  und  die  mit  Milchknoten  versehenen  eine 
dicke  und  abnorme.  Die  Warzen  dürfen  weder  zu  gross  noch 
zu.  klein  sein.  Sind  sie  zu  gross,  so  drücken  sie  auf  das  Zahn- 
fleisch und  verhindern  die  Mitwirkung  der  Zunge  beim  Schlucken ; 
sind  sie  zu  klein,  so  sind  sie  schwer  zu  fassen  und  lassen  die 
Milch  nur  tropfenweise  fhessen.  In  Folge  dessen  erkranken  die 
Inder  beim  Saugen  und  bekommen  die  sogenannten  Aphthen 

Soranus:  Ueber  die  Krankheiten  des  weiblichen  Geschlechtes. 


5 


66 


(Mundschwämmchen).  Dagegen  dürfen  die  Warzen  auch  nicht 
zu  fest  noch  zu  porös  sein  und  die  Milch  stromweise  herauslassen. 
Denn  zu  enge  Warzen  führen  beim  Aussaugen  leicht  eine  Rei- 
bung herbei,  so  dass  das  Kind  erkrankt,  nämlich  dadurch,  dass 
die  Quantität  der  fliessenden  Milch  nicht  den  Anstrengungen  des 
Kindes  beim  Schlucken  entspricht.  Sind  die  Brustwarzen  aber  zu 
porös,  so  entsteht  die  Erstickungsgefahr,  da  dem  saugenden  Kinde 
der  Mund  zu  reichlich  mit  Milch  angefüllt  wird. 

Die  Amme  muss  ferner  in  jeder  Beziehung  mässig  sein,  sie 
soll  sich  des  Beischlafs,  des  Wbines,  der  Wollust  und  sonstigen 
Vergnügungen  und  Ausschweifungen  enthalten.  Der  Beischlaf  näm- 
lich verdirbt,  ganz  abgesehen  davon,  dass  durch  die  anderweitige 
Beschäftigung  mit  Liebesgenüssen  die  Liebe  zu  dem  Kinde 
schwindet,  auch  noch  die  Milch,  verringert  oder  die  Milch  ver- 
siegen lässt,  indem  er  die  Reinigung  durch  den  Uterus  fördert  oder 
auch  Conception  herbeiführt.  In  der  Trunkenheit  erleidet  zu- 
nächst die  Amme  selbst  an  Leib  und  Seele  Schaden  und  veranlasst 
so,  dass  zugleich  die  Milch  verdirbt.  Wenn  sie  ferner  in  tiefem  Schlafe 
liegt,  giebt  sie  auf  das  Kind  nicht  acht  und  kann  in  gefährlicher 
Weise  auf  dasselbe  fallen.  Schliesslich  theilt  sich  die  Eigenschaft 
des  Weines  der  Milch  mit,  dadurch  wird  das  Kind  schläfrig  und 
schwindlich,  es  verfällt  in  Zittern,  Schlagfluss  und  Krämpfe,  ge- 
radeso wie  die  Eerkel  benebelt  und  schwindlich  werden,  wenn 
die  Sau  Weinhefe  genossen  hat. 

Eerner  soll  die  Amme  Mitgefühl  und  Liebe  für  das  Kind 
hegen,  auf  dass  sie  gern  und  ohne  Murren  ihren  Beruf  erfüllt. 
Manche  zeigen  so  wenig  Mitgefühl  für  den  Säugling,  dass  sie 
das  Weinen  desselben  ganz  unbeachtet  lassen  und  die  Lage  des- 
selben nicht  verändern,  wodurch  häufig  in  Lolge  der  beengenden 
Wicklung  es  sich  übel  befindet  und  die  Sehnen  sich' versteifen. 

Die  Amme  darf  nicht  zum  Zorne  geneigt  sein,  weil  es  die 
Natur  so  eingerichtet  hat,  dass  die  Kinder  der  Nährmutter  ähn- 
lich werden.  So  entstehen  Hitzköpfe  durch  zornige,  ruhige  Na- 
turen durch  massvolle  Nährmütter.  Geradezu  toll  verfahren  die 
leicht  erregbaren  Ammen;  wenn  das  Kind  einmal  aus  Lurcht 
schreit  und  sie  können  es  nicht  sofort  beruhigen,  so  stossen  sie 
es  von  sich  und  werfen  es  in  gefährlicher  Weise  hin  und  her 
(durch  heftiges  Schaukeln  auf  den  Armen).  Die  Amme  darf  des- 
wegen auch  nicht  abergläubisch  und  bigott  sein,  damit  sie  nicht 
einmal  im  Wahn  und  in  der  Aufregung  das  Kind  gefährde. 

Auch  Sinn  für  Reinlichkeit  soll  die  Amme  haben,  damit 
nicht  der  Magen  der  Säuglinge  durch  den  Geruch  der  Windeln 
verdorben  wird  und  das  Kind, in  Lolge  des  Juckens  im  Schlaf 
gestört  und  hintendrein  fratt  werde  (Intertrigo  = fratt  sein). 

Eine  Griechin  verdient  schliesslich  den  Vorzug,  damit  das 


67 


Kind  gleich  von  vornherein  an  die  Laute  der  schönsten  Sprache 
gewöhnt  wird. 

§ 8g.  Die  Amme  soll  in  der  Regel  seit  zwei  oder  auch  drei 
Monaten  Milch  besitzen.  Denn,  wie  ich  bereits  erörterte,  die  ganz 
neue  Milch  ist  dick  und  schwer  verdaulich,  die  alte  dagegen  zu 
wenig  nahrhaft  und  dünn. 

Manche  verlangen,  dass  zur  Ernährung  eines  Knaben  nur 
solche,  welche  einen  Knaben  geboren  habe,  zur  Ernährung  eines 
Mädchens  nur  solche,  welche  ein  Mädchen  geboren  haben,  zuge- 
lassen werden.  Doch  ist  dieser  Ansicht  nicht  beizutreten.  Sie 
übersehen  nämlich,  dass  bei  Zwillingen,  von  denen  das  eine  Kind 
männlich,  das  andere  weiblich  ist,  dieselbe  Mutter  mit  einer  und 
derselben  Milch  nährt.  Ueberhaupt  sehen  wir  ja  auch  bei  den 
Thieren,  dass  beiderlei  Geschlechter  dieselbe  Nahrung  erhalten 
und  dadurch  keineswegs  das  männliche  Thier  weiblicher  und  das 
weibliche  männlicher  wird. 

Will  man  in  der  Ernährung  des  Kindes  ganz  sicher  und 
glücklich  vorgehen,  so  muss  man  mehrere  Ammen  in  Bereitschaft 
halten.  Es  ist  immerhin  mit  Gefahr  verbunden,  wenn  man  das 
Kind  an  eine  einzige  Amme  gewöhnt.  Denn  erkrankt  diese  und 
stirbt,  so  erleidet  entweder  das  Kind  beim  Wechseln  der  Milch  in 
Folge  der  fremden  Nahrung  irgend  einen  Schaden  oder  es  ver- 
weigert auch  ganz  die  Annahme  der  neuen  Nahrung  und  stirbt 
den  Hungertod. 


Kapitel  XXXIII. 

Die  Prüfung  der  Milch. 

§ 90.  Die  Milch  ist  sorgfältig  auf  ihre  Qualität  zu  prüfen. 
Ein  Beweis  ihrer  Güte  ist  zunächst,  dass  sie  von  einer  Amme  her- 
rührt, die  alle  oben  erwähnten  guten  Eigenschaften  besitzt,  und 
dann,  dass  sie  dem  Kinde  gut  anschlägt.  Ist  es  auch  ein  Zeichen 
der  Vortrefflichkeit  der  Milch,  wenn  das  Kind  von  ihrem  Genuss 
kräftig’  wird,  so  bezeugt  doch  das  Gegentheil  noch  lange  nicht, 
dass  die  Milch  schlecht  ist,  wie  man  bei  einem  mageren  Kinde 
annehmen  könnte.  Denn  bei  aller  Güte  der  Milch  kann  das  Kind 
doch  an  einer  Krankheit  leiden  und  dadurch  ein  Hinderniss  für 
die  normale  Ernährung  desselben  eintreten.  So  zehren  auch  Er- 
wachsene, die  krank  sind,  aus,  mag  der  Körper  auch  die  beste 
Nahrung  erhalten,  denn  es  verdirbt  eben  alles,  was  nähren  kann, 

wie  Essiggefässe  den  besten  Wein,  wenn  er  in  sie  gegossen  wird' 
verderben. 

§ 9*-  Drittens  erkennt  man  die  Güte  der  Milch  aus  ihren 
Eigenschaften,  der  Farbe,  dem  Geruch,  der  Konsistenz,  dem  Ge- 

5* 


68 


rinnen,  dem  Geschmack  und  an  der  Haltbarkeit.  Die  Farbe  muss 
ziemlich  weiss  sein.  Ist  sie  blass  oder  grünlich,  so  ist  sie  ver- 
dorben, die  gipsartig  aussehende  Milch  ist  dick  und  schwer  ver- 
daulich, die  gelbe  unreif  und  schwer  zu  verarbeiten,  in  welchem 
Falle  sie  auch  oft  eine  blutähnliche  Farbe  zeigt. 

Die  Milch  darf  nicht  übel  und  stinkend,  noch  hefenartig  und 
-sauer  riechen.  Denn  in  allen  diesen  Fällen  enthält  sie  schlechte 
Säfte. 

Bezüglich  der  Konsistenz,  soll  sie  von  glattem,  homogenem 
Wesen  sein.  Hat  sie  Fasern  und  rothe  oder  fleischähnliche  Flocken, 
so  ist  sie  nicht  zu  verdauen.  Bezüglich  der  Koagulationsfähigkeit 
soll  sie  mässig  fest  gerinnen.  Denn  die  zu  flüssige,  zu  dünne 
und  wässerige  Milch  ist  nicht  nahrhaft  und  macht  Durchfall,  die 
allzu  dicke  und  käsige  ist  schwer  verdaulich  und  verstopft  gleich 
den  Speisen,  welche  zu  wenig  gekaut  sind,  die  Kanäle,  hemmt 
die  gehörige  Ausdünstung  des  Körpers  und  führt  so  Lebens- 
gefahr herbei.  Jede  abnorme  Milch,  sei  sie  dünn  oder  dick,  wirkt 
schädlich.  Ob  die  Milch  in  richtiger  Weise  gerinnt,  erkennt  man 
daran,  dass  sie,  wenn  man  sie  auf  den  Nagel  oder  ein  Lorbeer- 
blatt oder  eine  ähnliche  glatte  Fläche  aufträufelt,  sich  allmählich 
ausbreitet  und  bei  Schütteln  die  Tropfenform  beibehält.  Fliesst  sie 
nämlich  sofort  auseinander,  so  ist  sie  wässerig,  bleibt  sie  dagegen 
honigartig  beisammen  und  verändert  sich  nicht  (in  der  Tropfen- 
form), so  ist  sie  dick.  Man  stellt  die  Prüfung  auch  so  an,  dass 
man  auf  eine  doppelte  Quantität  Wasser  eine  einfache  Quantität 
Milch  träufelt,  dann  tritt  die  Auflösung  erst  nach  längerer  Zeit 
ein  und  die  weisse  Farbe  bleibt  bis  zuletzt.  Tritt  die  Auf- 
lösung sofort  ein,  so  ist  die  Milch  wässerig,  noch  unbrauch- 
barer ist  sie,  wenn  sie  ein  faseriges  Gerinnsel,  ähnlich  dem 
Fleischwasser  bildet ; in  solchem  Zustande  ist  sie  nicht  zu 
verdauen.  Wenn  sie  aber  nach  einiger  Zeit  sich  nicht  vertheilt 
und  derart  senkt,  dass  sie  beim  Aufgiessen  von  Wasser  am  Boden 
bleibt,  so  ist  sie  käsig,  dick  und  schwer  löslich. 

Ein  weiteres  Merkmal  einer  guten  Milch  ist  der  süsse  und 
mündige  Geschmack.  Milch,  welche  scharf,  sauer,  bitter,  salzig 
oder  herbe  schmeckt  und  beim  Einträufeln  in  die  Augen  ein 
brennendes  Gefühl  verursacht,  ist  verdorben. 

Für  die  Güte  der  Milch  zeugt  ferner  die  Haltbarkeit.  So 
ist  diejenige  am  besten,  welche  beim  Aufbewahren  nicht  gleich 
sauer  wird  und  welche  nur  ganz  wenig  oder  gar  keine  Molke 
bildet.  In  solchem  Zustande  ist  sie  geniessbar;  ungesund  ist 
diejenige,  welche  im  Gegentheil  beim  Aufbe wahren  leicht  sauer 
wird  und  viel  Molke  bildet.  Unbrauchbar  ist  auch  die  schäumende 
Milch,  denn  sie  erzeugt  Blähungen.  Der  Schaum  nämlich  ent- 
steht, indem  sich  die  Feuchtigkeit  zu  Blasen  aufbläht,  und  erzeugt 
in  ähnlicher  Weise  wieder  viel  Luft.  Bisweilen  ist  dies  auch  ein 


69 


Beweis  für  die  Dicke  der  Milch,  was  daraus  zu  ersehen  ist,  dass 
die  aufgetretenen  Blasen  länger  Bestand  haben,  indem  vielleicht 
die  Luft  durch  die  Dicke  der  Milch  an  der  sofortigen  Verdunst- 
ung gehindert  wird. 

§ 92.  Es  fragt  sich  nun  noch,  wann  die  Prüfung  der  Milch 
vorzunehmen  ist.  Die  meisten  Leute  meinen,  dass  dies  auch  dann 
zu  geschehen  habe,  wenn  in  der  Diät  der  Amme  kein  Fehler  be- 
gangen ist,  sie  gut  verdaut,  genügend  geschlafen  und  Stuhlgang 
gehabt  hat,  sie  noch  ganz  nüchtern  ist  und  auch  keine  Arznei 
genommen  hat.  Denn  auch  die  an  und  für  sich  gute  Milch  ver- 
ändere sich  bei  eintretender  schlechter  Diät  allmählich  und  werde 
schlecht,  wie  ja  auch  der  Athem  der  an  schlechter  Verdauung 
Leidenden  zu  Zeiten,  wenn  auch  nicht  anhaltend,  übel  rieche. 
Manche  behaupten  wieder,  die  Prüfung  sei  im  Gegentheil  nur 
nach  einem  Diätfehler  vorzunehmen,  denn  die  Milch  sei  die  beste, 
die  durch  keine  schlechte  Einwirkung  verdorben  werde.  Wir 
aber  prüfen  die  Milch  sowohl  bei  einer  guten  wie  schlechten  Diät. 
Denn  die  Milch,  welche  durch  keine  Diät  verdorben  werden  kann, 
ist  die  beste,  die  schlechteste  dagegen  diejenige,  welche  selbst 
bei  der  gesundesten  Diät  ihre  übeln  Eigenschaften  nicht  verliert, 
in  die  Mitte  stelle  ich  diejenige,  welche  mit  der  Veränderung  der 
Diät  auch  sich  verändert  und  demgemäss  auch  bei  der  besten 
Diät  die  beste  Qualität  zeigt. 


Kapitel  XXXIV. 

Die  Lebensweise  und  Diät  der  Amme1). 

§ 93.  Nicht  unwesentlich  darf  es  sein,  dass  die  Amme  so- 
wohl dafür  Sorge  trage,  dass  die  Milch  nicht  verderbe  und  so 
das  Kind  erkranke,  noch  dass  die  Milch  ausgehe  und  so  das 


' ) »Leibesübungen,  doch  nicht  zu  schwere,  und  einem  Athleten  zukommende. “ 
Dass  römische  und  griechische  Damen  schon  damals  dem  Sport  des  starken  Geschlechts 
huldigten,  ersehen  wir  unter  Anderem  aus  Iuvenal,  Satire  VI  247. 

....  »Wer  hat  nie  Wunden  des  Pfahles  gesehen? 

»Den  sie  mit  emsigen  Hieben  gehöhlt,  mit  dem  Schilde  gereizt  hat, 

»Und  wie  die  Regeln  der  Schule  sie  ganz  durchmacht,  der  Drommete 
»Flora  s würdige  brau,  es  müsste  denn  mehr  noch  im  Busen 
»Sich  ihr  regen  und  gar  zur  wahren  Arena  sie  hinziehen 
»Wie  kann  schamhaft  ein  Weib  sich  zeigen  behelmeten  Hauptes 

»Das  dem  Geschlecht  entsagt? 

„Schau  mit  welchem  Getös  die  gelehrten  Hiebe  sie  führet, 

„Welches  Gewicht  von  dem  Helme  sie  krumm  beugt,  wie’ an  der  Kniekehl 
„best  ansitzet  die  Binde  aus  dichtem  Baste  gewoben, 

„Und  lach’,  nimmt  sie’s  Geschirr,  wenn  abgelegt  sie  die  Waffen.“ 

„ t (Uebersetzt  von  Eduard  Casp.  Jak.  v.  Siebold), 

lerner  sehe  man  Satire  T.  22  „Quum  Maevia  Tuscum 
„Figere  aprum  et  nuda  teneat  venabula  mammä  “ 


70 


Kind  zu  wenig  Nahrung  erhalte  und  beim  Schlucken  Schaden 
leide,  indem  es  längere  Zeit  an  der  Warze  saugt,  ohne  etwas 
herauszubekommen,  um  seinen  Appetit  zu  stillen.  Zu  diesem 
Zwecke  ist  der  Amme  anzuempfehlen,  sich  nicht  dem  Müssig- 
gang-  und  der  Ruhe  zu  ergeben , denn  dadurch  wird  die  Milch 
dick  und  unverdaulich;  sie  mag  Leibesübungen,  doch  nicht  zu 
schwere  und  einem  Athleten  zukommende  pflegen,  denn  die  letz- 
teren passen  einmal  nicht  für  das  Weib,  da  sie  zu  grosse  Kraft- 
anstrengung erfordern,  -und  dann  wird  auch  um  so  viel  weniger 
Milch  producirt,  als  Stoff  für  die  kräftigende  Pflege  des  Körpers 
aufgewandt  wird.  Es  sind  somit  vielmehr  mässige  und  leichte 
körperliche  Uebungen  anzurathen. 

Aus  demselben  Grunde  soll  sie,  sobald  sie  aus  dem  Schlafe 
erwacht,  nicht  früher  aufstehen,  bis  sie  merkt,  dass  die  genossene 
Speise  verdaut,  der  Unterleib  leicht,  der  Magen  schlaff,  die  aus 
dem  Magen  entweichenden  Gase  rein,  weder  dumpf  riechend  noch 
sauer  sind.  Nach  stattgefundenem  Stuhlgange  gehe  sie  dann 
oder  fahre  sie  spazieren.  Sie  muss  dem  Körper  auch  jene  körper- 
lichen Uebungen  gönnen,  durch  welche  alle  Theile  des  Körpers, 
ganz  besonders  aber  Hände  und  Schulter  in  Bewegung  gesetzt 
werden,  damit  der  Nahrungsstoff  besonders  dort  sich  ablagere. 
Hierher  gehören  die  Ballspiele,  zumal  die  mit  dem  leeren  Ball 
und  das  Werfen  leichter  Hanteln;  arme  Frauen  können  rudern, 
am  Ziehbrunnen  arbeiten,  dreschen,  mahlen,  Brot  backen,  Bett 
machen  und  sonstige  leichte  Arbeiten  verrichten,  welche  zu  einer 
nach  vorn  gebeugten  Stellung  nöthigen.  Denn  die  oberen  Theile 
werden  so  mehr  in  Thätigkeit  gesetzt  und  die  längere  Zeit  herab- 
hängenden Brüste  geben,  wenn  sie  nicht  unthätig  bleiben,  ge- 
sundere und  reichlichere  Milch,  indem  ihnen  dann  reichlich  Stoff 
zufliesst.  Aus  diesem  Grunde  ist  es  auch  erspriesslich,  die  Brüste 
stets  frei  zu  tragen,  damit  nicht  durch  die  Einwicklung  die  Milch 
zurückgepresst  werde,  zumal  zur  Zeit  der  körperlichen  Uebungen, 
denn  dann  werden  sie  zugleich  mit  dem  ganzen  Körper  in  Be- 


„Durchgesiebtem  Weizen“  arjtavtoc  itupo?  ist  eine  besondere  Art  Weizen,  nach 
Sprengel  Triticum  Gärtnerianum,  nach  Fraas  : Triticum  aestivum  (Dioscorides,  Materia 
medica  Lib  II,  cap.  107.) 

„Fische“,  Ueber  Felsenfische,  Meerwall,  Seebarbe,  sehe  man  Oribas.  Collect, 
med.  II.  49  (ed.  Bussemaker  et  Daremberg  I.  112  ff.)  Die  Fische  spielten  in  der 
antiken  Diätetik  eine  grosse  Rolle.  So  rühmt  Mnesitheus  von  Athen  (bei  Athenaeus 
VIII.,  p.  35“)  die  Fische  mit  weichem  Fleisch  für  Genesende.  Zeno  und  Crato 
(Plutarch  Sympos  IV.  43)  zogen  Fische  als  Krankenkost  den  übrigen  Speisen  vor. 
Ferner  Xenokrates,  de  alimentis  ex  fiuviatilibus.  (Ideler,  Medici  graeci  minores  I'. 
In  dem  1646  zu  Antwerpen  erschienenen  Buche  von  Nonnius,  de  re  libaria,  sind  die 
Angaben  der  Alten  gesammelt.  , 

Konvulsionen  (Eklampsie,  Gichter,  Fraisen’.  Auch  HeDoch  Vorlesungen 
p.  160  erwähnt,  wie  viele  andere  Kinderärzte,  das  Vorkommen  nach  Alkoholmiss- 
brauch der  Säugenden,  aber  auch  nach  sonstigen  Diätfehlern. 


71 


wegung  gesetzt.  Nach  den  körperlichen  Uebungen  soll  die 
Amme  mehrere  Tage  hindurch  Einsalbungen  gebrauchen.  Bäder 
machen  die  Milch  wässerig;  in  Zwischenräumen  darf  sie  sich 
erst  warm  und  dann  kalt  abwasehen. 

§ 94.  Unter  den  Speisen  soll  sie  die  schlechten  Säfte  er- 
zeugenden, die  wenig  nahrhaften  und  schwer  verdaulichen  ver- 
schmähen, dagegen  die  saftreichen , nahrhaften  und  leicht  verdau- 
lichen bevorzugen.  So  darf  sie  nicht  gemessen:  Lauch,  Zwiebel, 
Knoblauch,  Rettige,  Hülsenfrüchte  und  alles  Eingepökelte,  denn 
dies  macht  die  Milch  scharf;  die  meisten  Gemüsearten,  denn  sie 
sind  wenig  nahrhaft  und  wässerig,  Hammel-  und  Rindfleisch,  be- 
sonders in  gebratenem  Zustande,  denn  wenn  sie  auch  reichlich 
Milch  erzeugen,  so  bekommen  sie  doch  dem  Magen  nicht  gut, 
sind  schwer  verdaulich  und  erzeugen  schlechte  Säfte.  Dagegen 
sind  zu  empfehlen  : Reines  Weizenbrot  und  gesäuertes  Brot  aus 
feinstem  W ei z en  m e hl,  Eidotter,  Gehirn,  Krammetsvögel,  junge 
Tauben  und  junge  Hühner,  Felsenfische,  Mee'fwölfe,  Seebarben, 
überhaupt  alle  Fische,  welche  gut  schmecken,  dem  Magen  gut  thun 
und  gute  Säfte  erzeugen,  und  schliesslich  Fleisch  von  jungen 
Schweinen.  Zu  verwerfen  sind  auch  alle  Speisen,  welche  um- 
ständlich, künstlich  und  leckerhaft  hergerichtet  sind.  Denn  solche 
Speisen  schmeicheln  zwar  dem  Gaumen,  erregen  aber  Verstopfung, 
durch  welche  neben  dem  übrigen  Inhalt  des  Körpers  auch  die 
Milch  vergiftet  wird.  Aus  demselben  Grunde  muss  man  beim 
Essen  Mass  zu  halten  wissen,  damit  nicht  durch  Völlerei  die  Ver- 
dauung gestört  werde;  die  Amme  soll  nur  gerade  soviel  essen, 
als  sie  mit  Leichtigkeit  verdauen  kann.  Dies  ist  zumal  dann  von 
besonderer  Wichtigkeit,  wenn  die  Pflege  des  Kindes  Nachtwachen 
veranlasst. 

§ 95.  Die  aufgezählten  Speisen  muss  nun  die  Amme  ferner 
auch  nach  einer  bestimmten  Methode  nehmen.  In  den  ersten  sieben 
oder  in  der  Regel  auch  zehn  Tagen  geniesse  sie  nur  eine  einfache 
und  leichtverdauliche  Speise,  wie  einen  dünnen  Brei,  der  nicht  zu 
fett  sein  darf,  Eier,  Brot  und  Wasser.  Wenn  es  möglich  ist, 
soll  sie  schon  den  Tag  zuvor  solche  Speisen  geniessen.  Denn  je 
feiner  und  leichtverdaulicher  die  Milch  ist,  desto  nützlicher  ist 
sie  für  das  Kind,  weil  es  zu  jener  Zeit  noch  zart  wie  Moos  ist 
und  enge  Oeffnungen  hat,  die  eine  dicke  Milch  nicht  oder  nur 
schwer  durchlassen.  Nach  Verlauf  der  ersten  Woche  kann  sie 
dann  neben  den  oben  aufgezählten  Speisen  noch  ein  weiches 
Fischchen  oder  das  Fleisch  und  das  Gehirn  junger  Schweine  bis 
zum  Ende  der  zweiten  oder  dritten  Woche  essen,  denn  dadurch 
gewinnt  die  Milch  an  Nahrungsgehalt.  Ist  die  zweite  oder  dritte 
Woche  vorüber,  so  ist  der  Säugling  schon  kräftiger  geworden 
und  vermag  eine  nahrhaftere  Speise  zu  vertragen.  Nun  kann 
man  der  Amme  Geflügel  von  mittlerer  Grösse  und  dann  im  Ver- 


72 


haltmss  zu  der  Erstarkung  und  dem  Wachsen  des  Kindes  auch 
grösseres  Geflügel,  ferner  Hasen-,  Reh-  und  Zickleinfleisch,  später 
Schweinefleisch  geben.  Je  mehr  Nahrungsstoff  nämlich  die  Speise 
der  Amme,  enthält,  desto  nahrhafter  wird  auch  die  Milch.  Später 
geniesse  sie  allerlei  Speisen  mit  möglichster  Abwechselung,  auf 
dass  sich  das  Kind  an  die  Verschiedenheit  der  Eigenschaften  der- 
selben gewöhne.  Denn  die  verschiedenen  Eigenschaften  der 
Speisen,  weiche  die  Amme  zu  sich  nimmt,  theilen  sich  auch  der 
fleh  mit.  Aus  gleichem  Grunde  schmeckt  Gaismilch  wenig  an- 
genehm und  wirkt  etwas  stopfend,  weil  die  Ziegen  Kräuter  von 
solcher  Art  gerne  fressen,  ist  dagegen  Schafmilch  von  angenehmem 
und  süssem  Geschmack,  weil  die  Nahrung  der  Schafe  derartig 
beschaffen  ist.  Mindestens  die  ersten  40  Tage  hindurch  darf  sie 
nur  Wasser,  danach  einen  um  den  anderen  Tag  Weinhonig  in 
geringen  Quantitäten  trinken.  Ist  das  Kind  stärker  und  fester 
geworden  und  hat  es  zugleich  eine  gesunde  Farbe  bekommen, 
so  darf  sie  klaren  AVeisswein  ohne  Beimischung  von  Wasser 
trinken..  Es  soll  dieser  etwas  herbe,  aber  weder  zu  alt  noch  zu 
jung  sein.  Zuerst  soll  sie  ihn  nur  einmal  am  Tage  und  zwar  in 
Pausen  von  mehreren  Tagen  trinken,  dann  alle  zwei  Tage,  dann 
einen  um  den  anderen  Tag,  danach  täglich  und  nicht  bloss  ein- 
mal sondern  auch  zweimal  an  jedem  Tage  und  schliesslich  so  oft 
und  so  viel,  als  zum  Durstlöschen  nöthig  ist.  Auf  solche  Weise 
kann  das  Kind  ohne  Schaden  mit  der  durch  den  W ein  qualitativ 
veränderten  Milch  genährt  werden,  während  es  von  Natur  aus 
in  der  ersten  Zeit  die  Wirkung  des  Weines  nicht  ohne  Schaden 
zu  ertragen  vermag. 

§ 96.  Es  könnte  wohl  jemand  daran  zweifeln,  wie  es  komme, 
dass  das  Kind  vor  der  Geburt,  als  es  noch  im  Uterus  war,  es  zu 
ertragen  vermochte,  wenn  die  Mutter  selbst  Wein  und  die  mannich- 
fachsten  Speisen  genoss.  Hierauf  ist  Folgendes  zu  sagen:  Zu 

jener  Zeit  bildete  das  Kind  einen  Theil  der  Mutter,  erhielt  aus 
deren  Kräften  seine  Nahrung  und  erkrankte  so  nicht;  nach  der 
Geburt  aber  besitzt  es  eine  eigene  Existenz  und  da  seine  Lebens- 
kräfte noch  schwach  sind,  leidet  es  leicht  durch  betäubende  Stoffe. 
So  tragen  auch  Gewächse,  die  mit  grösseren  Bäumen  vereinigt 
sind  und  durch  deren  Festigkeit  mit  gestützt  werden,  Früchte 
und  halten  jeden  Sturm  aus ; sobald  sie  aber  von  diesen  getrennt 
und  auf  ihre  eigene  Kraft  angewiesen  werden,  nehmen  sie  unter 
den  geringsten  Einflüssen  leicht  Schaden.  Aus  dem  Umstande, 
dass  der  Wein  der  Amme  nicht  schadet,  darf  man  nicht  den 
Schluss  ziehen,  es  könne  nun  auch  das  Kind  nicht  darunter  leiden. 
Man  muss  vielmehr  von  der  Ueberzeugung  ausgehen,  dass  der 
Wein  für  dessen  Konstitution 'viel  zu  stark  ist,  was  klar  daraus 
hervorgeht,  dass  die  meisten  so  nachlässig  genährten  Kinder  von 
Konvulsionen  befallen  werden. 


73 


Kapitel  XXXV. 

Die  Massregeln,  welche  zu  ergreifen  sind,  wenn  die 
Milch  ganz  ausgeht  oder  verdorben  wird,  zu  dick 

oder  zu  dünn  ist1). 

§ 97.  Nimmt  die  Milch  an  Quantität  ab  und  geht  ganz  aus 
oder  wird  sie  verdorben,  ist  sie  zu  dick  oder  zu  dünn,  so  sollte 
man  das  Kind  einfach  einer  anderen  Amme  übergeben.  Es  wäre 
freilich  schön,  wenn  es  immer  anginge,  dem  Kinde  einfach  die 
Milch  einer  anderen  Amme  zu  reichen.  Vielfach  verhindern  dies 
Umstände  mancherlei  Art  und  in  solchem  Falle  muss  man  der 
betreffenden  Amme  eine  Diät  vorschreiben,  welche  verhindert, 
dass  das  Kind  erkrankt. 

Geht  die  Milch  aus,  so  ist  zunächst  zu  untersuchen,  ob  der 
Grund  hierfür  in  einer  geringfügigen  Erkrankung  der  Gebär- 
mutter oder  eines  anderen  Organes  oder  in  einer  allgemeinen 
mangelhaften  Ernährung  des  ganzen  Körpers  liegt  oder  ob  die 
Milch  in  ganz  naturgemässem  Verlaufe  geringer  wird,  indem  die 
Natur  nicht  so  viel  Milch  absondern  kann,  als  dem  Säugling  an- 
gemessen ist.  Liegt  nun  ein  Krankheitszustand  vor,  so  ist  dieser 
entsprechendzu  behandeln  ; ist  die  Krankheit  beseitigt,  so  schwindet 
auch  jedes  Hinderniss  für  die  Funktionen.  Liegt  keine  Krankheit 
zu  Grunde,  so  muss  man  leichte  gymnastische  Uebungen  vor- 
nehmen, spazieren  gehen,  massiren,  was  man  entweder  selbst 
machen  oder  durch  andere  machen  lassen  kann,  und  zwar  unter 
Anhalten  des  Athems,  endlich  muss  man  noch  sanft  die  Brüste 
reiben.  Ferner  sind  anzuempfehlen:  Uebung  der  Stimme,  Baden, 
saftreiche  Speisen,  Zerstreuung  des  Gernüths  und  überhaupt  alles, 
was  die  oberen  Körpertheile  zu  stärken  vermag.  Denn  wird  hier- 
durch der  ganze  Körper  in  wohlgenährten  Zustand  versetzt,  so 
nehmen  auch  zugleich  die  Brüste  zu.  Auch  soll  das  Saugen  be- 
harrlich fortgesetzt  werden,  denn  durch  diesen  Reiz  (resp.  Em- 
pfindung) entsteht  ein  grösserer  Zufluss  von  Säften  (Stoff).  Mne- 
sitheos  rieth  zweimal  täglich  Erbrechen  zu  bewirken,  er  bedenkt 
dabei  nicht,  dass  durch  Erbrechen  vielmehr  Schwäche  entsteht, 
er  müsste  denn  eine  chronische  Krankheit  dadurch  heben  wollen. 
Andere  rathen  zum  Gebrauch  aromatischer  Getränke  und  von 
Arzneien,  welche  man  milchtreibende  nennt.  Auch  pflegte  man 
die  Euter  von  Thieren,  welche  von  Natur  milchreich  sind,  als 
Speise  zu  geben.  Andere  verbrannten  Eulen  und  Fledermäuse 
und  streuten  die  Asche  in  einen  Trank  oder  salbten  die  Brüste 


' ) orpoßtX'ji,  Oribas.  II.  90U  Dioscorid.  Alater.  med.  I.  88  nach  Sprengel  die 
Nacktsamen  von  Pinus  Cembra  L.  Zirbel.  Dagegen  nimmt  Daremberg  an,  dass  es 
sich  um  Pinus  Pinea  handle,  da  nach  Fraas  (Flora  classica  p.  266)  die  Zirbel  in 
Griechenland  nicht  vorkommt  (vergl.  den  Excurs  zu  Oribas.  II,  p.  568.) 


74 


damit  in  irgend  einer  Lösung.  Doch  alle  diese  Mittel  sind  zu  ver- 
werfen, weil  sie  zum  Erbrechen  reizen,  die  Schwäche  noch  er- 
höhen und  zur  Abzehrung  führen. 

§ 98.  Fliesst  die  Milch  zu  reichlich,  so  soll  die  Amme  durch 
stark  anstrengende  Arbeiten  den  Körper  kräftigen,  ist  die  Milch 
zu  dick,  so  soll  sie  fleissig  baden , breiartige  und  nur  wenig 
nährende  Speise  geniessen  und  nur  Wasser  trinken.  Einige  Aerzte, 
unter  ihnen  besonders  der  Anhänger  des  Moschion  verord- 
neten  Kappern,  Rettige  und  Pökelfleisch,  womit  man  nicht 
übereinstimmen  kann.  Denn  wenn  durch  scharfe  Gerichte  die 
Dicke  der  Milch  auch  gehoben  würde,  so  würde  dadurch  doch 
auch  die  Qualität  derselben  geringer,  indem  sie  mehr  reizend 
wirkte. 

Ist  die  Milch  zu  dünn,  so  muss  die  Amme  sich  des  Bades 
enthalten,  denn  es  macht  den  Körper  und  damit  die  Milch  wässerig, 
dagegen  sind  ihr  als  Nahrung  zu  empfehlen:  Brei  aus  Dinkel 
und  Spelt,  weiche  Eier,  Zirbelnüsse,  überhaupt  die  Füsse,  Ohren 
und  Rüssel  der  Schweine,  weil  sie  etwas  leimhaltiges  und 
schleimiges  an  sich  haben,  Zickleinfleisch  sowohl  gebraten  wie 
auch  gekocht,  und  leichten  Wein,  wenn  es  das  Befinden  des 
Kindes  gestattet. 

Ist  die  Milch  verdorben,  was  in  der  Regel  die  Folge  von 
mangelhafter  Verdauung,  vom  Coitus  und  von  ungesunden  Speisen 
ist,  so  muss  man  diese  Momente  beseitigen  und  zu  einer  kräftigen 
und  gesunden  Diät  zurückkehren. 

Hiermit  schliessen  wir  unsere  Erörterung  über  das  Verhalten 
der  Amme  und  kehren  zur  Pflege  des  Kindes  zurück. 


Kapitel  XXXVI. 

Das  Baden  und  Frottiren  der  Kinder. 

§ 99.  Grosse  Sorgfalt  ist  dem  Baden  zuzuwenden.  Es  darf 
das  Kind  nicht  zu  anhaltend  gebadet  noch  durch  Aufgiessen 
kochenden  Wassers  gebrüht  werden,  wie  es  die  meisten  brauen 
thun.  Dreimal  am  Tage  und  bei  Nacht  baden  sie  ihre  Kinder 
und  begiessen  sie  dabei  bis  zum  Schwachwerden ; schliesslich 
freuen  sie  sich  über  den  nach  dem  Bade  eintretenden  ruhigen 
Schlaf,  der  doch  nur  die  Folge  der  Ermattung  ist.  Dieses  Ver- 
fahren ist  höchst  nachtheilig.  Der  Körper  wird  schlaff,  empfind- 
licher für  Krankheiten,  leicht  erkältet  und  jeder  Schädlichkeit  zu- 
gänglich, vor  allem  aber  leiden  Kopf  und  das  Nervensystem. 
Aus  diesem  Grunde  soll  m^,n  das  Kind  nur  am  Tage,  niemals  bei 
Nacht  und  auch  nicht  zwei-  oder  dreimal,  sondern  nur  dann  baden, 
wenn  es  durch  eine  Entleerung  belästigt  oder  von  Hautausschlägen 
gereizt  wird. 


75 


§ ioo1).  Das  Baden  und  Reiben  hat  auf  folgende  Weise  zu 
geschehen.  Zunächst  wähle  man  zu  diesem  Geschäfte  ein  mässig 
erwärmtes,  nicht  der  Sonne  ausgesetztes  Zimmer.  Die  Amme 
setze  sich,  breite  auf  ihre  Schenkel  und  Kniee  ein  Laken  aus  roher 
Leinwand’ und  lege  darauf  das  Kind,  sie  löse  die  Windeln  und 
salbe  das  Kind  mit  lauwarmem  Oele,  sodann  fasse  sie  mit  ihrer 
linken  Hand  den  rechten  Arm  unter  der  Achsel,  so  dass  die 
Brust  des  Kindes  am  Ellbogen  der  Amme  liegt,  indem  sie  das 
Kind  etwas  nach  rechts  neigt,  und  nun  giesse  sie  mit  der  rechten 
Hand  über  das  Kind  temperirtes  Wasser,  wie  es  dem  Kinde  be- 
haglich ist.  Hierbei  hat  sie  wohl  zu  bedenken,  dass  eine  Tem- 
peratur, die  unsereinem  lau  vorkommt,  für  die  zarte  Haut  des 
Kindes  schon  zu  heiss  ist.  Zweckmässig  ist  es,  nach  Verhältniss 
fortschreitend  wärmeres  Wasser  aufzugiessen,  nachdem  das 
erste  Wasser  sich  abgekühlt  hat.  Mit  dem  Begiessen  ist  fort- 
zufahren, bis  die  Haut  sich  röthet  und  der  Körper  gleich- 
mässig  warm  wird.  Hierauf  wird  das  Kind  umgedreht,  der  Rücken 
gewaschen,  die  Schenkel,  der  Steiss,  der  Nacken  und  die 
Achselhöhlen  von  dem  gerade  an  diesen  Stellen  am  meisten 
haftenden  Schmutz  gereinigt,  sodann  mit  dem  in  reines  Wasser 
oder  Oel  getauchten  Zeigefinger  der  Speichel  aus  der  Mundhöhle 
des  Kindes  entfernt,  die  Zunge,  das  Zahnfleisch  und  die  Mund- 
winkel sanft  gerieben,  der  Unterbauch  leicht  gepresst,  um  Ent- 
leerung des  Harns  zu  veranlassen.  Nach  einigen  Tagen  gewöhne 
man  das  Kind  nach  dem  warmen  Bade  noch  an  ein  Bad  mit 
milchlauem  Wasser,  denn  durch  allmähliche  Gewöhnung  an  käl- 
teres Wasser  wird  es  vor  Erkältung  geschützt. 

§ ioi2).  Nach  dem  Bade  wird  das  Kind  an  den  Knöcheln 
gefasst,  so  dass  der  Kopf  nach  unten  hängt,  damit  die  Wirbel- 
knochen sich  ausdehnen,  das  Rückgrat  biegsam  wird  und  die 
Sehnen  sich  entfalten.  Dann  wird  es  wieder  auf  den  Schoss  der 
Badefrau  gelegt,  in  Linnen  gehüllt  und  so  abgetrocknet.  Nach 
reichlicher  Salbung  des  Kindes  werden  die  einzelnen  Körper- 
theile  unter  besonderer  Beachtung  der  Gestaltung  derselben 
frottirt,  indem  deforme  Theile  allmählich  in  die  natürliche  Form 
gebracht  werden. 

Nun  ergreift  die  Amme  die  Handwurzel  und  indem  sie  die 
rechte  Hand  streckt,  reibt  sie  in  schräger  Richtung  vom  linken 
Hinterbacken  beginnend ; dann  nimmt  sie  den  rechten  Knöchel 
und  reibt  vom  linken  Schulterblatt  zum  rechten  Unterschenkel. 


')  „Schmutz“  pUTiOf.  Hier  ist  nur  die  Vernix  caseosa  gemeint. 

, Speichel“  atsXa  sonst  <nccXa,  eigentlich  Schleim,  da  das  Neugeborene  noch 
keinen  Speichel  absondert. 

2)  «Theile,  die  noch  missgestaltet  sind.“  Es  kommt  bei  gewissen  Lagen  und 
Haltungen  des  Kindes  vor,  dass  die  Extremität  abnorme  Stellungen  (z.  B.  Flexion 
in  Hüftgelenk)  annehmen  und  nach  der  Geburt  längere  Zeit  beibehalten. 


76 


Dann  biegt  sie  die  Extremitäten  gegen  den  Rücken  zurück,  in- 
dem sie  die  Spitze  des  rechten  Fusses  der  Spitze  der  linken  Hand 
nähert  und  umgekehrt.  So  werden  die  Gelenkbänder  geschmeidig 
und  jedes  Gelenk  wird  beweglicher  durch  die  mannichfaltigen 
Drehungen  und  wenn  etwa  zähe  Substanz  in  den  Gelenken  an- 
gesammelt wäre,  so  wird  sie  so  zertheilt.  Nachdem  aber  so  die 
Geschmeidigkeit  hergestellt  ist,  werden  die  Schenkel  zusammen- 
gelegt, gestreckt  und  mit  der  andern  Hand  ganz  der  Länge  nach 
gerieben. 

§ 102.  Die  Kniekehlen  werden  durch  Auflegen  des  Daumen- 
ballen geebnet,  die  Knöchel  werden  an  einander  gelegt  und  gerade 
gerichtet  und  indem  sie  von  den  Fersen  an  reibt,  richtet  sie  Theile, 
die  zu  sehr  hervorragen  und  verrenkt  sind,  ein.  Dann  biegt  sie 
die  Glieder,  indem  sie  die  Fersen  dem  Steisse  nähert.  Hierauf 
wird  mit  den  flachen  Händen  das  Rückgrat  bearbeitet,  indem  man 
es  sowohl  in  gerader  Richtung,  als  auch  seitlich  bewegt.  Dann 
wird  mit  dem  Mittelfinger  von  der  Steisskerbe  zum  Nacken  unter 
Streckung  frottirt  und  das  Rückgrat  vom  Hals  bis  zum  Heiligen- 
bein normgemäss  gebogen,  damit  zur  gefälligen  Form  Leicht- 
beweglichkeit und  Festigkeit  der  Wirbel  sich  geselle.  Hierauf 
wird  mit  Mittel-  und  Zeigefinger  die  Gesässregion  durch  Druck  in 
gute  Form  gebracht  und  werden  durch  Applikation  der  geschlossenen 
Faust  die  über  dem  letzten  Wirbel  liegenden  Partieen  abgeflacht, 
damit  keine  Lordosis  entstehe;  ebenso  macht  man  es  am  Rücken 
und  am  mittleren  Theile  der  Wirbelsäule,  damit  kein  Buckel  oder 
sonstige  Anomalie  sich  bilde.  — Hierauf  wird  der  Kindskopf 
frottirt,  indem  man  beide  Hände  rund  herumführt,  ferner  wird  er 
etwas  geformt,  indem  einmal  die  eine  Hand  an  die  Stirn,  die 
andere  an  den  Nacken  applizirt  wird,  dann  aber  an  den  Scheitel 
und  das  Kinn. 

Auch  dem  Schädel  muss  eine  schöne  Form  gegeben  werden, 
auf  dass  er  nicht  zu  lang  noch  spitz  werde.  Ferner  soll  der 
Kopf  bewegt  und  gestreckt  werden,  indem  man  ihn  gleichzeitig 
erhebt,  um  die  Halsmuskeln  zu  üben  und  die  Wirbel  gelenkig  zu 
machen,  denn  ein  Kind  vermag  diese  Theile  von  selbst  noch 
nicht  zu  bewegen. 

§ 103.1)  Hierauf  soll  die  Pflegerin  das  Kind  umwenden  und 
die  Vorderseite  salben.  In  Zwischenräumen  von  einigen  Tagen 
soll  sie  die  Augen  ausspritzen.  Dies  darf  nicht  jeden  Tag  ge- 
schehen, denn  es  ist  schon  Augenentzündung  die  Folge  davon 
gewesen,  indem  die  Häute  eiterten.  Dann  soll  man  wieder  von 


l)  „Man  gelb  a ftes  Präputium“  XentöSspfrov.  Hieher  gehört  der  berüchtigte 
„Epispasmus“,  d.  h.  die  Schaffung  einer  Vorhaut  durch  methodisches  Dehnen  des 
Restes  der  beschnittenen  Vorhaut,  eine  Unsitte,  die  seit  der  Zeit  der  Maccabäer  bei 
den  Israeliten  grassirte.  Näheres  bei  J.  B.  Friedreich,  Zur  Bibel  II,  161 — 165. 


77 


der  Schulter  bis  zur  gestreckten  Hand  einreiben,  dann  soll  man 
die  Arme  kreuzweise  um  die  Brust  legen,  resp.  gegen  die  Seiten- 
wand bewegen  und  dieselbe  damit  decken.  Sodann  werden  Bauch, 
Brust  und  &die  beiden  Schenkel  gestreckt  gerieben,  die  letzteren 
erst  einzeln,  dann  zusammen.  Die  Kniescheiben  werden  hin  und  her 
bewegt,  damit  die  Verbindung  der  Glieder  nicht  schwerfällig  sei, 
auch  sollen  sie  mit  der  flachen  Hand  der  Länge  nach  behufs 
Erlangung  einer  schönen  Form  abgeflacht  werden,  während  die 
Schenkel  aneinander  gelegt  sind.  Mit  beiden  Daumen  werden 
die  Augen  ausgerieben  und  wird  die  Nase  geformt , indem  man 
sie  bei  solchen,  welche  eine  Stumpfnase  haben,  hebt,  dagegen  bei 
denen,  welche  eine  Habichtsnase  besitzen,  sie  drückt.  Dabei  soll 
man  aber  bei  denen,  welche  eine  Habichtsnase  haben,  diese  nicht 
an  dem  Punkte  der  Erhöhung  zurückdrücken,  sondern  man  muss 
die  Nasenflügel  im  Verhältniss  zu  der  nach  vorn  neigenden  Nasen- 
spitze vorziehen  und  emporrichten.  Besitzt  ein  männliches  Kind 
ein  mangelhaftes  Präputium,  so  ziehe  man  die  Vorhaut  sanft  in 
die  Länge  oder  man  umwickle  es  zum  Schutze  mit  einer  Woll- 
flocke.  Wenn  man  sie  allmählich  und  konsequent  nach  vorn  zieht, 
so  giebt  sie  leicht  nach  und  gewinnt  ihre  natürliche  Länge,  in- 
dem sie  die  Eichel  verhüllt  und  sich  daran  gewöhnt,  die  ihr  von 
der  Natur  verliehene  normale  Form  beizubehalten.  Danach  forme 
man  auch  den  Hodensack  aus  dem  Zusammengehen  der  Schenkel 
und  schütze  ihn  vor  Druck  durch  untergelegte  Wolle,  so  hält  man 
ihn  auch  von  den  Schenkeln  fern. 

§ 1041).  Nach  dieser  Formung  wird  das  Kind  gewickelt  und 
mit  etwas  Oel  gesalbt.  Zu  starkes  Salben  erkältet  und  lässt  die 
nassen  Windeln  nicht  festsitzen;  indem  diese  rutschen  und  sich 
herumschlingen,  leiden  die  Glieder  unter  dem  Druck.  Zuweilen 
ist  es  auch  nützlich,  den  erschlafften  Körper  vor  dem  Wickeln 
mit  Tyrrhenischem  Wachs  einzureiben,  denn  dieses  erweicht  und 
wärmt  den  Körper,  ernährt  noch  obendrein  und  erhöht  die  Weisse 
der  Haut.  Nach  dem  Bade  soll  die  Amme  Ohren  und  Nase  des 
Kindes  aussaugen,  damit  nicht  zurückbleibende  Feuchtigkeit  den 
noch  zarten  natürlichen  Oeffnungen  Schaden  zufüge. 


„Aussaugen“  cypuCav.  Das  Aussaugen  des  Meatus  auditorius  externus 
ist  indess  als  gefährlich  zu  erklären,  da  Hämorrhagie  veranlasst  werden  kann. 

Tyrrhenisches  Wachs.  Galen,  de  compos  med.  sec.  gen.  I.  „candida,  quae 
Tyrrhenica  nominata  est,  non  sponte  nascitur,  quae  nullam  evidentem  habet  acrimo- 
mam“  (also  handelt  es  sich  um  künstlich  gebleichtes  Wachs.)  Sonst  war  das  natür- 
liche pontische  Wachs  am  meisten  beliebt. 


78 


Kapitel  XXXVII. 

Wie  und  wann  dem  Kinde  die  Brust  zu  geben  ist. 

§ 105.  Nach  einer  kleinen  Pause,  in  welcher  sich  das  Kind 
von  der  Unruhe  des  Bades  erholt  hat,  darf  man  ihm  die  Brust 
geben.  Wie  bei  Erwachsenen,  so  ist  noch  viel  mehr  bei  kleinen 
Kindern  das  Essen  unmittelbar  nach  dem  Baden  der  Gesundheit 
nachtheilig.  Bei  einem  erhitzten  Körper  wird  nämlich  die  Nahr- 
ung in  Menge  aufgesaugt  und  schadet.  Auch  die  Amme  möge, 
wenn  sie  eben  aus  dem  Bade  gestiegen  ist , eine  ziemliche  Zeit 
warten,  bevor  sie  die  Brust  reicht,  und  auch  vorher  ein  wenig 
Wasser  trinken.  Denn  die  Nahrung  schadet  nicht  nur  dem  er- 
hitzten Körper,  sondern  auch  die  aus  solchem  Körper  kommende 
Nahrung  ist  ungesund  (für  das  Kind).  Die  Amme  soll  demnach 
zunächst  das  Kind  sich  vom  Bade  erholen  lassen,  dann  die  Milch, 
welche  sich  zunächst  den  Warzen  befindet,  ausmelken  und  die 
Milch,  welche  in  Folge 'der  Unruhe  des  Körpers  verdorben  ist, 
ausdrücken  und  nun  erst  die  reine  Nahrung  bei  normalem  Be- 
finden ihres  Körpers  reichen. 

§ 106.  Bei  dem  Darreichen  der  Brust  soll  die  Amme  sitzen, 
das  Kind  hoch  heben  und  indem  sie  es  bald  an  die  rechte,  bald 
an  die  linke  Seite  legt,  es  mit  den  Armen  an  die  Brust  nehmen, 
indem  sie  die  Warzen  an  die  Lippen  desselben  legt.  Sie  soll  in 
nach  vorn  geneigter  Stellung  sitzen,  denn  lehnt  sie  sich  rück- 
wärts, so  wird  das  Trinken  derartig  erschwert,  dass  das  Kind 
bald  den  Trank  wieder  von  sich  giebt,  bald  einen  Anfall  von 
Erstickung  bekommt.  Aus  demselben  Grunde  soll  man  das  Kind 
ein  wenig  in  die  Höhe  heben  und  nicht  andauernd  an  die  rechte 
Seite  legen,  vielmehr  soll  es  an  beiden  Brüsten  genährt  werden 
einmal  der  Abwechselung  wegen  und  dann,  damit  die  rechte  Hand, 
die  nach  Lösung  der  Windeln  festgehalten  wird,  sich  nicht  an 
Unthätigkeit  gewöhne.  Wenn  sie  das  Kind  in  der  erwähnten 
Weise  an  die  Brust  gelegt  hat,  soll  sie,  bevor  das  Kind  zu  ziehen 
beginnt,  die  Milch  ganz  sanft  ausdrücken,  einmal  um  grösseren 
Appetit  zu  erregen  und  dann  damit  der  Säugling  nicht  dadurch 
Schaden  leide,  dass  er  sich  beim  ersten  Zuge  zu  sehr  anstrengt. 
Nach  jedem  Schlafe  aber  soll  sie,  bevor  sie  dem  Säugling  die  ; 
Milch  giebt,  im  Umherwandeln  die  Brüste  reiben  und  schütteln, 
denn  durch  eine  derartige  vorhergehende  Bewegung  verdunstet 
der  Ueberschuss  und'  zertheilen  sich  die  dicken  Bestandtheile. 
Wenn  das  Kind  genügend  Milch  zu  sich  genommen  hat,  soll 
man  es  noch  eine  kleine  Zeit  lang  auf  den  Armen  halten  und 
dann  auf  ein  Lager  legen  wie  oben  beschrieben,  aus  dem  es  ein 
wenig  hervorguckt  und  auf  dem  es  wie  sitzend  ruht.  Von  oben 
ist  das  Kind  des  Schutzes  wegen  zu  bedecken,  ebenso  sind  seine  : 


79 


Augen  zu  verhüllen,  einmal  weil  sie  in  ihrer  Zartheit  leicht  durch 
einen  hineingerathenen  Gegenstand  verletzt  werden  und  dann, 
weil  sie  unter  dem  Einfluss  zu  vielen  Lichtes  und  zu  starker  Helle 
sich  an  das  Schielen  gewöhnen  könnten.  Auch  darf  das  Kind 
nicht  mit  der  Amme  zusammenschlafen,  zumal  in  der  ersten  Zeit 
nicht,  damit  sie  es  nicht  durch  unvorsichtiges  Umherwälzen  drückt 
oder  erstickt.  Es  sollen  daher  die  Wiegen  neben  dem  Bette 
stehen  und  falls  das  Kind  ein  Verlangen  kundgiebt,  die  Kinder- 
wanne auf  das  Bett  genommen  werden. 

§ 107.  Die  Amme  ist  davor  zu  warnen,  dass  sie  während 
des  ganzen  Tages  oder  der  ganzen  Nacht  Milch  gebe.  Denn  durch 
die  Masslosigkeit  wird  es,  zumal  in  der  Nacht,  krank;  wird  näm- 
lich eine  Speise  genommen,  bevor  die  vorhergehende  verdaut  ist, 
so  verdirbt  diese.  Dagegen  darf  die  Amme  zu  öfteren  Malen 
die  Brust  reichen,  denn  auf  einmal  kann  das  Kind  nicht  genügende 
Nahrung  zu  sich  nehmen.  Die  Milch  sättigt  nämlich  von  Natur 
ziemlich  schnell,  so  dass  das  Kind  satt  ist,  bevor  noch  für  die 
Ernährung  hinreichender  Stoff  aufgenommen  ist.  Auch  ermüdet 
das  Kind  wegen  seiner  Schwächlichkeit,  wenn  es  zu  lange  an 
der  Warze  zieht  und  hört  deswegen  früher  auf,  als  es  hinreichende 
Nahrung  genommen  hat.  Demnach  ist  dem  Kinde  zu  öfteren 
Malen  Milch  zu  geben,  doch  mit  Unterbrechung  und  nicht  vor 
dem  Bade,  noch  viel  weniger  während  des  Bades  selbst,  was 
trotz  des  Verbotes  die  Weiber  gerne  thun,  indem  sie  damit  das 
weinende  Kind  ohne  Mühe  zum  Schweigen  bringen  wollen.  Ist 
die  Milch  aber  verdorben  und  sauer  geworden,  so  leidet  das 
Nervensystem  und  Epilepsie  und  Schlagflüsse  sind  die  Folge. 
Ganz  gefährlich  ist  es,  die  Warze  während  des  Schlafes  im  Munde 
des  Kindes  zu  lassen,  um  so  zu  verhüten,  dass  es  überhaupt 
schreit.  Denn  wenn  zu  Zeiten,  wo  die  Milch  ohne  Saugen  aus- 
fliesst,  die  Nasenlöcher  gedrückt,  der  Mund  verschlossen  und  der 
Schlund  gefüllt  ist,  so  erstickt  das  Kind. 

§ 108.  Ueberhaupt  soll  man  das  Weinen  nicht  immer  zur 
Veranlassung  nehmen,  dem  Kinde  die  Brust  zu  reichen.  Denn 
erstens  ist  auch  das  Schreien  bisweilen  von  wesentlichem  Nutzen. 
Es  ist  nämlich  eine  natürliche  Uebung,  die  zur  Kräftigung  des 
Athems  und  der  Athem Werkzeuge  dient,  auch  geht,  wenn  die 
Kanäle  sich  durch  jene  Uebung  dehnen  und  weitern,  die  Ver- 
keilung der  Nahrung  im  Körper  leichter  von  statten.  Andrer- 
seits darf  man  das  Kind  aber  auch  nicht  zu  lange  und  zu  heftio- 
schreien  lassen.  Denn  darunter  leiden  die  Augen,  auch  kann 
Herabgleiten  der  Eingeweide  in  den  Hodensack  eintreten  (=  Ent- 
stehung einer  Hernia).  Zweitens  schreit  das  Kind  nicht  nur, 
wenn  es  Hunger  hat,  sondern  auch  aus  anderen  Gründen,  wie 
z.  b.  wenn  es  in  Folge  schlechter  Lage  gedrückt  wird  oder  wenn 
aen  kleinen  Körper  irgend  ein  Thier  beisst  oder  sticht,  oder 


— 80  — 

wenn  die  Fülle  der  Nahrung  den  Leib  beschwert,  oder  Frost  oder 
Hitze  eintritt  oder  wenn  Verstopfung  vorliegt,  indem  in  dem  Darme 
harte  Exkremente  liegen,  oder  wegen  sonstiger  Unpässlichkeit 
oder  Krankheit.  Alle  diese  Ursachen  muss  man,  soweit  möglich, 
zu  ergründen  suchen,  um  so  dem  vorliegenden  Uebel  abzuhelfen; 
man  darf  nicht  einfach  seine  Zuflucht  dazu  nehmen,  dass  man 
dem  Kinde  die  Brust  giebt. 

Ob  Druck  vorliegt,  werden  wir  erkennen,  indem  wir  mit  dem 
Finger  die  Druckspur  der  Binden  (tastend)  wahrnehmen  und 
die  Extremitäten  blau  (cyanotisch)  finden,  oder  nicht  naturgemäss 
gelagert.  Dass  es  von  irgend  einem  Thier  gebissen  oder  ge- 
stochen wird,  ersehen  wir  aus  dem  plötzlichen  Aufschrei,  wenn 
es  weder  schlecht  liegt  noch  die  Windeln  drücken.  Hat  das 
Kind  in  Folge  Ueberfüllung  mit  Nahrung  Magenbeschwerden,  so 
erkennt  man  dies  am  Aufstossen  und  Erbrechen , oft  ist  dann 
auch  das  Hypochondrium  angeschwollen  und  hieraus  lässt  sich 
schliessen,  wie  oft  das  Kind  getrunken  hat.  Dass  das  Kind  unter 
Frost  leidet,  wird  ersichtlich  daraus,  dass  es  erstarrt,  sich  zusammen 
krümmt  und  kalt  wird,  dass  die  Haut  bläulich  aussieht  und  das 
Wohngemach  kalt  ist.  Leidet  es  unter  Hitze,  so  merken  wir  das 
an  der  allzuwarmen  Luft  des  Zimmers,  an  dem  Rothwerden  und 
an  der  schnelleren  Respiration  des  Kindes  oder  wir  finden,  dass 
das  Kind  in  mehr  Decken  als  nöthig  ein  gehüllt  ist.  Wenn  es 
an  harten  Exkrementen  und  Verstopfung  leidet,  so  wird  dieser 
Zustand  daran  erkennbar,  dass  das  Kind  unter  Anstrengung  und 
Zusammenziehung  des  Körpers  weint.  Irgend  ein  sonstiges  Un- 
wohlsein oder  eine  Krankheit  zeigen  sich  in  bestimmten  Sym- 
ptomen und  dadurch,  dass  das  Kind  die  Brust  nicht  nimmt,  ohne 
dass  eine  der  vorher  erwähnten  Ursachen  vorliegt.  Das  Verlangen 
nach  Nahrung  verräth  sich,  wenn  die  Lippen  sich  ohne  einen  der 
vorhergenannten  Gründe  bewegen,  der  Mund  sich  öffnet  und  zu- 
mal, wenn  es  an  seinem  Finger  saugt,  indem  es  sich  dabei  die 
Warze  vorstellt.  Auch  kann  man  dies  dadurch  ergründen,  dass 
man  berechnet,  mit  welchem  Quantum  Milch  das  Kind  sich  bisher 
zu  begnügen  pflegte  und  welches  Quantum  es  jetzt  nahm,  ob 
ferner  eine  grössere  Frist  seit  der  letzten  Säugung  verflossen, 
und  ob  das  Hypochondrium  zusammengesunken  ist.  Wenn  die 
Amme  unter  solchen  Umständen  dem  Kinde  die  Brust  reicht,  um 
dem  Nahrungsbedürfniss  des  weinenden  Kindes  zu  entsprechen, 
so  geht  sie  niemals'  fehl. 

§ 1091).  Es  ist  zu  vermeiden,  dass  das  Kind  unmittelbar  nach 

l)  Schaukeln,  ai'uipa.  Diese  passive  Bewegungsart  wurde  bei  den  Alten  syste- 
matisch betrieben  und  zwar  nicht  allein  bei  Kindern.  Ein  Fragment  des  Antyllus 
(Oribas.  I.  p.  513,  Collect,  med.  VI.  23)  belehrt  uns,  dass  die  passive  Motion  die 
innere  Wärme  aufwecken  kann,  die  überflüssigen  Stoffe  zertheilen  und  erloschene 
Funktionen  erregen,  auch  gegen  Agrypnie  soll  sie  nützen.  Das  verlorene  Buch  des 
Antyllus  heisst  ,,uspl  Ttotouuivurv  ßorjthjjj.d'cujv.“ 


81 


der  Sättigung  mit  Milch,  bewegt  wird.  Schon  Erwachsenen  be- 
kommt das  Schaukeln  nach  dem  Essen  nicht  gut,  da  die  Nahrung 
dadurch  verdorben  wird,  noch  viel  mehr  ist  dies  natürlich  bei  dem 
ganz  jungen  Kinde  der  Fall,  einmal  weil  der  Körper  noch  sehr 
zart  ist  und  dann  weil  die  Milch  schon  von  Natur  oben  schwimmt 
und  so  Aufstossen  erregt ; dies  ist  wahrscheinlich  auch  der  Grund, 
weshalb  die  Kinder  häufiger  brechen,  indem  sie,  ganz  wie  See- 
kranke, in  Folge  unmässiger  und  andauernder  Bewegung  wie  un- 
geübte Seefahrer  vor  Uebelkeit  speien.  Daher  bekommen  derartig 
Aufgezogene  einen  schwammigen  und  für  Krankheiten  leicht 
empfänglichen  Körper,  es  geht  ihnen  ähnlich  wie  den  gemästeten 
Zicklein , die  man  zum  Zweck  der  Mästung  nach  der  Fütterung 
mit  Milch  in  einem  Korbe  schwebend  den  ganzen  Tag  und  die 
ganze  Nacht  hindurch  hin  und  her  bewegt.  Denn  so  vertheilt 
sich  in  Folge  der  Bewegung  die  Nahrung  durch  den  ganzen 
Körper  und  es  wird  jeder  Theil  desselben  damit  angefüllt.  Wenn 
das  Kind  nun  nach  der  Säugung  beharrlich  weint,  so  soll  die 
Amme  es  in  den  Armen  tragen  und  es  durch  Liebkosungen,  Ge- 
plauder und  sanftes  Singen  zu  beschwichtigen  suchen;  niemals 
darf  sie  es  dagegen  durch  Schreien  oder  sonstige  Drohungen  in 
Furcht  und  Aufregung  versetzen.  Denn  dadurch  wird  Erschrecken 
veranlasst,  das  leicht  körperliche  wie  seelische  Leiden  erregt. 
Es  ist  also  das  Kind  nach  dem  Säugen  nicht  sofort  zu  schaukeln, 
sondern  entweder  nach  der  Verdauung  oder  vor  dem  Stillen.  Die 
Bewegung  des  Schaukelns  ist  der  Körperkonstitution  anzupassen, 
zuerst  wird  die  Wanne  oder  Wiege  ein  wenig  in  Bewegung  ge- 
setzt, welche  entweder  aufgehängt  ist  oder  auf  zwei  gegenüber- 
liegenden Steinen  ruht,  später  darf  die  Bewegung  in  einer  Sänfte 
stattfinden,  nach  vier  Monaten  kann  die  Amme  das  Kind  in  den 
Armen  tragen  und  so  damit  spazieren  gehen,  oder  im  Wagen 
fahren.  Wir  halten  es  aber  nicht  für  gut,  wenn  die  Amme  das 
Kind  auf  den  Schultern  reiten  lässt  und  ihm  so  Bewegung  ver- 
schafft. Denn  in  Folge  des  Druckes  gehen  die  Hoden  entweder 
nach  oben  in  den  Unterleib  zurück  oder  sie  atrophiren  überhaupt; 
es  entwickeln  sich  so  die  Kryptorchen  (Leute  mit  verboro-enen 
Hoden)  und  Eunuchen. 


Kapitel  XXXVIII. 

Das  Abfallen  des  Nabels. 

§ HO1).  Wir  müssen  nun  die  übrigen  Regeln  nach  der  chrono- 
logischen Ordnung  betrachten. 

1)  Verbrannte  Schweinsknochen,  ^o'ipeiov  öotparaXov.  Vergl  Dioscorid  Mnt 
fl?.-  CaP-  6?-  Hier  wird  der  Astragalus  des  Schweins  gebrfnnf  als  Mitti 

t* *d  vo“"l  l -GriTen  bezeichnet-  Bei  PI  in  ins,  Hist,  natur  XXVIII  f 22 
om  Schwein  „talorum  cims“  gegen  clavos  et  rimas  gerühmt. 

• oranus,  Ueber  die  Krankheiten  des  weiblichen  Geschlechtes.  r 


82 


Zunächst  fällt  nach  ungefähr  drei  bis  vier  Tagen  der  Nabel 
in  folge  Vertrocknung  ab,  es  bleibt  aber  auf  dessen  Grunde  eine 
wunde  Stelle  zurück  und  diese  ist  therapeutisch  zu  behandeln. 
Viele  Frauen  streuen  gebrannte  und  zerriebene  Schweinsknöchelchen 
oder  Schnecken  oder  Zwiebel  auf,  manche  nehmen  auch  gebranntes 
und  geschlämmtes  Blei  dazu.  Noch  besser  ist  es,  ein  dem  Wirbel 
an  der  Spille  der  Spinnerinnen  ähnliches  Stück  Blei  auf  die  Stelle 
des  Nabels  zu  legen , denn  die  kühlende  Natur  der  Materie  be- 
fördert die  Heilung  des  Geschwürs  und  die  Schwere  derselben 
verschafft  zugleich  dem  Nabel  eine  schöne  hohle  Form. 


Kapitel  XXXIX. 

Wann  und  wie  ist  das  Kind  aus  den  Windeln  zu 

nehmen. 

§ ui.  Es  kommt  dann  die  Zeit,  wo  das  Kind  aus  den  Windeln 
zu  nehmen  ist.  Manche  besorgen  dies  ungefähr  am  40.  Tage 
viele  erst  ungefähr  am  60.,  andere  schieben  den  Termin  noch 
weiter  hinaus.  Wir  abergehen  von  der  Voraussetzung  aus,  dass 
die  ganze  Ein  Wickelung  nur  den  Zweck  hat,  den  Körper  zu 
festigen  und  jede  Verrenkung  zu  verhüten,  und  halten  die  Ent- 
fernung der  Windeln  demgemäss  erst  dann  für  rathsam,  wenn 
der  Körper  genügend  festen  Zusammenhalt  gewonnen  hat  und 
daher  die  V errenkung  irgend  eines  Körpertheiles  nicht  mehr  zu 
befürchten  ist.  Diese  Zeit  tritt  bei  denen,  welche  im  Besitz  einer 
starken  Konstitution  sind,  früher,  bei  schwächlicherem  Körperbau 
später  ein. 

Die  Windeln  dürfen  nicht  plötzlich  und  nicht  alle  zu  gleicher 
Zeit  gelöst  werden.  Denn  jede  plötzliche  Veränderung  zum  Gegen- 
theil  verursacht  eben  Schaden.  Zuerst  befreie  man  die  eine  Hand 
und  nach  einigen  Tagen  erst  die  andere,  sodann  die  Fiisse. 
Immer  aber  beginne  man  mit  der  rechten,  denn  wenn  diese  nach 
der  Ansicht  derer,  welche  es  für  besser  halten  erst  die  linke  Hand 
zu  lösen,  noch  gebunden  bleibt,  so  entwickelt  sie  sich  nicht  so 
kräftig  wie  die  linke,  da  sie  später  in  Thätigkeit  kommt,  und  dies 
ist  vielfach  die  Ursache,  dass  einige  Kinder  linkhändig  werden. 
Ist  das  Kind  noch' kräftiger  geworden,  so  soll  es  nicht  mehr  im 
Hause,  sondern  in  den  öffentlichen  Bädern  gebadet  werden,  doch 
darf  das  Bad  nicht  zu  lange  ausgedehnt  werden  und  nicht  zu 
heiss  sein.  Denn  zu  Hause  kann  man  keine  so  gute  und  tem- 
perirte  Luft  haben  !). 


l)  Wegen  Bauart  der  antiken  Häuser,  cfr.  Pompejanum. 


83  - 


Bekommt  das  Kind,  während  es  noch  gewickelt  ist,  in  Folge 
des  Druckes  der  Binden  oder  aus  sonst  einer  Veranlassung  eine 
wunde  Haut,  so  soll  man  die  Windeln  beseitigen,  dem  Kinde  ein 
einfaches  Unterhemd  anziehen  und  die  fratte  Stelle  therapeutisch 
behandeln. 


Kapitel  XL. 

Wie  muss  man  die  Kinder  im  Sitzen  und  Gehen  üben? 

§ 1 121).  Versucht  das  Kind  zu  sitzen  und  aufzustehen,  so  muss 
man  diese  Bewegungen  unterstützen.  Will  es  zu  früh  und  zu 
lange  sitzen,  so  pflegt  es  krumm  zu  werden,  indem  das  Rückgrat 
sich  in  Folge  der  Weichheit  der  Knochen  biegt.  Steht  es  in 
übereilter  Weise  auf  und  will  es  gehen,  so  werden  die  Beine 
(resp.  Oberschenkel)  krumm. 

§ 1132).  Diese  Erscheinung  kann  man  besonders  häufig  bei 
den  Kindern  in  Rom  beobachten.  Den  Grund  hierfür  sehen 
einige  darin,  dass  der  Boden  der  Stadt  von  kalten  Gewässern 
durchströmt  wird  und  sich  so  die  Körper  leicht  erkälten,  andere 
wieder  in  dem  häufigen  Coitus  der  Weiber  oder  in  dem  Statt- 
finden des  Coitus  nach  Weingenuss.  Die  wahre  Ursache  liegt 
jedoch  in  der  Unkenntniss  der  Kinderpflege.  Denn  die  Frauen 
in  Rom  besitzen  nicht  die  innige  Liebe  zu  ihren  Kindern,  welche 
sie  veranlassen  könnte,  auf  alle  Einzelheiten  Acht  zu  geben,  wie 
dies  bei  den  rein  griechischen  Frauen  der  Fall  ist.  Da  man  die 
Bewegungen  der  Kinder  nicht  überwacht,  verkrümmen  sich  die 

1)  xa  <jy.iXrj  Siaaxpecpexat  -/axä  [xrjpoüc.  Das  kann  man  übersetzen  „die  Beine 
verkrümmen  sich  in  den  Schenkelknochen  (also  etwa  Rachitis),  oder  die  Beine  luxiren 
sich  in  der  Schenkel(Hüft-)gegend  (Coxitis  tuberculosa  ?)  freiwilliges  Hinken  der 
älteren  deutschen  Wundärzte.  — Es  dürfte  sich  hier  um  Rachitis  handeln.  Ermerins 
übersetzt  „crura  ad  femora  inflectuntur.'* 

T/.eX-n  muss  mit  „untere  Extremitäten“  gegeben  werden,  von  denen  uripoi  einen 
Theil  (femur)  bilden.  ‘ 

Foesius  (Oeconomia  Hippocratis)  p.  157,  Art.  SiaaxpecpeaÖai  = „est  per- 
verti  et  distorqueri,  diciturque  de  corporis  partibus  quae  rectas  actiones  non  obeunt, 
sed  potius  ex  rectis  distortae  et  flexuosae  sunt,  tensisque  atque  ad  sua  principia  con- 
tractis  nervis,  qui  ad  eas  pertingunt.“  Das  bezöge  sich  mehr  auf  Gelenkkontrakturen, 
wie  sie  z.  B.  bei  Coxitis  Vorkommen. 

2)  „Die  Frauen  in  Rom  besitzen  nicht  die  innige  Liebe“,  hiezu  vergleiche  man 
Juvenal  Satir.  VI,  938  ff. : 

— sed  clamat  Pontia,  feci, 

Confiteor  pueris  meis  aconita  paravi. 

Quae  deprensa  patent:  facinus : tarnen  ipsa  peregi. 

Tune  duos  una,  saevissima  vipera,  coena  ? 

Tune  duos?  — Septem,  si  septem  forte  fuissent ! 

Credamus  tragicis,  quidquid  de  Colchide  torva  (Medea) 

Dicitur  et  Procne. 


6* 


84 


Glieder  der  meisten.  Denn  die  ganze  Körperschwere  lastet  auf 
den ' Schenkeln ; während  der  Estrich,  der  zumeist  mit  Steinen 
gepflastert  ist,  hart  ist  und  nicht  nachgiebt.  So  veranlassen  die 
Härte  des  Fussbodens,  das  Gewicht  der  Last,  die  Zartheit  des 
Trägers  nothwendig , dass  die  Glieder  nachgeben,  weil  deren 
Knochen  noch  nicht  genügende  Festigkeit  besitzen. 

§ 1 1 4.  Im  Augenblick,  wo  das  Kind  mit  den  Versuchen  zu 
sitzen  beginnt,  soll  man  es  durch  Bekleidung  stützen,  welche  ihm 
eine  gewisse  Festigkeit  verleihen  kann,  doch  dürfen  diese  Ver- 
suche zuerst  nicht  zu  lange  ausgedehnt  werden.  Kommt  dann 
die  Zeit,  wo  es  zu  kriechen  und  sich  ein  wenig  aufzurichten  ver- 
sucht, so  soll  man  es  an  eine  Wand  lehnen  und  dort  von  Zeit 
zu  Zeit  allein  stehen  lassen,  nach  einiger  Zeit  lerne  es  dann  an 
mit  Rädern  versehenen  Körben  gehen.  So  lernt  das  Kind 
allmählich  in  richtigem  Verhältniss  zur  Zunahme  der  Kräfte 
das  Gehen. 

Soviel  über  die  Bewegung;  nun  haben  wir  über  die  Ernähr- 
ung zu  sprechen. 


Kapitel  XLI. 

Zeit  und  Methode  der  Entwöhnung  des  Kindes. 

§ 1151).  Bis  das  Kind  gekräftigt  ist,  darf  es  nur  mit  Milch 
genährt  werden.  So  lange  nämlich  die  Poren  noch  enge  sind, 
ist  die  Zuführung  einer  festeren  Nahrung  gefährlich,  da  einmal 
sich  diese  wegen  der  Enge  der  Kanäle  nur  langsam  vertheilt 
und  dann  da  sie  auf  jeden  Fall  Druck  verursacht,  auch  wenn  sie 
scheinbar  resorbirt  wird.  Deswegen  verfahren  diejenigen  über- 
eilt, welche  bereits  nach  Verlauf  von  40  Tagen  den  Versuch 
machen  eine  Mehlspeise  zu  verabreichen,  im  Gegensatz  dazu  ist 
es  aber  auch  wieder  nachtheilig,  nicht  zu  einer  anderen  Nahrung 
überzugehen,  wenn  der  Körper  bereits  erstarkt  ist , was  vielfach 
solche  Frauen  thun,  welche  von  ihrem  Milchvorrath  belästigt,  die 
Brüste  ganz  ausleeren  möchten,  und  zwar  nicht  nur,  weil  bei 
einer  ausschliesslichen  Milchnahrung  der  Körper  schwammig  und 
darum  für  Krankheiten  zugänglicher  wird,  sondern  auch  weil  im 
Falle  einer  Krankheit  die  Milch  leicht  sauer  wird.  Sobald  also 
der  Körper  erstarkt  und  fähig  ist  eine  festere  Nahrung  anzu- 
nehmen, welcher  Fall  wohl  niemals  vor  dem  Ablauf  von  sechs 

1)  Mohnsamen,  jj.rjy.ova  zum  Brote.  Galen,  de  alirn.  facult.  Lib.  I,  cap.  „31, 
XfJ?  nuspou  jj.7)-/.o)voc  ypr]ai[j.6v  etci  to  anspjj.a  E'iuTtaTtop.Evov  rot?  aproi;.  Suvau.iv  8e  r/et 
iluxmfjv,  Stä  toüto  xat  üitviuTixöv  eariv. — Plinius,  Hist,  natur.  XIX,  § 168.  .seinen 
tostum  in  secunda  mensa  cum  melle  apud  antiquos  dabatur;  hoc  et  panis  crustici 
crustae  inspergitur.“ 


85 


Monaten  eintritt,  ist  es  empfehlenswert!! , das  Kind  mit  einer 
Mehlspeise  zu  nähren,  etwa  mit  Brotkrumen , welche  in  Honig- 
wasser  oder  Milch  oder  süssem  Weine  oder  Honigwein  aufge- 
weicht sind.  Sodann  darf  man  eine  Suppe  von  Weizengraupen, 
einen  dünnen  Brei  und  ganz  weiche  Eier  verabreichen.  Während 
des  Essens  darf  man  ja  keine  Milch  zu  trinken  geben.  Denn 
dadurch,  dass  die  Speise  auf  der  flüssigen  Milch  schwimmt,  verdaut 
sie  sich  schwer  und  auch  der  Durst  wird  nicht  gelöscht.  Wenn 
einmal  das  Kind  nach  dem  Essen  durstig  wird,  muss  man  ihm 
Wasser  oder  mit  Wasser  verdünnten  leichten  Wein  mittelst  künst- 
licher Brustwarzen  geben,  aus  welchen  es  wie  aus  den  Brüsten 
ohne  nachtheilige  Folgen  die  Flüssigkeit  zieht.  Bald  wird  man 
ein  in  einer  Mischung  aufgeweichtes  Brötchen  geben  können. 
Bissen,  welche  erst  gekaut  werden  müssen,  wirken  durch  die 
Beimischung  von  Schleim  schädlich.  Zu  den  Broten  darf  man 
keine  gewürzartige  Zuthat  oder  Mohnsamen  oder  Sesam  nehmen, 
denn  diese  machen  das  Brot  auch  für  Erwachsene  schwer 
verdaulich. 

§ ii  6.  Wenn  das  Kind  bereits  gerne  die  Mehlspeise  nimmt 
und  das  Hervorkommen  der  Zähne  eine  vollkommene  Zertheilung* 
der  festeren  Speisen  verspricht,  welches  in  der  Regel  erst  nach 
anderthalb  oder  zwei  Jahren  eintritt,  so  mus  man  es  unmerklich 
und  allmählich  gänzlich  der  Brust  und  der  Milch  entwöhnen, 
indem  man  nach  und  nach  die  Quantitäten  der  Milch  vermindert, 
die  der  übrigen  Nahrung'  vermehrt.  So  wird  sicherlich  das  Kind 
am  leichtesten  ohne  Schaden  entwöhnt,  indem  es  in  kurzem  die 
alte  Gewohnheit  aufgiebt,  und  zugleich  durch  ein  schrittweise 
stattfindendes  Auf  hören  des  Säugens  die  Milch  der  das  Kind 
säugenden  Amme  ohne  nachtheilige  Folgen  versiegen.  Die  Brüste 
mit  bitteren  und  übelriechenden  Medikamenten  zu  salben  und  dem 
Kinde  plötzlich  die  Milch  zu  entziehen,  ist  dagegen  schädlich; 
denn  durch  die  plötzliche  Veränderung  tritt  ein  ungewohnter  Zu- 
stand ein  und  die  Medikamente  (-=  mit  denen  die  Brust  gesalbt 
wird ! !)  sind  schädlich  und  der  Magen  leidet  darunter. 

§ ii 7-  Die  günstigste  Jahreszeit  für  die  Entwöhnung  ist  der 
Frühling,  der  wegen  seiner  gleichmässigen  Temperatur  der  Ge- 
sundheit zuträglicher  ist.  Ganz  ungünstig  ist  die  Herbstzeit.  Denn 
zu  jener  Zeit,  wo  in  Folge  der  Ungleichheit  der  Temperatur  der 
ganze  Körper  ohnehin  schon  leicht  erkrankt,  muss  man  sich  ganz 
besonders  vor  jedem  Wechsel  in  seinen  Gewohnheiten  hüten, 
denn  gerade  die  Veränderung  schafft  Unpässlichkeit. 

Auch  Mnesitheos  und  Aristanax  können  wir  nicht 
Recht  geben,  wenn  sie  verlangen,  man  solle  die  Mädchen  erst 
sechs  Monate  später  entwöhnen,  weil  sie  schwächer  seien.  Sie 
beachten  nämlich  nicht,  dass  manchmal  die  Mädchen  bei  weitem 
kräftiger  und  fleischiger  sind. 


Das  Kind  muss  an  alles  gewöhnt  werden,  an  Wein,  Wasser, 
kalte  und  warme  Getränke,  Salben.  Es  ist  gut,  das  Kind  gleich 
von  Anfang  an,  an  alle  nützlichen  Djnge  zu  gewöhnen,  doch  mit 
dem  Stillen  soll  man  bis  zum  Eintritt  des  Zahnens  fortfahren. 
Wird  das  Kind  zu  dick  (mastig)  und  athmet  es  schwer,  so  wird 
man  die  Fülle  dadurch  beschränken  müssen,  dass  die  Amme  nur 
wenig  nahrhafte  Speisen  und  diese  nur  in  geringen  Quantitäten 
zu  essen  und  nur  Whsser  zu  trinken  bekommt,  während  das  Kind 
nur  spärlich  Milch  erhält,  dagegen  viel  im  Handwagen  herum- 
gefahren wird.  Ist  das  Kind  von  Natur  gefrässig  und  verlangt 
es  somit  mehr  Nahrung,  als  es  verdauen  kann,  so  muss  man  dessen 
Gedanken  durch  Zerstreuungen  und  Scherze  ablenken,  die  Portionen 
verkleinern,  nur  trockenes  Brot  geben  und  die  Milch  verdünnen; 
verlangt  es  dagegen  weniger  Nahrung,  als  es  verdauen  kann,  so 
soll  man  den  Appetit  durch  möglichste  Mannichfaltigkeit  der  ge- 
botenen Speisen  herbeilocken.  Denn  gerade  die  Neuheit  bei  den 
Vorgesetzten  Speisen  reizt  den  Appetit. 

Wenn  das  Kind  nach  der  Entwöhnung  krank  wird,  so  muss 
man  wieder  zur  Ernährung  mit  Milch  zurückkehren  und  erst, 
nachdem  die  Krankheit  zu  Ende  ist  und  der  Körper  sich  wieder 
erholt  hat,  mit  der  Entwöhnung  wieder  beginnen. 


Kapitel  XLII. 

Das  Zahnen. 

§ 1 1 8.  Im  siebenten  Monat  ungefähr  beginnt  das  Zahnen, 
welches  Entzündung  des  Zahnfleisches,  der  Kinnbacken  und  der 
Muskeln  veranlasst.  Um  der  letzteren  möglichst  vorzubeugen, 
darf  das  Kind  keine  Speisen  bekommen,  welche  erst  gekaut 
werden  müssen.  Denn  durch  den  Druck  wird  das  Zahnfleisch  ge- 
reizt und  wenn  es  hart  geworden  ist,  dringen  die  Zähne  schwieriger 
durch.  Gerade  im  Gegentheil  empfiehlt  es  sich,  schon  vom  fünften 
Monat  an  das  Zahnfleisch  während  des  Waschens  tüchtig  mit 
dem  eingeölten  Finger  zu  reiben  und  mit  Hühnerfett  zu  erweichen. 
Auch  muss  man  dem  Kinde  ein  Stück  Speck,  welches  es  mit  den 
Händen  festzuhalten  hat  und  welches  gross  genug,  um  das  Ver- 
schlucken zu  hindern,  reichen,  damit  es  die  Feuchtigkeit  heraus- 
sauge und  damit  das  Zahnfleisch  vermöge  der  Weichheit  des  Fettes 
nicht  übermässig  erschlaffe.  Während  des  Zahnens  aber  und 
zumal  wenn  die  Zähne  schon  hervorschauen,  soll  man  mit  diesem 
Verfahren  aufhören.  Denn  dann  werden  die  Zahnfächer  unter 
Schmerzen  gedehnt,  wenn  das  Kind  beim  Zullen  die  Schichten 
des  Fettes  mit  dem  Zahnfleisch  zerreisst.  Auch  ist  der  Gebrauch 


von  Butter  und  von  scharfen  Salben  zu  unterlassen,  denn  ent- 
zündete Organe  werden  durch  scharfe  Substanzen  gereizt ; ebenso 
schädlich  ist  die  Zertheilung  des  Zahnfleisches  mit  dem  Messer. 
Dagegen  kann  man  Nacken,  Kopf  und  Kinnbacken  in  reine  und 
weiche  Wolle  einhüllen,  dieselben  Theile  mit  süssem  und  warmem 
Oele  benetzen  und  solches  ebenfalls  in  die  Ohren  träufeln.  Hält 
die  Entzündung  hartnäckig  an,  so  soll  man  Umschläge  mit  Weizen- 
mehl, Bockshorn  oder  Leinsamen  machen,  auch  warme  Bähungen 
besonders  des  Zahnfleisches  mit  einem  Schwamme  sind  zu  em- 
pfehlen, auch  kann  man  dieses  mit  lauwarmem  Honig  bestreichen. 
Wenn  stärkeres  Allgemeinleiden  vorhanden  ist,  soll  man  mit  dem 
Baden  aussetzen,  die  Amme  selbst  nur  wenig  und  zwar  nur 
Wasser  trinken,  nur  breiige  Nahrung  geniessen  und,  wenn  sie  dem 
Kinde  die  Brust  reicht,  ihm  die  Milch  mit  der  Hand  in  den  Mund 
streichen,  damit  es  sich  beim  Saugen  nicht  wehe  thut  und  so  die 
Entzündung  sich  steigere. 


§ 1191).  Bei  einer  Entzündung  der  Mandeln  wenden  wir  die- 
selben Mittel  an  wie  bei  jeder  Entzündung-,  indem  wir  Honig- 
wasser und  Gerstenabkochung  einflössen,  die  Ammen  aber  machen 
um  den  Hals  nasse  Umschläge  mit  gedörrtem  Kümmel,  die  Mandeln 
reiben  sie  mit  Salz  und  altem  Oele,  ausserdem  fassen  sie  das 
Kind  mit  einer  Hand  an  beiden  Schenkeln  und  stellen  es  auf 
den  Kopf  zwischen  die  Thürpfosten  und  zwar  so,  dass  es  mit  dem 
Scheitel  den  Boden,  mit  den  Füssen  die  Decke  berührt  (corrupte 
Stelle).  Dies  thun  sie  siebenmal.  Diese  Stellung  bewirkt  Kon- 
gestion des  Kopfes  und  also  auch  der  Mandeln.  Die  Reibung  an 
und  für  sich  verschärft  zwar  die  Entzündung  und  noch  mehr  thut 
dies  die  Schärfe  des  Salzes,  der  Kümmel  aber  wirkt  durch  seine 
Ausdünstung  auf  den  Kopf  kongestiv. 


§ 1202).  Die  Aphthen  sind  ein  oberflächliches  Geschwür  in 
der  Mundhöhle.  Ist  der  Schorf  nur  gering,  so  muss  man  den 


1)  Mandeln,  Ttaptofl[j.ta,  auch  ävtidSsc,  pdjXa.  Yergl.  Rufus  Ephes.  ed.  Ruelle, 
p.  141  ( ~ s p > op.ojj.aota;  To>v  toü  dvi}pä)~ou  poptiuv).  Hier  werden  vier  Mandeln  ange- 
nommen (Rachentonsille  ?) 

2)  Aphthen.  Unter  diesem  Namen  wurden  die  verschiedenen  Mundkrank- 


Kapitel  XLIII. 

Die  Entzündung  der  Mandeln. 


Kapitel  XLIV. 

Die  Aphthen. 


88 


Mund  nur  mit  Honig  bestreichen,  ist  er  gross  und  mit  Trocken- 
heit und  Hitze  verbunden,  so  soll  man  erweichende,  ist  er  endlich 
feucht,  adstringirende  Umschläge  verordnen,  z.  B.  mit  Linsen  und 
Granaten.  Innerlich  darf  gegen  das  Geschwür  angewandt  werden: 
die  frische  oder  gepresste  Rosenblüthe  oder  Kyperos  oder  die 
Frucht  der  Tamarisken.  Nimmt  die  Nässe  sehr  überhand,  so  ge- 
brauche man  das  Mundwasser  aus  Maulbeeren,  Mohnköpfen  und 
Schafzunge  mit  Honig  oder  irgend  einem  adstringirenden  Dekokt 
gekocht  mit  Honig.  Es  hilft  auch  Irissalbe  mit  Honig;  will  man 
trockene  Substanzen  einblasen,  so  können  dazu  genommen  werden: 
zerstossenes  Rosenlaub,  die  Rosenblüthe,  Safran,  eine  kleine 
Quantität  Myrrhe,  Gallapfel,  Weihrauch,  die  Rinde  des  Weihrauch- 
strauches, alle  diese  Mittel  zugleich  oder  jedes  einzeln  für  sich, 
doch  immer  in  Honig  angefeuchtet;  ferner  noch  das  Honiggemisch 
und  der  Saft  der  süssen  Granate. 

Dagegen  kann  ich  es  nicht  gutheissen , wenn  die  Ammen 
den  Finger  mit  Haaren  umwickeln,  ihn  in  Oel  oder  Honig  tauchen 
und  damit  die  Geschwüre  auswischen,  wie  es  besonders  die 
syrischen  Ammen  gerne  thun.  Denn  durch  die  Entfernung  des 
Schorfes  werden  die  Geschwüre  gereizt  und  verschlimmert. 


Kapitel  XLV. 

Ausschlag  und  Jucken. 

§ 121* 1].  Gegen  das  Jucken  des  Körpers  hilft  Bähung  und 
reichliches  Bestreichen  mit  einer  aus  Oel  gekochten  Salbe,  welche 
mit  einer  geringen  Quantität  Wachs  vermengt  sein  muss,  damit 


heiten  zusammengeworfen.  Die  „acpHai“  beiSoranus  (und  auchHippocratesAphor.nl.  24) 
dürfen  auf  Soor  gedeutet  werden,  dessen  Pilz  (O'idium  albicans)  von  dem  Schweden 
Berg  entdeckt  wurde.  Man  sehe  auch  Oribasius  Euporista  IV.  69  (in  Darembergs 
Edition  V.  748). 

Ueber  die  Konfusion  in  Bezug  auf  „Aphthae“  vergleiche  man  H.  Bohn  in 
Gerhardt’s  Handbuch  der  Kinderkrankheiten  IV.  Abth.  2. 

1)  Bähung  itupta  eigentlich  Dampfbad,  auch  Fomentation.  Oribas  II.  323  ff. 
nebst  Anmerkung  Darembergs  p.  862 : Die  milden  Bähungen  passen  für  scharfe 
(heissende)  Säfte.  — Galen  (im  Kommentar  zu  Hippocrates,  Epidem  VI,  III,  18.) 
„Ttuptav  os  Traaav  axoua-sov  Tijv  s^iutlsv  rjpiv  itpocnTtirTO'jaavll  sppaoiav,  sts  a~o  Trupoc, 
s ts  sv  Xoutpoi;  ysvoito.“  Indess  ist  mit  Daremberg  der  Begriff  auch  auf  Fomen- 
tationen  auszudehnen,  wobei  sowohl  trockene  als  feuchte  denkbar  sind. 

Ueber  Fomente  sehe  man  auch  Celsus  II  17,  ferner  Alex.  Tra  llian.  Lib.  VI 
über  Pleuritis  (ed.  Puschmann  II,  232).  Hier  erwähnt  sind  Bähungen  mit  Hirse, 
Schwämme  in  Kamillenthee  getaucht,  Kleie.  „Diese  Bähungen  sind  vorzüglich  und 
passen  fast  gegen  jeden  Schmerz.“  Man  sehe  auch  Foesius,  Oeconomia,  Art  7:001»]. 

Jucken  o’oa;T]upoj,  bei  Hippocr.  auch  o?a5topio?,  vergl.  Föesius,  Oeconom. 
Hippocr.  Art.  ooo?wp6f. 


89 


sie  dicker  wird  und  so  längere  Zeit  hindurch  arn  Körper  haften 
bleibt.  Gegen  Ausschlag,  Bläschen  und  nasse  Geschwüre,  welche 
sich  auf  der  Haut  bilden,  wollen  wir  Waschungen  mit  Salzwasser 
und  Harn  wegen  der  Schärfe  nicht  angewandt  wissen.  Diese  soll 
man  vielmehr  ruhig  bestehen  lassen,  erst  wenn  sie  schön  abge- 
bliiht  sind,  greift  die  Therapie  ein,  und  nun  waschen  wir  mit  einer 
Abkochung  aus  Rosen  oder  Linsen;  bedarf  es  einer  energischen 
Adstringirung,  so  nehmen  wir  Abkochungen  aus  Myrthe,  Mastix, 
Brombeeren  oder  Granaten.  Weiter  ausgebreitete  Geschwüre  be- 
handeln wir  mit  Umschlägen  von  Schafzunge,  vermischt  mit  Brot, 
von  Wegwarte  oder  feinem  Gerstenmehl,  vermengt  mit  Portulak 
oder  Hauslaub  oder  Nabelkraut,  von  getrockneten  oder  frischen 
Rosen,  welche  mit  Melilotos  abgekocht  sind,  oder  von  Datteln; 
auch  gebrauchen  wir  Salben  aus  Bleiglätte,  Blefweiss,  Alaun, 
Essig  und  Myrthen-,  Rosen-  oder  Mastixbaumöl. 

§ 122.  Hat  der  Säfteandrang  und  die  stärkere  Absonderung 
von  Eiter  aufgehört  und  sehen  die  Geschwüre  dann  entzündet 
aus,  so  waschen  wir  mit  warmem  Oelwasser  oder  mit  einer  Ab- 
kochung aus  Leinsamen  oder  aus  Bockshorn  oder  aus  den  Wurzeln 
der  wilden  Malve,  auf  die  Geschwüre  lassen  wir  ausserdem  das 
Weisse  vom  Ei  auftragen,  nachdem  dieses  zuvor  zerrieben  und 
mit  flüssigem  Wachs  gemengt  ist.  Ist  auch  die  Entzündung  ge- 
schwunden und  nur  noch  etwas  Beleg  vorhanden,  so  reinigen  wir 
vermittelst  Honig,  der  zuvor  ein  wenig  ausgekocht  wird,  damit 
er  den  scharfen  und  heissenden  Geschmack  verliert,  oder  durch 
Linsenhonig.  Dabei  ist  es  zu  empfehlen,  die  Linsen  enthülst  zu 
kochen,  damit  sie  etwa  noch  vorhandene  Kleie  mit  ihrem  zu- 
sammenziehenden Geschmacke  verlieren.  Nach  der  Reinigung  der 
Geschwüre  bedecken  wir  die  Substanzverluste  wieder  mit  Blei- 
glätte oder  Bleiweiss  oder  einem  Saftmittel.  Nach  der  Heilung 
der  Substanzverluste  wenden  wir  zum  Zweck  der  Vernarbung 
Salben  aus  Baumharz,  aus  Eiern,  aus  Gerste  oder  aus  Galmeian 
nach  vorhergehendem  Gebrauch  von  Rosensalbe.  Auch  darf  man 
ganz  gelinde  mit  Natron  waschen,  ein  kräftiges  Waschen  ist  nicht 
zu  dulden. 

Als  zweckmässig  ist  zu  empfehlen,  der  Amme  eine  süsse 
Diät  vorzuschreiben,  höchst  förderlich  ist  es  auch  das  Kind  so  zu 
nähren , dass  es  weder  zu  voll  wird  noch  gerade  Hunger  leidet. 
Ist  der  Stuhlgang  des  Kindes  angehalten,  so  soll  man  Honig  als 
Stuhlzäpfchen  anwenden.  Hilft  dies  noch  nicht,  so  kann  man 
noch  Terpentinharz  in  der  Grösse  einer  Erbse  hinzuthun,  bei  einem 
dünnen  Stuhlgang  wendet  man  am  besten  Hirse  an. 


— 90  — 

Kapitel  XL VI. 

Vom  Katarrh  und  Husten. 

§ Gegen  den  Katarrh  des  Kindes,  welcher  die  Folge 

von  starker  Schleimanhäufung  ist,  verordnen  einige  Aerzte  Leckarz- 
neien (Linctus)  aus  Kresse,  Kümmel,  Nesselsamen  und  Pfeffer. 
Diese  Mittel  verwerfen  wir  wegen  ihrer  Schärfe , weil  sie  in 
Folge  ihrer  scharfen  Eigenschaften  Blutandrang  erregen  und  Anlass 
zu  einer  stärkeren  Entzündung  geben.  Wir  träufeln  beharrlich 
Honigwasser  ein.  Vermag  das  Kind,  wenn  es  dieses  schluckt, 
noch  nicht  den  Schleim  auszuspeien,  so  drücken  wir  seine  Zunge 
nieder,  dadurch  wird  Erbrechen  bewirkt  und  das  Niedergeschluckte 
wieder  leicht  ausgesondert.  Auch  bei  Hustenanfällen  des  Kindes 
schliessen  wir  die  scharfen  Arzneien  aus,  dagegen  verordnen  wir 
Leckarzneien  an  aus  Pinienkernen,  gerösteten  Mandeln,  Leinsamen, 
Süssholzsaft  (Succus  liquiritiae,  Lakritzensaft),  Zirbelnüssen,  Bocks- 
dorn und  Honig.  Die  scharfen  Mittel  erhöhen  nur  den  Husten- 
reiz, zumal  in  der  ersten  Zeit  der  Krankheit.  Auch  das  Baden 
können  wir  nicht  empfehlen. 


Kapitel  XL VII. 

Die  Siriasis. 

§ 1241 2).  Die  Siriasis  ist  nach  des  Demetrios  Definition, 
welche  er  in  seiner  Zeichenlehre  überliefert,  nichts  weiter  als  ein 


1)  Ueber  arpoßtXot  und  uitutSs;  vergleiche  Daremberg  in  Oribas.  II.  901.  Darem- 
berg nimmt  im  Widerspruch  mit  Sprengel  an,  dass  crrpoßtXoi  die  Nacktsamen  von 
Pinus  Pinea  (Pinie)  sind,  tu'tuc  soll  die  Föhre  sein,  sonst  müsste  man  an  Pinus 
Cembra  denken,  welche  nach  F raas,  Flora  classica  nicht  in  Griechenland  wächst. 
Da  Soranus  aber  zu  Rom  prakticirte,  braucht  man  diesen  Umstand  nicht  besonders 
zu  betonen. 

2)  Demetrius  von  Apamea,  von  Attala,  auch  von  Bithynien.  Ob  Demetrius 
der  Epicuräer  derselbe  ist,  steht  dahin  (Erotian,  ed.  Klein  p.  32  u.  81).  Galen,  de 
compos  med.  per  genera.  Lib.  IV  (Kühn  XIII.  722),  ferner  de  Theriac.  ad  Pison 
(Kühn  XIV.  261),  wo  ein  Demetrius  Galen  als  Zeitgenosse  bezeichnet  ist,  während 
der  Bithynier  etwa  250  n.  Chr.  gelebt  hat  und  ein  Anhänger  des  Herophilus  war. 
(Cael.  Aurel.,  Chron.  III.  cap.  8 erwähnt  einen  „Liber  de  passionibus“ , ferner  in 
Acut.  II,  cap.  25).  Ueberhaupt  bildet  Caelius  Aurelianus  (Soran’s  Bearbeiter)  die 
reichste  Quelle  zur  Kenntniss  des  Demetrius.  Man  vergleiche  auch  Haller,  Bibi, 
med.  pract.  I.  128,  198. 

ÜEtptaotc.  Hier  muss  man  entweder  an  schwere  febrile  Zustände  mit  Hirner- 
scheinungen denken  oder  an  Meningitis;  ausserdem  könnte  man  das  „Hydrocephaloid“ 
Marshall  Hall’s  herbeiziehen,  wofür  wenigstens  die  eingesunkene  Fontanelle  sprechen 
würde. 

In  den  Problemata,  die  man  dem  Alexander  von  Aphrodisias  zuge- 
schrieben hat,  finden  wir  Lib.  I,  98:  Warum  leidet  das  Kind  im  Sommer  an  Seiriasis 
(jsipicf),  was  das  Volk  von  grosser  Hitze  herleitet?  Antwort:  Es  fiebert  etwas,  hat 


91 


Brennfieber,  nach  der  Ansicht  anderer  eine  Entzündung  des  Ge- 
hirns und  der  Gehirnhäute,  welche  Einsinken  des  Scheitels  (Fon- 
tanelle) und  der  Augen,  sowie  Blässe,  Trockenheit  und  Appetit- 
losigkeit zur  Folge  hat.  Sie  ist  zu  behandeln  wie  jede  andere 
Entzündung.  Den  Namen  der  Krankheit  leiten  einige  von  dem 
Sterne  Sirius  ab  wegen  der  Hitze,  andere  bringen  ihn  in  Ver- 
bindung mit  der  eingesunkenen  Fontanelle;  olqos  heisst  nämlich 
bei  den  Landleuten  eine  Grube,  in  welcher  sie  den  Samen  auf- 
bewahren. 

Heilsam  ist  folgende  Behandlung:  man  lege  einen  doppelt 
gefalteten  Lappen  mit  einer  Lösung  von  Eidotter  und  Rosenöl 
auf  die  Schläfen  und  erneuere  diese  Umschläge  beständig  oder 
man  lege  auf  die  Schläfen  ein  Heliotropblatt,  Kürbis  fein  ge- 
schnitten, die  Schale  der  Gurke,  welche  das  Fleisch  derselben 
umschliesst  oder  den  mit  Rosenöl  vermengten  Saft  der  im  Garten 
gezogenen  Nachtschatten* 1). 


Kapitel  XLVIII. 

Der  Bauchfluss. 

§ 125'2).  Beim  Bauchfluss  des  Kindes  missbilligen  wir  die 
Anwendung  des  Waschens  und  starken  Bewegens,  wir  empfehlen 
vielmehr  adstringirende  Umschläge  und  spritzen  vermittelst  einer 


hohle  Augen,  findet  keinen  Schlaf  und  ist  schwach.  Manche  haben  auch  Durchfall; 
denn  die  Kinder  sind  für  Krankheiten  sehr  empfänglich  und  zu  Verschleimung  im 
Kopf  geneigt.  Bei  Sommerhitze  erzeugt  der  faulende  Schleim  Fieber  und  entzündet 
die  Hirnhäute,  weshalb  es  nicht  schläft.  Und  indem  die  Fieberwärme  durch  die 
Arterien  zum  Herzen  geleitet  wird,  wird  durch  Erhitzung  des  nvsöp.a  neues  Fieber 
erzeugt,  doch  ohne  Fäulniss.  Und  indem  durch  das  Fieber  sich  Galle  ausgiesst, 
entsteht  Durchfall,  da  die  Galle  die  Gedärme  reizt.  Da  nun  der  Grund  des  Leidens 
im  Hirn  liegt,  so  wird  durch  Kühlung  des  Kopfes  das  Fieber  gelöscht. 

Man  sieht,  dass  das  von  Alexander  gegebene  Bild  in  vielen  Zügen  an  das 
Hydrocephaloid  erinnert.  Dass  von  „Sonnenstich“  keine  Rede  sein  kann  (Hennig, 
in  Gerhardt’s  Handbuch  I)  ist  vollkommen  klar.  — Vermuthlich  wurden  unter  dem 
Namen  Siriasis  mehrere  symptomatisch  ähnliche  Zustände  zusammengeworfen. 

1)  Alexander  Trallian.  I,  340. 

2)  atpa,  Lolch,  (Lolium  temulentum  L.)  nach  Dioscorides,  Mater,  med.  II, 
122,  unter  dem  Weizen  wachsend,  als  Mittel  gegen  Geschwüre,  Lichenes  etc.  gebraucht. 

Galen,  de  alim.  facult.  I.,  cap.  37.  Das  mit  Lolium  verunreinigte  Korn  soll 
Kopfweh  erregen,  im  Anfang  des  Sommers  sollen  aber  Geschwüre  bei  den  Konsu- 
menten entstehen. 

Galen,  de  simplic.  Lib.  VI,  cap.  10.  Medizinische  Eigenschaften  des  Lolium. 
— Vergib  Bucolica  V.  36: 

„grandia  saepe  quibus  mandavimus  hordea  sulcis, 
infelix  lolium  et  steriles  nascuntur  avenae.“ 

ferner  Georgica  I,  1 54 : „infelix  lolium  et  steriles  dominantur  avenae.“ 

GXCtfA|AOViov.  Dioscorid.  Mater  rned.  IV,  cap.  1 68.  Er  unterscheidet  ein  mysi- 
sches  und  ein  syrisches.  Letzteres  soll  nach  Rufus  am  asiat.  Olymp  und  um  Kolo- 


92 


kleinen  Ohrspritze  einen  Cyathus  des  Saftes  der  Schafzunge  oder 
überhaupt  irgend  einen  ähnlichen  Saft  ein , wie  wir  ihn  bei  Er- 
wachsenen zulassen,  solange  es  die  Kräfte  gestatten.  Erhält  das 
Kind  noch  die  Brust,  so  schreiben  wir  der  Amme  eine  Diät  vor, 
welche  dem  Leiden  des  Kindes  entspricht,  wir  verbieten  zu  baden, 
lassen  sie  nur  Wasser  trinken  und  zusammenziehende  Speisen 
gemessen.  Die  Eigenschaften  derselben  übertragen  sich  nämlich 
in  höherem  Grade  auf  das  Kind  selbst.  Wie  bei  Sauen,  welche 
Lolch  gefressen  haben , die  Sehkraft  ihrer  Saugferkel  leidet , sie 
selbst  aber  nicht  blind  werden *  1),  wie  ferner  Zicklein,  welche  ihre 
Nahrung  von  Ziegen  erhalten,  die  Skammonia  gefressen  haben, 
Durchfall  bekommen,  während  die  Ziegen  vom  Bauchfluss  ver- 
schont bleiben,  ganz  ebenso  wird  bei  der  Zuführung  adstringirender 
Speisen  die  Amme  viel  weniger  von  der  adstringirenden  Wirkung 
betroffen,  als  das  ihre  Milch  saugende  Kind.  Wenn  daher  das 
Kind  eine  längere  Zeit  hindurch  keinen  Stuhlgang  gehabt  hat, 
so  verordnen  wir  der  Amme  Speisen,  welche  den  Unterleib  laxiren. 

§ 126.  Ueberhaupt  die  ganze  Zeit  hindurch,  wo  das  Kind 
mit  Milch  genährt  wird,  hat  die  Amme  eine  der  Krankheit  des 
Kindes  entsprechende  Diät  zu  befolgen,  das  Kind  selbst  wird  mit 
entsprechenden  Umschlägen,  Pflastern  oder  Einspritzungen  be- 
handelt. Nach  der  Entwöhnung  bekommt  das  Kind  selbst  die 
der  Krankheit  entsprechende  Nahrung,  deren  Zeichen  in  dem 
Buche  über  Therapie  besprochen  und  da  zu  vergleichen  sind. 
Wann  das  Kind  einem  Erzieher  zu  übergeben  ist,  wie  dieser  be- 
schaffen sein  muss,  welche  Gesinnung  gegen  die  Eltern  dem  Kinde 
einzupflanzen  ist,  wenn  es  von  diesen  nicht  selbst  erzogen  wird, 
und  andere  derartige  Fragen  gehören  nicht  vor  das  Forum  des 
Arztes,  sondern  vor  das  des  Philosophen,  ich  kann  demnach  füg- 
lich die  Erörterung  dieser  Fragen  anderen  überlassen  und  selbst 
hier  das  Kapitel  über  die  Kinderpflege  schliessen. 

Nach  dieser  Erörterung  aller  normalen  Verhältnisse  müssen 
wir  dazu  übergehen,  die  pathologischen  Zustände,  welche  bei  den 
Frauen  auftreten,  möglichst  erschöpfend  abzuhandeln.  Damit  die 
Eigenart  des  Stoffes  gleich  klar  hervortrete,  werden  wir,  wie  es  oben 
angedeutet  wurde,  festzustellen  suchen,  ob  es  überhaupt  Krank- 
heiten giebt,  welche  den  Frauen  eigenthiimlich  sind. 


phon  am  besten  wachsen.  Es  ist  nach  Sprengel : Convolvulus  farinosus,  caulibus 
farinosis , foliis  cordatis,  pubescentibus.  Convolvulus  Scammonea , soll  nicht  nur  in 
Syrien,  sondern  auch  in  Kleinasien  und  Taurien  Vorkommen.  Rufus  (bei  Oribas  II  9°) 
stellt  die  abführende  Kraft  der  Scammonia  sehr  hoch,  aber  sie  verursache  Cardialgie, 
sei  übelriechend  und  widrig,  mache  Durst,  weshalb  man  sie  mit  Aloe  vermische. 
Weiter  werden  die  Indikationen  genau  besprochen. 

1)  tr/otoc  kann  auch  als  „Schwindel“  gedeutet  werden. 


Zweites  Buch. 


Einleitung. 


Giebt  es  Krankheiten,  welche  den  Frauen  eigen- 
tümlich sind? 

§ i1).  Man  hat  auch  darüber  Untersuchung  angestellt,  ob  es 
den  weiblichen  Wesen  [d-rjleuÖ v)  eigene  Krankheiten  giebt,  insofern 
die  Frau  (im  engeren  Sinne)  zu  dem  Genus  Weib  (9'ijlv)  gehört. 
Das  Wort  „eigentümlich“  kann  mancherlei  bedeuten,  in  der  vor- 
liegenden Frage  aber  kommen  zwei  Bedeutungen  in  Betracht. 
Einmal  bedeutet  es  „das  was  nicht  zugleich  einem  zweiten  gehört“, 
wie  man  z.  B.  sagt,  dies  Kleid  gehört  mir  als  ausschliessliches 
Eigenthum,  zweitens  „das  was  nicht  fremdes  Gut  ist“,  wie  z.  B. 
jeder  von  zwei  Brüdern,  die  Gütergemeinschaft  haben,  von  dem 
Landgut,  den  Sklaven,  überhaupt  von  allem,  was  ihnen  beiden 
gehört,  sagen  kann,  es  sei  ihm  eigen,  obwohl  es  auch  dem  andern 
gehört.  Beider  vorliegenden  Frage  handelt  es  sich  nur  um  die  erstere 
Bedeutung.  Ein  Zustand  nun  ist  bald  physiologisch,  wie  z.  B. 
die  Conception,  das  Gebären  und  die  Absonderung  der  Milch, 
bald  pathologisch,  wie  z.  B.  das  Fieber.  Unter  den  pathischen 
Zuständen  unterscheidet  man  wieder  Allgemeinleiden,  wie  z.  B. 
Straffheit  der  Faser  und  örtliche,  nur  einzelne  Theile  des  Körpers 
angreifende  Leiden  wie  z.  B.  Wahnsinn  oder  Lethargie  (Schlaf- 
sucht). Vornehmlich  hat  sich  die  Betrachtung  um  die  pathischen 
Zustände  zu  drehen,  sowohl  die  konstitutionellen  als  die  lokalen 
Aflfektionen. 

§.22).  Die  Untersuchung  vorliegender  Frage  ist  deshalb  von 
wesentlichem  Nutzen,  weil  wir  so  auch  erfahren,  ob  die  Frauen 


1)  Frau  (Y'jvfj)  = das  menschliche  Weib;  ftfjXu  bezieht  sich  auf  das  Genus 
femininum  überhaupt,  gleichviel  ob  Mensch  oder  Thier. 

2)  Diokles  von  Karystus,  einer  der  grössten  Aerzte  des  Alterthumes. 
Dessen  Fragmente  hat  theilweise  gesammelt  M.  Frankel,  Diss.  Berolin.  1840.  Die  in 
Oribasius  enthaltenen  Auszüge  sind  nicht  berücksichtigt;  ebensowenig  von  Helmreich 
im  Biogr.  Lexikon. 

Athenaeus,  als  Schüler  des  Erasistratus ; Er  m er  ins  liest  Athenion, 
welcher  Xame  sonst  nur  im  5.  Buche  des  Celsus  vorkommt  (Erfinder  eines  Husten- 


auch  eine  besondere  Behandlung  beanspruchen  müssen.  Es  stehen 
sich  nun  zwei  Ansichten  gegenüber.  Einige  nehmen  für  die 
Frauen  besondere  Krankheiten  an;  dazu  gehören  die  Empiriker, 
Di o kies  im  ersten  Buche  seiner  Gynäkologie,  unter  den  An- 
hängern des  Erasistratos  Athenaeos,  unter  den  Schülern  des 
Asclepiades  Miltiades  aus  Elaiussa  in  dem  dreizehnten  Buche 
seiner  chronischen  Krankheiten  und  Demetrios  aus  Apamea. 
Andere  leugnen  dies ; dazu  gehören  nach  der  Ansicht  der  Mehr- 
zahl Erasistratos,  Herophilos,  wie  die  Anmerkungen  der 
Scholiasten  behaupten,  ApolloniosMysin  dem  ersten  und  dritten 
Buche  über  die  Sekte,  nach  der  Meinung  der  meisten  Aerzte 
auch  Askl  epiade  s,  Al  exander  Philal  e thes,  Themison  und 
Thessalos  und  deren  Schüler. 

§ 31.)  Die  Vertheidigung  der  Ansicht  von  den  Frauen  eigen- 
thümlichen  Krankheiten  wird  folgendermassen  geführt.  Man  be- 
zeichnet manche  Aerzte  speziell  als  Frauenärzte,  weil  sie  sich  mit 
der  Behandlung  von  Frauenleiden  befassen;  das  Publikum  ruft  in 
der  Regel  eine  Wehemutter  zur  Hilfe,  wann  den  Frauen  etwas 
besonderes  zustösst,  was  bei  Männern  nicht  vorkommt.  Auch 
schon  von  Natur  unterscheiden  sich  Mann  und  Weib  in  solchem 
Grade,  dass  Zeno  der  Epilcuräer  im  Anschluss  an  Aristoteles  das 
Weib  einen  unvollkommenen,  den  Mann  den  vollkommenen  Or- 
ganismus nannte.  Was  sich  in  seiner  ganzen  Natur  derartig  unter- 


mittels). Da  übrigens  der  Pneumatiker  Athenaeus,  welcher  vor  Soranus,  etwa  70  p.  Chr. 
lebte,  sehr  vielseitig  war,  ist  es  sehr  denkbar,  dass  er  sich  auch  mit  der  vorliegen- 
den Frage  befasst  hat.  Auch  ist  zu  bemerken,  dass  Athenaeus  bei  Caelius  Aurelianus, 
dem  Uebersetzer  unseres  Soranus,  citirt  wird  (Athenaeus  Tharsensis,  Acut.  Lib.  II, 
cap.  1). 

Miltiades  aus  Elaiussa  in  Cilicien,  als  Arzt  nur  von  Soranus  erwähnt. 

Demetrius  von  Apamea  (etwa  270 — 240  v.  Chr.),  auch  von  Attala  oder  von 
Bithynien,  bei  Caelius  Aurelianus  fünfzehnmal  citirt,  verdient  um  die  Lehre  von  den 
Dystokien.  Man  sehe  auch  oben  §124  (Siriasis),  wo  D.  als  Autor  eines  Semiotikon 
erwähnt  ist. 

Der  als  „Herophileer“  von  Soranus  citirte  Arzt  ist  mit  obigem  identisch  (II  § 43 
und  § 53,  54).  Berühmt  war  auch  sein  Werk  „de  passionibus“,  welches  mindestens 
zwölf  Bücher  umfasste. 

Apollonius  Mys,  Zeitgenosse  des  Augustus,  schrieb  über  die  Sekte  des 
Herophilus.  Von  Cael.  Aurelianus  (Acut.  II,  Cap.  12)  bei  Gelegenheit  der  Pleuritis 
citirt.  Er  soll  das  Oleum  Ricini  eingeführt  haben. 

Alexander  Philalethes,  Herophileer,  Zeitgenosse  des  Vorigen,  Autor 
einer  Gynäkologie  (II.  § 43)  und  über  den  Puls  in  der  Schrift  rupi  täv  äpeoxövttuv.  ? 

1)  Zeno  der  Epicuräer  aus  Sidon  lebte  bis  78  v-  Chr.  in  Athen.  Diogenes 
Laertiades,  Lib.  X,  Epicurus  No.  15-  „Ztjviov  0 2t8(üvoio?,  axpoctTT]?  AnoXXoStupou, 
TroXyYpatpo;  ocvTjp.“  _ _ I 

„Es  giebt  sieben  einfache“  etc.,  hier  hat  Rose  eine  Textlücke,  weshalb  ich 
hier  die  Lesart  Ermerins’  adoptirt  habe.  V.  Rose  bezieht  die  Stelle  auf  ein  Dogma 
des  Erasistratus.  Es  ist  mir  nicht  gelungen  die  Quelle  zu  entdecken.  Auch  die 
Anmerkungen  Rosenbaums  zu  Sprengel  bieten  nichts,  obwohl  sie  die  beste  Zusammen- 
stellung der  Lehren  des  Erasistratus  geben. 


97 


scheidet,  für  dieses  kann  man  auch  wohl  besondere  Leiden  be- 
kommen. Nur  die  Frauen  haben  den  Uterus  und  ihnen  allein 
kommen  die  Funktionen  desselben  zu,  wie  die  Menstruation,  Con- 
ception,  Geburt.  ... 

Es  giebt  sieben  primäre  und  einfache  Leiden,  weshalb  als  den 
Frauen  eigenthiimlich  keines  übrig  bleibt.  Auch  Herophilps  be- 
hauptet in  seinem  Buche  über  Geburtshilfe,  der  Üterus  sei  aus 
demselben  Stoffe  gemacht  wie  die  übrigen  Körpertheile,  ebenso 
funktionire  er  auf  Grund  derselben  Kräfte,  enthalte  dieselben 
Substanzen,  erkranke  aus  den  gleichen  Ursachen  als  da  sind: 
Plethora,  dickes  Blut  und  Abweichungen  vom  allgemeinen  physio- 
logischen Verhalten  (?).  Es  gebe  keine  besonderen , nur  den 
Frauen  eigenthiimlichen  Zustände,  abgesehen  von  der  Schwanger- 
schaft, Ernährung  des  Fötus,  der  Geburt,  Absonderung  der  Milch 
und  deren  pathologischen  Gegensätze.  Wenn  die  Anhänger  des 
Asklepiades  beweisen  wollen,  dass  den  Frauen  allein  eigenthüm- 
liche  Beiden  nicht  existiren,  so  führen  sie  aus,  das  Weib  sei  aus 
derselben  elementaren  Masse  geformt  wie  der  Mann,  ihre  Krank- 
heiten entstehen  aus  gleichem  Anlasse,  nämlich  in  Folge  von 
Stockung,  eine  Ursache  der  meisten  Leiden,  und  ihre  Therapie 
umfasst  die  gleichen  Eingriffe  (Operationen)  und  Mittel.  Eine 
spezielle  Frauenkrankheit  gebe  es  nicht.  Gleich  seien  auch  Phy- 
siologie, Aetiologie  und  Therapie.  Themison  und  Thessalos  be- 
haupten ebenfalls,  es  gebe  keine  besonderen  Frauenkrankheiten. 

§ 41 * * *).  Wir  treten  der  Meinung  der  letzteren  bei,  dass  die  Be- 
weisführung der  anderen  hinfällig  sei.  Wir  bestreiten,  dass  unser 
Körper  aus  drei  Hauptgeweben  bestehe ; zwar  wird  er  durch  die 
Stoffe  ernährt,  aber  die  vorbereitende  Ursache  ist  Blutüberfluss, 
die  {avvey.zy.rj)  dauernde  Ursache  aber  ist  Blutandrang  und  Stockung. 
Dass  es  im  Allgemeinen  sieben  Leiden  giebt,  ist  auch  nicht  wahr, 
wie  wir  bei  anderer  Gelegenheit  ausführlich  dargeleg-t  haben. 
Dass  ferner  durch  die  qualitative  Anordnung  der  Grundgewebe 
bei  dem  weiblichen  Geschlechte  ein  Körpertheil  andersartig  aus- 
gefallen ist,  ist  möglich.  Erasistratos  behauptet,  auch  die  übrigen 
Theile  haben  sich  durch  *Hie  eigöTittemliche  Anordnung  der  Ge- 
fässe  anders  gestaltet.  Auch  wenn  sie  nicht  von  den  anderen 


l)  „Aus  drei  Hauptgeweben  bestehe“.  Erasistratus  lehrte,  dass  Nerven,  Venen, 
Arterien  als  wesentlichste  Bestandtheile  den  Leib  zusammensetzen  ("Galen,  Isaeoee’ 
bei  Kühn  XIV,  697).  S ’ 

„Blutandrang“  = pisrepams  = TTapep.TtTincji<;,  eigentlich  ist  hier  das  widernatür- 

liche Eindringen  des  Blutes  von  den  Venen  in  die  Arterien  gemeint,  zwischen  denen 
Erasistratus  Anastomosen  annahm.  Bekanntlich  glaubten  die  Alten,  dass  die  Puls- 
adern  nur  Pneuma  enthalten  (Galen,  Isagoge,  Kühn  XIV,  692).  Hierüber  ausführ- 
lich bei  Sprengel  in  Rosenbaums  Bearbeitung,  auch  Häser  I,  239,  3.  Aufl. 

„Gegen  Asclepiades“,  dessen  atomistische  Lehre  nimmt  an,  'dass  der  Organis- 
mus aus  feinsten  Kanälen  (uopcu)  bestehe  und  dass  die  Stockung  in  diesen  Krank- 
heit erzeuge  (Cael.  Aurelian.  Acut.  § 107). 

Soranus:  Ucbcr  die  Krankheiten  des  weiblichen  Geschlechtes.  7 


— 98 


verschieden  sind,  so  kann  es  doch  ein  besonderes  Leiden  geben, 
weil  ja  auch  derselbe  Theil  bald  an  Verstopfung  bald  an  Er- 
schlaffung leidet. 

Gleichermassen  lässt  sich  dies  gegen  Herophilns  anführen, 
und  ebenso  auch  gegen  Asklepiades.  der  über  die  Elemente  und 
die  Ursachen  irrige  Angaben  macht.  Ferner  behauptet  er,  die 
Stockung  sei  der  Grund,  zwar  nicht  für  alle,  sondern  nur 
für  die  Mehrzahl  der  Leiden,  weil  der  Heisshunger,  die  Wasser- 
sucht und  das  bei  der  Auflö s u n g x)  eintretende  Fieber  auf  einen 
anderen  Grund  zurückzuführen  sei.  Es  kann  sich  demnach  selbst- 
ständig ein  Leiden  entwickeln,  das  nur  den  Frauen  eigenthümlich 
ist  und  welches  nicht  durch  eine  Stockung  veranlasst  ist,  wie 
z.  B.  es  bei  den  Schwergeburten  der  Fall  ist. 

§ 5.  Die  blosse  Behauptung  aller  dieser  Männer  enthält  schon 
die  Wahrheit,  aber  die  Beweisführung  ist  ihnen  misslungen.  Wir 
sind  der  Ansicht,  dass  es  wohl  physiologische  Zustände  giebt,  welche 
den  Frauen  eigenthümlich  sind,  wie  das  Concipiren,  Gebären  und 
Milchbereiten,  falls  man  diese  Funktionen  überhaupt  als  Leiden 
bezeichnen  will;  dass  unter  den  pathischen  Zuständen  aber  keines- 
wegs Allgemein-,  wohl  aber  Spezialleiden  ihnen  eigenthümlich 
sind.  So  erkrankt,  was  zunächst  die  Allgemeinleiden  betrifft,  das 
Weib  in  gleicherweise  wie  der  Mann  an  Verstopfung  = (Straff- 
heit der  Faser)  und  Erschlaffung  und  zwar  akut  und  chronisch, 
es  erfährt  die  Verschiedenheit  der  Zeitumstände,  Schwere  der 
Krankheit,  Abnahme  der  Kräfte  und  die  verschiedenen  Arten  von 
Geschwüren  und  Wunden.  Was  die  örtlichen  Krankheiten  be- 
trifft, welche  ganz  besondere  Unterschiede  haben,  so  giebt  es  deren 
bei  den  Frauen,  d.  h.  diese  leiden  an  Krankheiten,  welche  sich 
durch  bestimmte  Symptome  offenbaren.  Deshalb  kommt  auch  im 
Allgemeinen  bei  der  Frau  die  gleiche  Therapie  zur  Anwendung, 
wie  in  den  folgenden  Kapiteln  weiter  ausgeführt  werden  wird. 

— 


Kapitel  I. 

Amenorrhoe  und  Dysmenorrhoe. 

§ 6.  Unter  den  diätetisch  zu  behandelnden  Krankheiten  finden 
wir  zunächst  die  Amenorrhoe,  denn  die  Reinigung  ist  die  vor- 
nehmste Funktion  des  Uterus.  Verschieden  von  der  Amenorrhoe 
(Zurückhalten  des  Monatlichen)  ist  die  Dysmenorrhoe  (beschwer- 
liche Reinigung),  wie  von  der  Ischuria  (Harnverhaltung)  die 
Stranguria  (Flarnstrenge).  Die  erstere  besteht  in  einem  voll- 
ständigen Authören  des  normalen  Blutflusses  aus  dem  Uterus, 
die  Dysmenorrhoe  ist  dagegen  eine  Behinderung  der  Exkretion. 

!)  Uitex^uaic,  hierüber  I.  122.  II.  11.  16.  kann  auch  mit  „Zertheilung*'  gegeben 
werden. 


99 


Ein  weiterer  Unterschied  besteht  zwischen  „nicht  menstruirt 
sein“  und  „dem  Ausbleiben  der  Menses“.  Mit  dem  Ausbleiben 
des  Monatlichen  ist  immer  ein  Ausbleiben  der  Reinigung  ver- 
bunden, aber  umgekehrt  ist  Amenorrhoe  nicht  mit  Ausbleiben 
der  Menses  identisch,  wofür  die  ganz  jungen  und  ganz  alten 
Frauenzimmer  und  ähnliche  den  Beweis  liefern.  Es  ist  unpassend 
bei  diesen  von  einem  Zurückhalten  des  Monatlichen  zu  reden, 
da  sie  doch  gar  keinen  Stoff  zur  Reinigung  in  sich  tragen.  Des- 
wegen kann  das  Fehlen  der  Reinigung  sowohl  physiologisch  als 
pathologisch  sein,  das  Zurückhalten  des  Monatlichen  ist  jedoch 
in  allen  Fällen  pathologisch, 

§ 7.  Das  Fehlen  der  Menstruation  ohne  pathologische  Ur- 
sache und  in  ganz  normaler  Weise  tritt  ein,  erstens  bei  Weibern 
zu  zarten  oder  zu  hohen  Alters,  zweitens  bei  schwangeren,  bei 
Mannweibern  und  Unfruchtbaren,  Sängerinnen  und  gymnastischen 
Künstlerinnen,  denn  diese  haben  keinen  überflüssigen  Stoff  für 
die  Reinigung  übrig,  da  derselbe  durch  die  Anstrengungen  auf- 
gebraucht oder  in  Fleisch  verwandelt  wird.  Sodann  wird  das 
Fehlen  der  Menstruation  durch  Erkrankung  des  Uterus  oder  des 
übrigen  Körpers  oder  beider  Theile  zugleich  verursacht.  Solche 
Krankheiten  des  Uterus  sind:  die  sogenannte  Atresie,  A^erhärtung, 
Krebs  (Scirrhus),  Entzündung,  Narben  nach  Geschwüren,  Verenge- 
rung des  Muttermundes,  die  ausser  anderen  Gründen  häufig  von 
einem  langen  Wittwenstande  herrührt,  Schiefstand  des  Uterus. 
V on  Krankheiten  des  übrigen  Körpers  gehören  hierher : Abzehrungi) * * * * * * * *  x), 
zarter  Körperbau  und  colliquative  Zustände  oder  Fettsucht, 
Kachexie,  Fieber  und  anhaltende  Schwäche  oder  die  Fälle,  wo 
sich  durch  Hämorrhoiden,  Erbrechen  oder  Nasenbluten  die  Materie 
in  die  betreffenden  Körpertheile  ergiesst. 

§ 8.  Das  Alter  erkennen  wir  durch  die  persönliche  Begeg- 
nung und  die  Anamnese  (Befragen),  eine  erfolgte  Empfängniss  an 
den  schon  früher  angegebenen  Merkmalen.  Mannweiber  erkennt 
man  durch  den  Augenschein,  Beschäftigung  und  Lebensweise 
lassen  sich  erfragen.  Bleibt  die  Reinigung  aus,  ohne  dass  eine 
Erkrankung  der  Gebärmutter  oder  des  übrigen  Körpers  vorliegt, 


i)  „Abzehrung“  «cpo<piot,  vergl.  Celsus  Lib.  III,  cap.  32.  Caelius  Aurelian. 

Chronic.  Lib.  .III,  cap.  7 , hier  wird  auf  die  Appetitzunahme  Gewicht  gelegt.  Bei 

Celsus  wird  die  oiKms  scharf  von  der  Atrophie  getrennt,  unter  ersterer  die  Lungen- 
sucht verstanden. 

„Zarter  Körperbau“  i'ayviuotc,  kongenitale  Gracilität. 

Colliquation,  atwn&e.  (Foesius  Ockon.  Hippocratis  p.  599,  ferner  Gorraeus, 

Definitiones  p.  610).  Nach  Hebenstreit,  Exegesis  Leipzig  1760 : 2uvrn*ic,  Colliquatio 
omms  a fltmonibus  auctis,  speciatim  illa  alvi.  Galen  in  seinen  Commentarien  zum 

3-  Buch  der  Epidemien  spricht  von  einer  Pest,  welche  durch  Diarrhoen  hinraffte 

„rp  Os  Bet  Hippokrates  wird  die  aüvrrjfo  wiederholt  besprochen,  so  in 

rognosticon  § 13,  wo  gewisse  spinnwebenartige  Urinsedimente  als  Zeichen  der 

colliquation  gelten. 


100 


so  verräth  dies  das  Wohlbefinden.  Ein  Leiden  der  Geschlechts- 
theile  oder  des  übrigen  Körpers  liegt  vor,  wenn  die  Menstruation, 
welche  vorher  immer  auftrat,  nicht  wiederkehrt,  trotzdem  die  Frau 
noch  in  der  Blüte  der  Jahre  steht,  wenn  ferner  noch  dazutreten: 
Schwere  der  Hüften  oder  Spannung  oder  Schmerzen  des  Mons 
veneris  und  der  Leisten  oder  Brechreiz,  Ohrensausen  und  Augen- 
schwäche oder  Kopfschwere  oder  Kopfschmerzen  oder  Hitze  und 
Anschwellung  der  Gefässe  in  der  Genick gegend,  und  schliesslich 
wenn  die  Augenhöhlen  schmerzen.  Wenn  zugleich  damit  das 
Ausbleiben  der  Reinigung  aus  irgend  einem  physiologischen 
Grunde  zusammentrifft,  z.  B.  wenn  zugleich  Conception  und  eine 
von  den  Krankheiten,  welche  gewöhnlich  Anhalten  des  Monat- 
lichen veranlassen,  vorliegen,  so  erkennen  wir  an  den  auftretenden 
Merkmalen,  dass  das  Ausbleiben  der  Menstruation  nicht  patho- 
logisch ist.  Auch  wenn  dieses  nicht  offen  auf  der  Hand  liegt,  so 
richtet  man  doch  keinen  Schaden  an,  wenn  man  zunächst  keine 
besondere  Massregeln  gegen  das  Ausbleiben  des  Monatlichen  er- 
greift, sondern  sogleich  die  ganze  zu  Grunde  liegende  Krankheit 
behandelt,  mag  sie  das  Monatliche  zurückhalten  oder  nicht. 

§ 91).  In  den  Fällen,  wo  keine  Krankheit,  sondern  nur  das 
Alter  in  physiologischer  Weise  das  Ausbleiben  der  Reinigung 
verschuldet,  bedarf  es  keiner  Behandlung.  Denn  es  belästigt  nicht 
und  die  Natur  umwandeln  wollen,  ist  immöglich  oder  schwierig, 
bisweilen  auch  mit  Gefahr  verbunden.  Denn  wenn  der  pathische 
Zustand  zum  physiologischen  den  Gegensatz  bildet,  so  muss  der 
physiologische  Zustand,  wenn  er  ins  Gegentheil  gekehrt  wird, 
nothwendig  pathologisch  werden.  Auch  die  Frauen,  welche  in 


i)  Vorlesen,  Deklarairen  (avaouivTjcu?).  Diese  Art  von  Muskelübung  bildete  bei 
den  Alten  einen  wesentlichen  Th  eil  der  hygienischen  Gymnastik.  Oribasius  hat  uns 
ein  Fragment  des  Chirurgen  Antyllus  auf  bewahrt  (Collect,  med.  VI,  8,  Ausgabe  von 
Bussemaker  und  Daremberg  I,  448). 

„Die  Deklamation  ist  eine  Uebung  der  Brust  und  der  Stimmwerkzeuge,  denn 
sie  mehrt,  reinigt,  stärkt  und  verdünnt  die  Wärme  und  macht  die  festen  Theile  des 
Leibes  stark  und  widerstandsfähig.  Wür  machen  davon  Gebrauch  zu  Heilungszwecken, 
wenn  die  Stimme  leicht  ermüdet  (oder  der  ganze  Körper) , oder  wenn  die  Stimme 
durch  Krankheit  oder  angeborene  Schwäche  leidet.  Die  Deklamation  passt  auch  bei 
Magenleiden,  Erbrechen,  Dyspepsie,  bei  schleimigen  Naturen  und  bei  Frauen  mit 
abnormen  Gelüsten. 

Bei  Kopfleiden  taugt  sie  nicht  etc.  Dagegen  bei  Wassersucht  und  Asthma, 
auch  bei  Genesenden  etc. 

Bevor  man  deklamirt,  soll  man  zu  Stuhl  gehen  und  eine  Abreibung  des  Unter- 
leibes vornehmen  etc.;  das  Gesicht  mit  einem  Schwamme  waschen,  Anfangs  leise 
sprechen,  noch  besser  vorher  einen  Spaziergang  machen.  Der  litterarisch  Ungebildete 
soll  etwas  vortragen,  was  er  auswendig  weiss  etc.  Wenn  man  keine  epischen  Verse 
kennt,  soll  man  Jamben  recitiren,  die  Elegien  behaupten  den  dritten  Rang,  die  Lyrik 
den  vierten.  Besser  ist  es  auswendig  gelerntes  vorzutragen,  als  zu  lesen. 

VI,  io  handelt  von  der  gesundheitlichen  Deklamation  (aepi  ujutvi)«  avacpuivrjffetu;) 
und  giebt  eine  Physiologie  der  Stimme.  „Die  Uebung  der  Stimme  lockert  den  Körper 
(apatoi)  durch  Ausdehnung  der  Poren“  (durch  Beseitigung  von  Stockungen). 


101 


Folge  gymnastischer  Thätigkeit  oder  anstrengender  Deklamation 
nicht  menstruiren,  haben  ebenfalls  keine  Behandlung  nöt  lg, 
da  sie  nicht  krank  sind.  Falls  diese  aber,  weil  sie  nicht  concipiren, 
das  Eintreten  der  Reinigung  herbeiwünschen,  so  muss  man  ihnen 
ihre  Thätigkeit  verbieten  und  ihnen  eine  bequemere  Lebensweise 
vorschreiben,  damit  ihr  Körper  wieder  eine  mehr  weibliche  Natur 
annimmt.  Verursacht  Krankheit  das  Ausbleiben  der  Reinigung, 
so  muss  man  eine  Therapie  anwenden,  welche  der  speziellen  Krank- 
heit entspricht,  welche  .die  Menstruation  zurückgehalten  hat.  So 
schneidet  man  bei  Atresie  das  Häutchen  oder  Fleisch  weg,  Ver- 
härtungen und  Skirrhen  behandelt  man  mit  aufweichenden  und 
abführenden  Mitteln,  Entzündung  schafft  man  durch  Linderungs- 
mittel fort,  Narben  sucht  man  nach  Möglichkeit  zu  verkleinern, 
Verengerungen  (Stenosen)  und  Lageveränderungen  sind  zu  ver- 
bessern, magere  und  schlecht  genährte  Frauen  bedürfen  der  Er- 
holung und  Kräftigung,  schlechtes  Aussehen  ist  ins  Gegentheil  zu 
ändern,  Fettsucht  zu  bekämpfen,  Fieber  mit  Bädern  zu  behandeln, 
jede  akute  wie  auch  chronische  Schwäche  ist  zu  beseitigen,  ebenso 
sind  Hämorrhoiden  zu  heben,  Erbrechen  und  Nasenbluten _ zu 
stillen.  Die  spezielle  Behandlung  dieser  einzelnen  Krankheiten 
haben  wir  theilweise  schon  in  den  andern  Büchern  über  Therapie 
besprochen,  theilweise  werden  wir  noch  im  Vorliegenden  darauf 
zu  sprechen  kommen.  Auch  wird  es  gut  thun,  wenn  wir  in  Fällen, 
wo  durch  eine  Allgemeinerkrankung  des  Körpers  das  Monatliche 
zurückgehalten  wird,  auch  die  Gebärmutter  lokal  durch  Massage 
(Reiben)  und  stärkende  Mitteln  behandeln , wie  wir  bald  näher 
auseinandersetzen  werden. 

§ io1).  Wenn  eine  Zusammenziehung  der  Gebärmutter  (arey- 
vt oo ig)  vorhanden  ist,  so  unterbleibt  in  der  Regel  entweder  die 
Reinigung  ganz,  oder  das  Monatliche  fliesst  nur  tropfenweise  und 
unter  Schmerzen,  in  welchen  Fällen  Kolik,  Schmerzen  in  den 
Leisten,  den  Hüften,  dem  Mons  veneris,  bisweilen  auch  des  Kopfes, 
der  Halsmuskeln,  der  Augen,  der  Pfanne  und  in  den  Oberschenkeln, 
Anschwellungen  der  Brüste,  Appetitlosigkeit,  Sodbrennen,  Ent- 


1)  Efp-fgopai;,  Störung  des  Schlafes.  Bei  Hippokrates , Conc.  praenat.  82  und 
Prorrhetic : „sy^pai?“. 

Sitzbäder,  sp'.a&ccp.a  insessio,  entspricht  eigentlich  dem,  was  man  jetzt  Halb- 
bad nennt.  Aetius,  cap.  173:  ,,Insessiones  assumimus  in  partibus  inflammatis,  aut 
ob  balnei  penuriam,  aut  propter  virium  debilitatem  etc.  Ad  uterum  artemisiae  decocto, 
salviae  ac  lauri,  et  similium.  Ad  sedem  meliloti,  calicum  papaveris  ac  rosarum  decocto. 
Ad  fluxiones  uteri  et  hemorrhoides  ani  plantaginis  decoctum  convenit,  et  polygonii, 
malicorii,  rosarum,  ruborum  et  similium. 

Rufus  von  Ephesus  (ed.  Ruelle  jp.  7)  lässt  el$  $spu.ov  efxa&tCstv  mit  Abkoch- 
ungen von  Mohn,  Anthemis,  Calamus  und  Schönus  (Nieren-  und  Blasenleiden). 

Gorraeus,  Definit,  medicae , pag.  173:  Efxd&tauia  est  sessio  in  aqua  medicata 
ab  imis  pedibus  vel  feminibus  usque  ad  umbilicum,  ita  ut  supernae  partes  non 
madescant.  (Auch  „semicupium“  genannt.) 


102 


Zündung  und  Trockenheit  der  Genitalien  dazutreten,  Erscheinungen, 
die  sich  gerade  dann  zeigen,  wenn  bei  den  Frauen,  welche  in 
solcher  Lage  sind,  der  Termin  der  Reinigung  da  ist.  Die  Be- 
handlung dieser  Krankheit  wollen  wir  jetzt  erörtern.  Im  Augen- 
blicke, wo  die  Schmerzen  beginnen  oder  wann  das  Monatliche 
zurückgehalten  wird,  ist  die  Patientin  in  einem  Zimmer,  welches 
mässig  erwärmt  und  sonnig  ist  zu  Bette  zu  bringen  und  der  Ruhe 
zu  überlassen,  sie  hat  der  Schlafstörung  und  aller  Thätigkeit  sich 
zu  enthalten  und  die  Extremitäten  und  die  schmerzenden  Theile 
leicht  einzuhüllen.  Denn  nicht  nur  wird  unter  dem  Einfluss  der 
angeborenen  Wärme  jede  Spannung  gemildert,  sondern  es  wird 
auch  der  pulsirende  Schmerz  durch  den  Druck  gelindert.  Lässt 
der  Schmerz  so  noch  nicht  nach,  so  kann  man  verschiedene  warme 
Umschläge  anwenden,  welche  mit  warmen  Kompressen,  rohen 
Flachsgarn  oder  Wolle  zu  machen  sind,  und  mit  warmem  Wasser 
gefüllte  Wärmeflaschen  verordnen  oder  auch  Blasen  mit  warmem 
Oel,  lauwarmen  Kleienkisschen,  einen  in  siedend  heissem  Wasser 
ausgedrückten  Schwamm,  der  mit  Leinwand  zu  umwickeln  ist, 
damit  die  Theile  sich  von  der  Nässe  nicht  erkälten,  sondern  viel- 
mehr allmählich  durch  den  Einfluss  warmer  Dünste  Linderung 
finden.  Danach  lege  man  weiche  und  reine  Wolle,  welche  mit 
süssem  und  warmem  Oel  durchtränkt  und  dann  ausgedrückt  ist, 
um  die  Scham  und  das  Epigastrium  sammt  Hüften  und  Lenden, 
in  der  Folge  ist  allmählich  wärmeres  Oel  zum  Anfeuchten  zu  ge- 
brauchen, zum  Abwaschen  und  zum  Trinken  ist  warmes  Wasser 
zu  reichen.  Ist  die  Heftigkeit  des  Uebels  nicht  gross,  so  kann 
man  die  Patientin  dem  Schlafe  überlassen.  Man  kann  aber  auch 
Kataplasmen  aus  Leinsamen  oder  Brot,  das  in  warmem  Honig- 
wasser geknetet  ist,  und  Sitzbäder  gebrauchen,  die  wir  später  be- 
sprechen werden;  nach  Verlauf  der  ersten  drei  Tage  sind  Behand- 
lung mit  Abreibung  (mit  Oel)  und  Abwaschung  (Douche?)  und 
warme  und  einfache  Speisen  zu  empfehlen. 

§ ii1).  Sind  die  Schmerzen  ziemlich  heftig,  so  ist  vor  dem 
dritten  Tage  oder  an  demselben  an  dem  Ellenbogen,  der  den  am 
meisten  affizirten  Stellen  gegen  überliegt,  eine  Ader  zu  öffnen, 
damit  von  den  weniger  leidenden  Theilen  eine  Ableitung  (Revulsio) 

l)  Schröpfkröpfe  aiV.ua c.  Bei  den  alten  griechischen  Aerzten  sehr  vielfach  ge- 
braucht. Bei  den  Ausgrabungen  in  Pompeji  sind  gut  erhaltene  Exemplare  gefunden 
worden,  welche  man  in  Darembergs  Oribasius  II  780  abgebildet  findet. 

Sonst  sehe  man  Nicander,  Theriacä  921. 

Oribas,  II,  57  und  789  (nach  Galen  mit  sehr  gutem  Excurs  von  Daremberg). 
II.  58  nach  Antyllus,  interessante  Stelle. 

In  Hippocrates  Aphorismen  V,  50  werden  sie  an  die  Mamma  gesetzt,  um  die 
Menses  zu  inhibiren. 

In  dem  Buche  de  natura  femin.  (Littre  VII,  319)  bei  Prolapsus  Uten  auf  d 
Hüften,  ebenso  VIII,  319. 

Galen  XI,  320  (de  hirudin.,  revulsione,  cucurbitula  etc.). 


103 


schmerzlos  erfolge.  Leiden  alle  Theile  in  gleichem  Maasse,  so 
nehme  man  die  Oeffnung  der  Ader  am  linken  Arm  vor,  damit 
die  rechte  Hand  zur  Arbeit  ungehindert  sei.  Niemals  ist  der 
Aderlass  an  den  Knöcheln  vorzunehmen,  so  lange  noch  die  be- 
fasse der  Arme  offen  sichtbar  und  keine  Entzündung  an  denselben 
bemerkt  wird.  Denn  diese  Blutentziehung  belästigt  die  Kranke 
und  dann  sind  auch  die  Gefässe  an  den  Knöcheln  zu  klein.  Hat 
sich  nach  dem  Aderlass  die  Unruhe  gelegt,  ist  der  Körper  mit 
Oel  abzureiben  und  ein  Sitzbad  zu  nehmen  in  warmem  Oelwasser 
oder  in  einem  Decoct  von  Bockshorn,  Leinsamen  oder  der  zahmen 
und  wilden  Malve.  Stehen  die  Schamlippen  auseinander,  so  in- 
jizirt  man  mit  demselben  Oel  und  einem  Ei,  entweder  für  sich 
oder  mit  einem  der  obengenannten  Decocte,  welche  dickschleimig 
zu  bereiten  sind.  Sodann  ist  örtlich  weiche  Wolle  aufzulegen, 
die  in  derselben  Flüssigkeit  angefeuchtet  ist,  und  darüber  ein 
Umschlag  mit  gekrempelter  Wolle  zu  appliziren.  Auch  kann 
man  nach  der  Beseitigung  der  Aufregung  warmes  Wasser  zum 
Abwaschen  und  zum  Trinken  gewähren,  zur  Stillung  des  Durstes 
und  zur  Erleichterung  der  Verdauung  der  Speise,  nach  dem 
Trinken  nehme  die  Patientin  eine  einfache  leichte,  warme  Suppe 
in  kleiner  Quantität,  wie  z.  B.  Waizengraupen  in  Wasser,  dieselben 
in  Honiggemisch  mässig  abgekocht,  Suppe  aus  Honig  oder  Oel, 
Dill  und  wenig  Salz,  Brot  in  Wasser  geweicht  oder  mit  weichen 
Eiern.  Bald  nach  der  kleinen  Mahlzeit  ist  die  Kranke  dem  Schlafe 
zu  überlassen.  Dann  soll  sie  bis  zur  Abnahme  der  Krankheit  nur 
leichte  Nahrung  geniessen  und  auch  nur  einmal  des  Tags  essen, 
wenigstens  in  dem  Falle,  dass  die  Kraft  des  Körpers  nicht  ge- 
litten hat.  Auch  Schröpfköpfe  sind  anzuwenden,  doch  zuerst  nur 
kleine  und  zwar  sind  diese  nicht  nur  bei  der  Abnahme,  sondern 
auch  bei  der  Zunahme  zur  Milderung  des  Schmerzes  sanft  anzu- 
legen, damit  sie  nicht  zu  stark  saugen,  dabei  kann  man  ein  zu 
heftiges  Saugen  noch  dadurch  verhindern,  dass  man  gegen  einen  Theil 
des  Randes  des  kleinen  Schröpfkopfes  eine  Sonde  legt.  Später 
und  zwar  sowohl  zur  Höhezeit  der  Krankheit  wie  auch  zur  Zeit 
der  Abnahme  können  Scarifikationen  auf  der  Haut  an  der  Scham 
und  am  Unterleib  gemacht  werden.  Hält  der  Zustand  an,  so 
kann  man  auch  Blutegel  anwenden , wobei  sie  mit  feiner  Lein- 
wand umhüllt  werden,  damit  keine  Erkältung  hinzutritt.  Diese 
ziehen  noch  energischer  Blut,  wenn  die  Gegend  vorher  durch  den 
Schröpfkopf  zur  Anschwellung  gebracht  worden  ist  und  zwar 
unter  Einlegung  von  gezupftem  Docht,  damit  nicht  durch  die  Ein- 
fettung der  übrigen  Theile  die  Thierchen  verhindert  werden  an 
den  Bisswunden  zu  haften.  Falls  man  nach  dem  Abfallen  der 
Thiere  glaubt,  es  sei  noch  nicht  genügend  Blut  entzogen,  so  soll 
man  an  allen  Stellen,  wo  es  angeht,  Schröpf  köpfe  anlegen;  wenn 
dagegen  genügend  Blut  entzogen  ist,  so  sind  die  Bisse  mit  Charpic 


104 


zu  bedecken,  darüber  in  Oel  getauchte  feine  Leinwand  und  zuletzt 
Wolle  zu  breiten.  Darauf  sind  erschlaffende  Umschläge  zu  ge- 
brauchen, z.  B.  aus  Brot  vermischt  mit  angewärmtem  frischen 
Schweinefett  oder  mit  gekochten  und  gehörig  zerriebenen  Wurzeln 
der  wilden  Malve,  aus  Leinsamen  mit  Waizenmehl  oder  Bocks- 
horn, oder  aus  einer  Abkochung  aller  drei  mit  Oel,  Honig  und 
dem  Decoct  der  Malve  oder  des  Bockshorn.  Die  ersteren  sind 
häufig  zu  wechseln,  denn  wenn  sie  länger  darauf  bleiben,  so 
werden  sie  trocken  und  steigern  die  entzündliche  Hitze.  Das  Pflaster 
darf  nicht  zu  dünn  bestrichen  sein,  denn  dann  wird  es  gleich  dürr 
und  leicht  trocken,  andrerseits  darf  es  auch  wieder  nicht  zu  dick 
bestrichen  sein,  weil  dann  die  entzündeten  Theile  unter  der  Schwere 
leiden.  Auch  kann  man  warmes  Oel  als  Klystier  injiziren  bis 
zu  vier  Kyathen  und  einfache  Mutterzäpfchen  anwenden. 

§ 12.  Die  alten  Aerzte  begingen  den  Fehler,  dass  sie  so- 
genannte bluttreibende  Mittel  zwecks  Abziehung  von  Blut  und 
in  gleicher  Weise  wirkende  Getränke  verordneten.  Sie  beachteten 
dabei  nicht,  dass  die  Getränke  den  Magen  verderben  und  Er- 
brechen machen,  die  Mutterzapfen  aber  ätzen  den  Uterus,  welches 
zur  Folge  hat,  dass  schwer  heilbare,  tiefe  und  bösartige  Geschwüre 
entstehen  und  im  Falle  der  Heilung  eine  Narbe  zurückbleibt,  die 
ihrer  Natur  nach  viel  derber  als  jegliches  Fleisch  ist,  so  dass  eine 
Hemmung  der  monatlichen  Reinigung  erfolgt.  Ueberhaupt  reizen 
alle  derartigen  - Getränke  und  äusseren  Mittel  durch  ihre  scharfe 
Eigenschaft  die  Entzündung,  verdoppeln  die  Schmerzen  und  unter- 
stützen die  Hinderung  der  Menstruation.  Ebensowenig  wie  bei 
Augenentzündung  scharfe  Augensalben  und  bei  Harn-  oder  Stuhl- 
zwang reizende  Mittel  vortheilhaft  wirken,  ebensowenig  sind,  wenn 
bei  Entzündung  des  Uterus  die  Reinigung  von  heftigen  Schmerzen 
begleitet  ist,  scharfe  Mittel  anzuwenden.  Von  solcher  Art  sind 
die  Mittel,  welche  nach  der  Ansicht  jener  Aerzte  bluttreibend 
wirken,  wie  Elaterium,  schwarzer  Nieswurz,  Pyrethron,  Opopanax, 
welche  Mittel  Frauen  auch  zur  Abtreibung  der  Frucht  gebrauchen. 
Es  ist  also,  wie  ich  ausführte,  von  allen  scharfen  und  reizenden 
Mitteln  abzurathen,  wogegen  die  lindernd  und  erschlaffend  wirken- 
den Mittel  zu  empfehlen  sind. 

§ 13.  Als  die  besten  Mutterzäpfchen  gelten:  mit  süssem  und 
warmem  Oele  durchfeuchtete  Wolle,  frisches  Gänse-  oder  Hühner- 
fett, welches  mit  Bockshornsaft  oder  Leinsamen  oder  mit  Kleister 
aus  Malve  und  Oel  zusammengekocht  und  wovon  dann  das  oben 
aufschwimmende  Fett  abgeschöpft  und  in  die  Wolle  geschmiert 
wird,  Eidotter  mit  denselben  Stoffen  zu  einer  dünnen  Masse  ge- 
rieben oder  vielleicht  auch  mit  abgekochtem  Honig  vermischt, 
Melilotos  in  süssem  Oele  gekocht,  oder  das  innere  hleisch  der 
Dattel,  das  in  gleicher  Weise  in  süssem  Oele  ausgekocht  wird, 
nachdem  vorher  die  äussere  Haut  abgeschält  ist,  denn  dieses 


105 


wirkt  adstringirend.  Zu  empfehlen  sind  auch  Bähungen  mittelst 
Schwämmen,  weichein  warmem  Wasser,  Oelwasser  oder  in  einem 
Decoct  von  Bockshorn,  Leinsamen,  wilder  oder  zahmer  Malve 
auszuringen  sind.  Die  Schwämme  sind  beharrlich  zu  erneuern, 
auch  ist  vorher  feine  Leinwand  unterzulegen  und  sind  die  Theile 
gehörig  mit  warmem  Oele  zu  bestreichen,  damit  jede  Möglich- 
keit einer  Erkältung  derselben  ausgeschlossen  ist. 

§ 14.  Nimmt  die  Heilung  einen  günstigen  Verlauf,  so  kann 
man  auch  einige  Bewegung  in  einer  Hängematte  gestatten.  Wenn 
der  Zustand  aufhört,  erscheint  sogleich  die  Menstruation.  Nach 
deren  Aufhören  sind  stärkende  Mittel  zu  gebrauchen,  Baden,  Ab- 
wechselung in  den  Speisen,  Wein  trinken,  Schaukeln,  Spazieren 
gehen,  Turnen,  Frottiren  des  ganzen  Körpers  und  der  Gegend 
des  Uterus.  Da  jedoch  bei  lokalem  Frottiren  des  Uterus  die  Be- 
rührung mit  den  blossen  Händen  leicht  eine  Quetschung  verur- 
sacht, so  muss  die  Kranke,  wann  sie  in  der  Absicht  zu  baden  in 
ein  grosses  W aschbeclcen  sich  setzt  oder  in  die  Badewanne  steigt, 
breite,  weiche  Schwämme  auf  den  Unterleib  und  die  Llüften  legen, 
diese  mit  den  Händen  leicht  andrücken  und  nur  hier  und  da 
tupfen,  dabei  allmählich  den  Grad  des  Frottirens  steigern.  Zu 
billigen  ist  auch  der  Gebrauch  von  Ceraten  (Salben)  aus  Sam- 
psychos-  oder  Lilien-  oder  ähnlichem  Oele,  was  einmal  einzuführen 
und  womit  dann  auch  Mund  und  Hals  des  Uterus  einzureiben 
sind,  zu  einer  Zeit  wo  auch  schon  mehr  aufweichende  Zäpfchen 
zu  nehmen  sind,  unter  denen  zu  nennen  sind : Mutterzäpfchen  aus 
Wachs,  Terpentinöl,  Ochsenfett,  süssem  Oel  oder  Kyperos  in 
solcher  Menge,  dass  die  übrigen  Zuthaten  dicke  Konsistenz  be- 
kommen, oder  Zäpfchen  aus  Säften,  überhaupt  jedes  Mutterzäpfchen, 
welches  mit  Mark,  Talg  und  erschlaffenden  Samen  zubereitet  ist. 
Zu  diesen  ist  auch  das  aus  Sampsychos  bereitete,  sogenannte 
Acopum  zu  zählen.  Sehr  nützlich  wirkt  auch  das  Bad  in  Oel. 

§ 151).  Wenn  die  Krankheit  andauert,  so  befolgt  man  gegen 
die  Anfälle  dieselbe  Kur,  beim  Nachlassen  der  Krankheit  sorge 
man  zunächst  für  die  Stärkung,  wofür  wir  die  Mittel  angegeben 
haben  und  wobei  ein  erprobter  Einsalber  in  Dienst  zu  nehmen 
ist,  sodann  für  die  Verbesserung  der  inneren  Leibeskonstitution 


l)  Metasynkrisis  = Recorporatio  bei  Caelius  Aurelianus  (Chronic.  Lib.  I, 
cap.  1,  § 24—28),  wo  man  eine  genaue  Schilderung  des  Verfahrens  findet,  wesent- 
lich übereinstimmend  mit  dem  in  unserem  § gegebenen.  Einen  wesentlichen  Be- 
standtheil  dieser  Kur  bildete  die  Darreichung  scharfer  Nahrungsmittel  (UpmucoaT«') 
„pulmentum  dabimus  salsum,  assum , vel  coctum,  dabimus  etiam  cappares  sinapi 
madidatas , atque  olivas  ex  viridi  novitate  messas,  quas  colymbadas  vocant  praeca- 
ventes  ea  quae  facile  caput  implent  atque  gravant,  ut  est  porrum,  allium,  cepe  etc 
(Cael.  Aurel.  1.  c.)  r 


Die  meisten  Historiker,  mit  Ausnahme  des  klassischen  Justus  Karl  Friedr 
Meclcer  haben  die  Metasynkrise  äusserst  oberflächlich  abgehandelt. 


106 


durch  Abführung  der  schlechten  Säfte  (Metasynkrise).  Bei  dieser  ist 
schon  einen  Tag  früher  zu  fasten,  im  Falle  aber  dies  eine  nicht  er- 
trägt, darauf  zu  achten,  dass  nur  wenig  gegessen  und  nur  Wasser 
getrunken  wird,  sodann  ist  das  Brot  in  Stücke  von  solcher  Grösse 
zu  zerlegen,  wie  die  Kranke  früher  leicht  aufessen  konnte,  und 
zwar  sind  zuerst  zwei  Hälften  zu  machen,  von  welchen  die  eine 
wieder  in  drei  gleiche  Theile  zerlegt  wird,  die  andere  an  den  auf 
das  Hungern  folgenden  zwei,  drei  oder  vier  Tagen  zusammen  mit 
eingesalzenem  Fleisch  und  scharfer  Zukost  zu  reichen  ist.  So- 
dann ist  zu  Mittelkost  überzugehen,  wie  Gemüse,  zartere  Fische 
und  Gehirn,  nach  Verlauf  einer  gleichen  Anzahl  Tage  ist  Geflügel 
und  wiederum  nach  derselben  Zeit  frisches  Schweinefleisch  dazu 
zu  nehmen.  Bei  jedem  Uebergang  von  einer  Kost  zur  andern 
ist  eins  von  den  drei  Stücken  der  erwähnten  ersten  Hälfte  Brotes 
zu  geben,  ausserdem  ist  allemal  am  ersten  Tage  des  Wechsels 
Weintrinken  und  Baden  zu  verbieten,  am  darauffolgenden  zu 
verordnen.  Die  Beschränkung  auf  die  Verabreichung  scharfer 
Speisen  ist  nicht  gerade  nothwendig,  es  ist  vielmehr  auch  eine 
lokale  Behandlung  an  den  auf  den  Kostwechsel  folgenden  Tagen 
gut  angebracht.  So  sind  bald  umstimmende  Schröpfköpfe,  bald 
lokale  Wärme,  bald  Pechpflaster  an  den  Schamberg  und  der 
Hüfte,  sowie  Streupulver  aus  Natron,  Salz  und  kratzender  Schmier- 
seife, bald  ein  Schwitzbad,  Sitzbäder  in  Meerwasser,  Senftteige 
und  Douchen  anzuordnen.  Bevor  jedoch  das  Leiden  gehoben  ist, 
darf  nicht  mit  dem  Fasten  begonnen,  noch  Erbrechen  mittelst 
Rettige  erzwungen  werden. 

§ 1 6.  Es  können  auch  Pflaster  verwendet  werden,  welche 
reizende  Wirkung  zeigen,  wie  z.  B.  das  Lorbeerpflaster  und  das 
Samenpflaster,  gleichwirkende  Mutterzäpfchen,  deren  Anwendung 
gerade  nach  dem  Aufhören  der  Menstruation  an  der  Zeit  ist. 
Natürlich  müssen  zu  der  Zeit,  wann  der  Termin  des  Eintritts  der 
Reinigung  nahe  ist,  alle  kräftigen  und  erregenden  Mittel  ver- 
miedenwerden. Unter  den  äussern  Mitteln  sind  speziell  zu  nennen: 
Raute  mit  Honig  milde  gemacht,  der  sogenannte  dünnblättrige 
Dürrwurz,  Rosinen  ohne  Kerne  mit  Natron  oder  Salz.  Auch  be- 
streicht man  ein  Mutterzäpfchen  von  der  ungefähren  Grösse  einer 
Bohne  mit  Kümmel,  Pfeffer,  Wermuth,  Ysop,  Butter,  altem  Oel 
oder  mit  einem  ähnlichen  Stoffe,  taucht  es  in  süsses  Oel  oder 
auch  in  Lilienöl,  damit  ihm  die  übermässige  Schärfe  genommen 
wird,  und  legt  es  an  den  Gebärmuttermund.  Mit  demselben  Stoffe 
sind  auch  die  Leistendrüsen  und  der  Mastdarm  zu  salben.  Ebenso 
wie  nach  einer  gelungenen  Linderung  der  häufig  schwer  zu  be- 
siegenden Trief äugigkeit  die  Augenlider  hart  und  dick  werden 
und  demnach  zur  vollständigen  Beseitigung  des  Uebels  scharfe 
und  treibende  Augensalben  erforderlich  sind,  so  bleiben  nach 
Flebung  der  Entzündung  auch  die  Ränder  des  Uterus  trocken, 


107 


rauh  und  gewisser™ assen  schwielenartig,  und  es  bedarf  zur  Ab- 
treibung der  schlechten  Säfte  scharfer  Mittel.  Tritt  auch  damit 
noch  keine  volle  Besserung  ein,  so  ist  Erbrechen  durch  Genuss 
von  weissem  Helleborus  hervorzurufen,  auch  ist  Ortswechsel,  Ge- 
brauch natürlicher  Wässer  und  überhaupt  jede  Gemüthszerstreu- 
ung  zu  empfehlen.  Wenn  durch  Ausdauer  in  der  Behandlung 
und  durch  Anwendung  immer  stärker  wirkender  Mittel  die  Krank- 
heit gehoben  ist,  so  kann  die  Menstruation  ohne  Hinderung  ein- 
treten. 


Kapitel  IT. 

Entzündung  des  Uterus. 

§ 17.  Die  griechische  Bezeichnung  für  Entzündung  „cpXsy- 
l-iovi]“  ist  von  „cpXeysiv  brennen“,  abzuleiten,  fälschlich  bringt  sie 
Tlemokritos  mit  ,,< pley/.ia  Schleim“,  als  Ursache  der  Entzündung 
in  Verbindung.  Doch  es  veranlassen  noch  viele  andere  Ursachen 
die  Entzündung  des  Uterus,  so  besonders  häufig  Erkältung,  ferner 
auch  Erschöpfung,  Abortus  und  schlecht  geleitete  Geburt.  Von 
diesen  Anlässen  bedingt  aber  keiner  eine  besondere  Behandlung 
für  die  Krankheit. 

Dass  eine  Entzündung  der  Gebärmutter  vorliegt,  ersehen  wir 
aus  den  allgemeinen  Zeichen , welcher  Theil  dagegen  erkrankt 
ist,  verrathen  uns  ganz  spezielle  Anzeichen.  Denn  bald  ist  der 
ganze  Uterus  entzündet,  bald  nur  der  Hals,  bald  der  Grund,  bald 
der  Hohlraum  entweder  oben  oder  unten  oder  an  den  Seiten, 
bald  nur  einer  dieser  Theile,  bald  die  Mehrzahl  derselben. 

Als  Allgemeinerscheinungen  treten  auf:  Schmerz  im  kranken 
Theile  und  Pulsation,  Anschwellung  des  Unterleibes  und  Hitze, 
Trockenheit,  Spannung  im  Becken  oder  Schwere  in  den  Hüften, 
in  den  W eichen,  im  Unterleib,  in  den  Leisten  und  den  Schenkeln, 
Trostanfälle,  bald  hier  bald  dort  auftretende  Stiche,  Einschlafen 
in  den  Füssen  und  Frost  in  den  Knien,  Schweisse,  schwacher 
und  dabei  sehr  frequenter  Pulsschlag,  gleichzeitiges  Magenleiden, 
Ohnmacht,  Mattigkeit;  in  schwereren  Fällen  auch  Schlucksen, 
Schmerzen  im  Plalse,  in  den  Kinnbacken,  im  Scheitel  und  in  den 
Augen,  zumal  in  der  Augenhöhle,  ferner  Plarnzwang  oder  mangeln- 
der Stuhlgang  oder  auch  beides  zugleich.  Ist  die  Entzündung 
heftiger,  so  nehmen  auch  das  Fieber  und  die  Anschwellung  des 
Lpigastrium  zu  und  es  treten  Delirium,  Trismus  und  Krampf  hinzu. 

§ l8-  Das  sind  die  Allgemeinerscheinungen.  Speziell  bei  der 
Entzündung  des  Gebärmuttermundes  zeigt  sich  Schliessung  des. 


108 


selben  mit  einem  schmerzhaften  Gefühl,  er  neigt  sich  in  der  Rich- 
tung nach  dem  Mastdarm  und  es  sind  besonders  die  Leisten  und 
der  Schamberg  geschwollen.  Wenn  nicht  der  ganze  Muttermund, 
sondern  nur  ein  Theil  desselben  entzündet  ist,  so  sind  dieselben 
Gegenden  nur  theilweise  geschwollen  und  beim  Touchiren  be- 
merkt man  eine  schmerzhafte  Anschwellung  und  eine  Neigung 
des  Muttermundes  in  die  entgegengesetzte  Richtung  zur  Ge- 
schwulst. Bei  einer  Entzündung  der  rechten  Seite  geht  die  Nei- 
gung nach  links,  bei  einer  Entzündung  der  linken  Seite  nach  rechts, 
ist  die  Entzündung  unten,  so  geht  er  weiter  nach  oben,  ist  sie 
oben,  so  neigt  er  sich  dem  Mastdarme  zu. 

§ iq.  Eine  weitere  Frage  ist  die,  ob  der  Schmerz  direkt  von 
dem  entzündeten  Theile  ausgeht  oder  ob  er  die  gegenüberliegenden 
Organe  ergreift.  Von  den  älteren  Aerzten  bekennen  sich  manche 
zu  der  Ansicht,  dass  Leistengegend  und  Schenkel  auf  der  andern 
Seite  schmerzen ; Demetrjos—  aus  Apameia  dagegen  behauptet, 
auf  der  gleichen  Seite.  Denn  es  sei  nicht  glaublich,  dass  die  der 
Entzündung  nahe  liegenden  Theile  nicht  leiden , die  gar  nicht 
affizirten  Theile  dagegen  Schmerz  empfinden  sollen,  wie  manche 
in  Rücksicht  darauf  vermutheten,  dass  die  entzündeten  Theile 
nach  entgegengesetzter  Richtung  gedrängt  würden  und  so  jene 
Stellen  Druck  ausüben.  Es  sei  schon  natürlicher,  dass  wenn  die 
gerade  nächst  der  Entzündung  befindlichen  Stellen  die  grössere 
Spannung  erfahren,  dass  jene  auch  schmerzen,  indem  ja  der  Druck 
auf  die  entgegengesetzte  Seite  erfolgt.  Wir  bekennen  uns  zu 
dieser  letzteren  Ansicht,  wenn  auch  diese  Frage  keinerlei  Ein- 
fluss auf  Anwendung  lokaler  Behandlung  ausübt. 

§ 20.  Ist  der  Gebärmutterhals  entzündet,  so  sind  die  sym- 
pathischen Erscheinungen  bedeutend,  die  Anschwellung  liegt 
hinter  dem  Muttermunde.  Bei  einer  Entzündung  der  rechten  Seite 
wird  der  entsprechende  Oberschenkel  in  Mitleidenschaft  gezogen 
und  die  Drüsen  derselben  Seite  schwellen  an,  bei  einer  Entzün- 
dung der  linken  Seite  ist  es  umgekehrt.  Bei  einer  Entzündung 
des  untern,  unmittelbar  auf  dem  Anfang  des  Rectum  liegenden 
Theiles  des  Cervix  Uteri  zeigen  sich  Beschwerden  bei  Stuhlgang, 
Verstopfung'  und  Tenesmus  (Stuhlzwang),  auch  lässt  sich  das 
Klystier  dabei  nicht  leicht  anwenden,  und  beim  Einführen  des 
Fingers  in  den  After  stösst  man  auf  eine  Geschwulst,  die  schein- 
bar in  der  Gegend  des  Rectum  liegt.  Befindet  sich  die  Entzün- 
dung am  oberen  Theile  des  Halses,  so  zeig'en  sich  in  höherem 
Maasse  Harnzwang  und  Schmerzen  an  der  Scham  und  der  Scham- 
gegend. Ist  der  Uterushals  dagegen  in  seinem  ganzen  Umfange 
entzündet,  so  treten  die  erwähnten  Symptome  alle  zusammen  auf 
und  in  Folge  der  stärkeren  Anschwellung  senkt  er  sich  nach 
vorn  in  die  Mutterscheide. 


§ 2i.  Bei  einer  seitlichen  Entzündung  der  Gebärmutterhöhle 
finden  sich  Schmerzen  in  den  entsprechenden  Weichen  ein,  welche 
bei  der  Wendung  auf  die  entgegengesetzte  Seite  stärker  werden. 
Wenn  aber  die  Entzündung  vorne  und  im  oberen  Theile  der  Höhle 
auftritt,  so  zeigt  sich  unter  Anschwellung  gesteigerter  Schmerz 
im  Epigastrium,  Harnzwang  oder  vollständiges  Zurückhalten  des 
Harns  und  nach  dem  Uriniren  ist  die  Schwellung  leicht  zu  pal- 
piren.  Ist  dagegen  die  Entzündung  hinten  und  im  unteren  Theile 
der  Höhle,  so  zeigt  sich  der  stärkere  Schmerz  an  den  Hüften, 
welcher  noch  gesteigert  wird,  wenn  man  sich  nach  vorne  oder 
nach  der  Seite  neigt,  Klystier  ist  nicht  leicht  anwendbar,  Stuhl- 
gang bleibt  aus,  die  Winde  gehen  nicht  durch  und  beim  Einführen 
des.  Fingers  in  den  After  stösst  man  auf  eine  Geschwulst,  welche 
scheinbar  die  gleiche  ist,  wie  bei  einer  Entzündung  des  Rectum 
und  doch  wieder  ganz  anders  ist,  denn  mit  dem  Auflegen  des 
Fingers  tritt  nicht  sofort  auch  der  Schmerz  ein,  sondern  es  folgt 
dieser  erst  nach  längerem  Druck,  auch  weicht  die  Geschwulst 
zurück,  so  dass  die  Eingeweide  den  ihnen  gehörenden  Platz  ein- 
nehmen können,  ferner  ändert  sie  ihren  Platz  in  der  Knielage, 
lauter  Erscheinungen,  die  bei  der  Entzündung  des  Rectum  nicht 
Vorkommen. 

Bei  der  Entzündung  des  Fundus  uteri  treten  neben  den 
Schmerzen  auch  Spannung  und  Schwere  in  der  Nabelgegend 
nach  den  Hüften  abwärts  ein.  In  vielen  Fällen  zeigt  sich  auch 
der  Muttermund  zusammengeschrumpft,  wenn  die  Gegend  ober- 
halb des  Cervix  uteri  entzündet  ist,  und  er  weicht  nach  innen, 
was  manche  zu  dem  Glauben  verführt,  die  Gebärmutter  sei  gar 
nicht  affizirt. 


§ 22.  Ist  die  Gebärmutter  in  ihrem  ganzen  Umfange  entzündet, 
so  erscheinen  alle  jene  Symptome  zugleich,  ausserdem  starkes 
Allgemeinleiden  und  eine  stärkere  Anschwellung  am  Epigastrium. 
M'  ir  unterscheiden  diese  von  der  Entzündung  des  Epigastrium 
durch  folgende  Merkmale  : dass  bei  ihr  die  Geschwulst  oder  die 
Röthe  nicht  so  sehr  ausserhalb  zum  Vorschein  kommen,  noch 
bei  Lageveränderungen  die  Geschwulst  ihren  Platz  behält,  son- 
dern vielmehr  ebenfalls  ihn  ändert  und  die  Haut  dem  Zuge  des 
Fingers  folgte.  Bei  der  Entzündung  des  Epigastrium  dagegen 
tritt  gerade  das  Gegentheil  von  allem  diesem  ein  und  die  äusseren 
1 heile  schmerzen  und  das  Harnlassen  ist  unbehindert.  Ganz 
ebenso  ist  eine  Verwechselung  mit  der  Entzündüng  des  Peri- 
tonäum  leicht  zu  vermeiden,  denn  weder  ist  die  Geschwulst  scharf 
umgrenzt,  noch  findet  Harnzwang,  wenigstens  nicht  im  Verhält- 
niss  zur  Anschwellung  statt.  Gewöhnlich  leiden  bei  der  Ent- 
zundung  der  Gebärmutter  Kopf  und  Hals  mit,  bei  der  Entzündung 

nfcht  lgaStriUm  Und  Pentonäum  aber  nur  wenig  oder  auch  gar 


110 


§ 23-  Damit  ist  die  Diagnostik  erledigt  und  wir  wenden  uns 
zur  Therapie.  Es  ist  hier  zunächst  alles  das  zu  thun,  was  wir 
früher  bei  der  schmerzvollen  Menstruation  empfohlen  haben,  näm- 
lich die  Kranke  ist  zunächst  in  einem  hellen  und  mässig  erwärmten 
Zimmer  zu  Bette  zu  bringen,  ihr  Ruhe  und  vollkommene  Ent- 
haltung aller  Speise  anzuempfehlen,  dann  ist  sie  zu  reiben  und 
Schenkel  und  Hände  zu  umwickeln,  warme  Umschläge  sind  zu 
machen,  sie  sind  zu  befeuchten  und  mit  reiner  Wolle  zu  bedecken, 
Einspritzungen  sind  vorzunehmen  und  der  Unterleib  der  Patientin 
ist  durch  ein  erschlaffendes  Klystier  aus  süssem  und  warmem  Oele 
und  ähnlichen  Substanzen  zu  entleeren;  zum  Trinken  und  zum 
Abwaschen  gebe  man  warmes  Wasser  und  als  Speise  eine  warme 
Suppe.  Danach  sind  anzuwenden : lindernde  und  erschlaffende 
Umschläge,  Schröpfen,  Aderlässen,  Ansetzen  von  Blutegeln,  Sitz- 
bäder oder  Bähung  vermittelst  Schwämme,  Injiziren  warmen  Oeles 

durch  ein  Klystier,  Anlegung  reizloser  Mutterzäpfchen dann 

möge  man  erweichendere  Mutterzäpfchen,  ein  Bad  und  Abwechs- 
lung in  der  Kost  verordnen,  noch  später  herben,  dünnen  und  mit 
Wasser  gemischten  Wein. 

§ 24.  Tritt  Fieber  hinzu,  so  ist  die  Behandlungsweise  nicht 
zu  ändern,  es  ist  nur  zu  versuchen,  dass  die  einen  Mittel  im 
Stadium  des  Fieberanfalles  angewendet  werden,  die  andern  aber 
beim  Nachlass  eine  causale  Indikation  erfüllen,  während  sonst 
mit  der  Kur  fortgefahren  wird.  Demnach  ist  auch  Themison  nicht 
Recht  zu  geben,  wenn  er  im  dritten  Buche  seines'  Werkes  über 
die  chronischen  Krankheiten  für  fieberfreie  Entzündungen  er- 
schlaffende, für  mit  Fieber  verbundene  Entzündungen  dagegen 
adstringirende  Mittel,  wie  den  Saft  von  Nachtschatten  und  Per- 
dikion,  indem  er  irrthümlich  annahm,  wegen  der  begleitenden 
Plitze  kühlende  Mittel  an  wenden  zu  müssen,  später  auch  noch 
Rosenöl  mit  Wasser  vermischt  empfiehlt,  wobei  er  ganz  übersah, 
dass  was  die  entzündeten  Theile  in  Spannung  versetzt,  auch  die 
Hitze  vermehrt.  Daher  müssen  wir  gemäss  jener  Ausführung  die 
Symptome  durch  solche  Mittel  lindern,  durch  die  wir  nicht  zu- 
gleich den  Zustand  verschlimmern.  Demgemäss  sind  alle  scharfen 
äusserlichen  Mittel,  welche  manche  unter  den  alten  Aerzten  gerne 
anwenden,  zu  verwerfen,  so  Oel  mit  Raute  und  den  Aufguss  mit 
Wollschweiss1;  (Lanolin!)  Butter  und  Brot  mit  Rosenöl,  Eppichöl 
und  der  Mischung  aus  Essig  und  Oel.  Denn  alles  Scharfe  und 
Aetzende  reizt  die  Entzündung,  so  dass  Verschlimmerung  eintritt. 


h Näheres  hierüber  im  Anhang. 


111 


Kapitel  III. 

Die  Satyriasis. 

§ 25.  Die  Satyriasis  tritt  vorzüglich  bei  Männern  auf.  Wir 
halben  deswegen  in  unserem  Werke  über  die  akuten  Krankheiten 
uns  des  Längeren  über  sie  ausgelassen.  Doch  zeigt  sie  sich  auch 
bei  Frauen. 

Sie  äussert  sich  in  einem  heftigen  Jucken  an  den  Genitalien, 
verbunden  mit  Schmerz,  so  dass  man  unwillkürlich  fortwährend 
die  Hände  an  den  Theilen  hat ; es  folgt  daher  auch  ein  nicht  zu 
bändigender  Drang  zum  Coitus  und,  da  durch  den  Uterus  die 
Hirnhäute  in  Mitleidenschaft  gezogen  werden,  eine  sexuale  Psycho- 
pathie, welche  jede  Scham  fahren  lässt. 


Kapitel  IV. 

Hysterischer  Stickkrampf. 

§ 26 1).  Die  Hysterie  hat  ihre  Bezeichnung  zu  gleicher  Zeit 
von  dem  leidenden  Orte  und  von  einem  Symptom,  nämlich  dem 

1)  Unter  den  Hysterischen  des  Alterthums  ist  wohl  die  berühmteste  jene  als 
rti.vou;  bekannte  Patientin  des  Empedokles,  welche  ohne  Athmung  und  ohne  sonstige 
Lebenszeichen  dreissig  Tage  lang  verharrt  haben  soll.  (J.  H.  Schulz  sagt:  stran^u- 
latione  matncis  detenta).  Eine  genaue  Beschreibung  soll  der  Schüler  und  Liebltng 
des  Empedokles,  Pausamas,  gegeben  haben.  Hierüber  Diogenes  Laertiades  in  dem 
Leben  des;  Empedokles  (Lib.  VIII,  2):  Heraclides  erzählt  in  seinem  Buche  über  die 
Krankheiten  dass  er  (Empedokles)  dem  Pausanias  angegeben  habe,  was  dieser  über 
die  „a-itvou;  ‘ geschrieben  hat  Die  „äuvouc“  sei  eine  Person  gewesen,  die  ohne 
Athem  und  Puls  ihren  Körper  dreissig  Tage  lang  erhalten  habe. 

AphorJe'Ver'’5HyStene  SChe  maD  aUCh  G'alen’s  Commentarien  zu  Hippokrates, 

Uteruf)  retaeUS’  ^ CaUS'  St'  S'gniS  3CUt'  11  ’ " (Wirkung  der  Gerüche  auf  den 

KysiertJ‘SX&nder  VO“  APhrodisias>  Problem,  II,  64,  „Ueber  Riechmittel  bei 

Räucherungen.)11 ' “7  ^ Daremberg  zu  einer  Stelle  des  Antyllus  über 

Verfas^er^H^’  d-*r  ™°^is  mulier.  I , § 7 un  dde  natur.  mulier.  § 48.  Der 
Verfasser  des  ohne  Zweifel  pseudo-hippokratischen  Buches  über  Weiberkrankheiten 

uni  t ttL' ? des  Bauches  giebt  ihr  Raum;  alsdann  wirft  sie  sich  auf  die  Leber 
speichelt  und  gleicht  den  Epileptischen.  Bleibt  die  Gebärmutter  auf  rl  ^ ?ahnen’ 

=£  - Sä 


112 


Stickkrainpf.  Es  besteht  diese  Krankheit  in  Athembeschwerden, 
verbunden  mit  Stimmlosigkeit  und  Starrsucht  in  Folge  einer  Er- 
krankung des  Uterus 

Dem  Leiden  gehen  in  der  Regel  voraus:  häufiger  Abortus, 
Frühgeburt,  lange  Wittwenschaft,  Zurückhaltung  der  Menstruation 
und  Beschränkung  der  gewohnten  Conception,  Windsucht  der 
Gebärmutter.  Ist  die  Krankheit  auf  ihrem  Höhepunkte,  so  treten 
folgende  Symptome  auf:  Verlust  der  Stimme,  Schwerathmigkeit, 
Starrsucht  — (y.axoyrj)  Zähneknirschen  und  Kieferklemme  (Tris- 
mus), krampfhaftes  Zusammenziehen  der  Extremitäten,  bisweilen 
jedoch  nur  eine  Schwäche  derselben,  Gasauftreibung  der  Hypo- 
chondrien, Aufsteigen  der  Gebärmutter,  Anschwellung  der  Brust, 
Strotzen  der  Gesichtsgefässe,  Frieren,  Schwitzen,  vollständiges 
Aufhören  des  Pulsschlages  oder  doch  nur  schwacher  Pulsschlag, 
auch  erholen  sich  die  Kranken  von  der  Ohnmacht  in  der  Regel 
bald  und  berichten  dann  gewöhnlich  über  das,  was  ihnen  zu- 
gestossen  ist,  ferner  schmerzen  Kopf  und  Halsmuskeln,  manche 
Kranke  phantasiren  auch. 

§ 27.  Mit  der  Hysterie  sind  wegen  Verlust  der  Stimme  und 
Starrsucht  verwandt:  Epilepsie,  Apoplexie,  Katalepsie,  Lethargie 
und  die  durch  Würmer  veranlasste  Stimmlosigkeit.  Doch  ist  bei 
der  Diagnostik  eine  Verwechselung  der  Hysterie  mit  diesen 
Krankheiten  leicht  zu  vermeiden,  denn  bei  diesen  findet  sich  der 
Uterus  in  normalem  Zustande  oder  leidet  wenigstens  nicht  erheb- 
lich, bei  der  Hysterie  dagegen  ist  er  stark  entzündet  und  seiner 
Lage  nach  nach  oben  gestiegen,  ferner  erzählen  in  der  Regel 
die  Hysterischen  nach  Beendigung  des  Anfalles,  was  sie  gelitten 
haben,  was  bei  anderen  Kranken  nicht  der  Fall  ist,  sodann 
klagen  die  an  Hysterie  Leidenden  über  den  Uterus  als  veran- 
lassende Ursache,  während  unter  den  verwandten  Krankheiten 
der  durch  Würmer  veranlassten  Stimmlosigkeit  Schmerzen  in 
den  Eingeweiden  und  im  Magen , den  übrigen  Kopfschmerzen 
vorangehen,  auch  ist  bei  Epileptischen  Auftreten  von  Schaum 
und  gesteigerter  ( o(pvy/.iwv  /ueyedog)  Pulsschlag  charakteristisch, 
bei  Hysterischen  bleibt  dies  fort,  auch  bei  Apoplexie  ist  der  Puls 
voll,  bei  Plysterie  dagegen  nur  klein.  Die  Katalepsie  aber  kommt 
nur  bei  Fieberkranken  vor,  ist  mit  Offenstehen  der  Augen  und 
Zähneknirschen  verbunden,  und  zwar  tritt  sie  ein  vor  der  höch- 
sten Steigerung  des  Fiebers  und  lässt  nach,  sobald  das  Fieber 


De  nature  femin.  § 48.  Wenn  sich  die  Mutter  gegen  den  Kopf  wendet,  so 
hat  die  Frau  Schmerzen  an  den  Adern  der  Nase  und  unter  den  Augen.  Dann  muss 
eine  Waschung  mit  warmem  Wasser  gemacht  werden;  man  begiesst  sie  mit  Decoct 
von  Lorbeer  oder  Myrthe,  man  salbt  sie  mit  Rosenöl ; macht  wohlriechende  Rauche- 
rungen; sie  soll  Kohl  essen  und  Kohlbrühe  trinken.  § 49.  Kehrt  die  Mutter  sich 
gegen  die  Beine,  so  entstehen  Schmerzen  an  der  grossen  Zehe.  Warme  W aschung, 
Dampfbäder,  übelriechende  Fumigationen,  Salben  mit  Rosenöl. 


113 


seinen  Höhepunkt  erreicht  hat,  bei  der  Hysterie  ist  dagegen 
kein  Fieber  vorhanden  und  die  Augen  sind  geschlossen.  Die  an 
Lethargie  Leidenden  fallen  während  des  Fiebers  in  Schlaf  und 
haben  vollen  Puls,  was  bei  hysterischen  Krämpfen  nicht  der  Fall 
ist;  diejenigen  endlich,  welche  an  einer  durch  Würmer  veran- 
lassten  Aphonie  leiden,  schreien  in  Pausen  laut  auf  und  haben 
einen  ungleichmässigen  und  intermittirenden  Pulsschlag. 

§ 28.  Damit  ist  der  Unterschied  zwischen  der  Hysterie  und 
den  verwandten  Leiden  klargestellt.  Die  Hysterie  selbst  ist  ihrer 
Gattung  nach  ein  auf  Zusammenziehung  beruhendes  (oveyvdv) 
heftiges,  bald  akutes,  bald  chronisches  Leiden.  Diesen  Eigen- 
schaften muss  sich  nun  auch  die  Therapie  anpassen.  Im  Augen- 
blicke, wo  sich  der  hysterische  Krampfanfall  einstellt,  ist  die 
Kranke  in  einem  mässig  erwärmten  und  sonnigen  Zimmer  ins 
Bett  zu  legen  und  sanft  aus  ihrer  Ohnmacht  zu  erwecken;  man 
bewege  zu  diesem  Zwecke  die  Kinnbacken,  lege  wärmende  Um- 
schläge (/ueodv  ronov}),  löse  sanft  jeden  zusammengezogenen  Theil, 
lege  die  einzelnen  Extremitäten  fest,  erwärme  durch  Berühren 
mit  gleichfalls  erwärmten  Händen  jeden  kalten  Körpertheil  und 
wische  sodann  mit  einem  Schwamm,  welcher  zuvor  in  warmem 
Wasser  anzufeuchten  ist,  das  Gesicht  ringsum  ab.  Denn  das 
Abwischen  mit  dem  Schwamme  vermag  den  Lebensfunken 
wieder  anzufachen.  Dauert  dann  die  Stimmlosigkeit  noch  an,  so 
gebrauchen  wir  kleine  Schröptköpfe  für  die  Leisten,  den  Venus- 
berg und  die  benachbarten  Körpertheile,  dann  legen  wir  weiche 
und  gereinigte  Wolle  darauf,  besprengen  längere  Zeit  hindurch 
reichlich  und  ohne  Unterbrechung  jene  Theile  mit  süssem  Oele 
und  umhüllen  die  äusseren  Theile  insgesammt  mit  Wolle.  Denn 
die  Erschlaffung  der  äusseren  Theile  pflanzt  sich  bis  zur  Mitte 
fort.  Sodann  ist  auf  die  krampfhaft  geschlossenen  Kiefer  warmes 
Wasser  zu  träufeln,  bald  darauf  auch  ein  Honiggemisch  und 
zugleich  ist  der  Patientin  in  einer  Hängematte  Bewegung  zu 
verschaffen.  Nach  der  Beendigung  des  Anfalls  ist,  falls  nicht 
Schwäche  daran  hindert  oder  die  Kranke  lange  nicht  gegessen 
hat,  ein  Aderlass  vorzunehmen,  sodann  süsses  und  warmes  Oel 
zu  injiciren  und  damit  zu  besprengen,  zum  Spülen  und  Trinken 
ist  warmes  Wasser  zu  reichen  und  bis  zum  dritten  Lage  Fasten 
zu  verordnen;  am  dritten  Tage  selbst  ist  zunächst  die  Abreibung 
mit  Oel  ( dnod-SQOTda ) zu  beginnen,  danach  eine  Suppe  zu  reichen 
und  von  da  ab  immer  einen  um  den  andern  Tag  die  Suppe  zu 
geben,  bis  die  Gefahr  für  die  Gebärmutter  ganz  geschwunden  ist. 
Ferner  sind  Umschläge,  wie  wir  sie  bei  der  schmerzvollen  Men- 
struation verordnet  haben,  warme  Bähungen  mit  Schwämmen, 
erschlaffende  Sitzbäder,  deren  Ingredienzen  wir  bereits  erwähnt 
haben  Mutterzäpfchen  aus  Talg,  Mark,  Bockshorn,  Malve,  Lilien- 
oc  er  Kyprinosöl,  Injektionen  von  Oel  oder  Oelwasser  mit  einem 

Soranus,  Uebcr  die  Krankheiten  des  weiblichen  Geschlechtes.  o 


114 


Klystier,  zumal  wenn  Stuhlgangbeschwerden  vorhanden  sind,  an- 
zuwenden. Denn  es  drücken  die  Kothmassen  auf  die  Gebärmutter. 
Beginnt  die  Krankheit  abzunehmen,  so  verordnen  wir  Wachssalbe 
und  Mutterzäpfchen,  welche  in  höherem  Grade  aufweichen,  sodann 
gemischte  Kost,  dann  ein  Bad  und  noch  später  Wein.  Folgt  auf 
die  Reconvalescenz  wiederholt  ein  Rückfall  und  wird  somit  das 
Leiden  chronisch,  so  empfiehlt  es  sich,  während  der  Anfälle  die 
erwähnte  Behandlung  eintreten  zu  lassen,  während  der  Zwischen- 
pausen aber  die  Kranke  zuerst  wieder  Kräfte  sammeln  zu  lassen 
durch  mannichfaltige  Bewegung,  Spazierengehen,  Lesen  und 
lautes  Reden,  durch  Salben,  gymnastische  Uebungen,  Bäder  und 
mannichfaltige  Speisen,  sodann  den  Körper  umzustimmen  durch 
Genuss  scharfer  Speisen,  durch  die  Pechmütze,  Schröpfköpfe,  Er- 
wärmen der  Haut,  starkes  Reiben  einzelner  Theile,  Pudern,  Sitz- 
bäder aus  scharfen  Substanzen,  reizende  Mutterzäpfchen  und  Um- 
schläge, Senfpflaster  und  die  cyklische  Kur.  Lässt  der  Zustand  so 
noch  nicht  nach,  so  errege  man  zunächst  durch  Rettige  Er- 
brechen und  danach  durch  Genuss  von  weisser  Niesswurz  starkes 
Würgen;  ferner  sind  Reisen  zu  Wasser  und  zu  Lande  und  natür- 
liche Brunnen  zu  empfehlen.  Ueber  die  richtige  Anwendung  aller 
dieser  Mittel  haben  wir  in  unseren  Kommentaren  über  die  Therapie 
ausführliche  Anweisung  gegeben. 

§ 29.  Die  meisten  alten  Aerzte,  obwohl  sie  meistens  nicht 
miteinander  übereinstimmen , pflegten  stinkende  Riechmittel  zu 
gebrauchen,  wie  verbrannte  Haare,  eben  erloschenen  Lampendocht, 
Räucherung  mit  Hirschhorn,  verbrannte  Wollflocken,  Leder  und 
Lumpen,  Bibergeil,  mit  dem  sie  die  Nasenlöcher  und  das  Ohr 
salbten,  Theer,  Cedernharz,  Asphalt,  zerquetschte  Wanzen,  Bären- 
klau, Peucedanum,  kurz  alles,  von  dem  sie  annahmen,  es  sei  von 
starkem  üblen  Gerüche,  als  ob  der  Uterus  vor  schlechten  Ge- 
rüchen fliehe.  Aus  gleichem  Grunde  räucherten  sie  zugleich  von 
unten  mit  wohlriechenden  Sachen  und  gebrauchten  daneben  Mutter- 
. Zäpfchen  aus  Narde  und  Storax,  damit  die  Gebärmutter,  vor  jenen 
fliehend  und  zugleich  von  diesen  angelockt,  sich  aus  der  oberen 
Gegend  nach  unten  begeben.  Ausser  dieser  Kur  liess  Hippokrates 
bald  ein  Dekokt  aus  Kohl,  bald  Eselmilch  trinken,  führte,  ganz 
als  wenn  die  Gebärmutter  wie  der  Darm  bei  Ileus  erkrankt  sei,  die 
Röhre  eines  Blasebalges  in  die  Vagina  ein  und  versuchte  durch 
Blasen  eine  Erschlaffung  des  Uterus  zu  erzielen.  Diokles  da- 
gegen schliesst,  wie  er  in  dem  dritten  Buche  seiner  Gynäkologie 
demonstrirt,  die  Nasenflügel,  öffnet  den  Mund  und  benützt  ein 
Niesmittel;  ferner  drängt  er  durch  Druck  auf  den  Unterleib  mit 
der  Hand  den  Uterus  tiefer  und  begiesst  die  Schenkel  mit  warmem 
Wasser.  Mantias  aber  lässt  die  Kranken  Bibergeil  und  Asphalt 
in  Wein  trinken,  bei  Eintritt  der  Schlafsucht  nimmt  er  zu  Flöten- 
spiel und  Pauken  seine  Zuflucht.  Xenophon  zog  das  helle  Fackel- 


115 


licht  heran,  liess  die  Musik  noch  rauschender  ertönen,  indem  er 
auf  kupferne  Kessel  schlagen  und  Darmsaiten  streichen  liess. 
Asklepiades  aber  wendet  Niesmittel  an,  schnürt  den  Unterleib 
mvUKiemeh  zusammen,  ruft  der  Kranken  in  die  Ohren  und  bläst 
Weinessig  in  die  Nase  ; während  die  Krankheit  pausiert,  empfiehlt 
er  geschlechtlichen  Verkehr  und  Wassertrinken  ....  Wir  können 
das  Verfahren  aller  dieser  Aerzte  nur  tadeln,  denn  sie  reizen  so- 
fort die  entzündeten  Stellen  und  veranlassen  durch  die  Entwick- 
lung übler  Gerüche  tiefe  Betäubung.  Nicht  wie  ein  Thier  aus 
seiner  Höhle  kriecht  die  Gebärmutter  hervor,  ergötzt  von  Wohl- 
gerüchen und  den  Gestank  fliehend,  sondern  es  bilden  sich  da- 
durch, dass  der  Uterus  in  Folge  der  Entzündung  kontrahirt  wird, 
Geschwüre.  Auch  ist  es  gefährlich  den  Magen,  welcher  bei  der 
Entzündung  in  Mitleidenschaft  gezogen  ist,,  durch  Genuss  von 
Arzneien  und  scharfen  Stoffen  zu  schädigen.  Das  Hineinstecken 
des  Blasebalgs  in  die  Scheide  und  die  Aufblähung  spannen  den 
Uterus  noch  mehr  an  als  er  schon  an  und  für  sich  in  Folge  der 
Entzündung  ist.  Der  Gebrauch  von  Niesmitteln  aber  bringt  durch 
die  Erschütterung  und  die  Schärfe  der  Arzneien  die  chronisch 
gewordenen  Leiden  zur  Metasynkrisis.  Aus  demselben  Grunde 
wird  aber  beim  Anfalle  selbst  der  Zustand  gesteigert,  da  dieser 
keine  gewaltsame,  sondern  eine  milde  Behandlung  erfordert.  Un- 
angenehm wirken  auch  Lärm  und  Schlagen  der  kupfernen  Kessel 
und  regen  nur  noch  mehr  die  Kranken  auf,  welche  an  der  Ent- 
zündung schon  genügend  leiden.  Es  bekommen  ja  selbst  Gesunde 
von  dem  Lärm  Kopfweh.  Auch  der  eingeblasene  Weinessig  wirkt 
schädlich.  Denn  alles  Adstringirende  steigert  ebenso  die  inneren 
wie  die  äusseren  Entzündungen.  Schädlich  wirkt  es  auch,  den 
entzündeten  Uterus  von  aussen  mit  Darmsaiten  und  Binden  zu 
umschnüren,  denn  dieser  vermag  wegen  der  Anspannung,  welche 
durch  die  Quetschung  verursacht  wird,  nicht  einmal  einen  Umschlag 
ohne  Schmerzen  zu  ertragen.  Wasser  trinken  aber  nützt  über- 
haupt nicht,  wirkt  sogar  bisweilen  schädlich,  denn  die  Kranke 
bedarf  der  Stärkung  und  inneren  Umstimmung,  was  nur  erreicht 
werden  kann,  wenn  man  zu  der  Mischung  von  Wein  und  Wasser 
übergeht.  Beischlaf  schwächt  überhaupt;  deswegen  taugt  er  nicht, 
da  er  keine  Besserung  schafft,  sondern  vielmehr  den  Körper  ent- 
kräftet. Den  Kopf  endlich  mit  kaltem  Wasser  zu  begiessen,  da- 
mit die  Aphonie  nachlässt,  ist  offenbar  nicht  kunstgemäss.  Denn 
wenn  der  Körper  durch  Kälte  dicht  zusammengezogen  wird,  so 
lässt  . sich  wegen  der  Steigerung  der  Entzündung  derselbe  noch 
schwieriger  aus  der  Betäubung  erwecken. 


8* 


116 


Kapitel  V. 

Die  Anspannung  des  Uterus. 

§30 


Kapitel  VI. 

Anfüllung  des  Uterus  mit  Luft. 

§ 31.  Eine  Anfüllung  des  Uterus  mit  Luft  tritt  nach  der 
Geburt  ein,  wenn  der  Muttermund  in  Folge  von  Erkältung,  von 
Absterben  der  Leibesfrucht  oder  in  Folge  einer  Schwergeburt 
verschlossen  und  von  geronnenem  Blut  verstopft  ist,  wie  es  sonst 
vorkommt 


indem  er  bald  auf  die  rechte,  bald  auf  die  linke  Leiste  drückt. 
Die  Schmerzen  erstrecken  sich  ferner  bei  manchen  auch  auf  die 
inneren  Lendenmuskeln  und  die  Hüften  und  es  zeigen  sich  Merk- 
male dafür,  dass  noch  andere  Theile  vom  Uterus  her  in  Mitleiden- 
schaft gezogen  sind,  wie  Schmerzen  in  den  Muskeln,  Kopfweh  u.s.  w. ; 
beim  Druck  der  Finger  gibt  die  Stelle  nach,  um  gleich  wieder 
anzuschwellen,  beim  Anschlägen  mit  der  Hand  entsteht  ein  tym- 
panitischer  Schall,  bald  auch  kolikartige  Schmerzen,  flüchtige 
Stiche  und  Pulsationen.  Bei  Anwendung  wärmender  Mittel  ist 
zunächst  eine  Erleichterung  bemerkbar,  doch  bald  folgen  Ver- 
schlimmerung, Rauschen  und  Gurren  im  Leib,  welches  den  An- 
schein erweckt,  als  ob  Luft  durch  den  Leib  nach  aussen  gehe. 
Der  Samen,  welcher  sich  beim  Koitus  hinein  ergiesst,  wird  auf- 
gelöst. Die  Anschwellung  aber  bleibt  bei  einigen  bestehen,  bei 
andern  ist  sie  temporär. 

§ 32.  Die  Therapie  ist  dieselbe  wie  bei  Verstopfung,  es  sind 
Injektionen  mit  erschlaffenden  Mitteln,  Umschläge,  kleine  Schröpf- 
köpfe mit  Scarifikation  und  andere  derartige  Mittel  anzuwenden. 
Die  Kranke  darf  nichts  essen,  was  schwer  verdaulich  und  scharf 
ist  und  Blähungen  verursacht,  dagegen  alles,  was  sie  leicht  ver- 
dauen kann.  Liegt  Blutgerinnsel  im  Muttermunde,  so  führe  die 
Wehemutter  den  Finger,  welchen  sie  vorher  mit  Oel  bestreichen 
muss,  ein,  erfasse  das  Gerinnsel,  wenn  es  zufällig  nahe  liegt,  löse 
es  sanft  und  veranlasse  so  eine  schmerzlose  Entleerung  desselben. 
Dauert  der  Zustand  der  Anfüllung  des  Uterus  mit  Luft  länger 
an,  so  gebrauchen  wir  zur  Zeit  des  I-Iöhepunktes  des  Uebels 


117 


Mittel,  welche  in  höherem  Grade  erschlaffen.  Denn  bei  den  An- 
fällen und  den  Verschlimmerungen  wenden  wir  gleiche  Mittel  an. 
Ist  ein  Nachlass  eingetreten,  so  suchen  wir  den  Körper  zu  kräf- 
tigen durch  warme  Salbungen  und  Frottiren  der  Schenkel  und 
der  kranken  Körpertheile,  welches  überall  und  lokal  bald  mit  den 
blossen  Händen,  bald  mit  roher  und  trockener  Leinwand  zu  ge- 
schehen hat.  Dabei  geben  wir  gemischte  Kost,  bisweilen  auch 
scharfe  Speisen.  Die  Hüfte  und  das  Epigastrion  bestreichen  wir 
mit  Pechpflaster,  bestreuen  sie  mit  Natron  oder  erwärmen  sie 
oberflächlich,  auch  reizen  wir  die  Haut  mit  Senf  und  getrockneten 
Feigen  und  wenden  Umschläge  an,  welche  aus  Gerste  mit  ge- 
kochten Feigen,  Raute,  Isop  und  Honig  bereitet  sind.  Ferner 
legen  wir  auf  ein  Mittel  aus  Natron,  Feigen  und  Wermuth  oder 
geschrotenes  Mehl  aus  ungeröstetem  Getreide  zusammen  mit  ge- 
kochten Feigen  und  Isop  oder  ein  weiches  Pflaster  aus  Samen 
bereitet,  oder  das  Polyarchion  genannte  Pflaster  oder  das  erste 
Lorbeer-Pflaster  mit  Wachssalbe;  auch  jedes  für  sich.  Auch  be- 
reiten wir  gleichartige  Sitzbäder,  indem  wir  in  Wasser  den  Pa- 
stinak, die  kretische  Rohrrübe  und  Polei  abkochen.  Dauert  der 
Zustand  fort,  so  nehmen  wir  noch  Artemisia,  Isop,  Marrubium, 
Lorbeer  oder  die  Frucht  desselben-,  Kasienlorbeer  und  Narde. 
Dazu  fügen  wir  noch  in  gleicher  Weise  wirkende  Mutterzäpfchen 
aus  Raute  (und  Polei),  Honig  und  Natron,  ferner  aus  Terpentin- 
harz, Galbanum,  Iris,  Raute,  Isop  und  Stiergalle,  welche  Sub- 
stanzen zu  gleichen  oder  ungleichen  Theilen  untereinander  ge- 
mischt werden.  Ein  ähnliches  äusseres  Mittel  setzt  sich  folgender- 
massen  zusammen  : 

Rp.  i Drachme  fetter  Feigen,  die  derartig  zerrieben  werden, 
dass  die  Körner  verschwinden. 

2 Drachmen  der  glatt  geriebenen  Saubrodwurzel. 

i Drachme  weissen  Aphronitrons  (Mauersalz). 

Damit  die  grosse  scharfe  und  beissende  Wirkung  geschwächt 
werde,  ist  das  Mutterzäpfchen  vorher  in  Milch  zu  tauchen  und 
dann  zu  appliziren.  Ausserdem  setze  man  an  den  Sitz  der  Krank- 
keit  Schröpfköpfe,  lasse  diese  tüchtig  ziehen,  bisweilen  mit  Scari- 
hkation.  Auch  sind  alle  Mittel  anzuwenden,  welche  die  innere 
Leibeskonstitution  umzustimmen  vermögen,  wie  natürliche  Ther- 
men, Douchen  und  Schwimmbäder,  im  Anfang  warme,  später 
auch  kalte,  indem  der  Körper  nach  und  nach  daran  zu  gewöhnen 
ist  das  kalte  Bad  zu  ertragen,  und  so  die  leidenden  Körpertheile 
sich  kräftigen.  Von  Speisen  sind  solche  gestattet,  welche  mager 
machen  und  die  Darmgase  treiben.  Man  kann  auch  das  soge- 
nannte Diospohtikon,  bisweilen  das  Kalaminthenmittel  anwenden 


118 


§ 331)-  Heftiger  wirkende  Arzneien  verschmähen  wir  wegen 
der  drohenden  Umkehrung  des  Magens,  ebenso  die  Räucherungen 
von  unten  mit  aromatischen  Stoffen.  Denn  dadurch  wird  der 
Kopf  eingenommen  und  sie  schaden  mehr  als  sie  nützen.  Auch 
verwerfen  wir  adstringirende  Umschläge,  wie  z.  B.  die,  welche 
mit  Quitten,  thebaischen  Datteln,  herbem  Wein,  Weinblüthe 
(Oenanthe),  Akazie,  Granatäpfeln  gemacht  werden.  Denn  die 
durch  die  Verstopfung  eintretende  Luftanfüllung  wird  nicht  durch 
Adstringentia,  sondern  durch  erweichende  und  erschlaffende  Mittel 
beseitigt. 


Kapitel  VII. 

Oedem  des  Uterus. 

§ 34.  Bei  Oedem  des  Uterus  zeigt  sich  eine  Anschwellung 
von  gelblicher  Farbe,  etwas  schwammig,  weich  anzufassen,  der 
Berührung  durch  die  Finger  nachgebend  und  sofort  wieder  zu- 
rückschnellend. Das  Epigastrium  nimmt  dieselbe  Farbe  an  und 
folgt  dem  Zuge  der  Finger.  Hierfür  ist  nun  dasselbe  anzuwenden, 
was  wir  bei  der  Füllung  des  Uterus  mit  Luft  empfohlen  haben; 
nämlich  lokale  Injektionen  zunächst  mit  warmem  Oel  und  dann 
mit  Cypernöl  oder  Irisöl  und  Mutterzäpfchen  von  gleicher  Zu- 
sammensetzung wie  bei  der  Füllung  des  Uterus  mit  Luft. 


Kapitel  VIII. 

Scirrhus  und  Scleroma  uteri. 

§ 35.  Eine  partielle  oder  totale  Verhärtung  der  Gebärmutter 
tritt  nach  vorausgehender  Entzündung  auf.  Es  zeigt  sich  eine 
harte,  dem  Drucke  widerstehende  Geschwulst,  die  bei  kräftigerem 
Druck  ein  Gefühl  von  Taubheit  (Einschlafen)  erregt.  In  den 
Hüften,  den  Leisten,  dem  Epigastrium  ist  derselbe  Schmerz  fühl- 


l)  Oribas.  II,  424  aus  Antyllus.  Anwendung  bei  hysterischen  Krämpfen,  bei 
Epilepsie,  Migräne,  Asthma,  Spasmus  cynicus.  Bei  Hysterie  räuchert  man  mit  Myrrhe, 
Weihrauch  oder  Bdellium;  wenn  die  Frau  sitzen  kann,  so  placirl  man  sie  auf  den 
Geburtsstuhl  und  bedeckt  sie  ganz , mit  Ausnahme  des  Gesichtes.  Bei  \ orfall  der 
Mutter  räuchert  man  mit  stinkenden  Sachen,  z.  B.  Blutegel,  die  man  verbrennt,  ebenso 
mit  verbrannten  Federn,  Haaren,  AVolle,  Schwämmen  etc.  — Angabe  eines  Apparats, 
der  aus  einem  Topf  mit  Deckel  und  Röhre  besteht.  Bei  Epileptischen  räuchert  man 
mit  Gagates  (Tet). 


119 


bar,  wie  er  bei  Hüftscbmerzen  empfunden  wird,  wenn  man  herum- 
wandelt und  sich  bückt 


Kapitel  IX. 

Die  Mola. 

§ 361).  Die  sogenannte  Myle  (mola)  oder  Mylos,  wie  andere 
sie  nennen,  ist  eine  Verhärtung  des  Uterus,  die  durch  eine  voraus- 
gegangene Entzündung  hervorgerufen  wird , bald  auch  ein  ört- 
liches Geschwür  mit  Fleischwucherung.  Es  heisst  Mylos  wegen 
seiner  Schwerbeweglichkeit  und  seines  Gewichtes.  Diese  Krank- 
heit sitzt  bisweilen  nur  in  einem  Theile  der  Gebärmutter,  z.  B.  im 
Muttermunde  und  in  dem  Halse  des  Uterus,  in  welchem  Falle 
man  beim  Touchiren  auf  eine  Geschwulst  stösst,  welche  mit  seiner 
ganzen  Schwere  in  der  Tiefe  liegt;  für  gewöhnlich  aber  nimmt 
sie  die  ganze  Gebärmutter  ein  und  zeigt  sich  dann  ganz  deutlich 
im  ganzen  Umkreise  des  Epigastrium  eine  harte , steinige  Ge- 
schwulst, welche  die  darüber  liegenden  Hypochondrien  herabzieht 
und  mit  Abmagerung,  Blässe  und  Appetitlosigkeit  verbunden  ist. 


1)  Oribas  111,65 — 67.  Es  kommt  vor,  dass  Frauen,  die  in  der  Meinung  leben, 
empfangen  zu  haben,  etwas  gebären,  was  man  „uoXif)“  nennt.  Der  Leib  nimmt  zu, 
aber  wenn  der  Termin  herankommt,  bleibt  die  Geburt  aus.  Eine  solche  Frau  blieb 
in  diesem  Zustande  3 bis  4 Jahre  und  endlich  wurde  ein  grosses  Stück  fleischige 
Masse  ausgestossen.  Bei  einigen  Frauen  dauerte  die  Krankheit  bis  ins  höhere  Alter, 
ja  bis  zum  Tode.  Es  handelt  sich  um  ein  Produkt,  bei  dem  die  Mitwirkung  des 
Sperma  virile  ausgeblieben  ist.  Die  Mole  kann  so  hart  werden,  dass  man  sie  nicht 
mit  einem  Beile  zu  zertheilen  vermag.  Die  Molen  gehören  zu  den  seltenen  Krank- 
heiten. 

Bei  Galen  (X.  987  Kühn)  heisst  sie  äSiänXaaTO?  aäp$,  d.  h.  ein  unorganisches 
Fleisch. 

Die  Schilderung,  die  Soranus  gibt,  legt  auch  den  Gedanken  an  einen  Tumor 
uteri  nahe,  besonders  etwa  an  das  Myom  (Fibroid).  Ohne  Zweifel  wurden  unter 
dem  Namen  püXrj  allerlei  Zustände  konfundirt , als  wirkliche  Placentarpolypen  und 
Neoplasmen. 

Bei  Hippokrates  (de  morb.  femin.  Lib.  I,  cap.  71  (Littre  VIII,  149)  wird  die 
Bildung  der  Mola  dadurch  erklärt,  dass  bei  starker  Menstruation  ein  kranker  Samen 
in  geringer  Menge  dazu  kommt;  alsdann  gibt  es  keine  richtige  Konzeption;  der 
Leib  wird  voll  wie  bei  Schwangeren;  aber  es  bewegt  sich  nichts  im  Bauche,  es 
bildet  sich  auch  keine  Milch  in  den  Brüsten.  Dieser  Zustand  könne  2 — 3 Jahre 
währen.  Bildet  sich  nur  eine  einzige  Fleischmasse,  dann  unterliegt  die  Frau,  bilden 
sich  mehrere,  dann  kommt  es  zu  reichlicher  Blutung,  bei  dessen  Nachlass  sich  die 
Frau  erholen  kann;  doch  bei  Fortdauer  kann  es  zu  letalem  Ende  kommen,  Räucherung 
ist  anzuwenden,  auch  ein  Klysma,  das  reichliche  Blutung  bewirken  wird.  Auch 
Injektionen  kommen  in  Gebrauch,  kräftige  Mutterzäpfchen  mit  Buprestis;  innerlich 
gibt  man  kretischen  Diktamnus  in  Wein  , auch  Castoreum , auch  setzt  man  in  die 
Seiten  und  in  die  Gegend  des  Uterus  Schröpfköpfe. 


120 


§ 37-  Es  entsteht  zuerst  der  Verdacht  der  Schwangerschaft, 
denn  es  unterbleibt  die  Monatsreinigung,  es  schwellen  die  Brüste 
an,  es  entsteht  Brechreiz,  es  werden  die  Hüften  schwerer  und  es 
schwillt  der  Unterleib  auf.  Allmählich  unterscheidet  es  sich  durch  das 
Auftreten  von  stechenden  Schmerzen,  ohne  dass  aber  Bewegungen 
wie  bei  Schwängern  sich  zeigen.  Wenn  sich  dann  in  der  Folge 
der  ganze  Körper  ausdehnt  und  die  Anschwellung  immer  stärker 
wird,  denkt  man  an  Wassersucht.  Doch  es  ist  dieser  Zustand  dadurch 
unterschieden  von  der  Wassersucht,  dass  beim  Drucke  der  Hand 
kein  Nachgeben  erfolgt  weder  ein  tympanitischer  Schall,  noch  Fluk- 
tuation sich  zeigt,  wie  es  bei  Wassersucht  der  Fall  ist.  Bisweilen 
kommt  es  jedoch  vor,  dass  in  Folge  langer  Dauer  und  Erkältung 
der  Leber  Wassersucht  hinzutritt.  Einige  Aerzte  berichten  auch 
von  Fällen,  in  denen  ein  Fleischauswuchs  von  der  Grösse  einer 
Nuss  durch  die  Scham  ausgetreten  sei,  bei  einigen  alle  Monate, 
bei  anderen  alle  zwei  bis  drei  Monate. 

§ 38.  Manche  hfelten  den  in  Rede  stehenden  Zustand  für 
unheilbar  und  behandelten  ihn  gar  nicht,  andere  wieder  wandten 
nur  im  Beginne  der  Krankheit  Mittel  an.  Wir  dagegen  behandeln 
den  Zustand  als  eine  chronische  Krankheit.  Man  darf  die  Krank- 
heit nicht  leicht  nehmen,  sondern  muss  sofort,  wenn  die  Anfälle 
auftreten,  die  sich  durch  das  Gefühl  der  Schwere  und  Schwindel 
oder  durch  schlechte  Verdauung  und  Schlaflosigkeit,  Symptome, 
welche  ohne  sichtbaren  Grund  eintreten,  offenbaren,  zu  warmen 
und  erschlaffenden  Umschlägen,  Schröpfköpfen , Scarifikationen, 
Blutegeln,  Bähungen,  erschlaffenden  und  lindernden  Injektionen, 
erweichenden  Mutterzäpfchen,  Sitzbädern,  zur  Wachssalbe  mit  ge- 
kochter Althaea,  süssem  oder  Kyprinosöl,  zum  Diachylon-Pflaster 
oder  zu  dem  sogenannten  Mnaseas-Pflaster,  zu  saft-  und  geschmack- 
vollen Speisen  seine  Zuflucht  nehmen;  zu  empfehlen  ist  ferner 
die  Anwendung  einer  Leibbinde  (über  die  Schultern  gehend),  wo- 
durch die  Beschwerden,  welche  das  Herabdrücken  verursacht, 
gehoben  werden.  Ebenso  ist  bei  Verschlimmerungen  zu  verfahren, 
in  den  freien  Intervallen  dagegen  stärken  wir  (vorbauend)  den 
Körper  durch  Salben,  Schaukeln,  Spazierengehen,  Baden,  lautes 
Reden,  durch  Trinken  eines  leichten  Weines  und  Genuss  einer 
guten  und  gemischten  Nahrung;  die  primär  ergriffenen  1 heile 
suchen  wir  zu  verbessern  durch  Pechpflaster,  durch  Erwärmen, 
Sonnen,  Aufstreuen  von  Natron  und  Salz  und  Frottiren,  auch 
empfehlen  wir  wohl  Hautröthung  vermittelst  Senf  und  getrock- 
neten Feigen,  weiche  Umschläge  von  Samen  und  Lorbeer,  das 
Polyarchion,  das  nach  Kephisophon  benannte  Pflaster  und  ähnliches, 
Sitzbäder  und  Dampfbäder,  welche  umstimmend  wirken  können, 
wie  die  Bäder  in  gesottenem  Meerwasser,  in  einem  Dekokt  aus 
Lorbeerblättern,  Lorbeeren,  Polei,  Isop,  Salbei,  Marrubium,  Arte- 


121 


misia,  Diptam,  Centaurion,  Polium,  Skordium,  und  zwar  ist  dabei 
folgendermassen  zu  verfahren:  man  setze  das  Gefäss  mit  dem 
Dekokt  unter  den  Stuhl,  füge  eine  Röhre  in  den  Deckel,  in  den 
zu  diesem  Zwecke  ein  Loch  zu  bohren  ist  und  lasse  dann  durch 
diese  Röhre  die  Dämpfe  emporsteigen.  Ferner  gebrauchen  wir 
Mutterzäpfchen  aus  Butter,  Isop,  Gänse-  und  Hühnertalg,  Mark 
oder  Gehirn  vom  Hirsch,  Honig,  dem  Fleisch  der  fetten  Feigen, 
Rosinen  zusammen  mit  altem  Oel  oder  Kyprmosöl  oder  Iris  oder 
Sampsychosöl  oder  Majoranöl  oder  Lilienöl  oder  Betelöl.  Von 
gutem  Nutzen  sind  auch  scharfe  Speisen,  zumal  wenn  das  Leiden 
Fortschritte  macht,  ferner  die  cyclische  Kur  (Ermerins  CVIII  V. 
Rose  394,  der  Gebrauch  natürlicher  Thermen,  Douchen  und 
Schwimmbäder  in  der  See  oder  in  natürlichen  Wassern,  Erzeugen 
von  Erbrechen  vermittelst  Rettige  oder,  falls  der  Kräftezustand 
es  zulässt,  auch  vermittelst  Nieswurz. 

§ 39.  Andrerseits  kann  man  wieder  nicht  genug  vor  zu 
scharfen  Mutterzäpfchen  und  zu  scharfen  Sitzbädern  warnen,  denn 
durch  den  fortwährenden  Gebrauch  derselben  verschwären  un- 
merklich die  Verhärtungen  und  das  Leiden  wird  bösartig.  Aus 
demselben  Grunde,  wie  bei  den  Krankheiten,  welche  wir  bereits 
besprochen  haben,  verwerfen  wir  auch  Räucherungen  mit  Safran, 
Storax,  Harz  und  Myrrhe,  das  Einathmen  von  Dämpfen  aus 
Artemisia,  Polei,  Marrubium  und  Knoblauchstengeln,  das  Trinken 
von  Weinhonig  in  einem  Dekokt  aus  Nasturtium  und  Polei.  In 
der  Regel  tritt  durch  die  eben  besprochene  Kur  plötzlich  eine 
reichliche  Entleerung  geronnenen  schwarzen  Blutes  ein  und  da- 
mit Heilung. 


Kapitel  X. 

Haemorrhagia  uteri. 

§ 40 J).  Blutfluss  aus  dem  Uterus  kann  zur  Ursache  haben: 
Schwergeburt,  Abortus,  ulcerative  Zerstörung,  Bersten  von  Ge- 


l)  Mu  1 1 e r s p i e g el , SmtTptoao?.  Bei  den  älteren  Historikern  gilt  mit  Un- 
recht Paulus  von  Aegina  (650  p.  Chr.)  als  Erfinder  des  Speculums.  Dieses  wird  in 
seinen  Schriften  zweimal  erwähnt:  Lib.  III,  cap.  65  de  abscessu  uteri  etc.  und  Lib. 
VI,  cap.  73  über  dasselbe  Thema,  wo  allerdings  die  Besprechung  ziemlich  eingehend 
ist  „instrumento  exploralerio,  dioptra  appellato,  pro  aetate  convenienti  exploret“  etc. 

Soranus  ed.  Dietz  p.  119.  Der  Chirurg  soll  zuerst  „8iä  tt)?  Stou-toa?“  die  Ur- 
sache der  Dystokie  erforschen;  besonders  Auswüchse  (Lnot)  etc.  Diese  Stelle  soll 
aus  1 hilumenos  stammen  und  ist  in  der  Ausgabe  von  Roso  nicht  aufgenommen. 

Binden  der  Glieder.  Diese  Encheirese  soll  von  Chrysippus  von  Knidos 
erfunden  worden  sein  (350  a.  Chr.)  und  wurde  als  Ersatz  der  Venaeselction  vielfach 
angewendet.  Hierüber  Galen,  des  venaesectione  adversus  Erasislratum  Cap.  1.  Dieses 
Binden  der  Glieder  d7tcSjai<r,  8ia8e<j|AOs)  wurde  an  vielen  Stellen  des  Leibes 


122 


/ 


fassen.  Das  Leiden  ist  sofort  an  dem  starken  und  unmässigen 
Blutausguss  kenntlich,  zugleich  befällt  die  Kranken  Schwäche. 
Erschlaffung  (Collapsus),  Abmagerung,  Blässe  und  andauernde 
Appetitlosigkeit.  Bisweilen  tritt  das  Leiden  periodisch  auf.  Der 
Zustand  bietet  sehr  viele  Schwierigkeiten,  denn  es  ist  nicht  mög- 
lich, die  Finger  darauf  zu  drücken,  Haken  anzubringen,  Charpie 
einzuzwingen,  mit  Schlingen  die  Wunde  zusammenzuschnüren 
oder  sie  zu  nähen.  * Auch  fliesst  das  Blut  nicht  bloss  aus  dem 
Uterus,  sondern  auch  aus  den  äusseren  Theilen  (alöoiov j.  Manche 
Aerzte,  die  durch  Zeichen  den  Ort  des  Leidens  festzustellen  sich 
bemühen,  behaupten,  das  Blut,  welches  aus  den  äusseren  Geni- 
talien fliesse,  sei  dünn,  gelblich  und  warm,  dasjenige,  welches  aus 
dem  Uterus  fliesse,  dagegen  viel  dicker,  schwärzer  und  kälter. 
Doch  bei  weitem  sicherer  lässt  sich  der  Ort  des  Leidens  durch  - 
den  Mutterspiegel  feststellen. 

§ 41.  Für  die  Behandlung  ist  es  gut,  wenn  die  Kranke  sich 
in  einem  kleinen,  dunklen  und  mässig  abgekühlten  Zimmer  auf 
ein  festes  und  unbewegliches  Bett  so  legt,  dass  die  Füsse  höher 
liegen,  dann  ruhig  in  derselben  Lage  verharrt,  weil  jede  Bewegung 
Fliessen  hervorruft,  die  Schenkel  anzieht  und  sie  kreuzweis  legt. 
Man  lege  dann  breite,  gereinigte  und  weiche  Schwämme,  nachdem 
sie  in  kaltes  Wasser  oder  ein  Essiggemisch  oder  auch  reinen 
Essig  getaucht  sind,  auf  die  Scham,  den  Mons  Veneris,  die  Hüften 
und  die  Rollhügel,  später  auch  auf  die  Brust  unter  wiederholter 
neuer  Anfrischung.  Die  Extremitäten  sind  recht  fest  zu  binden, 
denn  die  Verdichtung,  welche  durch  den  Druck  veranlasst  wird, 
pflanzt  sich  bis  zum  Orte  des  Leidens  fort.  Empfehlenswert!!  ist 
ferner,  das  Gesicht  in  kaltes  Wasser  zu  stecken  oder  es  mit 
einem  in  reinem  Wasser  angefeuchtetem  Schwamme  abzuwischen 
und  in  Pausen  zu  begiessen,  den  Kopf  mit  kaltem,  frisch  ge- 
presstem Oele  zu  befeuchten,  Essig  zu  schlürfen,  sich  bis  zu  den 
Leisten  in  kaltes  Wasser  oder  in  ein  Essiggemisch  oder  in  reinen 
Essig  oder  in  ein  Dekokt  zu  setzen  von  Myrten,  getrockneten 
Rosen,  unreifen  Galläpfeln,  Myrrhe  und  Linsen,  Meerzwiebel, 
Granatäpfeln,  Brombeerlaub,  Eichenblättern,  Weide  oder  des 
Gerbersumachs.  Sollte  durch  erneute  Blutung  der  Zustand  be- 
denklich werden,  so  injizire  man  vermittelst  des  Klystirs  oder  der 
Mutterspritze  den  Saft  irgend  einer  der  genannten  Pflanzen  oder 
den  der  Schafzunge,  des  Polygonum,  von  Seris,  Nachtschatten, 
Flohkraut  oder  Perdikium.  Wenn  anch  nach  Gebrauch  dieser 
Mittel  der  Blutfluss  weiter  besteht,  so  gebrauche  man  noch  den 
Saft  von  der  Hypokistis  und  Akazie  und  Opium  , alle  drei  zu- 


geübt: Achsel,  Arme,  Schenkel,  Leisten  etc.  Besonders  Erasistratus  hat  auch  diese 
Methode  aus  Scheu  vor  Blutentziehungen  lebhaft  empfohlen.  (R.  Fuchs,  Erasistratea, 
Diss.  Lipsiae  1892.) 


123 


gleich  oder  jedes  für  sich  in  Essig  gelöst,  oder  ca.  zwei  Maass 
aus  unreifen  Trauben  gepressten  Weines.  Auch  ist  weiche  Whlle, 
welche  zuvor  mit  irgend  einem  der  aufgezählten  Säfte  ange- 
feuchtet werden  muss,  vermittelst  des  hingers  oder  der  Sonde 
in  den  Mund  des  Uterus  zu  appliziren,  und  zwar  auch,  wenn  da- 
durch der  Blutfluss  stärker  wird.  Denn  entspringt  der  Fluss  aus 
den  oberen  Theilen,  so  hemmt  die  eingekeilte  Wolle  den  Fluss  und 
das  abgesonderte  Blut  bleibt  im  Hohlraum  des  Uterus.  In  diesem 
Falle  ist  es  nöthig,  ein  weiches  und  gereinigtes  Schwämmchen 
von  länglicher  Gestalt,  welches  mit  denselben  Säften  angefeuchtet 
ist,  soweit  als  möglich  nach  innen  einzuführen,  damit  es  das  er- 
gossene Blut  aufsauge  und  so  verhindere,  dass  das  Blut  gerinne 
und  dadurch  noch  weitere  Leiden  und  Entzündungen  veranlagst. 
Dieses  Schwämmchen  ist  bisweilen  zu  wechseln.  Heilsam  wirkt 
auch  das  Ansetzen  von  Schröpfköpfen  auf  die  Hüften,  die  Leisten 
und  die  Weichen,  womöglich  auch  in  die  Rollhügelgegend  unter 
starker  Erwärmung;  diese  müssen  eine  ziemlich  lange  Zeit  darauf 
liegen  bleiben  und  sind  dann  sanft  wegzunehmen.  Auch  sind  zu 
Umschlägen  an  denselben  Theilen,  auf  welche  die  Schwämme  ge- 
legt sind,  Datteln  zu  verwenden,  welche  mit  einem  herben  Weine 
oder  Essig  durchtränkt  sind,  zusammen  mit  Wachssalbe,  bereitet 
aus  Rosen  oder  Quitten,  mit  glatten  Myrthenblättern,  Mispeln, 
Alaun,  Aloe,  Weinblüthe,  Hypokistis,  Akazie,  unreifen  Galläpfeln 
und  frisch  gepresstem  Oele,  mit  Oel  von  Rosen,  Myrrhen,  Mastix- 
baum, Quitten;  ebenso  sind  förderlich  Umschläge  mit  irgend  einem 
adstringirenden  und  kühlenden  Kraut,  wie  z.  B.  Portulak,  Bilsen- 
kraut, Schafzunge,  Flohkraut,  Nachtschatten,  Perdikium , Poly- 
gonum,  Seris,  vermengt  mit  feinem  Gerstenmehl  und  Essig  oder 
mit  Datteln.  • Auch  diese  Umschläge  sind  oft  zu  wechseln.  Ferner 
sind  recht  kräftig  zusammenziehende  Mutterzäpfchen,  zu  denen  man 
z.B.  nimmt  Galläpfel,  W eihrauchkörner,  V itriolerz,  welche  Substanzen 
zu  gleichen  Theilen  mit  süssem  Weine  zu  mischen  sind,  oder  Asche 
oder  Theer  (!),  mit  dem  die  zum  Autlegen  bestimmten  Schwämme 

benetzt  werden  und  das  dann  auch  innerlich  eingeführt  wird 

oder  trockene  Hefe  mit  irgend  einem  adstringirenden  Safte  zu 
gebrauchen.  Bei  ulcerativer  Zerstörung  wenden  wir  den  schwarzen 
Trochiscus  (dicc  xccqzov)  mit  Essig  oder  einen  von  den  Trochislcen 
an,  die  gegen  Ruhr  verordnet  werden.  Wenn  auch  hierdurch 
eine  Aetzung  veranlasst  wird,  so  ist  doch  diese  leicht  zu  beseitigen, 
falls  die  Kranke  überhaupt  am  Leben  bleibt.  Es  ist  Speise  zu 
reichen,  nachdem  zuvor  das  Gesicht  mit  kühlem  Wasser  abge- 
wischt ist.  Die  Nahrung  bestehe  in  Reis,  der  mit  kaltem  Wasser 
oder  dem  Essiggemisch  zu  bereiten  ist,  in  Spelt,  Brot  und  weichen 
Eiern  mit  Essig.  Später,  nach  Verlauf  einiger  Tage,  darf  ge- 
nossen werden : Seris  oder  Schafzunge  in  Essig  und  wenig  frisch 
gepresstem  Sumachsaft,  gut  gekochtes  und  frisch  gepresstes  Oel, 


124 


•Quitten  geröstet  oder  Eppich  gekocht,  ein  Stückchen  Brustfleisch 

ivriner  W1  den  kaube>  gekocht  in  Essiggemisch  oder  o-efülh 
mit  Myrten  oder  von  Rebhuhn,  Haselhuhn  oder  ähnlichem  Ge! 

ugel.  Ist  die  /eit  des  allgemeinen  Leidens  vorüber,  so  kann 
man  auch  einen  leichten  Wein  und  später,  wenn  die  Kräfte 
wieder  genügend  zugenommen  haben,  auch  ein  Bad  gestatten. 

den  §Ad2'  iViele  AerZtS  und  U1lter  ihnen  auchThemison  wandten 
den  Aderlass  wegen  seiner  Eigenschaft,  den  Stoff  abzuführen 
g rne  an  doch  missbillige  ich  dies.  Denn  der  Aderlass  erschlafft’ 
wahrend  doch  der  am  Blutfluss  leidende  Theil  eine  Stärkung  und 
Zusammenziehung  erfordert ; der  Stoff  ist  nicht  abzuführeng  son- 
dern  festzuhalten.  Ja,  der  Aderlass  bringt  sogar  Gefahr.  Wenn 
nämlich  durch  den  Aderlass  der  Blutsturz  nicht  gehemmt  wird 
so  muss  noth  wendiger  weise  der  Tod  schneller  an  die  Kranke 
herantreten  da  dann  ihre  Kraft  durch  doppelten  Blutfluss  ver- 
geudet wird.  Ist  aber  auch  der  Blutfluss  durch  den  Aderlass  ge- 
hoden’  £°  kehrt  doch  die  Entzündung  später  in  Folge  des  Ein- 
griffs ( Trauma)  in  stärkerem  Masse  zurück  und  bringt  ent- 
sprechende Gefahr.  Denn  wenn  wir  eine  Ader  öffnen  würden,  würden 
wir  nach  dem  Aderlass  und  dem  Blutfluss  die  Frau  sofort  tödten 
B alls  wir  jedoch  andererseits  wieder  bei  einer  starken  Entzündung 
™?ht  durch  Aderlass  Blut  entzögen,  würden  wir  die  Kranke  ohne 
Hulte  lassen.  Denn  nichts  beseitigt  so  leicht  die  Gefahr,  welche 
in  der  Entzündung  liegt,  als  ein  Aderlass. 

Viele  schreiben  auch  antipathischen  Mitteln  einige  Wirkung 
zu,  so  dem  Magnetstein,  dem  Schlamm  und  dem  Lab  eines  Hasen 
und  manchen  anderen  Amuleten,  welchen  wir  keine  Heilkraft 
beimessen  können.  Lnd  doch  darf  man  den  Gebrauch  derselben 
nicht  wehren.  Denn  hilft  das  Amulet  auch  nicht  direkt,  so  richtet 
doch  die  Hoffnung,  welche  die  Kranke  auf  dasselbe  setzt,  ihren 
Muth  auf. 


Kapitel  XI. 

Der  Ausfluss  aus  den  weiblichen  Geschlechtstheilen. 

§ 43-  Der  sogenannte  weiblicheFluss  ist  nach  älterer  Definition, 
wie  sie  uns  Alexander  Philalethes  in  dem  ersten  Buche  seiner 
Gynäkologie  darlegt,  „der  Erguss  einer  grösseren  Mcng'e  Blut 
durch  die  Gebärmutter  während  einer  längeren  Zeit“,  nach  der  Defini- 
tion des  D emetr  io  s,  des  Anhängers  des  Herophilos,  dagegen 
„der  Erguss  von  P Bissigkeiten  durch  die  Gebärmutter  während 
einer  längeren  Zeit,  denn  es  flössen  nicht  nur  Blut,  sondern  zu 
verschiedenen  Zeiten  auch  ganz  verschiedene  Stoffe  aus.  Wir 


125 


definiren  ihn  als  einen  chronischen  Ausfluss  aus  dem  Uterus,  wo- 
bei die  Aussonderung  einer  grösseren  Quantität  Flüssigkeit  wahr- 
genommen  wird. 

Asklepiades  und  noch  einige  andere  Aerzte  unterschieden 
zwei  Arten  von  Ausfluss:  einen  rothen  und  einen  wässerigen, 

weissen  Fluss.  Demetrios  macht  dagegen  Unterschiede  nach 
der  Farbe  und  Wirkung  (dvva/uis)-  Nach  der  Farbe  unterscheidet 
er  einen  weissen,  wie  Gerstenschleim  (Decoct),  einen  wässerigen, 
einen  rothen,  einen  schwarzen,  einen  blutigen,  einen  fleischwasser- 
ähnlichen, einen  ungleichartigen,  einengelblichen.  Was  die  Wirkung 
betrifft,  so  fliesse  er  bald  nur  reizlos,  ohne  Jucken  und  sonstige 
Schmerzen,  bald  mit  Jucken,  Schärfe  und  schmerzvoller  Mitem- 
pfindung zur  Zeit  der  Absonderung.  Ferner  behauptet  er,  der 
eine  Fluss  komme  aus  dem  ganzen  Körper,  ein  anderer  aus  dem 
Uterus,  andere  aus  anderen  Theilen  des  Körpers,  und  er  erörtert 
dann  genau  die  verschiedenen  Merkmale  dieser  Ausflüsse,  deren 
Aufzählung  jedoch  unnütz  und  weitläufig  wäre.  Denn  jeder 
Fluss,  mag  er  aus  dem  ganzen  Körper  oder  nur  aus  einem  Theile 
desselben,  wie  aus  dem  Uterus  kommen,  muss  der  Kur  unter- 
worfen werden.  Man  sagt  von  dem  weissen  hluss,  er  sei  schwerer 
zu  behandeln  als  der  rothe,  weil  er  engeren  Kanälen  (Gefässen) 
entströme.  Im  Allgemeinen  werden  wir  für  den  Fluss  als  Merk- 
male aufstellen:  andauernde  Nässe  an  den  Geschlechtstheilen,. 

wobei  die  Feuchtigkeit  verschiedene  Farben  aufweist,  Blässe, 
Abmagerung  und  Appetitlosigkeit  der  Kranken,  häufig  auftretende 
Athembeschwerden  beim  Gehen,  Anschwellung  der  Füsse. 

§ 44 x).  Im  Besonderen  ist  das  Leiden  verschieden,  je  nach- 
dem es  ohne'  Schmerzen  oder  mit  Schmerzen,  ohne  Geschwür 


l)  -/.ata  x’jy.Xov  a^TY]»  die  cyldische  Kur  der  Methodiker  bei  Soranus  auch  II, 
32  und  38  erwähnt. 

Caelius  Aurelianus , der  spätere  lateinische  Editor  unseres  Soranus,  schildert 
in  Chronic.  Lib.  I,  Cap.  I die  Kur  ausführlich.  Zuerst  kommt  der  Cyklus  resum- 
tivus:  Am  ersten  Tage  wenig  oder  nichts  geniessen,  am  zweiten  Tage  Körpermotion 
und  Salbung,  als  Nahrung  das  Drittel  der  gewohnten  Ration,  als  Speise  Brod,  Eier, 
allerlei  Gemüse,  zarte  Fische,  Drosseln  (turdi,  ficedulae),  Hirn  von  Schwein  oder 
Zicklein.  Damit  wird  2 — 3 Tage  fortgefahren  unter  Beobachtung  des  Kräftestandes. 
Hierauf  wird  das  zweite  Drittel  der  bisher  verminderten  Ration  erlaubt,  ein  Brei 
aus  Drosseln,  jungen  Tauben  etc.  Nach  abermals  3 bis  4 Tagen  wird  das  letzte 
Drittel  beigefügt  und  Brei  von  Hasen,  Reh.  Nach  wieder  so  viel  Tagen  Brei  von 
Schweinefleisch.  Bezüglich  des  Weines  findet  dieselbe  allmähliche  Mehrung  der 
Dosis  statt,  bei  grossem  Durst  wird  Wasser  empfohlen. 

Auf  den  resumtiven  Cyklus  folgt  nun  der  umstimmende  (Metasincriticus).  Hier 
spielen  scharfe,  salzige  Speisen  die  Hauptrolle  (Kappern  mit  Senf,  grüne  eingemachte 
Olivenkolymbades  genannt),  Zwiebeln  etc.  sind  aber  verboten.  Nebenbei  ähnliche 
Speisen,  wie  im  ersten  Cyklus.  Die  Kur  mit  gesalzenen  Speisen  heisst  Drimyphagia. 

An  diesen  Cyklus  schliesst  sich  eine  Kur  mit  Vomitiven  an.  Das  Genauere 
lese  man  bei  Cael.  Aurelianus  nach. 


(Ulceration)  oder  mit  Geschwür  auftritt,  welch’  letzteres  mit  einer 
Entzündung  verbunden,  jauchig  oder  rein  sein  kann.  (Geht  der 
Ausfluss  ohne  Geschwürsbildung  und  ohne  Schmerzen  vor  sich, 
so  sind  alle  Mittel  anzuwenden,  welche  wir  bei  dem  Blutfluss 
aufgezählt  haben),  will  man  noch  Heiltränke  verordnen,  so  dürfeu 
dies  nicht  solche  sein,  welche  scharfe  Pflanzenstoffe  enthalten, 
sondern  milde  . . . . , wie  z.  B.  ein  Aufguss  von  geschnittenen 
Lotosblumen,  allein  oder  in  Verbindung  mit  2 Obolen  samischer 
Erde  in  2 Cyathi  Wasser,  und  wenn  die  Zeitumstände  es  gestatten, 
auch  mit  einem  herben  Wein,  ferner  mit  letzterem  zusammen 
das  Lab  eines  Hasen,  Kalbes,  Lammes  oder  Hirsches,  denn  dieses 
wirkt  zusammenziehend,  weiche  Weinbeerkerne,  Myrthenbeeren, 
Granaten,  Fichtenrinde  oder  ähnliche  Stoffe,  von  denen  als 
Maximum  2 Drachmen  in  einen  Trank  zu  mischen  sind,  das 
Dekokt  von  Theba'ischen  Datteln  oder  Quitten.  Ist  der  Aus- 
fluss mit  Schmerzen  verbunden,  so  soll  man  vermittelst  der  Mutter- 
oder Klystierspritze  einen  Aufguss  aus  Tragus,  Spelt  oder  Gersten- 
graupen injiciren,  auch  sind  nach  Möglichkeit  warme  Umschläge 
aufzulegen  und  warme  und  leichte  Speisen  zu  verabreichen.  Bei 
dem  Flusse  mit  Geschwürsbildung  ist  im  Falle  der  Entzündung 
dasselbe  Verfahren  einzuschlagen,  wie  bei  dem  Ausflusse,  der 
mit  Schmerzen,  doch  ohne  Geschwür  auftritt.  Ist  der  Ausfluss 
jauchig,  wie  weinhefefarbig,  so  gebrauchen  wir,  wie  bei  der 
Dysenterie,  bald  Mittel,  die  reinigen,  bald  solche,  welche  die 
Vernarbung  herbeiführen.  Alle  diese  Mittel  werden  wir  später 
in  dem  Kapitel  über  die  Geschwüre  der  Gebärmutter  aufzählen. 

AVenn  der  Fluss  chronisch  geworden  ist  und  bald  zunimmt, 
bald  abnimmt,  so  sind  in  den  Zeiten  der  Zunahme  einfache  Lin- 
derungsmittel, in  den  Zeiten  des  Nachlasses  dagegen  solche  Mittel 
zu  gebrauchen,  welche  sätrken  und  zugleich  den  Körper  um- 
stimmen, wie  mancherlei  passive  Motion , Spazierengehen,  Dekla- 
miren,  fleissiges  Salben,  Baden,  Trinken  eines  leichten  Weines 
und  Genuss  gemischter  Kost,  oberflächliches  Erwärmen,  Sonnen, 
Schröplköpfe,  welche  umstimmen,  Pechpflaster,  Frottiren  mit  der 
blossen  Hand  oder  mit  roher  Leinwand,  Enthaarungsmittel  (Rusma 
Turcarum?)  oder  Salben,  welche  den  Körper  umstimmen,  Senf- 
pflaster, Erregen  von  Erbrechen  durch  Rettige,  Essen  scharfer 
Speisen  und  die  cyclische  Kur  (cf.  Ermerius  CAIII.  V.  Rose  p.  394^> 
Untertauchen  und  Douchen  in  natürlichen  Gewässern,  Luftver- 
änderungen zu  Wasser  und  zu  Lande,  Sitzbäder  und  Mutter- 
zäpfchen, welche  reizend  ( a/.tvooeiv ) wirken. 

Die  sonst  wohl  bei  dem  blutartigen  Ausfluss  übliche  A enae- 
sektion  am  Ellbogen,  der  Nase  oder  der  Stirne  missbilligen  wir 
aus  den  bereits  oben  angeführten  Gründen  auch  hier,  es  sei  denn, 
dass  ein  gar  heftiger  Schmerz  sie  indicire.  Denn  die  Krankheit 


127 


verlangt  Zusammenziehung,  nicht  Eerschlaffung,  wie  sie  die  Ent- 
ziehung des  Blutes  natürlich  herbeiführen  muss. 


Kapitel  XII. 

Die  Gonorrhoe. 

§ 45  1).  Die  Gonorrhoe  kommt  nicht  nur  bei  Männern,  son- 
dern auch  bei  Frauen  vor.  Sie  besteht  in  einer  Samenentleerung, 
welche  ohne  Geschlechtslust  und  Blutwallung  (evraoig)  erfolgt 
(Hippokr.  IX.  189)  und  welche  in  kleinen  Zwischenräumen  auf- 
tritt,  wobei  der  Körper  Farbe  und  Kraft  verliert  und  abzehrt. 
Denn  auch  die  Gebärmutter  wird  schlaff,  die  Kräfte  nehmen  ab  und 
der  Körper  magert  ab.  Es  fliesst  nämlich  allmählich  der  Stoff 
aus  dem  Körper  zur  Gebärmutter  und  erleidet  in  den  Geschlechts- 
theilen  eine  kleine  Veränderung,  wie  bei  Augenkranken  die  Thräne. 
Auch  ist  die  Krankheit  ihrer  Art  nach  ein  Ausfluss  (Katarrh) 
und  pflegt  langwierig  zu  sein. 

§ 46.  Solange  die  Krankheit  noch  im  akuten  Stadium  sich 
befindet,  ist  lindernd  vorzugehen.  Die  Kranke  soll  sich  in  ad- 
stringirende  und  ziemliche  kalte  Abkochungen  setzen,  wie  solche 
von  Rosen,  Myrthen,  Mastix,  Brombeeren  und  ähnlichen  Pflanzen 
gemacht  werden,  und  den  Unterleib  und  die  Leisten  mit  dem 
Safte  der  Akazie  und  der  Hypokistis,  vermischt  mit  herbem  Wein 
und  mit  ähnlichen  Stoffen,  salben.  Auch  kann  man  Umschläge 
und  Salben  aus  Datteln,  Quitten  und  Myrthen  gebrauchen,  eine 
breite  und  dünne  Bleiplatte  lege  man  des  Nachts  unter  die  Hüften, 
man  benutze  altgewaschene  Bettdecken,  auch  die  Unterbetten 
dürfen  nicht  weich  sein.  Brechmittel  sind  anzuwenden  nach  dem 
Essen,  besonders  aber  bei  nüchternem  Magen.  Die  oberen  Theile 
sind  möglichst  lange  zu  massiren  und  zu  reiben,  dagegen  dürfen 
die  kranken  Theile  selbst  keineswegs  geölt  oder  erwärmt  werden. 
Zu  trinken  darf  man  geben:  eine  Drachme  von  der  im  Schatten 
getrockneten  Alikakabonwurzel  mit  Wasser,  oder  das  gleiche 
Quantum  von  Keuschlamm-,  Hanf-  oder  Rautensamen,  von  Speisen 
müssen  alle  vermieden  werden , welche  dünn  und  brühig*  sind, 

1)  Gonorrhoe.  Ableitung  von  fovr)  Samen  und  p'eiv  fliessen  (Galen,  de  loc. 
affect.  Lib.  VI  bei  Kühn  VIII  439).  Zunächst  handelt  es  sich  um  Samenausflüsse, 
wenn  auch  der  Ausdruck  später  auf  diverse  Urethralaffektionen  ausgedehnt  wurde. 
Während  die  Gonorrhoe  der  Männer  von  den  alten  Autoren  (man  sehe  die  Zusammen- 
stellung von  Puschmann  in  Alexander  von  Tralles  I,  274)  vielfach  erörtert  wurde, 
ist  die  der  Weiber  spärlicher  bedacht.  Auch  in  der  monographischen  Arbeit  des 
Rufus  von  Ephesus  über  Satyriasis  und  Gonorrhoe  ist  nur  von  Männern  die  Rede. 

Ueber  Semen  muliebre  sehe  man  oben  p.  18. 


128 


Samen  erzeugen  und  reizen,  vielmehr  ist  trockene  Kost  zu 
empfehlen,  gebratenes  Geflügel  uud  ein  wenig  saurer  Wein. 
Ueberhaupt  ist  auch  sonst  alles  zu  vermeiden,  was  geschlechtlich 
aufregen  kann,  so  darf  man  der  Kranken  keine  Gemälde  mit 
schönen  Gestalten  zeigen,  noch  mit  ihr  vom  Beischlaf  reden,  son- 
dern das  Gespräch,  die  Lektüre  und  sonstige  Beschäftigung  muss 
ernst  sein ! ! Dauert  der  Zustand  schon  länger,  so  sind  auch  gym- 
nastische Uebungen,  Schwitzen,  Frottiren  und  kalte  Bäder  anzu- 
wenden, auch  sind  Unterleib  und  Hüften  mit  Rosenöl  fleissig  zu 
bestreichen.  Schliesslich  sind  auch  hier  dieselben  Mittel  am  Platze, 
welche  für  Männer  gegen  Gonorrhoe  und  nächtliche  Ergiessungen 
(oveiQUigts)  verordnet  werden.  Lässt  die  Krankheit  nach,  so  ge- 
brauchen wir  Mittel , welche  lokal  und  konstitutionell  kräftigen 
und  umstimmen,  deren  Stoffe  weiter  oben  aufgezählt  sind. 


Kapitel  XIII. 

Atonie  des  Uterus. 

§ 47  *).  Wie  jeder  andere  Körpertheil,  so  leidet  auch  die 
Gebärmutter  bisweilen  an  Erschlaffung  und  Schwäche.  Bei  den  be- 
troffenen Frauen  zeigen  sich  Widerwille  gegen  den  Coitus,  Abgang 
von  Gasen,  wiederholt  auftretende  Menstruation,  indem  nämlich 
zwei-  oder  dreimal  im  Monat  in  unregelmässiger  Weise  eine 
schwarze  und  wässerige  Masse  zum  Vorschein  kommt,  und  die 
Unfähigkeit  den  männlichen  Samen  festzuhalten.  Dieser  fliesst 
vielmehr  wieder  heraus  und  zwar  bei  manchen  sofort  nach  dem 
Coitus,  bei  anderen  wenige  Tage  später,  bei  manchen  erst  nachdem 
er  bereits  eine  embryonale  Form  angenommen  hat,  bald  abgestorben, 
bald  schlecht  entwickelt,  und  zwar  unzeitig,  so  dass  Ausfliessen, 
Fehlgeburt  und  Frühgeburt  entsteht.  Unter  Ausfluss  (e'y.Qoia)  ver- 
steht man  das  Ausstossen  des  Samens  am  ersten  oder  zweiten 
Tage  nach  dem  Coitus,  unter  Fehlgeburt  ( extqioois ) versteht  man 
das  Absterben  des  Embryo  im  zweiten  oder  dritten  Monat,  unter 
Frühgeburt  die  Geburt  eines  fast  reifen  Kindes  nahe  dem  natür- 
lichen Termine.  Falls  im  letzteren  Falle  der  Embryo  nicht  todt 
ist,  so  ist  er  doch  schlecht  genährt  und  sehr  schwach.  Zur 
Zeit  der  monatlichen  Reinigung  tritt  Schwere  im  Unterleib,  .in 
den  Hüften  und  Schenkeln  auf.  Besonders  übel  daran  ist  der 
Magen,  da  aus  ihm  bisweilen  Ausdünstungen  zum  Kopfe  empor- 


1)  Der  Begriff  „Atonie  des  Uterus“  fällt  vielfach  mit  dem  Bilde  des  habituellen 
Abortus  zusammen.  Die  als  regelmässige,  jedenfalls  häufigste  Ursache  desselben, 
die  Lues  wurde  von  den  Alten  natürlich  nicht  berücksichtigt,  wenn  wir  auch  an- 
nehmen dürfen,  dass  sie  in  den  Grossstädten  der  alten  Welt  gewiss  nicht  selten  war. 


129 


steigen,  so  zeigen  sich  bei  solchen  Kranken  auch  jene  Symptome, 
welche  wir  bei  den  hysterischen  Stickkrämpfen  erwähnt  haben, 
bisweilen  zeigt  sich  auch  melancholische  Geistesstörung  und  Tob- 
sucht. Das  Leiden  entsteht  in  Folge  häufiger  Schwangerschaft 
und  Ausdehnung  des  Uterus  und  besonders  leicht,  wenn  der 
Embryo  stark  entwickelt  ist. 

§ 48.  Für  die  Therapie  sind  unter  den  in  den  früheren  Kapiteln 
erwähnten  Mitteln  diejenigen  hier  zu  gebrauchen,  welche  die  leiden- 
den Theile  stärken  können.  Denn  dies  Leiden  ist  genau  so  zu 
behandeln  wie  ein  langwieriger  Fluss.  Wir  gebrauchen  somit 
zur  Zeit  der  Anfälle  zusammenziehende,  zur  Zeit  des  Nachlassens  der 
Krankheit  kräftigende  und  umstimmende  Heilmittel.  Ist  der  Samen 
nach  dem  Coitus  nicht  sofort  wieder  ausgestossen  worden,  so  ist 
die  Conception  möglichst  zu  fördern,  wie  wir  bereits  im  ersten 
Theile  unseres  Werkes  dargelegt  haben.  Wenn  ein  Absterben 
der  Frucht  zu  erwarten  steht,  dessen  Merkmale  wir  bereits  in 
einer  früheren  Betrachtung  aufgezählt  haben,  und  zu  denen  noch 
das  widernatürliche  Einschrumpfen  der  Brüste,  wie  Hippokrates 
anführt,  und  das  Kaltwerden  der  Schenkel,  welches  Merkmal 
Diokles-  angiebt,  hinzuzufügen  sind,  oder  wenn  der  Embryo  be- 
reits todt  ist,  gilt  es  die  Ausscheidung  zu  unterstützen,  wozu  vor 
allem  die  Ruhe,  eine  hohe  Lage  und  Auflegen  von  Schwämmen, 
welche  in  Essigmischung  ausgedrückt  sind,  auf  Schamberg  und 
Llüften  förderlich  sind.  Oft  wurde  schon  so  eine  Fehlgeburt  ver- 
hindert, wenn  einmal  diese  Behandlung  bei  einer  frischen  Trennung 
der  Frucht  vom  Uterus  sofort  angeordnet  wurde.  Das  voll- 
ständige Ausstossen  der  todten  Frucht  ist  durch  erschlaffende 
Mittel  zu  fördern es  sind  ferner  adstringirende,  doch  lau- 

warme Halbbäder  zu  nehmen,  in  den  Uterus  warmes  Rosenöl, 
Narcissos-,  Lilien-  oder  Quittenöl  zu  injiciren,  und  Unterleib  und 
Hüften  mit  gleichen  Stoffen  zu  salben.  Auch  ist  der  ganze  Körper 
durch  Turnübungen,  welche  der  weiblichen  Natur  angemessen 
sind,  fleissig  in  Thätigkeit  zu  halten.  Essen  soll  die  Patientin 
nur  wenig  und  nur  fleischige  und  leicht  zusammenziehende  Speisen, 
ebenso  darf  man  ihr  einen  zusammenziehenden  und  mässig  herben 
Wein  geben.  Doch  darf  sie  nur  wenig  trinken,  denn  Durst  leiden 
passt  für  den  Zustand  besser.  Zu  verbieten  sind  alle  Speisen, 
welche  mit  Milch  und  Käse  zubereitet  werden,  auch  ist  jedes 
Laxiren  und  Purgiren  zu  meiden. 


Kapitel  XIV. 

Paralyse  des  Uterus. 

§ 49-  Lähmung  der  Gebärmutter  wird  ausser  anderen  Anlässen 
zumal  durch  schnell  auf  einander  folgende  Fehlgeburt  hervorge- 

Soranus:  Ueber  die  Krankheiten  des  weiblichen  Geschlechtes.  Q 


130 


rufen.  Die  Kranken  befällt  Widerwille  gegen  den  Coitus,  der 
Gebärmuttermund  wird  kalt,  dünn,  schlaff  und  ganz  runzelig,  auch 
die  Cervix  klafft  und  wird  unempfindlich.  Beim  Gehen  erweckt 
es  das  hindernde  Gefühl,  als  ob  ein  fremder  Körper  drinnen  wäre, 
auch  wird  beim  Coitus  die  Conception  unmöglich,  indem  der 
Samen  entweder  überhaupt  nicht  von  der  Gebärmutter  erfasst  oder 
im  andern  Falle  doch  sofort  wieder  wie  aus  einer  todten  Höhle 
ausgeworfen  wird.  Die  monatliche  Reinigung  bleibt  bisweilen 
ganz  aus,  bisweilen  nimmt  sie  einen  unregelmässigen  Verlauf, 
auch  erfolgt  bisweilen  unter  Mitleidenschaft  der  benachbarten 
Theile  eine  unfreiwillige  Ergiessung  von  Urin  und  Koth  und  Ge- 
fühl von  Schwere  im  Mastdarm.  Die  Krankheit  beruht  auf  der 
straffen  Faser  (GTsyvdv)  und  ist  chronisch,  bald  zu-,  bald  ab- 
nehmend. Die  Zunahme  macht  sich  durch  Schwere,  Gefühlslosig- 
keit  und  stärkeren  Fluss  bemerkbar,  im  entgegengesetzten  Falle 
hat  die  Krankheit  nachgelassen. 

Die  Therapie  verwendet  hier  dieselben  Mittel,  welche  bei  dem 
Ausbleiben  der  Menstruation  und  bei  der  Dysmenorrhoe  besprochen 
wurden. 


Kapitel  XV. 

Ueber  Lateralflexion,  Version  und  Elevation 

des  Uterus. 

§ 50 1).  Gleich  gekrümmten  Fingern  erfahren  Mund  und 
Hals  des  Uterus  verschiedene  Lageveränderungen,  bald  nach  den 
Seiten  hin,  bald  nach  vorne  und  oben,  bald  nach  hinten  und  unten 
sich  neigend,  bald  weichen  sie  auch  zurück.  Diese  Lagen  erkennt 
man  einmal  durch  Touchiren  mit  den  Fingern  — denn  durch  die 
Betastung  finden  wir  die  Richtung,  nach  welcher  die  Lagever- 
änderung  geht  — dann  an  den  Begleiterscheinungen.  Bei  einer 
seitlichen  Neigung  erfolgen  nämlich  im  entsprechenden  Schenkel 
Spannung,  Schmerz  und  Gefühl  von  Taubheit,  bisweilen  auch 
Atrophie,  Kältegefühl  und  Unmöglichkeit  zu  gehen  oder  zu  stehen. 
Bei  einer  Neigung  der  Gebärmutter  nach  vorne  und  oben  zeigen 
sich  Harnbeschwerden  und  allseitige  Anspannung  über  den  Scham- 
berg, in  manchen  Fällen  tritt  noch  die  Unfähigkeit  zu  stehen 
dazu.  Bei  einer  Neigung  der  Gebärmutter  nach  hinten  und  unten 


1)  Ein  Fragment  des  Diokles  von  Karystus  beweist,  dass  dieser  giosse  Aizt 
bei  Sektionen  von  Mauleseln  oft  eine  Schiefheit  des  Fruchthalters  gesehen  hat, 
woraus  der  Schluss  gezogen  wird,  dass  ein  ähnlicher  Zustand  an  der  Sterilität  der 

Frauen  die  Schuld  trage.  (Galen,  de  histor.  philosoph.  bei  Kühn  XIX.  329>  e'ne 
wohl  unechte  Schrift.) 


131 


endlich  treten  erschwerte  Koth-  und  Gasentleerung  und  Schwierig- 
keiten beim  Sitzen  ein , Erscheinungen , die  um  so  stärker  zum 
Vorschein  kommen,  je  mehr  die  Gebärmutter  nach  dem  Mastdarm 
sich  hin  neigt. 

Dies  sind  alles  Symptome  einer  pathologischen  Straffheit 
{gte yiöoewg).  Denn  diese  treten  immer  auf,  wenn  eine  Entzündung, 
Verhärtung  oder  eine  partielle  Stenose  zu  Grunde  liegen.  Manche 

geben  als  Grund  der  Neigung  an 

Unserer  Ansicht  nach  ist  das  Augenmerk  lediglich  auf  den 
Zustand  der  Kranken  zu  richten,  ganz  gleich,  ob  eine  Entzündung 
oder  im  Allgemeinen  eine  straffe  Faser  (oTeyvcooig)  vorliegt.  Es 
sind  bei  erneuerten,  starken  Anfällen  alle  scharfen  und  reizenden 
Mittel  zu  vermeiden,  dagegen  solche  anzuwenden,  welche  lindern 
und  erschlaffen,  zur  Zeit  des  Nachlasses  ist  dann  zu  stärkeren 
Mitteln  überzugehen.  Hat  das  Leiden  schon  längere  Zeit  ge- 
währt, so  sind  endlich  umstimmende  Mittel  zu  wählen.  Die  Roh- 
stoffe und  die  Anweisung  zum  rechten  Gebrauche  derselben  sind 
aus  den  früheren  Kapiteln  zu  entnehmen. 


Kapitel  XVI. 

Impotenz  und  Sterilität. 

§ 51—52 


Kapitel  XVII. 

Von  der  schweren  Geburt. 

. ? 53  *)•  Pie  Anhänger  des  Herophilos,  und  besonders  De- 
metnos.’  definiren  die  Dystokie  als  einV'schwere  Geburt,  andere 

vs*)  Vor  wasser,  auch  für  Chorion  (I.  57.  69).  Sind  die  Ei 

so  steht  1St  die  Formrestitutionskraft  (S  c ha  tz)  des  Uterus  beträchtlich 

so  steht  auch  das  Vorwasser  unter  gleich  hohem  Druck  und  der  Knnf  L-a„„  • Cl 

vorwärts  rucken,  weil  das  Vorwasser  nicht  ausweichen  kann.“  (Win  ekel  p ”nq) 
II.  56-  Xttu»v  Trpopprjyixatoc  i<rXuP6?  zu  grosse  Resistenz  der  Eihäute  P'  39 

ri-  ? vaSu  ?1C  Frucht  oline  Zerreissung  der  Eihäute“  etc  dh  in  He 

creduhs  vendunt,  si  quidem  causidici  hoc  iuvari  dicun^  Ae  i T advocat!s 
Anton.  Diadumen  can  a nie  J aicuntur.  Aelius  Lampridius  in 

aaumen,  cap.  4.  _ Die  Italiener  sagen  hier  „nascer  vestito“  , die  Fran- 

9* 


V 


dagegen  als  eine  mit  Hindernissen  verbundene  Geburt.  Diese 
Definitionen  scheinen  mir  ungenügend  und  ich  definire  deswegen 
so:  die  Dystokie  ist  eine  aus  irgend  einem  Grunde  entstandene 

Schwierigkeit  beim  Gebären 

Diokles  von  Karystos  behauptet  in  dem  zweiten  Buche  seiner 
tGynalcologie,  dass  die  Erstgebärenden  und  jüngeren  Frauen  schwer 
gebären;  leicht  hingegen  die  Mehrgebärenden;  eine  Dystokie 
entstehe  zunächst  dann,  wenn  der  Muttermund  nicht  in  gerader 
Richtung  liege,  verhärtet  und  verschlossen  sei  und  nicht  leicht 
nachgebe,  auch  eine  sehr  grosse  Frucht  veranlasse  sie.  In  dem 
dritten  Buche  seiner  Gynäkologie  zählt  er  zu  den  Ursachen  der 
Dystokie  noch  mangelhaft  entwickelte  und  todte  Früchte.  Nach 
seiner  Behauptung  gebären  auch  die  leukophlegmatischen  und 
hitzigen  Frauen  schwer.  Darin  irrt  er  aber , dass  er  nicht  den 
Ursachen  der  schweren  Geburten  nachforschte.  Ferner  ist  es 
doch  lächerlich,  den  Grund  der  Dystokie  in  der  Konstitution  der 
Mutter  zur  Zeit  der  Schwangerschaft  zu  suchen. 

Kleophantos  sagt  in  dem  elften  Buche  seiner  Gynäkologie 
zunächst,  dass  die  Erstgebärenden  schwer  gebären,  und  fügt 
dann  hinzu:  ,,es  gebären  ferner  alle  Frauen  schwer,  welche 
breite  Schultern  und  enge  Hüften  besitzen.  Denn  bei  solchen 
pflege  das  Vorwasser  nicht  vor  dem  Eintritt  der  Wehen  zu 
springen  und  es  erfolgt  daher  eine  Schwergeburt.  Ich  be- 
merke nebenbei,  dass  er  mit  Hydrops  das  bezeichnet,  was  ich 
„Vorwasser  (Prorrhegma)“  nenne.  Ferner  behauptet  er,  dass  alle 
Frauen  schwer  gebären,  bei  welchen  das  Kind  nicht  mit  dem 
Kopfe,  sondern  mit  den  Füssen  vorliegt  oder  gedoppelt,  d.  h.  in 
den  Hüften  gebogen  oder  schief  liegt  oder  den  Kopf  gegen  die 
Leistengegend,  die  eine  Hand  oder  den  einen  Schenkel  an  der 

Brust  anliegend  hat 

oder  welche  eine  unthätige  Lebensweise  führen.  Denn  Mangel 
an  Thätigkeit  veranlasst  Dystokie,  während  gymnastische  Be- 
schäftigungen eine  leichte  Geburt  und  gute  Ernährung  der  Frucht 
fördern.  An  dieser  Ausführung  ist  zu  tadeln,  dass  nicht  alle 
Ursachen  der  Dystokie  aufgezählt  sind. 

Herophilos  erwähnt  in  seiner  Geburtshilfe , dass  Dystokien 
vorkämen  auch  wegen  häufiger  Schwangerschaft.  So  sah  man, 


zosen  ne  coiffe.  Man  sehe  Grimm,  Deutsche  Mythologie  p.  y2®>  4-  Auf!.,  fernei 
H.  E.  Meyer,  Deutsche  Mythologie  68.  In  England  soll  die  Glückshaube  heute  noch 
in  den  grössten  Zeitungen  für  Geld  feilgeboten  werden.  Birlinger,  aus  Schwaben 
II.  234. 

Kleophantos.  Sonst  wenig  genannt  (cf.  Hecker  I,  327  und  Biograph.  Lexikon, 
Nachtrag  880;  bei  Siebold  nicht  bekannt);  einArzt  dieses  Namens  wird  bei  Rufus 

v.  Ephesus  erwähnt.  ^ , 

Andreas  von  Karystos,  Biogr.  Lexik.  I,  14°  u-  Nachtrag  4I2>  Arzt  des 
Ptolemäus  Philopator,  vielgenannter  Pharmakolog. 


133 


dass  die  Ivebsin  des  Simon  von  Magnesia  unter  fünf  Geburten 
dreimal  schwer  geboren  habe.  Eine  Dystokie  trete  ein  bei  der 
schiefen  Lage  des  Embryo,  bei  nicht  ausreichender  Weite  des 
Mutterhalses  oder  Muttermundes  oder  wenn  die  den  Embryo  um- 
hüllende Haut  an  der  Stelle,  wo  das  Fruchtwasser  sich  an- 
sammelt, zu  dick  ist  und  daher  vor  der  Geburt  nicht  reissen 
kann.  Auch  behauptet  er,  es  sei  durch  Augenschein  bewiesen, 
dass  die  Frucht  auch  ohne  Zerreissung  der  Eihaut  gekommen 
sei.  Solche  Embryonen  werden  aber  schwierig  geboren.  Eine 
Dystokie  werde  ferner  durch  zu  grosse  Schwäche  der  Gebär- 
mutter oder  des  Körpers  (oco/na)  veranlasst.  Die  Sterilität  be- 
ruht aber  auf  Schwäche  (Schlaffheit)  der  Gebärmutter  in  dem 
Leibe.  Auch  äussere  Einflüsse  und  Ursachen,  ferner  blutige  und 
wässerige  Ausflüsse  können  zur  Dystokie  führen.  Wenn  ferner 
die  Gebärmutter  durch  den  Embryo  zu  sehr  gespannt  ist,  entsteht 
noch  ein  Grund  zur  Schwergeburt;  weitere  Ursachen  sind:  Kälte, 
Hitze,  Geschwülste  oder  Abscesse  in  den  Eingeweiden,  im  Epi- 
gastrium.  Auch  Verkrümmung  der  Lenden-  und  Brustwirbel- 
säule erschweren  die  Geburt,  ebenso  Fettansatz  im  Bauche  und 
im  Becken,  indem  dadurch  der  Uterus  gedrückt  wird,  schliesslich 
noch  der  Tod  des  Embryos.  Dies  ist  die  Ausführung  des  Hero- 
philos. Andreas  aber  in  dem  Briefe  an  Sobios  stimmt  den  An- 
sichten des  Herophilos  bei  und  fügt  noch  Lähmung  und  Schrumpf- 
ung der  Frucht  hinzu.  Denn  die  mangelnde  Schwere  solcher 
Fötus  veranlasse  eine  Dystokie. 

§ 54.  Der  Schüler  des  Herophilos  Demetrios  führt  dagegen 
aus,  die  Ursachen  der  Dystokie  liegen  tfieihTm  der  Mutter,  theils 
im  Kinde  und  theils  in  den  Gebärorganen.  Die  Ursachen  der 
Dystokie,  welche  von  der  Mutter  ausgehen,  liegen  entweder  in 
ihren  psychischen  oder  in  ihren  animalischen,  d.  h.  leiblichen 
Fähigkeiten  (resp.  Qualitäten).  Derartig  wirkende  psychische 
Zustände  sind  Betrübniss,  Freude,  Schrecken,  Furcht  oder  allzu- 
grosse Empfindlichkeit  (Weichlichkeit),  Ohnmacht.  Denn  manche 
brauen  verweichlichen  in  Schwelgerei  und  verlernen  die  An- 
strengung. Sie  vermögen  daher  auch  nicht  die  Wehen  zu  ver- 
arbeiten, und  können  somit  nicht  gebären.  Auch  umflortes  Be- 
wusstsein ist  ein  Grund  der  Dystokie,  indem  der  Schmerz  nur 
schwach  gefühlt  wird.  Dies  kann  man  bei  den  Frauen  annehmen, 
welche  von  Apoplexie  und  Lethargie  befallen  sind.  Auch  die 
Einbildung  der  Frau,  sie  habe  gar  nicht  empfangen,  wirkt  er- 
schwerend auf  die  Geburt.  Physische,  in  dem  Zustand  des 
Körpers  begründete  Ursachen  sind:  mangelnde  Verdauung, 

Appetitlosigkeit,  Abzehrung,  erschwertes  Athmen,  hysterische 
Beschwerden. 


134 


Physische  Ursachen  für  das  Eintreten  der  pathologischen 
Schwergeburt  liegen  ferner  vor  in  Fällen,  wo  der  Körper  zu 
mager  ist,  weil  er  dann  durch  seine  Schwäche  nicht  im  Stande 
ist  mitzuempfinden  oder  wo  er  zu  fleischig  ist,  denn  dann  sind 
die  Gefässe  ( noqot ) zu  enge.  Eine  Dystokie  tritt  auch  wohl  dann 
ein,  wenn  bei  schwachen  Konstitutionen  zu  starke  Schweissab- 
sonderung  stattfindet,  wenn  die  Gefässe  eng  sind  und  die  Säfte 
zurückgehalten  werden.  Denn  die  von  Natur  mit  Säften  über- 
füllten Körper  sind  kraftlos  und  wenn  ein  Druck  hinzukommt, 
so  werden  die  Geburtswege  zu  eng.  Scharfe  oder  im  Gegensätze 
dazu  schwach  wirkende,  den  Körper  nicht  reizende  und  dicke 
Säfte  veranlassen  in  ähnlicher  Weise  Dystokie,  indem  sie  ent- 
weder zu  viel  oder  zu  wenig  Pneuma  führen.  Elochgewachsene 
Weiber  und  solche , die  oben  breiter  und  unten  schmal  sind, 
gebären  ebenfalls  schwer,  denn  es  fehlen  ihnen  die  richtigen 
Proportionen.  Auch  Krankheit  der  Gebärmutter  veranlasst  Dys- 
tokie, wie  z.  B.  eine  Schwergeburt  ein  treten  kann,  wenn  die 
Gebärmutter  kongestionirt,  entzündet  oder  erhitzt  ist,  wenn  sie  ge- 
lähmt, erschlafft  oder  der  Empfindung  beraubt  ist.  Diese  Ur- 
sachen nennt  er  körperliche,  weil  sie  vom  Körper  ausgehen. 

§ 551).  Die  Ursache  der  Dystokie  kann  so  in  der  Schwängern 
selbst  liegen,  das  Kind  aber  bewirkt  sie,  wenn  es  einen  zu  grossen 
Körper  im  Allgemeinen  hat  oder  einzelne  Theile  desselben  un- 
verhältnissmässig  stark  entwickelt  sind,  wie  z.  B.  wenn  der  Kopf 
zu  gross,  die  Brust  zu  breit  und  der  Unterleib  zu  stark  ausge- 
dehnt ist,  wie  auch  bei  Wasserköpfen.  Denn  es  werden  nicht 
nur  Kinder  geboren , bei  denen  die  Grösse  ihres  Körpers  und 
seiner  Theile  ganz  physiologisch  ist,  sondern  auch  solche,  bei 
denen  sie  pathologisch  ist.  Auch  die  Zahl  der  Früchte  ist 
von  wesentlichem  Einflüsse,  z.  B.  wenn  zwei  oder  auch  drei 
Kinder  zu  gleicher  Zeit  eintreten  und  in  dem  Mutterhals  einge- 
keilt sind.  Ferner  veranlassen  noch  Dystokie  ein  todtes  Kind, 
da  es  bei  der  Geburt  nicht  mitwirken  kann,  ja  sie  auch  durch 
Aufschwellen  nach  dem  Tode  erschwert,  und  eine  regelwidrige 
Lage  des  Kindes.  Natürlich  ist  die  Lage  des  Kindes,  wenn  es 

1)  ijßTf)?  öaxcüv.  Der  Autor  nimmt  an,  dass  bei  den  Weibern  die  Symphyse 
nicht  eine  Harmonie-Naht  bilde  , sondern  dass  ein  starkes  Band  vorhanden  sei.  — 
Rufus  Ephesius  in  seiner  Schrift  über  die  Knochen  sagt:  Von  jeder  Seite  des  Os 
sacrum  erstrecken  sich  die  Darmbeine;  da  wo  ihre  Enden  vorn  sich  treffen,  sind 
sie  durch  einen  Knorpel  vereint,  (zaxa  xi  earjßatov.) 

Kindslage  und  Haltung.  Von  der  normalen  Haltung  des  Fötus  im  Uterus 
hatte  der  Autor  nur  sehr  unvollkommene  Vorstellungen.  Er  lconstruirt  sich  theore- 
tisch gewisse  Haltungen  und  Lagen,  die  in  der  Praxis  kaum  möglich  sind,  z.  B.  die 
Haltung  mit  gespreizten  Beinen  ; auch  der  Vorfall  beider  Hände  könnte  doch  nur 
bei  unreifen  Früchten  denkbar  sein.  Ueber  diese  Vorstellungen  abenteuerlicher  Lagen 
sehe  man  die  in  V.  Rose’s  Edition  beigegebenen  Tafeln.  — Man  vergleiche  Muscionis 
Gynäcia  p.  76. 


135 


mit  dem  Kopfe  vorliegt,  die  Hände  neben  beiden  Schenkeln  aus- 
gestreckt  sind  und  der  Embryo  sich  gerade  aus  bewegt,  wider- 
natürlich ist  sie,  wenn  der  Kopf  nach  der  rechten  oder  linken 
Seite  des  Uterus  sich  stemmt  oder  die  eine  oder  auch  beide 
Hände  nach  aussen  vorfallen,  während  die  Schenkel  gespreizt 
sind.  Unter  den  übrigen  Lagen  ist  die  weniger  gefährliche  die 
Fusslag-e,  zumal  dann,  wenn  die  Hände  neben  den  Schenkeln 
liegen  und  das  Kind  so  gerade  herauskommt.  Ist  der  eine 
Schenkel  vorgefallen,  während  der  andere  noch  innen  ist,  oder 
liegt  der  Fötus  gedoppelt  oder  stemmt  er  sich  auf  irgend  einen 
Theil  des  Uterus,  so  sind  die  Lagen  zu  verbessern,  was  auch 
dann  nothwendig  ist,  wenn  die  Hände  aus  einander  gespreizt  sind. 

Unter  den  weiteren  zwei  Lagen  ist  die  Schieflage  die  günstigere. 
Die  Schieflagen  können  dreifacher  Art  sein,  je  nachdem  eine  der 
beiden  Seiten  (und  die  Hüften)  oder  der  Bauch  vorliegen.  Besser 
ist  die  Seitenlage,  denn  sie  giebt  der  Hand  der  AVehemutter  Raum, 
das  Kind  auf  den  Kopf  oder  auf  die  Füsse  zu  wenden. 

Die  gedoppelte  Lage  ist  von  allen  die  ungünstigste  und  im 
höchsten  Grade  ungünstig  dann,  wenn  die  Hüften  vorliegen. 
Auch  die  Doppellage  ist  dreifacher  Art.  Entweder  liegen  Schenkel 
und  Kopf  oder  der  Bauch  oder  die  Hüften  auf  dem  Muttermunde. 
Besser  ist  es  hierbei,  wenn  der  Bauch  auf  dem  Muttermunde  liegt. 
Denn  nachdem  wir  die  Bauchhöhle  eröffnet  und  die  Eingeweide 
herausgenommen  haben,  fällt  der  Körper  zusammen  und  die 
AVendung  gelingt  leicht. 

Eine  Dystokie  tritt  auch  bei  Schwangerschaft  mit  Missge- 
burten ein  und  auch  dann,  wenn  der  Embryo  keine  AVeichtheile 
mehr  besitzt  und  seine  Knochen  die  Gebärmutter  durchbohren. 
Die  Knochen  des  Embryo  können  in  Folge  Verfaulung  der 
Weichtheile  entblösst  sein,  ein  Fall,  der  selten  vorkommt,  oder 
was  häufiger  geschieht , es  werden  bei  ungeschickter  Extraktion 
mittelst  des  Hakens  die  AVeichtheile  entfernt  und  die  entblössten 
Knochen  verletzen  dann  die  Gebärmutter. 

In  den  Geburtswegen  liegt  die  Ursache  der  Dystokie,  wenn 
der  Uterus  einen  zu  engen  oder  einen  zu  kleinen  Mund  oder  Hals 
hat.  Dieses  beruht  auf  mancherlei  Ursachen.  Sie  zeigt  sich  zu- 
nächst bei  Frauen,  welche  vor  der  Erlangung  der  Reife  heirathen, 
concipiren  und  gebären  zu  einer  Zeit,  wo  der  Uterus  nocht  nicht 
seine  natürliche  Grösse  erreicht  hat  und  die  Uterushöhle  noch 
nicht  das  richtige  Kaliber  besitzt.  Bisweilen  ist  sie  auch  in  der 
besonderen  natürlichen  Anlage  und  Konstitution  der  Frau  begründet, 
denn  manche  haben  von  Natur  einen  kleinen  Uterus,  wie  es  auch 
bei  anderen  Theilen  vorkommt.  Ueberhaupt  besitzen  die  wegen 
ihrer  Jugend  noch  nicht  ausgewachsenen  Frauen  eine  den  son- 
stigen Organen  entsprechende  Gebärmutter.  Dystokie  entsteht 
ferner  bei  schiefer  Stellung  des  Mutterhalses,  oder  wenn  ein 


136 


pathologisches  Fleischgewächs  im  Halse  oder  Muttermunde  sich 
gebildet  hat,  ferner  bei  Entzündung,  Abscess  oder  Verhärtung- 
dieser  1 heile,  oder  wenn  die  Eihaut,  welche  das  Vorwasser  ent- 
halt, so  dick  ist,  dass  der  Embryo  sie  nicht  zu  zerreissen  vermag. 
Auch  wenn  das  Fruchtwasser  vorzeitig  abgeht,  bleiben  die  Theile 
im  Augenblicke  der  Geburt  trocken  und  dürr,  während  doch  diese 
b euchtigkeit  dazu  bestimmt  ist,  dem  Embryo  einen  schlüpferigen 
und  leichten  Durchgang  zu  verschaffen.  Auch  Conception  nach 
einer  langen  Wittwenschaft , sowie  vorgerücktes  gebrechliches 
Alter  machen  die  Geburt  schwierig.  Ferner  gebären  bisweilen 
solche  schwer,  welche  als  Erstgebärende  sich  aufregen  und  in 
ihrer  Unerfahrenheit  dem  Körper  nicht  die  richtige  Lage  zu  geben 
vermögen.  Alles  dies  sind  Momente,  welche  eine  Dystokie  ver- 
anlassen können.  Auch  entstehen  Schwierigkeiten  durch  den 
Druck  von  Kothmassen  oder  Harn  und  durch  das  Vorhandensein 
von  Blasensteinen,  da  eine  Kompression  des  Cervix  dadurch  er- 
folgt. Ein  weiterer  Grund  ist , dass  die  Eihaut  sich  nur  schwer 
zerreissen  lässt  oder  nicht  genügende  Flüssigkeit  enthält,  um  den 
Kanal  schlüpferig  zu  machen.  Schwierig-  wird  die  Geburt  dann 
auch  dadurch,  dass  die  Schamknochen  derartig  verwachsen  sind, 
dass  sie  bei  der  Geburt  nicht  auseinander  zu  gehen  vermögen. 
Bei  den  Frauen  sind  nämlich  die  Schamknochen  nicht  wie  bei 
den  Männern  zu  einer  unbeweglichen  Gelenkverbindung  ver- 
wachsen, sondern  ein  starkes  Band  vereinigt  sie.  Schliesslich  ist 
noch  die  Lordose  der  Lendenwirbel  gefährlich,  weil  der  Uterus 
auf  die  eine  oder  andere  Seite  gedrängt  werden  kann. 

§ 57-  Beim  Körper  sind  innere  oder  äussere  Verhältnisse  von 
Einfluss,  wenn  nämlich  die  Gebärende  zu  fleischig  und  fett  ist. 
Ausserhalb  des  Körpers  liegen  die  Gründe,  wenn  z.  B.  die  Frau  ihre 
Geschlechtstheile  nicht  g-enügend  vorbereitet  hat,  (oder  weil  das 
Fraueng-emach  nicht  hinreichend  vorbereitet  wurde  (V.  Rose)  oder 
weil  sie  vorher  sich  zu  wenig  gymnastisch  geübt  hat  (Ermerins) 
oder  übermässiges  Weintrinken  oder  Nachtwachen  gewohnt  ist,  oder 
wenn  der  Geburtsakt  zu  einer  sehr  kalten  Winterszeit,  weil  dann 
die  Gefässe  verengt  sind,  oder  zu  einer"  sehr  warmen,  erschlaffenden 
Sommerzeit  eintritt,  oder  wenn  die  Wehemutter  oder  der  Arzt 
unerfahren  sind.  Dystokie  entsteht  ferner  durch  die  Wehen,  wenn 
der  Uterus  sehr  gespannt  ist  oder  das  Chorion  von  der  Gebär- 
mutter abgetrennt  ist  oder  ganz  plötzlich  austritt  oder  theilweise 
die  Gebärmutter  quetscht;  ferner  auch  dann,  wenn  das  Blut  nicht 
durch  die  Gebärmutter  sich  in  das  Chorion  ergiesst,  sondern  in 
den  Venen  und  Arterien  des  Uterus  selbst  bleibt  und  die  Ge- 
fässe erweitert.  Auch  andersartige  Schmerzen  veranlassen  Dystokie, 
wie  wir  bereits  erwähnten.  Wie  bisweilen  Windsucht  schmerz- 
haft ist,  so  können  auch  durch  Blähungen  Wehen  erregt  werden. 


137 


Gegen  diese  ätiologischen  Momente  lässt  sich  nichts  sagen, 
und  es  dürften  anderweitige  Ursachen  kaum  durch  Zeugnisse 
festzustellen  sein.  Doch  damit  möchten  wir  die  Schüler  des 
Herophilos  zurechtweisen,  dass  in  einer  Abhandlung  über  Krank- 
heiten unbekannten  Ursachen  kein  Platz  gehört.  Auch  sind  sie 
ja  Betreffs  der  Existenz  derselben  uneinig. 

§ 58.  Die  aufgezählten  Ursachen  der  Dystokie  sind  theils  ganz 
leicht,  theils  weniger  leicht  auffindbar.  Uebermässige  Trauer, 
welche  schlaff  und  matt  macht , sowie  die  übrigen  psychischen 
Ursachen  können  anamnestisch  als  der  Geburt  hinderliche  Momente 
erhoben  werden.  Schlafsucht  und  Lethargie  sind  leicht  zu  kon- 
statiren.  Auch  sind  die  Anzeichen  dieser  Gemüthsbewegungen 
in  dem  Buche  über  die  akuten  Krankheiten  nachzulesen.  Die 
Grösse  des  Embryo  als  Ursache  der  Dystokie  erkennt  man  an 
dem  Umfang  des  Bauches.  Wenn  beim  Austritt  (der  Frucht)  nicht 
in  gleichem  Verhältniss  damit  sich  die  Anschwellung  des  Bauches 
vermindert,  so  kann  man  das  Vorhandensein  mehrerer  Embryonen 
annehmen.  Die  Seitenlagen,  das  Hervorstrecken  der  Hände,  über- 
haupt die  Lage  des  Kindes  lässt  sich  durch  Touchiren  feststellen. 
Wenn  das  Kind  am  Leben  ist,  so  hat  die  Kreissende  Wehen 
und  der  Leib  spannt  sich,  das  Epigastrium  wird  warm  befunden, 
ebenso  auch  der  Embryo  beim  Anfühlen  und  letzterer  auch  frisch 
(evdvd-eg).  Ist  das  Kind  todt,  so  hat  die  Kreissende  nicht  so  hef- 
tige Wehen,  ihr  Unterleib  ist  kalt,  beim  Einführen  der  Finger  ist 
am  Embryo  weder  Wärme  noch  Athmen  zu  spüren;  fällt  ein 
Theil  desselben  hervor,  so  sieht  er  schwarz  und  abgestorben  aus. 
Krankheiten  der  Gebärmutter  erkennt  man  durch  Manualunter- 
suchung, wobei  wir  uns  auf  die  oben  besprochenen  Zeichen  be- 
ziehen. Leidet  die  Frau  bei  der  Geburt,  so  ist  die  Grösse  der 
Gefahr  aus  dem  Pulsschlag  und  der  Respiration  zu  erkennen, 
den  nahenden  Tod  zeigen  Schwäche  des  Pulses  und  andere  Todes- 
zeichen an. 


Kapitel  XVIII. 

(Fortsetzung.) 

$ 59  *)•  Der  Arzt  hat  sich  zunächst  bei  der  Wehemutter 
betreffs  der  schwer  gebärenden  Frau  zu  erkundigen.  Sei  es  nun, 
dass  Straffheit  und  Enge  der  Geburtswege , oder  Kälte  oder 
Wärme  der  Umgebung,  oder  derbe  Beschaffenheit  des  Körpers 

1)  •/.oiXrjv  elvat  tov  6a<püv , wörtlich:  wegen  Hohlsein  der  Lendenwirbel:  hier 

kann  wohl  die  nach  aussen  gleichsam  hohle,  konkave  Lordose  gemeint  sein.  

Ermerins  übersetzt  lumbi  excavati.  Dieser  Zustand  ist  bekanntlich  bei  der  Scoiiose 
(auch  Kyphose)  der  Brustwirbel  eine  nothwendige  Kompensation. 


138 


überhaupt,  oder  Lordose  der  Lendenwirbel,  oder  mangelhafte  Ent- 
wickelung der  Gebärmutter,  oder  frühzeitige  Empfängniss,  oder 
lästige  Fettsucht  und  beengende  Ausdehnung  des  Leibes,  oder 
Trauer  oder  Angst,  Schief  läge  des  Mutterhalses,  oder  eine  Ent- 
zündung, oder  Trockenheit,  oder  ein  sonstiger  Grund  vorliegt, 
stets  soll  der  Arzt  zunächst  die  Erschlaffung  und  Entspannung- 
begünstigen, er  darf  nicht  sofort  zum  operativen  Verfahren  seine 
Zuflucht  nehmen,  ebensowenig  zulassen,  dass  die  Hebamme  den 
Uterus  misshandelt  (zerfleischt).  Wenn  die  Dystokie  durch  Lor- 
dose der  Lendenwirbel  veranlasst  wird,  so  soll  die  Kreissende  die 
Knielage  einnehmen,  damit  der  Uterus  sich  gegen  den  Bauch 
senke  und  in  gerade  Richtung  mit  dem  Mutterhalse  komme. 
Die  gleiche  Stellung-  haben  auch  fette  und  fleischige  Frauen 
einzunehmen.  Wenn  der  Muttermund  geschlossen  ist,  so  muss 
man  ihn  mit  fettigen  Substanzen  aufweichen,  z.  B.  unaufhör- 
lich süsses  und  warmes  Oel,  auch  ein  Decoct  aus  Bocks- 
horn , Malve  oder  Lein,  wohl  auch  Eiweiss  injiziren.  Auf 
solche  Weise  wird  nämlich  jeder  Druck  gelindert  und  die 
schwierige  Passage  schlüpfrig  und  leicht  gemacht.  Danach  sind 
die  Gegend  über  der  Scham , der  Unterleib  und  die  Hüften  mit 
Leinsamen  oder  Bockshorn  in  Oel  und  Honigwasser  zu  bähen, 
auch  Halbbäder  mit  Oel  zu  gebrauchen,  oder  mit  Schwämmen 
stark  zu  wärmen,  wobei  die  Feuchtigkeit  sofort  mit  Leinwand 
fortzuwischen  ist.  Solchen,  welche  sich  bereits  im  Stadium  der 
Wehen  befinden,  sind  auch  Blasen  voll  warmen  Oeles  oder  Säck- 
chen mit  warmem,  geschrotenem  Mehle  aufzulegen.  Geht  dies 
nicht  an,  so  soll  die  Kreissende  vermittelst  des  Tragsessels  in 
einer  mässig  warmen  Luft  Bewegung  erhalten,  wobei  man  ihrem 
Kopfe  eine  höhere  Lage  zu  geben  hat.  Denn  eine  sanfte  unmerk- 
liche Erschütterung  kann  Entleerung  veranlassen. 

Einige  haben  auch  starke  Erschütterungen  zur  Anwendung 
empfohlen.  So  Hessen  z.  B.  manche  Geburtshelfer  das  Kopfende 
der  Bettstelle  hoch  stellen,  banden  die  Patientin  mit  einer  Binde 
fest,  welche  in  den  Bettstollen  befestigt  und  ihr  über  die  Brust 
gelegt  wurde,  und  befahlen  sodann  der  Dienerin,  das  Fussende 
des  Bettes  aufzuheben  und  dann  auf  den  Boden  herabfallen  zu 
lassen,  andere  empfahlen  dazu  den  Gebrauch  einer  kleinen  Leiter, 
noch  andere  nöthigten  zum  Spazierengehen  oder  Treppen  auf- 
und  abzusteigen,  wiederum  andere  Hessen  jemanden  hinter  die 
Gebärende  treten,  die  Arme  unter  ihre  Achseln  legen,  sie  so  in 
die  Höhe  heben  und  tüchtig  schütteln.  Alle  derartigen  gewalt- 
thätigen  Erschütterungen  kann  ich  nicht  billigen.  Denn  eine  Ver- 
letzung der  Gebärmutter  führt  in  der  Regel  auch  ein  Zerreissen 
von  Gefässen  in  anderen  Theilen  herbei  und  zieht  sie  in  Mitleiden- 
schaft. Man  soll  das  oben  erwähnte  Verfahren  einschlagen, 
der  Kreissenden  Muth  zusprechen  und  ihr  die  Sache  als  ganz 


139 


o-pfahrlos  vorstellen:  Frauen,  welche  früher  noch  nichts  mit  Ge- 
burtsschmerzen zu  thun  gehabt  haben  ist  der  Rath  ^ ^enTu 
die  Luft  möglichst  zurückzuhalten  und  dann  m die  \\  eichen 
treiben-  Ohnmächtige  sollen  durch  milde  Riechmittel  gestärkt 
werden’  Frauen,  welche  durch  andauerndes  Leiden  geschwächt 
sind,  haben  in  den  Augenblicken,  wo  eine  Erlei^erUn| ro® 
eine  geringe  und  einfache  Kost  zu  bekommen,  etwas  Brot  eine 
Melone,  Gerstenschleim,  einen  Apfel  und  alle  ähnlichen  Dinge. 
Denn  nehmen  sie  reichlichere  Nahrung  zu  sich  so  steht  zu  be- 
fürchten, dass  diese  in  Folge  der  Aufregung  schlecht  verdaut  wird 
Wenn  danach  die  geschlossene  Cervix  durch  aufweichende 
Salben  geöffnet  ist,  muss  man  den  Gebärmutterhals,  falls  er  schie 
liegt,  in  gerade  Richtung  bringen,  und  wenn  eine  Anschwellung 
vorhanden  ist,  sie  durch  Einsalben  beseitigen,  oder  falls  dies  nicht 
möglich,  sie  auf  chirurgischem  Wege  entfernen,  mag  nun  das 
Hinderniss  eine  Feigwarze,  ein  Geschwulst  (Tumor),  ein  Fleisch- 
auswuchs  oder  anderes  derartiges  sein.  Zurückgehaltene  ba- 
kalien  sind  durch  Klystiere  aus  Oelwasser  oder  Honigwasser,  m 
der  Blase  angehäufter  Urin  durch  Applikation  des  Katheters  zu 
entfernen.  Bildet  ein  Blasenstein  die  verschliessende  Ursache,  so 
muss  er  mit  Hülfe  des  Katheters  vom  Blasenhalse  nach  der  Höhle 
der  Blase  gestossen  werden.  Ist  das  Chorion  nicht  offeiT,  so  ist  es 
mit  dem  kleiner  Messer  (xaridg)  sorgfältig  zu  trennen , nachdem 
man  es  vorher  mit  dem  Pinger  eingedrückt  hat.  "Wenn  das  AVasser 
früher,  als  es  Regel  ist,  abgeflossen  ist,  so  müssen  Oelinjektionen 
mit  der  Klystierspritze  in  die  Scheide  gemacht  werden. 


§ 60.  Abnorme  Lagen  des  Embryo  sind  in  normale  zu  ver- 
wandeln. AVenn  der  Kopf  des  Kindes  zur  Seite  liegt,  so  soll  der 
Arzt  die  mit  Oel  bestrichene  linke  Hand  einführen.  Zuvor  hat 
er  die  Fingernägel  zu  beschneiden,  damit  sie  bei  Ausstreckung 
der  Finger  nichts  verletzen,  und  die  Finger  sind  nach  innen  an 
einander  zu  legen,  so  dass  die  Hand  vorne  eine  spitze  Form  er- 
hält und  somit  die  Einführung  ohne  Gefahr  vor  sich  gehen  kann, 
wenn  der  Muttermund  in  normaler  Weise  sich  öffnet,  damit  nicht 
bei  geschlossenem  Muttermund  und  grossem  Widerstand  die  Hand 
eingeführt  werde.  Den  Fötus  soll  man  ergreifen  und  dem  Ori- 
ficium  gerade  gegenüber  stellen,  wobei  man  die  Lageveränderung 
des  Kindes  durch  eine  entsprechende  Lagerung  der  Mutter  zu 
fördern  hat.  Die  Kranke  hat  nämlich  stets  die  entgegengesetzte 
Lage  einzunehmen,  sie  werde  auf  die  rechte  Seite  gelegt,  wenn 
das  Kind  auf  der  linken  liegt,  auf  die  linke  hingegen,  wenn  der 
Embryo  nach  der  rechten  Seite  neigt,  nach  hinten  geneigt  und 
abschüssig  sei  ihre  Lage,  wenn  das  Kind  nach  vorne  und  gegen 
den  Bauch  hin  gelegen  ist,  die  Knielage  soll  sie  einnehmen,  wenn 
das  Kind  mehr  nach  innen  und  nach  dem  Kreuzbein  zu  liegt. 


140 


Wenn  eine  Abweichung-  des  Kopfes  zugdeich  mit  einer  Einklem- 
mung desselben  verbunden  ist,  so  muss  man  den  Embryo  erst 
zurückschieben  und  nach  oben  drängen,  so  dass  er  vom  Mutter- 
munde entfernt  ist,  und  so  in  gerade  Richtung  bringen. 

Wenn  eine  Hand  vorgefallen  ist,  so  darf  man  sie  nicht  er- 
greifen und  daran  ziehen.  Denn  dadurch  wird  leicht  eine  Ein- 
keilung zu  Wege  gebracht,  indem  der  Kopf  nach  oben  gebogen 
und  geneigt  wird  , oder  es  tritt  eine  Verrenkung  ein,  es  kommt 
auch  vor,  dass  sie  abgerissen  wird.  Vielmehr  stemme  man  die 
Fingerspitzen  gegen  die  Schulter  des  Embryo,  dränge  ihn  nach 
oben , richte  den  im  Ellenbogengelenk  gebeugten  Arm  gerade, 
lege  ihn  an  die  Seite  und  die  Schenkel,  damit  das  Geburtshinder- 
niss  gehoben  werde.  Wenn  beide  Hände  vorgefallen  sind,  so 
muss  man  die  Fingerspitzen  an  beide  Schultern  anlegen  und  so 
das  Kind  zurück  und  in  die  Höhe  heben,  sodann  die  Arme  weg- 
ziehen, im  Ellenbogengelenk  biegen,  dann  ausgestreckt  mit  den 
Händen  (des  Kindes)  an  die  Schenkel  legen  und  nun  erst  darf 
man  den  Kopf  ergreifen  und  sanft  hervorziehen.  Ist  aber  bei 
Vorfall  beider  Hände  der  Kopf  nur  klein,  so  braucht  man  das 
Köpfchen  nur  zurückzubiegen  und  gerade  zu  richten,  sodann  kann 
man  beide  Hände  zugleich  ergreifen  und  das  Kind  herausziehen. 
Denn  bet  einem  kleinen  Kopfe  tritt  eine  Einklemmung  nur 
selten  ein. 

Wenn  bei  Fusslage  eine  laterale  Abweichung  vorhanden  ist, 
so  ist  die  Lage  in  ähnlicher  Weise  wie  bei  der  Kopflage  zu 
ändern  und  gerade  zu  richten.  Wenn  der  eine  Fuss  vorgefallen 
ist,  so  darf  dieser  ebenfalls  nicht  hervorgezogen  werden.  Denn 
eine  Einklemmung  tritt  dann  um  so  leichter  ein,  wenn  der  andere 
Fuss  gebeugt  ist.  Die  Fingerspitzen  sind  an  den  Damm  zu  legen, 
der  Fuss  in  die  Uterushöhle  zurückzuführen,  alsdann  mit  der  Hand 
die  Extremität  zu  strecken  und  neben  die  erste  zu  legen.  Wenn 
aber  beide  Füsse  vorgefallen  sind,  wobei  die  eine  Hand  oder  auch 
beide  Hände  rückwärts  gebogen  sind,  so  muss  wiederum  der  Em- 
bryo auf  gleiche  Weise  zurückgebracht  und  die  Hände  gelöst 
(herab  geholt)  werden.  Wenn  die  Füsse  im  Uterus  gespreizt  sind, 
w^obei  sie  nach  verschiedenen  Seiten  sich  anstemmen,  so  müssen 
sie  zusammengelegt  und  in  die  Richtung  des  Muttermundes  ge- 
bracht werden.  Liegt  das  Kind  mit  den  Knieen  vor,  so  muss 
man  es  zurückbringen , die  Schenkel  strecken  und  das  Kind  an 
den  Füssen  herausziehen.  Bei  Steisslage  endlich  muss  man  es 
ebenfalls  zurückführen,  dann  die  Schenkel  strecken,  die  Hände  an 
die  Schenkel  legen  und  so  das  Kind  an  den  Füssen  hervorziehen. 

Bei  einer  Querlage  (sei  es  Bauch-  oder  Rückenlage),  soll 
man  das  Kind  mit  den  Fingern  sanft  auf  die  Seite  legen,  damit 
zur  Einführung  der  Hand  Platz  gewonnen  wird.  Wenn  das  Kind 
schon  auf  der  Seite  liegt,  soll  man  es  mit  der  eingeschobenen 


141 


Hand  sanft  wenden.  Besser  ist  immer  die  Kopflage,  bei  welcher 
die  breiteren  Körpertheile  zuerst  hindurchgehen , ohne  dass  die 
Hände  zurückgebogen  werden  müssen. 

AVenn  das  Kind  gedoppelt  liegt,  die  Doppelung  nach  oben 
(konvex)  gerichtet  ist,  die  Extremitäten  aber  parallel  liegen, 
so  soll  man  das  Kind  strecken,  indem  man  vorher  die  Schenkel 
(Beckengegend)  aufwärts  drängt.  Ist  die  Doppellage  ungleich- 
mässig,  so  soll  man  es  so  drehen,  dass  die  Konvexität  gegen  den 
Fundus  gerichtet  ist,  alsdann  strecken,  wie  wir  beschrieben  haben. 

Wenn  mehrere  Embryonen  zugleich  eintreten  sollten,  so  muss 
man  sie  zurückbringen,  nach  der  Uterushöhle  zurückdrehen  und 
sie  dann  einzeln  hervorschaffen. 

Alles  dieses  hat  man  mit  ruhiger  und  sicherer  Hand  zu  thun, 
damit  keine  Quetschung  verursacht  werde,  auch  sind  unaufhörlich 
die  Geschlechtstheile  mit  Oel  zu  besprengen,  auf  dass  die  Ge- 
bärende keine  Schmerzen  erleide  und  auch  die  Frucht  erhalten 
werde.  Die  Erfahrung  lehrt  uns,  dass  bei  solcher  Behandlung 
viele  Kinder,  die  durch  eine  Schwergeburt  das  Licht  der  Welt 
erblickten,  am  Leben  geblieben  sind. 


Kapitel  XIX. 

(Fortsetzung.) 

§ 6 1 . Wenn  nun  aber  auch  dann  noch  die  Grösse  des  Kindes, 
sein  Tod  oder  irgend  eine  Einkeilung  es  unmöglich  machen,  dass 
das  Kind  dem  Zuge  der  Hände  nachgiebt,  so  muss  man  zu 
energischeren  Mitteln  greifen,  zu  der  Embryulcie  und  Embryo- 
tomie.  Hierbei  gilt  es  die  Rettung  der  Mutter,  mag  auch  das 
Kind  verloren  gehen.  Auch  muss  man  die  drohende  Gefahr  an- 
künden, wenn  Fieber  und  nervöse  Zustände,  sowie  mitunter  auch 
Entzündung  auftreten,  und  offen  erklären,  dass  hinzutretender 
Brand  nur  geringe  Hoffnung  auf  Rettung  g'iebt,  wenn  sich  Ohn- 
macht, Schweiss  und  Kälte,  schwacher  Puls,  hohes  Fieber,  De- 
lirien und  Konvulsionen  einstellen.  Doch  auch  in  diesen  Fällen 
darf  man  nicht  von  einer  Hilfeleistung  abstehen. 

Die  brau  liege  dabei  in  abschüssiger  Lage  auf  einem  ge- 
nügend harten  Bette,  damit  nicht  die  Hüften  dem  Eindrücke 
na.chgeben,  die  Schenkel  gespreitzt  (abduzirt)  und  an  den  Unter- 
leib gezogen  und  die  Füsse  gegen  das  Bett  gestemmt,  zu  beiden 
Seiten  sollen  erfahrene  und  kräftige  Frauen  stehen,  um  ihren 
Körper  zu  stützen  und  festzuhalten.  Sind  letztere  nicht  zur  Hand 
so  kann  man  auch  den  Brustkorb  mittelst  Binden  fest  an  das 
Bett  anschnüren,  auf  dass  nicht  bei  den  Traktionen  am  Kinde 


142 


; 


zugleich  der  Körper  der  Patientin  diesen  folge  und  so  die  Kraft 
des  Zuges  aufhebe.  Der  Arzt  selbst  setze  sich  der  Frau  gegen- 
über, doch  um  so  viel  tiefer,  dass  seine  Hände  mit  den  Füssen 
der  Gebärenden  auf  gleicher  Höhe  sind.  Während  dann  durch 
eine  Gehilfin  die  Schamlippen  nach  beiden  Seiten  auseinander 
gezogen  werden,  führe  der  Arzt  die  linke  Hand  — diese  ist 
nämlich  weicher  als  die  rechte  und  leichter  mit  Anstand  einzu- 
führen — durch  den  offenstehenden  Gebärmuttermund  ein , zu 
welchem  Zwecke  er  die  Finger  der  Hand  konisch  zusammenlege 
und  sie  tüchtig  einöle.  Ist  der  Muttermund  nicht  offen  , so  er- 
weiche er  ihn  erst  durch  Reiben  und  wiederholte  Oelinjektionen. 
Sodann  muss  man  versuchen,  den  zur  Seite  geneigten  Theil  des 
Kindes  gerade  zu  wenden  , und  den  Ort  suchen,  wo  das  Instrument 
(Perforatorium)  eingebohrt  werden  kann,  ohne  dass  es  leicht 
wieder  herausfällt. 

§ 62.  Die  zur  Perforation  geeigneten  Stellen  sind  bei  Kopf- 
lage die  Mundhöhle,  nämlich  vom  Gaumen  und  von  der  Kinn- 
gegend aus,  die  Augen,  das  Hinterhaupt,  die  Schlüsselbein- 
gegend und  die  Gegend  unterhalb  der  Rippen,  aber  niemals 
die  Achselhöhlen;  denn  wenn  beim  Extrahiren  die  Arme  aus- 
einanderstehen, so  wird  der  Umfang  des  Embryo  derartig  er- 
weitert, dass  eine  Einkeilung  eintritt.  Ebensowenig  sind  die  Ge- 
hörgänge zur  Perforation  geeignet,  denn  wegen  ihrer  Krüm- 
mung und  grossen  Enge  sind  sie  schwer  zu  fassen.  Bei  Fuss- 
lage  sind  dagegen  am  besten  die  Schambeine,  die  Interkostal- 
räume und  das  Sternoclaviculargelenk.  Ist  es  unmöglich  eine  der 
angeführten  Stellen  zu  finden , so  wird  eine  solche  zum  Zwecke 
der  Perforation  dadurch  geschaffen,  dass  mit  dem  Messer  ein 
Einschnitt  gemacht  wird.  Das  Instrument  (E/u^Qvov'^y.os),  welches 
zuvor  in  Oel  zu  wärmen  ist,  werde  in  der  rechten  Hand  gehalten, 
seine  Krümmung,  die  mit  den  Fingern  bedeckt  wird,  werde  mit 
der  linken  Fland  sanft  eingeführt  und  an  einer  der  bezeichneten 
Stellen  eingestossen , bis  man  keinen  Widerstand  mehr  fühlt. 
Zugleich  werde  noch  ein  zweiter,  dem  vorigen  entgegengesetzter 
Theil  des  Körpers  angebohrt,  damit  die  Traktion  in  gerader 
und  nicht  in  schiefer  Richtung  gemacht  werde  und  der  Embryo, 
wenn  der  Theil  nach  der  Seite  hinneigt , nicht  eine  Einkeilung 
erleide.  Sodann  gebe  man  die  Instrumente  einem  erprobten  Ge- 
hilfen in  die  Hand  und  ermahne  ihn,  dass  er  sanft  und  allmählich 
den  Embryo  anziehe,  dass  er  beim  Ziehen  weder  reisse  noch 
plötzlich  nachlasse  — denn  im  letzteren  Falle  geht  auch  der  be- 
reits hervorgekommene  Theil  wieder  zurück  — , sondern  vielmehr 
nach  Umständen  mit  dem  Zug  nachlasse,  die  Instrumente  in  der 
vorigen  Lage  zu  erhalten  suche  und  dass  er  ferner  nicht  nur  in 
gerader,  sondern  auch  in  seitlicher  Richtung  ziehe  wie  bei  dem 


143 


Verfahren,  welches  beim  Extrahiren  der  Zähne  angewendet  wird. 
Denn  dadurch,  dass  auf  solche  Weise  durch  Hebel  Wirkung  fort- 
während die  Lage  des  Embryo  verändert  wird,  erweitert  sich  der 
Kanal  (zünoi)  und  kann  die  Extraktion  leicht  von  statten  gehen. 
Während  einer  solchen  geschickten  Unterstützung  muss  man  den 
Zeigefinger  zwischen  Muttermund  und  den  eingeklemmten  Körper- 
theil  einbringen,  ihn  rings  herum  führen,  als  wolle  man  demselben 
gewissermassen  die  Haut  abziehen,  und  die  Abweichung  korrigiren, 
dabei  muss  man  die  Stellen  mit  warmem  Oele  oder  einem  der 
angegebenen  schleimigen  Decocte  benetzen.  Wenn  der  Embryo 
nicht  sogleich  dem  Zuge  der  Haken  ganz  folgt,  sondern  nur  wenig 
und  entsprechend  der  Zugkraft,  so  muss  man  den  ersten  Haken 
weiter  oben  einsetzen  und  dann  ebenso  auch  den  zweiten , und 
so  fährt  man  fort,  bis  der  Körper  des  Embryo  ganz  entwickelt 
ist.  Ebenso  ist  das  Verfahren  bei  Fusslage. 

§ 63.  Wenn  bei  Vorfall  eines  Armes  sich  dieser  wegen 
starker  Einkeilung  nicht  zurückbringen  lässt  oder  der  Embryo 
bereits  todt  ist,  was  daran  zu  erkennen  ist,  dass  der  sichtbare 
Theil  weder  geröthet,  noch  warm  ist,  noch  pulsirt,  sondern  livid, 
kalt  und  ohne  Pulsschlag  ist,  so  hat  man  den  vorliegenden  Arm 
mit  Leinwand  zu  umwickeln,  damit  er  einem  nicht  ausgleitet,  ihn 
ein  wenig  anzuziehen,  damit  er  deutlicher  zu  sehen  sei  und  ihn 
dann  am  Schultergelenk  abzuschneiden.  Dasselbe  hat  auch  bei 
Vorfall  eines  Schenkels  zu  geschehen.  Sodann  führt  man  mit 
den  Fingern  den  Rest  des  Körpers  zurück  und  extrahirt  ihn  ver- 
mittelst Perforirens  mit  den  Haken.  Wenn  aber  beide  Arme  vor- 
gefallen sind  und  sich  nicht  zurückbringen  noch  durch  Ziehen 
herausschaffen  lassen,  so  sind  beide  an  der  Schulter  abzutrennen. 
Wenn  durch  übermässigen  Umfang  des  Kopfes  die  Einkeilung  ver- 
ursacht ist,  so  muss  man  ihn  mit  dem  Embryotom  oder  dem 
Polygonmesser,  welches  während  des  Einführens  zwischen  dem 
Zeigefinger  und  dem  kleinen  Finger  versteckt  zu  liegen  hat, 
durchtrennen,  (was  unter  anderm  geschieht,  wenn  das  Kind  einen 
Wasserkopf  hat),  damit  durch  Entleerung  der  Flüssigkeit  der 
Umfang  des  Kopfes  zusammensinkt;  wenn  jedoch  der  Embryo 
von  Natur  grossköpfig  ist,  so  muss  man  den  Kopf  mit  der  Hand 
zerdrücken,  was  leicht  zu  machen  ist,  da  der  Körper  des  Embryo 
noch  weich  ist.  Geht  dies  nicht  an,  so  zertheile  man  den  Schädel 
mit  dem  Messer  am  Scheitel  oder  allenfalls  an  einer  anderen 
Stelle.  Denn  ist  erst  das  Gehirn  herausgeflossen,  so  fällt  der  Kopf 
zusammen.  Die  Ränder  der  Wunde  sind  auseinander  zu  legen  und 
so  die  Kopfknochen  mit  der  Zahnzange  (ödovzdyqa)  oder  einer 
Knochenzange  (uGzdyQa)  zu  zermalmen.  Wenn  nun  auch  so  noch 
nicht  der  ganze  Körper  wegen  seiner  Grösse  hervorzubringen 
ist,  weil  die  Schultern  an  die  Seitentheile  der  Gebärmutter  sich 


144 


stemmen,  so  stosse  man  das  Messer  so  lange  in  die  Kehle  des 
Embryo,  bis  man  keinen  Widerstand  mehr  findet.  Denn  nach 
Entleerung  des  Blutes  schrumpft  der  Körper  zusammen,  danach 
ist  auch  der  ganze  Kopf  und  nach  Durchtrennung  der  Interkostal- 
räume auch  die  Lunge  zu  durchschneiden.  Denn  diese  ist  oft 
mit  Wasser  angefüllt  und  dadurch  wird  der  Thorax  breiter.  Die 
durch  Bänder  vereinigten  Theile  der  Brust  muss  man  ablösen, 
indem  man  mit  den  hingern  das  Schlüsselbeingelenk  am  Brust- 
bein eröffnet  und,  wenn  es  nicht  nachgiebt,  zerreisst.  Denn  die 
Brustgegend  fällt  ein,  wenn  sie  von  den  Clavikeln  nicht  mehr 
gestützt  wird.  Weicht  das  Kind  auch  so  noch  nicht,  so  eröffne 
man  das  Abdomen,  ebenso  handle  man  bei  Wassersucht  des 
Embryo.  Denn  nach  Ausleerung  des  Wassers  verkleinert  sich 
der  Umfang  des  Körpers.  Wenn  aber  die  Gedärme  eine  Ver- 
grösserung  des  Unterleibes  verursachen,  so  soll  man  diese  sammt 
den  Eingeweiden  zuerst  herausziehen  und  dann  erst  den  ganzen 
Körper  hervorholen. 

§ 64 *).  Dasselbe  Verfahren  wird  bei  Fusslage  beobachtet. 
Die  nach  oben  zurückgeschlagen  liegenden  Hände  sind  abzu- 
schneiden und  ein  allzu  grosser  Kopf  wiederum  zu  zerquetschen, 
was  bei  dieser  Lage  schwieriger  ist,  weil  der  nachfolgende  Kopf 
nicht  so  zugänglich  ist.  Auch  wird  es  erforderlich  sein,  mit  der 
rechten  Hand  die  Füsse  zu  ergreifen  und  daran  zu  ziehen,  und 
mit  der  linken  inwendig  den  Kopf  gerade  zu  richten,  Denn  wenn 
derselbe  im  Mutterhalse  gebogen  liegt,  so  wird  er  leicht  abge- 
rissen. Es  ist  aber  schwer  verständlich,  dass  die  linke  Hand  zum 
Ziehen  geeigneter  sein  soll,  weil  die  Schlangen  ebenfalls  mit  der- 
selben ergriffen  werden.  Doch  dieses  ist  beides  nicht  richtig.  Sie 
ist  vielmehr  ganz  besonders  dazu  brauchbar  eingeführt  zu  werden, 
wie  wir  früher  bereits  gezeigt  haben. 

Wenn  bei  der  Quer-  und  Doppellage  der  Embryo  sich  nicht 
in  eine  bessere  Lage  bringen  lässt,  so  soll  man  die  nächsten 
Theile  durchbohren,  wie  z.  B.  den  Unterleib,  die  Achselhöhlen, 
die  Interkostalräume  und  die  Theile  neben  den  Nieren  bis  zu  den 
Weichen.  Ist  der  Embryo  todt  und  übermässig  gross,  so  ist  es 
immerhin  gefährlich,  den  ganzen  Körper  drinnen  zu  zerschneiden, 
dagegen  förderlicher,  die  zu  Tage  getretenen  Theile  zu  trennen. 
Diese  Abtrennung  hat  in  den  Gelenken  zu  geschehen,  denn  die 
Knochen  sind  an  ihrem  Ende  leicht  aus  ihrer  Verbindung  zu  lösen. 


1)  öcfstc,  Schlangen,  hiezu  sehe  man  Plinius  XXVIII,  33.  „Serpentes  aegre 
praeterquam  laeva  manu  extrahi“. 

Hier  hat  Rose  eine  vielleicht  korrupte  Stelle,  welche  Ermerins  gestrichen  hat, 
„uelut/.&toi;  h's  rou  aropaou  xauxä  noiEiv  raus  p etu  toO  ^opiou  StSaaxsiv  jiiXXou.sv.“  Venn 
aber  der  Muttermund  verengt  ist,  soll  man  so  handeln,  wie  wir  es  bezüglich  des 
Chorion  lehren  werden.  Dieses  bezieht  sich  wohl  auf  das  verlorene  Kapitel  XX. 


145 


Die  herausgeschafften  Theile  soll  man  dann  Zusammenlegen,  da- 
mit man  sich  überzeuge,  dass  nichts  vom  Kinde  im  Mutterleibe 
zurückgeblieben  ist. 

Nicht  selten  wird  bei  Fusslage  durch  ungeschicktes  Ziehen 
der  Kopf  abgerissen,  und  dann  ist  dieser  wegen  seiner  Rundung 
und,  weil  er  wieder  in  die  Uterushöhle  zurückgeht,  schwer  zu 
fassen.  In  solchem  Falle  führt  Sostratos  in  ähnlicher  Weise 
wie  bei  der  Steinoperation  den  Zeigefinger  der  linken  Hand  in 
den  After  ein  und  versucht  zugleich  durch  Druck  mit  der  rechten 
Hand  den  Kopf  nach  unten  zu  treiben,  wobei  es  ihm  ganz  ent- 
geht, dass  im  Rektum  der  Finger  gar  nicht  an  den  Kopf  heran- 
kommen kann.  Denn  da  die  Harnblase  näher  bei  der  Hand  ist, 
so  weicht  der  Uterus  zurück,  wie  wir  früher  gezeigt  haben.  Des- 
wegen müssen  wir  die  Hand  einführen,  den  Kopf  fassen  und  ihn 
bis  zum  Uterushalse  vorwärts  drehen  (spiralig),  sodann  den  Haken 
(Embry ulkus)  hineinstossen  und  den  Kopf  entwickeln. 

§ 65 J).  Wenn  nach  der  Embryulcie  und  der  Embryotomie 
durch  das  örtliche  Trauma  Entzündung  hervorgerufen  ist,  so  soll 
man  diese  durch  Irrigationen  mildern  und  lindern.  Tritt  Hämor- 
rhagie  ein,  so  sind  die  dazu  bestimmten  Geg-enmittel  anzuwenden. 
Daneben  noch  Mittel,  welche  den  Verlauf  der  Geburt  beschleunigen, 
zu  verordnen,  wie  es  ausser  den  Schülern  des  Hippokrates  noch 
viele  andere  gethan  haben,  zeugt  von  grosser  Leichtfertigkeit. 
Denn  weder  trockene  Lorbeerblätter  mit  warmem  Wasser,  noch 
Diptam  oder  Stabwurz,  Cedernharz  und  Anis  zusammen  mit  süssem, 
altem  Oele,  noch  der  Same  der  Feldgurke,  noch  Dattelcerat 
um  die  Hüften  gelegt,  vermögen  die  Entbindung  zu  beschleunigen. 
Dagegen  beseitigen  die  früher  erwähnten  Mittel  das  Leiden  und 
die  aus  demselben  erwachsenden  Beschwerden. 


Kapitel  XX. 

[Die  zurückgehaltene  Nachgeburt.] 


i)  Die  Stelle  der  Hippokratischen  Kollektion  findet  sich  im  Buche  über  Weiber- 
krankheiten I,  77  (Littre  VIII,  171),  wo  fast  genau  die  bei  Soran  erwähnten  Mittel 
Vorkommen. 


Soranus:  Ueber  die  Krankheiten  des  weiblichen  Geschlechtes. 


IO 


Kapitel  XXI. 

Abscesse  an  den  Genitalien. 


Kapitel  XXII. 

Geschwüre  im  Uterus. 


Kapitel  XXIII. 

Carcinome  der  Gebärmutter. 


Kapitel  XXIV. 

Fistelgeschwüre  der  Gebärmutter. 


Kapitel  XXV. 

Abnorme  Grösse  der  Clitoris. 


147 


Kapitel  XXVI. 

Cercosis  (schwanzförmiger  Auswuchs  an  den 

Genitalien). 


Kapitel  XXVII. 

Warzen  an  den  Genitalien. 


Kapitel  XXVIII. 

Risse. 


Kapitel  XXIX. 

Condylome  (Feigwarzen). 


Kapitel  XXX. 

Hämorrhoiden  im  Uterus. 


IO* 


148 


Kapitel  XXXI. 

Vorfall  der  Gebärmutter. 

§ 84 1).  Unter  Vorfall  der  Gebärmutter  versteht  man  das 
erste  Stadium  (dnsdij)  der  Inversion.  Es  trennt  sich  nämlich  nicht, 
wie  manche  glauben,  die  Gebärmutter  vollständig  von  ihrer  Um- 
gebung (Bändern)  und  fällt  ganz  heraus;  auch  kann  der  Uterus 
nicht  wieder  in  integrum  restituirt  werden  (bezüglich  der  Lage). 
Das  vorfallende  Stück  ist  ungefähr  so  gross  wie  ein  Straussenei, 
bald  grösser,  bald  kleiner,  je  nachdem  die  Dislokation  mit  grösserer 
oder  geringerer  Kraft  vor  sich  geht.  Der  Vorfall  ist  zwar  selten, 
wird  aber  durch  viele  Ursachen  veranlasst.  So  tritt  er  ein,  wenn 
eine  Frau  von  einer  Höhe  herabfällt  und  dabei  auf  den  Steiss  zu 
sitzen  kommt,  indem  dadurch  die  Bänder  (Häute,  wörtlich)  reissen, 
welche  den  Uterus  mit  seinen  benachbarten  Theilen  verbinden, 
ferner  bei  zu  heftigen  Traktionen,  bei  der  Entfernung  der  Nach- 
geburt, was  besonders  bei  Fehlgeburten  leicht  vorkommt.  Auch 
ungeschickte  Embryulcie  hat  schon  dies  Leiden  veranlasst.  Andere 
Ursachen  sind:  Anhalten  des  Athems,  Springen,  Heben  von 
Lasten,  ein  Stoss,  bisweilen  auch  Ansammlung  einer  grösseren 
Menge  zäher  Flüssigkeit,  wobei  der  Fundus  durch  die  dauernde 
Befeuchtung  erschlafft  und  nachgiebt.  Der  Vorfall  tritt  aber  auch 
nach  Gemüthsaffekten  auf,  wie  solche  bei  der  Nachricht  vom  Ver- 
lust der  Kinder,  oder  vom  Anmarsch  der  Feinde,  oder  bei  starken 
Stürmen  auf  dem  Meere  hervorgerufen  werden.  In  solchen  Fällen 
wird  der  Vorfall  dadurch  veranlasst,  dass  durch  Entkräftung  der 
ganzen  Körperkonstitution  auch  die  Gebärmutter  herabgleitet. 
Manchmal  tritt  das  Leiden  auch  ohne  einen  derartigen  Anlass  nur 
bei  allgemeiner  Schwäche  des  Körpers,  Abspannung  der  den 
Uterus  stützenden  Bänder  und  Lähmung  der  Muskeln  ein,  wie  es 
vielfach  bei  Greisinnen  der  Fall  ist.  Zu  Anfang  der  Krankheit 
tritt  Blutfluss  ein,  dann  Schmerz  in  den  Weichen,  in  den  Hüften, 
im  Unterleib  und  in  der  Scham,  auch  können  bei  örtlicher  Er- 
kältung leicht  Krämpfe  dazu  kommen.  Wenn  dann  mit  der  Zeit 
der  Körper  an  den  Zustand  gewöhnt  ist,  schwinden  Gefahr  und 
Schmerzen. 

§ 85.  Manche  behaupten,  es  falle  der  Uterus  ganz  vor,  in- 
dem die  ihn  stützenden  Bänder  (Häute)  und  Muskeln  in  Folge 


1)  Prolapsus  Uteri.  Hippocrat.  de  morb.  mulier.  Lib.  II,  § 144  (Littre  VIII, 
317,  323).  Als  Ursache  wird  Körperanstrengung  nach  der  Entbindung  angenommen. 
Oie  Therapie  kommt  auch  hier  auf  die  Methode  mit  der  Leiter  zuiück,  auch  die 
übelriechenden  Fumigationen  von  unten  werden  genannt. 

Oribas  Synopsis  IX,  55  (ed.  Daremberg  V,  547).  Das  Kapitel  über  Mutter- 
vorfall  ist  offenbar  ein  kurzer  Auszug  aus  Soran. 


149 


eines  Stosses  oder  eines  ähnlichen  Anlasses  rissen,  schlaff  würden 
oder  eine  Art  Lähmung  erführen.  Die  Schüler  des_  Hippokrat_es 
und  T-T erophilos  dagegen  sind  der  Ansicht,  dass  nur  der  Mutter- 
mund vorfalle.  Man  erkennt  denselben  daran , dass  ein  weiches 
Organ,  wie  der  Kopf  eines  Polypen,  vorfällt,  wie  Herophilos. 
sagt,  welches  bei  Sondirung  schmerzt.  Andere  sagen,  dass  auch 
der  Muttermund  nicht  ganz  vorfalle,  denn  es  könne  etwas  nicht 
theilweise  sich  abtrennen,  und  die  entzündete  Vaginalportion 
täusche  einen  Prolapsus  vor.  Andere  wieder  rneinen,  der  Vorfall 
geschehe  in  der  Art  einer  Auswärtskehrung  {ey.rqoiirj,  Ektropium), 
dass  bald  die  äussere  bald  die  innere  Haut  vorfalle.  Es  sei  näm- 
lich eine  zwiefache  Haut  vorhanden,  eine  äussere,  welche  mit 
den  darüber  lagernden  Theilen  verwachsen  sei,  und  eine  innere, 
welche  mit  jener  Zusammenhänge;  der  Vorfall  geschehe  in  Folge 
von  Erschlaffung  dieser  Häute.  Manche  nehmen  einen  voll- 
ständigen Vorfall  in  Folge  von  Zerreissung  oder  Lähmung  und 
einen  theilweisen,  eine  Einstülpung  in  die  eigene  Höhle,  an.  Wenn 
nun,  so  lautet  ihre  Behauptung,  ein  Vorfall  durch  Zerreissen  be- 
wirkt sei,  so  wird  er  von  starken  Blutungen  begleitet  sein;  nach 
Vorausgang  von  Fall,  Gewaltthat,  Schlag.  Wenn  er  aber  die 
Folge  von  Erschlaffung  und  Lähmung  ist,  so  ist  er  nicht  blutig 
und  nicht  verdickt,  der  äussere  Anlass  ist  meist  unbekannt,  doch 
wird  bisweilen  die  Lähmung  durch  ähnliche  Unfälle,  wie  oben 
angeführt,  bewirkt.  Bei  einem  theilweisen  Vorfall  endlich  zeigen 
sich,  wie  beim  Mastdarm  ringsum  vorgefallene  Partien.  Wenn 
aber  das  gesammte  Organ  austritt,  so  findet  man  eine  runde 
Geschwulst,  ähnlich  einem  Ei,  vorgefallen;  diese  bleibt  entweder 
in  der  weiblichen  Scheide,  oder  sie  tritt  bis  vor  die  Schamlefzen 
hervor;  im  Anfang  erscheint  sie  roth,  später  weisslich. 

Mag  man  immerhin  die  Möglichkeit  eines  vollständigen  und 
theilweisen  Vorfalles  zugeben,  verwerfen  müssen  wir  doch  das 
Verfahren  desEuryphon,  der  die  Kranke  einen  ganzen  Tag  und 
eine  ganze  Nacht  hindurch  mit  den  Füssen  an  eine  Leiter  hängt, 
sie  dann  rücklings  zurückfallen  lässt  und  zur  Nahrung  ihr  kalte 
Gerstengraupensuppe  giebt.  Denn  das  Aufhängen  ist  unerträg- 
lich und  jene  Nahrung  verursacht  Blähungen.  Auch  ist  die  Be- 
rechnung der  Tage,  welche  er  für  geeignet  hält,  nicht  kunst ge- 
mäss. Euenor  aber  legt  ein  Stück  Rindfleisch  auf  die  weibliche 
Scham.  Er  übersieht  dabei  ganz,  dass  die  durch  Verfaulen  er- 
zeugte Jauche  leicht  fressende  Geschwüre  erzeugt.  ^Diokles  treibt 
zunächst,  wie  er  in  dem  zweiten  Buche  seiner  Gynäkologie  be- 
richtet, mit  einem  Schmiedeblasebalg  Luft  in  den  Uterus  ein  und 
bringt  ihn  so  in  die  richtige  Lage,  dann  führt  er  Granatäpfel  ein, 
welche  er  zuvor  abschälte  und  in  Essig  tauchte.  Durch  das  Ein- 
blasen der  Luft  erregt  er  Kolik,  durch  den  Granatapfel,  welcher 
hart  ist  und  zusammenzieht,  aber  verursacht  er  Druck.  Manche 


appliziren  auch  einen  Beutel  aus  Haaren  an  den  Uterus,  damit 
durch  den  Reiz  der  Haare  die  schmerzende  Gegend  zusammen- 
gezogen wird.  Sie  beachten  dabei  jedoch  nicht,  dass  die  ge- 
lähmten Theile  überhaupt  nicht  schmerzen,  die  schmerzenden 
aber  dadurch  nur  für  kurze  Zeit  zusammengezogen  werden  und 
dann  doch  wieder  vorfallen  Doch  die  Mehrzahl  der  Aerzte  ver- 
ordnet wohlriechende  Arzneien  und  räuchert  von  unten  mit  wider- 
lich riechenden  Substanzen,  indem  sie  meinen,  der  Uterus  fliehe 
als  lebendes  Wesen  vor  allen  üblen  Gerüchen  und  lasse  sich  von 
Wohlgerüchen  anziehen.  Auch  dem  _Straton  können  wir  nicht 
zustimmen,  wenn  er  die  Scheide  mit  feuchter  Asche  anfüllt  und 
Bibergeil  hinzufügt.  Denn  die  Asche  ist  von  zu  scharfer  Wirkung 
und  Bibergeil  macht  eingenommenen  Kopf. 

§ 86.  Wenn  der  Vorfall  noch  frisch  ist  und  Blutfluss  aus 
dem  Uterus  bemerkt  wird,  ohne  dass  Entzündung  vorhanden  ist, 
so  wird  es  gut  sein,  Umschläge  mit  kaltem  Wasser  oder  einem 
Gemisch  aus  Essig  und  Wasser  auf  das  Organ  zu  machen  und 
dann  mit  den  Fingern  die  Gebärmutter  zurückzubringen  zu  ver- 
suchen. Denn  im  Anfang  lässt  sie  sich  leicht  wieder  richten 
(zurückbringen).  Geht  dies  nicht,  so  vollführt  man  die  Reposition 
mit  einem  runden  Schwamme,  der  eingeführt  wird,  während  die 
Schenkel  von  einigen  geschickten  Gehilfen  aus  einander  und 
hoch  gehalten  werden.  Nach  geschehener  Reposition  soll  ein 
Schwamm  oder  Wolle  (Tampon)  in  eine  Mischung  aus  Essig  und 
Wasser  getaucht  in  die  Scheide  gesteckt,  die  Schenkel  zusammen- 
gebunden und  ausgestreckt  werden.  Die  Hüftgegend  soll  durch 
ein  untergelegtes  Kopfpolster  unterstützt  oder  das  Fussende  des 
Bettes  hochgestellt  werden.  Die  Kranke  soll  bis  zum  dritten  Tage 
fasten,  dann  gebe  man  ihr  wenige  und  einfache  Speise;  und  dann 
immer  einen  um  den  andern  Tag.  Hat  sich  die  Reposition  ge- 
festigt, so  kann  die  Frau  unter  der  nöthigen  Achtsamkeit  wieder 
empfangen,  sofern  es  das  Lebensalter  noch  ermöglicht. 

§ 87.  Es  lässt  sich  nämlich  auch  bei  älteren  Frauen  die  Ge- 
bärmutter wieder  zurückbringen,  doch  fällt  sie  leicht  wieder  vor. 
Wenn  Ivoth  im  Rektum  angehäuft  ist,  so  ist  er  durch  ein  ein- 
faches Klystir  zu  entfernen.  Ebenso  ist  Harn  in  der  Blase  durch 
den  Katheter  fortzuschaffen.  Denn  bei  Vorfall  des  Uterus  wird 
beides  (Harn  und  Koth)  zurückgehalten,  weil  der  Uterus  durch 
seine  Lage  in  der  Mitte  zwischen  dem  Rektum  und  der  Blase 
die  natürliche  Ausleerung  verhindert,  indem  er  die  Lokalität  be- 
engt und  Druck  ausübt.  Danach  legen  wir  die  Kranke  auf  den 
Rücken  mit  erhöhten  Hüften,  gebogenen  Knieen  und  gespreizten 
(abduzirten)  Schenkeln.  Sodann  soll  man  den  vorgefallenen  Theil 
der  Gebärmutter  mit  reichlichem  warmen  Oel  stark  befeuchten.  Man 
mache  sich  dann  .aus  Wolle  einen  Pfropf  (Tampon),  welcher  der 


151 


Gestalt  und  dem  Umfange  nach  in  die  weibliche  Scheide  passt, 
lege  von  aussen  um  diesen  Wollpfropf  reine  Charpie  von  feinster 
Sorte,  tauche  ihn  dann  schnell  in  das  Gemisch  von  Essig  und  Wasser 
oder  in  ein  warmes  Decoct  aus  Myrte,  Mastix,  Brombeeren, 
Granaten  oder  Rosen,  sodann  in  den  Saft  der  Akazie  oder  Hypo- 
kistis,  welche  in  Wein  aufgelöst  ist,  lege  ihn  auf  den  Uterus  und 
drücke  den  vorgefallenen  Theil  sanft  hinaufschiebend,  bis  die 
Gebärmutter  an  ihren  richtigen  Platz  zurückgegangen  ist  und  die 
ganze  Wollmasse  in  der  Scheide,  d.  h.  in  der  Scham  steckt. 
Dann  lege  man  auch  äusserlich- Wolle  darauf,  welche  mit  herbem 
Wein  durchtränkt  ist,  bedecke  auch  den  Unterleib,  den  Scham- 
berg und  die  Hüften  mit  Schwämmen  und  Wolle,  welche  in 
Oxykrat  ausgewrungen  sind,  befestige  sie  durch  Binden  und  strecke 
die  Schenkel  der  Frau  derartig  aus,  dass  der  eine  auf  dem  andern 
liegt.  Danach  soll  man  recht  warme  Schröpf  köpfe  auf  den  Nabel 
und  an  beide  Weichen  setzen  und  unablässig  wohlriechende 
Substanzen  unter  die  Nase  halten.  Wenn  die  Wolle  drei  läge 
in  der  Scheide  gelegen  hat,  soll  die  Frau  ein  Halbbad  nehmen 
in  schwarzem,  herben  Weine,  der  ein  wenig  angewärmt  ist,  oder 
in  einem  Decoct  aus  Brombeeren,  Myrte,  Mastix  oder  Granat- 
äpfeln, Nach  dem  Sitzbade  ist  die  Patientin  wieder  auf  den 
Rücken  mit  rückwärts  geneigtem  Oberkörper  und  erhöhter  Hilft - 
gegend  zu  legen,  dann  die  noch  in  der  Scheide  befindliche  Wolle 
herauszunehmen  und  frische,  welche  mit  denselben  Heilmitteln 
durchtränkt  ist,,  einzuführen.  Auch  sind  auf  den  Unterleib  Um- 
schläge aus  Datteln,  Gersten graupen,  Granaten,  Linsen  zusammen 
mit  Honig  und  Essig  zu  machen.  Diese  Kur  ist  alle  drei  Tage 
zu  wiederholen,  bis  vollständige  Pleilung  eingetreten  ist. 

§ 881).  Wenn  aber  der  Vorfall  schon  längere  Zeit  aussen 
sichtbar  gewesen  und  offenbar  bereits  ganz  kalt  ist,  oder  auch 
wenn  augenscheinlich  Entzündung  vorliegt  und  starke  Schmerzen 
vorhanden  sind  oder  der  Vorfall  durch  Paralyse  bewirkt  ist , so 
soll  man  Einspritzungen  mit  warmem  Wasser,  mit  Oel  und  Wasser 
oder  mit  dem  Safte  aus  gekochtem  Bockshorn , Leinsamen  oder 
Malve  machen  und  so  den  Uterus  wieder  reponiren.  Auch  ist 
zum  Aderlass  zu  schreiten,  wenn  die  Höhe  der  Entzündung  es 
erfordert,  und  wegen  der  Lähmung  sind  auch  noch  sonstige  er- 
schlaffende Mittel  anzuwenden.  Wenn  aber  eine  lange  Zeit  hin- 
durch der  Vorfall  sich  immer  wieder  zeigt,  so  soll  die  Kranke 
sich  fleissig  mit  warmem  Oxykrat  waschen  und  eine  angemessene 
Zeit  hindurch  Halbbäder  in  Oxykrat  nehmen , sodann  die  schon 
früher  verordneten  Mittel  anwenden,  als  da  sind:  kleine  Schröpf- 

i)  Paralysis.  Hierzu  vergleiche  man  Cael.  Aurelianus,  Chron.  Lib.  II,  cap.  1: 
„si  e versio  vel  inclinatio  fuerit  matricis,  eidem  consequenter  ordinata  adhibebimus, 
sicut  muliebrium  passionum  libris  docuimus. 


— 152  — 

köpfe  und  Umschläge  aus  Datteln,  Quitten  und  allen  sonstigen 
schon  für  sich  adstringirenden  Substanzen  oder  aus  Weiden  und 
anderen  in  derselben  Weise  wirkenden  Mitteln.  Dann  muss  man 
auf  die  Kräftigung  der  ganzen  Konstitution  bedacht  sein,  und 
zwar  zunächst  unter  Anwendung  der  analeptischen , dann  der 
metasynkritischen  Heilmethode.  Die  Gegend  über  der  Scham, 
die  Hüften  und  der  Unterleib  sind  mit  Rubefacientien  zu  be- 
handeln, leicht  zu  erwärmen,  mit  Salben,  milden  Reizmitteln  zu 
röthen  und  Mutterzäpfchen  aus  Natron,  Rosinen,  Salz  und  aus 
allen  übrigen,  den  Körper  umstimmenden  Stoffen.  Es  kommt 
manchmal  vor,  dass  übergrosse  Empfindlichkeit  der  Theile  den 
Gebrauch  von  Essig  verbietet.  In  diesen  Fällen  sammle  ich  die 
an  Wasserlinsen  befindliche  schwarze  Erde,  löse  sie  in  warmem 
Wasser  auf  und  befeuchte  tüchtig  damit,  was  ausserordentlich 
nützlich  ist.  Nach  der  Befeuchtung  pflege  ich  dann  die  oben  er- 
wähnte Kur  zu  verordnen.  Wenn  aber  die  Schlüpfrigkeit  das 
Zurückbringen  erschwert,  so  bestreiche  man  die  Theile  mit  Asche 
von  Weinhefe,  mit  Nitron  oder  Kalklauge  und  bähe  sie  mit  Ad- 
stringenden oder  mit  der  geseihten  obengenannten  schwarzen  Erde 
und  behandle  sie  mit  Bleiwasser  vermischt  mit  Myrten  oder  mit 
Stimmi1),  danach  wird  der  Vorfall,  wie  vorher  erwähnt,  in  die 
Scheide  zurückgehen.  Die  meisten  Aerzte  appliziren  bei  wieder- 
holtem Vorfall  Salz  oder  Natron  und  versuchen  so  das  vorgefallene 
Organ  zu  reponiren.  Dieses  Verfahren  billigt  in  konsequenter 
Weise  auch  Thessalos.  Die  metasynkritischen  Mittel  sind  besser 
in  der  Rekonvalescenz  als  in  dem  Augenblicke  anzuwenden,  wo 
die  Gebärmutter  gerade  vorgefallen  ist. 

§ 89.  Wenn  aber  in  Folge  längeren  Verweilens  ausserhalb 
des  Körpers  der  vorgefallene  Theil  der  Gebärmutter  schwarz  ge- 
worden ist,  so  muss  man  die  gegen  die  fressenden  Geschwüre 
gebräuchlichen  Mittel  anwenden,  wiewohl  manche  von  krauen  zu 
berichten  wissen,  die  noch  lange  mit  vorgefallenem  Uterus  ge- 
lebt haben.  Nützen  diese  nichts,  so  muss  der  schwarz  gewordene 
Theil  abgeschnitten  werden,  wie  wir  ja  auch  den  in  Folge  von 
Vorfall  schwarz  gewordenen  Leber-  oder  Lungenlappen  abschnei- 
den. Ist  der  ganze  Uterus  schwarz  geworden,  ist  er  auch  ganz 
herauszuschneiden.  Wir  thun  dies  nicht  bloss  im  Vertrauen  auf 
die  Autorität  jener  bereits  oben  erwähnten  Aerzte,  welche  be- 
richten, das  Ausschneiden  sei  gefahrlos,  sondern  auch  weil  das 
abzuschneidende  Glied  nicht  mehr  ein  nothwendiger  Bestandtheil 
sondern  zum  Fremdkörper  geworden  ist.  Wenn  bei  wieder- 
holtem Vorfall  das  vorgefallene  Stück  durch  Geschwürsbildung 
mit  den  Schamlippen  zusammen  wächst,  was  nach  den  Berichten 
mancher  Aerzte  vorkommt,  so  soll  man  diese  widernatürliche 


1)  Spiessglanz 


153 


Verbindung  mit  dem  Messer  in  derselben  Weise  durchtrennen, 
wie  man  die  Gedärme  vom  Peritoneum  trennt.  Sicherer  und 
besser  ist  es,  wenn  von  den  Schamlippen  etwas  an  der  Gebär- 
mutter hängen  bleibt,  falls  man  die  Trennung  nicht  gleichmässig 
vollziehen  kann. 


Kapitel  XXXII. 

Phimose  der  Gebärmutter. 


Kapitel  XXXIII. 

Atresie  des  Uterus. 


Honiggeschwülste,  Breigeschwülste  und  Speck- 
geschwülste an  den  äusseren  Genitalien. 


Kapitel  XXXIV. 

Die  Anwendung  des  Mutterspiegels. 


iki,'u^?mer^Un^:  Abbildungen  alter  Specula  findet  man  in : Vulpe,  Napoli  1847, 
Abbild,  d.  in  Pompeji  etc.  ausgegrabenen  Instrumente,  und  in  der  Celsus- Ausgabe 
von  de  Renzi  1851—52.  — Als  Ersatz  für  das  verlorene  Kapitel  kann  die  latein. 
.Bearbeitung  des  Muscio  dienen,  die  wir  in  Rose’s  Edition  pag.  117  finden. 


Die  Materia  medica  et  diaetetica  des  Soranus. 


I.  Pflanzen  und  ihre  Produkte. 

Abkürzungen:  D.  = Dioscorides,  Materia  med.  mit  Commentar  von  Sprengel. 
G.  — Galenus,  ed.  Kühn. 

Plin.  = Plinius. 

Flückiger  = Pharmacognosie  d.  Pflanzenreichs.  3.  Aufl.  1891. 
Hehn,  Kulturpflanzen.  5.  Aufl.  1887. 

^Aßqörovov  = Artemisia  Abrotanum  L.  und  A.  campestris. 

I.  52.  Mit  Absinthium  bei  Kissa.  I.  86.  Soll  dem  Kinde  nicht  mit 
Butter  gereicht  werden. 

D.  III.  26.  Als  Emmenagogum  gerühmt. 

’ Ayvog  = Vitex  agnus  castus. 

II.  46.  Samen  derselben  bei  Gonorrhoe. 

D.  I.  134.  genituram  exsolvit.  Billerbeck,  Flor.  dass.  164. 

Die  Frauen  gebrauchten  den  Strauch  bei  den  Thesmophorien  als  Lager 
zur  Förderung  der  Keuschheit.  D.  1.  c. 

’! 'Aiqa  = Lolium  ? 

I.  125.  Die  Ferkel  von  Muttersauen,  die  die  Pflanze  gefressen  haben, 
werden  blind. 

D.  II.  122  = Thyaron. 

Kobert  (Histor.  Studien  I.  29)  versucht  mit  Gelehrsamkeit  die  Aira  auf 
Secale  cornutum  zu  deuten. 

' Ay.ccy.ia  = Mimosa  nilotica. 

II.  41.  46.  Bei  Uterusblutung  mit  Hypocystis  und  Opium  injicirt. 

D.  I.  133.  sistit  fluxum  muliebrem. 

1 Alorr 

I.  50.  Trockene  Aloe  bei  Kissa.  II.  41.  bei  Metrorrhagia  nebst  Alaun, 

üenanthe,  Hypocystis. 

D.  III  22.  vim  habet  adstringendi  et  siccandi. 

Das  Historische  bei  Flückiger,  Pharmacogn.  215. 

' Ahxccxaßos  = Physalis  Alkekengi  L.  Judenkirsche,  Vesicago. 

II.  46.  Bei  Gonorrhoe,  die  Wurzel. 

D.  IV.  72  o~p6y\0i  ctAt/.dxajJof.  Paulus  Aeginet.  VII.  12  vesicago. 

Plin  XXI  177.  Vesicaria.  G.  XIII.  835.  Pastilli  ex  vesicaria. 
Aretaeus  327.  — Marcellus  269  Herba  lysalidis. 

Die  Pflanze  ist  wegen  ihrer  Kelchbildung  nicht  leicht  mit  andern  zu  ver- 
wechseln. 


155 


"Ah^  = Speltgraupe. 

II.  44.  "AXwo«  yAU.  Sehr  oft  bei  Alexander  v.  Tralles  erwähnt. 

Oribas  I.  561  (Note  von  Daremberg). 

'Aiöaia  = Eibisch. 

I.  64.  Zum  Bad  mit  Malva  etc.  zu  Abortivzwecken. 

D.  III.  153.  lochia  ducit.  Flückiger  1.  c.  375. 

Bei  Theophrast  als  pa^axir]  Grfpta. 

"riftdQay.ov,  cfr.  2iau(fvyav.  (II.  38.) 

'A[tvydala  (amara  nach  Kobert). 

I.  51.  123.  (opux-d)  bei  Husten. 

D.  I.  146.  gegen  Husten.  Oribas  I.  68.  234.  Paul.  Aeg.  I.  81. 

Hippocr.  VI.  564  (de  victus  ratione). 

"Avioov,  Anis. 

II.  65.  Mit  Oel  wirkungslos  als  geburtsbeförderndes  Mittel. 

D.  III.  58.  dolores  leniens. 

'Avdqdyyi]  = Portulaca. 

I.  51.  76.  121.  II.  41.  als  nia  GT'jcpouar]. 

Als  Gemüse  bei  Pica.  Zur  Unterdrückung  der  Milchsekretion. 
Aeusserlich  bei  Hautleiden. 

D.  II.  150.  Vim  habet  refrigerantem  et  subadstringentem. 

’Amov  = Pirus  communis.  L. 

I.  51.  Mit  Mispeln  bei  Kissa.  Oribas  I.  64. 

'AQrefiiGia  — Artemisia  arborescens  L. 

I.  64.  Bad  für  Abortus.  I.  71.  Fumigation  bei  Retentio  mensium. 

D.  III.  117.  ad  extrahendas  menses,  partus,  secundasque. 

^Agttccqcc'/os  (dygiog)  = Asparagus  officinalis  L. 

I.  51.  Speise  bei  Kissa. 

D.  II.  15  t.  Ziemlich  gute  botanische  Beschreibung. 

Oribas  I.  82.  nach  Galen.  Note  von  Daremberg  p.  583. 

’ 'AipiSiov  = ? Artemisia  Absinthium  L.  oder  A.  pontica  L. 

I.  52.  Als  Abortifaciens. 

D.  III.  23.  menses  trahit.  Note  von  Sprengel. 

Rufus  von  Ephesus  p.  6.  n.  15.  29. 

'AQvoy/MOGOv,  Plantago  (asiatica  oder  lagopus  nach  Fraas). 

I.  5 t.  bei  Kissa  I.  125.  bei  Kinderdurchfall.  II.  41.  äusserlich  bei  Me- 
trorrhagie. 

D.  II.  152.  mit  Kommentar  2.  Bd.  165.  Rufus  73  (de  gonorrhoea). 
Kobert,  Studien,  I.  227. 

' 'Ae('C({>ov , Sedum  rupestre  oder  reflexum? 

I.  12 1.  extern  bei  Exanthemen. 

D.  IV.  89.  vis  perfrigerans  et  adstringtns. 


Büros  (1 9aXXoi),  Rubus,  ßrombeerstaude. 

II.  41.  bei  Metrorrhagie  II.  46.  Gonorrhoe  II.  87.  Decoct  bei  Prolapsus. 
D.  IV.  37.  adstringit  et  siccas.  Evang.  Marc.  12,  26  (Dornbusch  des 
Moses). 

Bohßog  ? Sium  bulbocastanum  Spr.  ? Hyacinthus  comosus  L. 

I.  110.  Ueberschliige  auf  den  Nabel. 

Robert,  Studien  I.  99.  Hippocr.  Epidem.  VII. 

Th\yii)v  = Mentha  Pulegium  L.  Polei. 

I.  67.  Riechmittel  b.  d.  Geburt.  II.  82.  zu  Mutterzäpfchen.  II.  39. 

Eh  HI-  33-  zu  allerlei  gynäkologischen  Zwecken,  gegen  Nausea. 

riv/.vQQl'Ca  = Liquiritia. 

I.  123.  bei  Husten  (yuXoc). 

D.  III.  5.  gegen  rauhen  Hals. 

rÖQig  Weizenmehl. 

I.  118.  Kataplasma.  II.  11. 

Athenaeus  Deipnosoph.  III.  115. 

yJd(fvrn  Laurus. 

I.  85.  die  Blätter  zum  Lager  des  Kindes.  II.  32.  38. 

D.  I.  106.  calefaciens  et  molliens.  Hehn,  Kulturpflanzen. 

z! cc cpvig  II.  38.  quid? 

zJiy.xaf.ivog , Origanum  Dictamnus  L. 

I.  71.  Euryphon  gab  ihn  zur  Entternung  der  Secundae;  Diureticum. 

D.  III.  34.  fetus  emortuos  ejicit. 

Rufus  29  bei  Lithiasis. 

zlqvg , quercus. 

II.  4t.  Blätter,  bei  Metrorrhagie. 

D.  I.  142.  Quercus  omnis  adstringentem  vim  habet  et  siccantem. 

Robert  I.  1 1 6 (in  d.  Collectio  Hippocratica). 

Javy.og  (y.Qtjxixog),  Athamanta  cretensis  L. ? Seseli  ammoi'des? 

II.  32.  bei  Tympanites  uteri. 

D.  III.  76.  menses,  partus  et  urinas  pellit. 

” Elaiov , Oleum. 

I.  69.  Olivenöl.  Hehn  83. 

^Eleliocpaxog,  Salvia  pomifera  oder  S.  calycina? 

I.  71.  Von  Euryphon  und  Dion  bei  Retentio  placentae  vorgeschlagen. 

D.  III.  35.  vim  urinas  mensesque  ciendi.  Theophrast  VI.  1.  2. 

Robert,  Studien  I.  230. 

’ ElleßoQog  Jzvxog  Veratrum  album  L.  Germer.? 

II.  28.  Bei  Hysterie  durch  Niesswurz  starkes  Würgen  zu  erregen. 

D.  IV.  148.  Vomitionibus  humores  extrahit.  Menses  pellit. 

Rufus  268.  330.  369,  442. 

Alex.  Trall  I.  552  (Anmerkung  v.  Puschmann). 

Robert,  Studien  I.  97  zweifelt  nicht,  dass  die  weisse  Niesswurz  der  Alten 
das  Veratrum  sei. 


157 


'EUeßooog  tueXag,  Helleborus  officinahs  oder  orientahs 

TT  io  als  bluttreibendes  Mittel.  Theophrast,  Hist,  plant.  IX.  io,  4- 
Kobert,  Studien  I.  89.  Historische  Notizen  von  Interesse 
Oribas  II.  800;  wichtiger,  gründlicher  Excurs  von  Daremberg. 

D.  IV.  149. 


'Eyeßivdog,  Cicer  arietinum  L. 

I.  122.  Mass  für  Dosis  der  Terebinthine. 

I.  63.  Grössenmass  für  die  Dosis  des  Succ.  cyrenaicus. 

D.  II.  126  (Cicer). 

Viktor  Hehn,  Kulturpflanzen.  5.  Aufl.  p.  178. 

Kobert,  Studien  I.  131. 

EvCio/.iov , Eruca  sativa  L. 

I.  63.  euCuj^ov  G7i£p[J.aT0^  oßoXov  sva  als  aTGXtOV. 

D.  II.  169.  Aplirodisiacum. 

'EXarfQiov,  Momordica  Elateriurn  L.  (oixvog  äyQiog,  oixv?]). 

H.  12.  von  den  Weibern  als  bluttreibend  und  Abortivmittel  gebraucht. 
D.  IV.  155.  menses  eiet,  partus  enecat,  in  pesso  subditum. 

Köhler  in  Vircliows  Archiv  Band  49. 

Kobert,  Studien  I.  91. 

Zr/yißeQig,  Zingiber  officinale  Roscoe.  — Ingwer. 

I.  61.  zum  Pessar  (dxoxiov). 

D.  II.  189.  Flückiger  357.  (Ausführlich.) 

1 ELhoTQÖmov , Croton  tinctorius  ? ? 

I.  124.  Bei  Siriasis  werden  die  Blätter  auf  den  Scheitel  gelegt. 

D.  IV.  190.  stimmt  vollkommen  damit. 


lHdvoO(.tov,  Mentha? 

I.  77.  Auf  die  Mamma  als  Ivataplasma,  nebst  Selinon  etc. 

D.  III.  36.  Vim  habet  calefacientem,  adstringentem  et  exsiccantem. 

v. iQig  (WivQixjj),  Iris  florentina  L. 

I.  71.  Euryphon  zu  Pessarien.  II.  32  bei  Tympanites  Uteri. 

D.  I.  1.  hiezu  der  Kommentar  von  Sprengel  nachzusehen. 

Rufus  6.  7. 

’/rea,  Salix. 

II.  41.  Blätter,  bei  Metrorrhagie. 

II.  88.  Adstringens. 

D.  I.  135.  styptische  Kraft. 

” loyag , getrocknete  Feige,  Ficus  carica  L. 

I.  61.  Fleisch  der  Feigen  mit  Natrum,  als  Atokion. 

Als  toya?  wird  auch  eine  Euphorbia  bezeichnet. 

D.  I.  183.  Zur  Maturation  von  Abscessen  mit  Natrum. 

Flückiger  1.  c.  857. 

Kalcif-iivÜri,  Thymus  ? Melissa  ? 

II.  32.  Tympanites  uteri. 

D.  III.  37.  Hat  drei  Arten.  Uterinmittel. 


KäXaf.iog,  Schilfrohr. 

I.  80.  zum  Abschneiden  der  Nabelschnur. 

I.  52.  darauf  gelegtes  Obst  wird  gedämpft. 

Kavaßig  (auch  Kctvvaßig),  Cannabis  sativa  L.  Hanf. 

II.  46.  Samen  bei  Gonorrhoe. 

D.  III.  155.  semen  genituram  enstinguit.  — Ausführliche  Notizen  von 
Sprengel  im  Kommentar. 

Kobert,  Studien  I.  190. 

KannaQis,  Capparis  spinosa  L.  Kappernstrauch. 

I.  98.  Die  Schüler  des  Moschion  gaben  Kappern  bei  zu  dicker  Milch. 
Die  Hippokratiker  benützten  die  Rinde  der  Wurzel. 

D.  II.  204.  Ausführliche  pharmakologische  Betrachtung. 

Oribas  I.  70.  diätetische  Qualitäten. 

KaQda^iov , Lepidium  sativum?  Nasturtium? 

I.  65.  zu  Pessum.  I.  86.  verboten  wegen  Schärfe  (für  Säuglinge). 

D.  II.  184.  Der  Same  ist  hitzig,  scharf,  tödtet  die  Fötus. 

Kaoia  (auch  Kaaoia),  Cinnamomum  Cassia  Blume. 

I.  71.  nach  Strato  zu  Fumigationen  bei  Retentio  mensium. 

D.  I.  12  (xaaaia). 

Rufus  8.  diuretisches  Mittel. 

Das  Historische  genau  bei  Flückiger  594. 

KeÖQog,  Juniperus  Oxycedrus  L.,  oder  Juniperi  species? 

I.  61.  -/.$8pta,  das  Harz  an  den  Muttermund  applizirt  hindert  die  Conception. 
D.  I.  105.  Verendae  parti  ante  co'itum  circumlita  conceptionem  impedit. 

Dazu  ausführlicher  Kommentar  Sprengels. 

Oribas  II.  814.  Ausführlicher  gelehrter  Exkurs  von  Daremberg. 

Koloy.vvd ')],  Cucurbita  species,  nach  Andern:  Cucumis. 

I.  124.  Ueberschläge  bei  Siriasis,  zur  Kühlung. 

D.  II.  1 6 1 . Sprengel  deutet  den  Namen  auf  Cucumis  sativa. 

Orib.  I.  304  u.  Anm.  620.  — Hehn  252. 

Kolv{ußadsg  ( eXaicu ),  Olivae  muriä  conditae. 

I.  51.  mit  Salz  eingemachte  Oliven  bei  Pica. 

Cael.  Aurelian  Chron.  I.  i.  § 24.  olivas  ex  viridi  novitate  messas. 

Oribas  I.  609.  Exkurs  von  Wichtigkeit. 

D.  I.  138.  stomacho  utilis,  alvo  incommoda. 

Krjy.ig , Galla  quercus  (auch  omphacitis),  Gallae  halepenses? 

I.  81.  Aeusserlich  bei  Neugeborenen,  von  Soran  getadelt. 

I.  61.  zu  Mutterzäpfchen.  II.  41.  Metrorrhagie. 

D.  I.  146.  in  usum  vocandae,  si  quid  adstringendum  est. 

Flückiger  270  (Historisches). 

KißwQiov , Nymphaea  Nelumbo  L ? 

I.  57.  Die  Placenta  wird  mit  dem  Blatte  verglichen. 

Ktaoog,  Hedera. 

I.  77.  Decoct  auf  die  Mamma. 

I.  48.  etymologischer  Nexus  mit  Kissa. 

D.  II.  210.  scharf,  styptisch. 


159 


KitQog,  Citrone?  Limone? 

I.  67.  Riechmittel  bei  Geburten  bereit  zu  halten. 

Otribas  I.  72.  D.  . 166.  (Mala  medica). 

Flückiger  843. 

K6(.if.u,  Gummi  Acaciae  senegalensis. 

I.  61.  Granaten  mit  Kommi  local,  als  Atokion. 

D.  I.  33.  Acacia. 

KövvKa  (leTCTÖffvllog)  PErigeron  graveolens,  PInula  saxatilis. 

II.  16.  Retentio  mensium. 

D.  III.  126.  ad  menses  pellendas  in  vino. 

KoQiavÖQog  (von  y.ÖQig  Wanze,  wegen  des  Geruchs). 

Bei  Hippokrates : xoptavo",  bei  Galen  -zoptocvvov.  D.  III.  64.  xopcov. 

I.  35.  Suppositorium  zur  Diagnose  der  Fertilität. 

I.  76.  auf  die  Mamma  als  Antigalacticum. 

Rufus  42.  Kataplasma  bei  Blasenblutung. 

Kozvlrfiiov,  Cotyledon  umbilicus  veneris? 

I.  12 r.  bei  Exanthemen,  externe. 

D.  IV.  90.  inflammationibus  utiliter  imponitur.  Rufus  37 , bei  Diabetes. 
Plin.  XXV,  § 159. 

KQccfißi 1,  Brassica  spec.P 

I.  77.  Kataplasma  d.  Mamma. 

II.  29.  Von  Hippokrates  als  Decoct  bei  Hysterie. 

D.  II.  146.  folia  valent  ad  omnes  inflammationes  et  oedemata. 

Decoctum  menses  eiet. 

Kqi&i],  Hordeum. 

I.  5°.  (zpt&tvtuv  dXs'jpiuv)  Gerstenmehl,  Anwendung  bei  Pica. 

D.  II.  108.  Farina  abscessus  et  inflammationes  discutit. 

Kqöy.og,  Safran. 

I.  50.  bei  Pica.  I.  77.  externe  ad  mammas  mit  Kyperos-Salbe. 

I.  120.  bei  Aphthen.  II.  39.  Fumigation. 

D.  I.  25.  collyria  ad  aurium  orisque  affectus. 

Rufus  39  mit  Opium,  id  55  radix,  diuretisch.  — Hehn  210. 

KQOfifivov,  Cepa  hiemalis  = Allium  cepa  L. 

I.  46.  bei  Gravidis  zu  meiden  I. 

D.  II.  180.  — Kobert,  Studien  I.  163. 

Kvdtöviov  fLrjlov , Cydonia,  Quitte. 

I.  51.  bei  Pica.  I.  67.  Riechmittel  b.  d.  Geburt. 

D.  I.  160.  stomacho  conducunt  et  urinas  pellunt. 

Oribas  I.  63.  Hehn  198. 

Kvfuvov , Cuminum  Cyminum  L.  Mohrenkümmel. 

I.  77.  82.  als  scharfes  Mittel  zu  meiden. 

I.  1 1 9*  <rup.TtAY]pum*ov.  Von  Ammen  bei  Mandelentzündung  benützt. 

D.  III.  61.  Bei  Hippokrates  z'Jptvov  guÜuutuxov. 

Hehn  p.  171. 


160 


KvnsQog.  Cyperus  rotundus  L.  mit  wohlriechenden  Rhizomen. 

I.  76.  Salbe  auf  die  Mamma. 

D.  I.  4.  -/unEipo?.  Yis  calefaciens,  menses  evocans. 

KvxXd/uivog,  Cyclamen  persicum  L.  ? 

II.  32.  Mutterzäpfchen  bei  Tympanites  uteri. 

D.  II.  193.  Miscetur  et  medicamentis  fötum  evocanlibus.  Die  botanische 
Beschreibung  ist  ziemlich  gut. 

ylddavov , Cistus  ladaniferus?  creticus? 

I.  122.  bei  Exanthemen,  im  späteren  Stadium. 

D.  I.  128.  cicatricibus  decorem  facit. 

Rufus  292. 

Asvxuiov,  Cheiranthus  ? 

I.  63.  Samen  zur  Verhütung  der  Conception,  Trank  aus  Levkojen-  und 
Myrten-Samen. 

D.  III.  128.  pellens. 

slivov , Linum  usitatissimum  L.  Flachs,  Lein. 

II.  32.  rohe  trockene  Leinwand. 

Ueber  ojuoÄtvov  : Oribas  I.  650.  Exkurs. 

Leinsamen  (livoa-äppov)  bei  Soran.  I.  60.  56.  76.  zu  äusserlichen  Gebrauch. 
Flückiger  979.  Hehn  135. 

Atozog,  Ceitis  australis,  Zürgelbaum. 

II.  44.  TtpiairaTa  Xojtoü  = rasura  ligni  loti. 

D.  I.  171.  Ligni  scobis  decocta  — - auxiliatur  fluxui  muliebri. 

Aißavog,  Thus,  Weihrauch  von  Boswellia;  Amyris  Kafal.Forsk. 

I.  120.  Rinde  des  Strauches  bei  Aphthen. 

D.  I.  81.  mit  genauem  Kommentar  Sprengels. 

Rufus  42.  AißavuiTOü  cpXoio?  bei  Blasenblutung. 

Flückiger  49.  (Olibanum)  ausführliche  Darstellung. 

MaXd  ßad  qov  — Cassia. 

D.  I.  11.  cfr.  Sprengels  Kommentar. 

II.  38.  Oel  davon. 

MaXdyjrj,  Malvae  species?  Althaea? 

I.  56.  76.  82.  Die  Decocte  aus  Foenum  graecum.  Malve  und  Leinsamen 

kommen  sehr  olt  zur  Anwendung  (Species  emollientes). 

D.  II.  144.  nach  Sprengel:  Malva  sylvestris. 

Mdvva,  cfr.  Aißavog. 

II.  41.  manna  thuris,  pollen,  Mehl. 

D.  I.  83. 

Maoziyt],  Harz  von  Pistacia  lentiscus  (oylvog). 

I.  50.  Mastix- Oel  bei  Vomitus  gravidarum,  extern  II.  41. 

D.  I.  51.  Ueber  das  Mastix-Oel. 

Oribas  II.  630  u.  Anm.  903. 


161 


MeXav&iov,  Nigella  sativa  ? ? 

I.  71.  Räucherung  bei  Retentio  placentae. 

Robert,  Studien,  I.  123  vermuthet  Secale  cornutum.  (Ausführlich. 

Simeon  Seth  65. 

Meomkos,  Mespilus  germanica  L.? 

I.  51.  bei  Pica.  II.  41.  Haemorrhagia  uteri,  Umschläge. 

D.  I.  169.  173. 

MeXiXcorog , Melilotus  officinalis? 

I.  121.  Aeusserlich  bei  Dermatosen. 

D.  III.  41. 

M/jxcov,  Papaver. 

I.  1 1 5 . Mohnsamen  zum  Brote  für  Kinder  verboten. 

Galen,  Alim.  facult.  I.  cap.  31.  — Plin.  XIX.  168. 

Robert,  Studien  I.  108. 

MrjXivov  elcuov  — Oleum  cydoniarum.  1.  50. 

D.  I.  55.  über  die  Bereitung. 

31vQiy.j 7,  Tamarix  gallica. 

I.  120.  Aphthen. 

D.  II.  11 6.  ad  oris  oculorumque  medicamenta. 

Robert  vermuthet,  dass  die  mit  Gallen  besetzten  Theile  verwendet  werden. 

ßlvQoivT],  Myrtus  communis;  /iivQzog  die  Beere,  n.  41. 

I.  50.  56.  81.  85. 

D.  I.  155.  vis  adstringens. 

Rufus  37.  Decoct  der  Beeren  bei  Diabetes.  59.  bei  Psora  vesicae. 
Rufus  14.  zum  Kataplasma  bei  Niereneiterung. 

Billerbeck,  Flora  classica  p.  122  ff.  — Hehn  183. 

Mvqos  ovQLCcxög.  Mutterpflanze?  Amyris? 

I.  64.  Injektion  der  Fruchttödtung. 

D.  I.  18.  nebst  Kommentar  v.  Sprengel.  — Theophr.  Hist.  pl.  IX  6 
Plin.  XH.  in.  ff. 

Galen  XIV.  7. 

Nanv , Sinapis,  Brassica  nigra. 

I.  52.  11.  15.  II.  38. 

D.  II.  183.  IthvTjTu  7]  vartu.  Flückiger  1030. 

Nccqöos,  ? Valeriana  jatamansi. 

I.  50.  bei  Pica.  I.  52.  syrischer  Nardus. 

D.  I 6.  gegen  Nausea,  cfr.  auch  Sprengels  Kommentar. 

NaQxiooog,  Narcissus  poeticus. 

II.  48.  Narcissenöl  als  Injektion  bei  Atonia  uteri. 

D.  IV.  158.  mit  guter  Beschreibung. 

p-ufus  269.  Zwiebel  als  mildes  Emeticum  bei  Gicht. 

Galen  XVI.  143.  Emeticum,  Komment,  zu  Hippokr.  de  humoribus. 

Olvdv&rj  = Vitis  silvestris  fructus,  dum  floret.  D.V.  5.  (Kommentar!) 

I.  50.  adstringens. 

Alex.  Trall.  II.  327  (Pflaster).  Oribas  V.  105.  12 1.  865.  Aetius  IX.  50. 
Soranus:  Ueber  die  Krankheiten  des  weiblichen  Geschlechtes.  H 


162 


’ O/iiffdxiov • Succus  acerbae  uvae. 

I.  46.  Oel  damit  bereitet.  I.  50.  Adstringens  bei  Pica.  I.  56.  Cerat. 

D.  V.  6 u.  12.  — Oribas  I.  384.  — Alex.  Trall  I.  300. 

Omov  = onctg  [ttjxiijvog. 

Kobert,  Studien  I.  108. 

II.  41.  in  Essig  gelöst  bei  Metrorrhagie. 

D.  IV.  65.  de  papavere  sativo. 

Rufus  8 (d’uoü  pinx cuvoc). 

'Ommavaig  PFerula  Opopanax  Sprengel  (Kommentar  zu  Dioscorides). 

I.  63.  Mit  kyrenaischem  Saft  als  Atokion. 

D.  III,  48.  äyet  epßp'ja. 

’ Ortoßdlaa/iiov , Amyris  opobalsamum  L.P 

I.  61.  Atokion,  lokal. 

D.  I.  18  (Baisamum). 

’ Orcug  xvqrjvaxixög.  Thapsia  Silphium?  Ferula? 

I.  63.  Emmenagogum. 

D.  III.  84.  Potus  cum  pipere  et  myrrha  menses  eiet. 

Alex.  Trall.  I.  406  (mit  Litteratur).  Kobert,  Studien  I.  90. 

^Oqv^cc,  Reis. 

II.  41.  bei  Metrorrhagie  als  Nahrung. 

I.  51.  itoTroc,  bei  Pica. 

D.  II.  117.  mediocriter  alit. 

''Oqoßog,  Ervum  ervilia  L. 

I.  6t.  Pessars  von  der  Grösse  eines  opoßo;. 

Rufus  6.  14.  Mehl  davon  (äXeupov).  Hehn  138.  Schuchardt,  Deutsch. 
Archiv  XI.  316. 

Ildvatg,  cfr.  ononavedg. 

I.  61.  Wurzel  mit  Terra  kimolia  als  Pessar,  Atokion. 

ndnvQog. 

I.  69.  das  Neugeborene  soll  auf  Blättern  des  Papyrus  empfangen  werden. 
D.  I.  115.  bei  Fisteln. 

IlensQi , Piper. 

I.  63.  Die  Samen  des  weissen  Pfeilers. 

D.  II.  188.  Abortivum.  — Oribas  II.  904.  (Exkurs.) 

IleQÖtxiov , Parietaria  officinalis? 

II.  24.  41.  (yuXoi)  Themison  wird  getadelt,  weil  er  das  Mittel  bei  Metritis 
giebt. 

D.  IV.  86.  styptisclies  Mittel. 

Billerbeck,  Flor.  dass.  35.  245. 

IJevxedavov , Peucedanum  officinale  L.P 

II.  29.  Räucherung  bei  Hysterie. 

D.  III.  82.  Datur  et  olfactum  in  strangulatu  hysterico. 


1G3 


Ilqyavov.  Ruta  graveolens. 

I 35.  n.  46.  bei  Gonorrhoe. 

D.  III.  45-  Genituram  exstinguit  ruta. 

Rufus  431.  verdickt  das  Sperma,  gegen  Pollutionen. 
,sour  herb  ol  grace“  Shakespeare,  Richard  II.  Act.  III 


Sc.  4. 


nixvg. 

I.  61.  Rinde,  lokal  als  Atokion.  II.  44-  bei  Po0s- 
Hehn  241. 


Üolvyovov , Polygonum  aviculare  L.  ? 

II.  41.  Adstringens. 

D ~IV.  4.  hat  styptische  und  kühlende  Kraft. 
Rufus’ 37.  42.  — Alex.  Trall.  I.  431-  Hämophilie. 

JJqccoov,  Allium  Porrum,  Lauch. 

I.  46.  Verboten  in  der  Gravidität. 

Oribas  I.  89  (Literatur). 

D.  II.  178. 


IIquoiov , Marrubium  vulgare  L.?  Flückiger  742. 

I.  71.  Von  Straton  zu  Fumigation  bei  Retentio  mensium  empfohlen. 
D.  III.  109.  als  Emmenagogum  bezeichnet. 


IIvQeÜQOV,  PLigusticum?  Umbellifere! 

II.  12.  Pellens,  zu  Abortivzwecken. 


IIvqüs,  Triticum. 

I.  50.  Ungesiebtes  Weizenmehl.  I.  94.  Brot  für  die  Amme  dno  crpaviuiv 

'Tt’JpdiV. 

‘ Pcccpavog , Raphanus. 

I.  52.  94.  98.  Gilt  als  schwerverdaulich.  Für  die  Amme  verboten.  Von 
Moschion  bei  Versiegen  der  Milch  unrichtig  gepriesen.  I.  44.  als  Emeticum. 

<Pudos,  Rosa. 

I.  50.  Rosenöl  gegen  Vomitus.  I.  120.  Blätter  und  Blüthe  gegen  Aphthen. 

II.  4t.  Rosen-Cerat  bei  Uterusblutung. 

lPoia,  Malum  punicum.  Granate,  man  sehe  auch  ,ßidiovu. 

I.  5r.  162,  120.  II.  85. 

D.  I.  1 5 1 . Adstringens. 

Hehn,  Kulturpfl.  192. 

<Povq,  Rhus  coriaria.  Sumach. 

I.  62.  zur  Verhinderung  der  Syllepsis.  II.  41.  frisch  gepresster  Saft  in 

kleiner  Dosis  innerlich. 

Die  Hippokratiker  verordnen  das  Mittel  in  Feigenabkochung  als  Gargarisma. 
Hehn,  Kulturpfl.  343. 

—dfiipvyßv,  Origanum  maru.  L.  (teste  Sprengel). 

II.  38.  rnit  Oel  bei  Mola.  D.  III.  41.  = ä[j.obazov  des  Theoplirast. 

1 1* 


164 


Zehvov,  Petroselinum  sativum  HofFm.  (im  Text  ungenau  von  uns 
mit  „Eppich“  übersetzt. 

L 71.  Dion  bei  Retentio  placentae.  I.  77.  II.  24.  Oel  damit  benetzt. 

D.  111.  07.  Urinas  et  menstrua  pellit. 

Hippocr.  de  nat.  mul.  VIII.  325,  Emmenagogum.  — Flückiger  940. 

~£Qts,  Cichorium  Intybus?  (Cichorie.) 

I.  51.  bei  Pica.  II.  41.  Nahrung  bei  Metrorrhagie 
D.  II.  159. 

2ijoa/iiov,  Sesamum  orientale  ? 

I.  77.  Ueberschläge  auf  die  Mamma. 

D.  II.  121.  Zertheilende  Wirkung. 

JSidiov,  Malicorium,  Fructus  putamen.  Die  Schale  der  Granate. 

I.  50.  60.  zu  Pessis,  Atokion.  II.  87.  Adstringens  bei  Prolapsus. 

D.  I.  153.  styptische  Kraft. 

Flückiger  518.  Im  Mittelalter  als  Cortex  psidii  oder  Malicorium  allein 
officinell. 

Billerbeck,  Flor.  dass.  p.  124. 

2lxvov  nemov,  Cucurbita. 

I.  52.  67.  bei  der  Geburt  bereit  zu  halten,  als  Erfrischung.  II.  59.  leichte 

Nahrung. 

D.  II.  163. 

2ixvov  äyQiov , Momordica  Elaterium  L.  (cfr.  Köhler  in  Virchows 
Archiv,  Bd.  49.) 

II.  65.  Saft  mit  Cerat  local  nach  Soran  unnütz  zur  Förderung  der  Geburt. 
D.  IV.  132.  — In  Collectio  Hippocr.  sehr  oft  als  Pessum  (VII.  363.  423. 

VIII.  155.  177.  397.  443.  479). 

vivant  g = vanv. 

II.  15.  Als  Rubefaciens  II.  28.  bei  Hysterie. 

Cael.  Aurelian.  Chron  II.  35.  — Oribas  II.  885.  Exkurs  von  Daremberg. 
Erste  Anwendung  des  Sinapismus  durch  Heraklides  von  Tarent. 

JZigccqoVi  Pastinaca  sativa  L.  (Sprengel,  Kommentar). 

I.  51.  als  Speise  bei  Pica. 

D.  II.  139.  Radix  ori  grata  et  stomacho  utilis. 

^xafifiovia,  Convolvulus  farinosus,  nach  Sprengel. 

I.  125.  Wirkung  bei  Ziegen  auf  die  Jungen,  die  saugen. 

D.  IV.  168.  mysisches  und  syrisches.  — Rufus  361. 

2Sxüqoöov,  Allium  sativum  L.  Knoblauch. 

I.  35.  Fumigation  zur  Graviditäts-Diagnose.  I.  46.  bei  Gravidis  zu  meiden. 
D.  II.  181.  Menses  secundasque  extrahit.  Hehn  159. 

^ivQvrj,  Myrrhe. 

I.  63.  71.  Von  Dion  bei  Retentio  placentae. 

D.  I.  77.  treibt  die  Menses  und  die  Leibesfrucht. 

Theophr.  Hist.  pl.  IX.  4.  3.  5. 

Flückiger  41. 


165 


JSovgßog,  Sorbus  domestica  L. 

I.  51.  Bei  Pica  empfohlen. 

D.  I.  173  (uept  oücuv). 

^ovoivov  ( elaiov ) Lilienöl,  von  Lilium  candidum  L.? 

I.  71.  Straton  zu  Fumigation.  II.  48.  Injektion  bei  Atonia  Uteri. 

D.  I.  62.  (ixept  zp'tvo'j.)  Unguentum  matricis  durities  molliens. 

~id<fig,  uva  passa. 

I.  77.  Ueberscliläge  auf  die  Mamma  nach  Entfernung  der  Kerne. 

II.  16.  bei  Amenorrhoe. 

2:zafpvb],  uva. 

I.  51.  bei  Pica,  frisch  oder  vorher  aufgehängt. 

D.  V.  3.  Galen,  Alim.  facult.  II.  9. 

^iQÖßilog,  Frucht  von  Pinus  Pinea  (nach  Sprengel : Pinus  Cembra). 

I.  123  8ta  crcpoßtLtov  /uXoc. 

Oribas  II.  901.  mit  krit.  Exkurs  von  Daremberg,  welcher  hervorhebt,  dass 
Pinus  Cembra  nicht  in  Griechenland  vorkommt. 

— tvQa!;,  Storax. 

II.  39.  Fumigation  bei  Mola.  D.  I.  79.  Ciet  menses  pota  apposituque. 

JSzQObfhov,  Mutterpflanze?  Gypsophilae  species? 

I.  71.  Mutterzäpfchen.  D.  II.  192.  menses  trahit,  fötus  necat. 

Kobert,  Studien  I.  128  fl. 

^zQvyvog,  Solanee?  S.  nigrum? 

I.  124.  Saft  externe  bei  Siriasis  II.  24.  41. 

Kobert,  Studien  I.  120. 

JSqtovdvhov,  Unbekannte,  wohlriechende  Umbellifere! 

I.  60.  II.  29.  Riechmittel  bei  Hysterie. 

D.  III.  30.  iarat  uatspt/.rjv  uvtya. 

2%Zvos,  vergl.  Art.  Metern/?;  (Pistacia  Lentiscus  L.). 

I.  121.  II.  41.  46.  87.  — Kobert,  Studien  I.  1 1 8.  — Hehn  343. 

2vxog,  Ficus. 

I.  77.  Getrocknete  Feigen  als  Kataplasma.  II.  32.  gekochte  Feigen. 

D.  I.  183.  zu  erweichenden  Umschlägen.  Oribas  II.  353.  Ausführlich 
über  Feigenkataplasma.  — Hehn  79. 

TeQeßivöos,  Pistacia  Terebinthus  L.  — D.  I.  91.  zsq^uv9v g. 

I.  122.  Das  Harz  mit  Honig  zu  Suppositorien. 

II.  32.  Bei  Tympanites  uteri. 

TiJÄig,  Foenum  graecum  von  flrigonella  Foenum  graecuin. 

I.  56.  60.  76.  82,  meist  mit  Malve  und  Leinsamen  verbunden. 

Rufus  5,  dieselbe  Kombination  wie  bei  Soran,  hier  als  ßooxsoac. 

D.  II.  124.  molliendi  et  dissipandi  vim  habet.  1 

Flückiger  992.  Historisches. 


TQayoQiyavov , eine  wohlriechende  Labiate  ? 

I.  52.  bei  Pica  ein  Absud  des  kretischen  Tragoriganon. 

D.  III.  32.  bei  Nausea  und  Magenleiden. 

TQtßolog,  Trapa  natans  L.  Wassernuss. 

I.  77-  Umschläge  auf  die  Mamma  mit  grünen  Tribolen. 

D.  IV.  15.  (svu&poc)  die  Beschreibung  passt  gut  auf  Trapa. 

Theophr.  Hist.  pl.  IV.  9.  2.  (Gute  Beschreibung.)  Kobert,  Studien  I.  235. 
Hippocr.  VII.  347.  VIII.  179.  183.  (ed.  Littrö),  Emmenagogum. 

TQayaxäv&t],  Astragalus  creticus. 

I.  123.  Husten  der  Kinder. 

D.  III.  20.  hierzu  Sprengels  Kommentar. 

" Yaaionog , Labiate,  vielleicht  Origani  species.  (Sprengel.) 

I.  52.  bei  Pica  mit  Senf.  II.  16.  32.  38. 

D.  III.  27.  verdünnende,  erwärmende  Kräfte. 

‘Ynoxioug,  Cytinus  hypocistis  L. , auf  den  Wurzeln  von  Cistus 
schmarotzend. 

I.  50.  bei  Pica.  II.  46.  Gonorrhoe.  II.  87.  Prolapsus. 

D.  I.  127.  adstringens,  bei  Fluss  der  Weiber  (Sprengel  II.  401.  Kommentar). 
Alex.  Trall.  II.  427  im  Trochiscus  dysentericus. 

<Dax6g,  Lens,  Linse. 

I.  120.  122.  ext.  b.  Exanthem.  II.  41.  87.  Kataplasma.  Hehn  176. 
Oribas  I.  569.  Exkurs.  D.  II.  129.  ad  pustulas  et  herpetes. 

<Pax>7,  Lemna? 

D.  IV.  87.  de  lenticula  stagnina. 

II.  88.  Die  an  der  Pflanze  hängende  schwarze  Erde  benützt. 

&olv£%,  Dattelpalme. 

I.  50.  76.  II.  41.  46.  87.  bes.  die  thebaische  (II.  44). 

D.  I.  149.  Hehn,  Kulturpfl.  216. 

Xalßdvi],  Galbanum;  spec.  Ferulae? 

I.  61.  Atokion  I.  71.  Fumigatio  bei  Retentio  mensium  II.  32. 

D.  III.  87.  menses  ac  foetus  prolicit. 

Rufus  6.  (Kataplasma  Chrysippi.) 

Wv?Mov,  Plantago  psyllium  L.  et  arenaria  Kit. 

I.  76.  II.  41.  Antigalacticum. 

D.  IV.  70.  Vis  refrigerans.  Plin.  XXV.  § 140. 

Rufus  287.  bei  Gicht.  Alex.  Trall.  II.  86. 


II.  Thierreich1). 

1.  Mammalia. 

’ Al £,  Ziege. 

I.  125.  cfr.  oben  SxajAutlma. 

I.  95.  Milch  weniger  mündig  und  stopfend. 

Ueber  Ziegenmilch:  Oribas  I.  92.  95.  — Galen  VI.  765. 

l)  Die  citirte  Edition  des  Aristoteles  ist  die  von  Aubert  und  Wimmer,  Aristoteles  Thierkunde. 
Leipzig  1868.  2 Bde. 


167 


'AQ/jv,  Lamm. 

II.  44  (jrjTta).  Oribas  I.  92- 


Bovg,  Rind. 

I.  94.  Fleisch  der  Amme  verboten.  II.  85.  Euenor  legte 
Rindfleisch  auf  die  Yulva.  — Oribas  I.  91. 


bei  Prolapsus 


rcdathjvos,  Milchschwein.  1.  125. 

JÖQxag,  Gazelle. 

I.  51.  xpsa?  SozäSstov.  I.  95-  für  üie  Amme. 


1 


’Elacpog , Hirsch. 

II.  29.  Hirschhorn  zur  Fumigation. 
II.  44.  TiUTia.  — Oribas  I.  93- 


II.  38.  Mark,  Hirn. 
Sextus  Placitus,  Kap. 


I. 


'EQicpog,  Zicklein. 

I.  125.  (Scammonium).  I.  95-  für  ^ie  Amme. 
I.  109.  Methode  der  Mästung. 


LH/.uovos,  Maulesel 


I.  63.  Uterus  des  Thieres  als  Atokion  von  Soranus  nicht  gebilligt,  ebenso 
das  Ohrenschmalz. 

Sextus  Placitus  (ed.  Ackermann)  Kap.  XIII. 


Aayiug,  Hase. 

II.  44.  nuua.  — I.  51.  Fleisch  bei  Pica  I.  95. 

Oribas  I.  93.  Hasenfleisch  mache  dickes  Blut. 

Möoyog,  Kalb. 

II.  44.  -rtuTta. 

Mvo  xazoixiöiog,  Hausmaus.  1.  41. 

’Ovog,  Esel. 

II.  29.  Milch,  Kur  des  Hippokrates  bei  Hysterie. 

IlQoßaza. 

I.  94.  Fleisch  schlecht  verdaulich.  I.  95.  Schafmilch. 

Oribas  I.  92. 

TavQog,  Stier,  die  Galle. 

I.  64.  II.  33.  bei  Tympanites  Uteri  in  Zäpfchen  mit  Raute,  Isop  etc. 

lYo  (ovo),  Sus. 

I.  15.  Castration  der  Sauen  in  Galatia. 

I.  125.  (cfr.  oben  "Atpa).  — II.  II.  TUiisXrj. 

Orib.  I.  9t.  584  (Exkurs  von  Daremberg). 

XoiQog,  Ferkel. 

I.  110.  Astragalus  verbrannt  als  extern.  Mittel. 

I.  95.  Fleisch  für  die  Amme.  I.  51.  Rüssel,  Füsse,  Ohren,  Uterus  zur 
Speise. 

D.  II.  62.  Die  Knöchel-Asche  gegen  Blähungen  und  Grimmen. 


168 


Produkte  von  Mammalien. 

Bovcvqov. 

I.  86.  1 18.  II.  24. 

rdla  cfr.  ,’Öw“. 

’ Eqlov , Wolle. 

I.  67.  II.  28.  Einhüllung. 

Ainaa/ua. 

I.  1 18.  Dem  Kinde  als  Zuller. 

Maarög,  Milchdrüse. 

I.  97.  Speise  zur  Vermehrung  der  Milch. 

Mvehog,  cfr.  ’ Elacpog . 

Th/ueh 7,  cfr.  Möoyog. 

Tlvrla , Lab. 

II.  44.  Vdn  Hasen,  Kalb,  Lamm,  Hirsch.  Diosc.  II.  85. 

TvQÖg,  Käse. 

II  48.  Bei  Atonia  uteri  verboten. 

D.  II.  79. 

Oiavnov. 

II.  24,  cKcmTTirjpüiv  spiiuv,  Oel  mit  Raute  und  solcher  Wolle  abgekocht.  — 
Kobert,  Studien  I.  117.  Diosc.  II.  84. 

Galen  XII.  348.  Plin.  XXIX.  35.  36. 

Wulfsberg,  Therap.  Monatsheft.  I.  1887.  März. 

KaoxÖQLOv , Bibergeil. 

II.  29.  (Hysterie),  ibid.  Kur  des  Mantias ; II.  85.  Straton  bei  Prolapsus. — 
Diosc.  II.  26.  mit  Sprengels  Scholien  Galen  XII.  337  (Hauptstelle !). 
Hippocr.  VIII.  151.  428.  VII.  317  (b.  Hysterie)  VIII.  269.  271.  — Plin. 
XXXII.  § 13. 

Kobert,  Histor.  Stud.  I.  99. 


2.  Aves. 

'A%Tayi)v,  Haselhuhn?  Rebhuhn? 

I.  51.  II.  41.  — Cael.  Aurel.  Acat.  II.  37  (Cardiaci),  Chron.  II.  13. 
Vergl.  Aubert  in  Aristoleles  I.  88. 

rlav%,  Eule. 

I.  97.  Asche  von  Eulen  bei  Agalactie. 

Aubert  in  Aristoteles  I.  89.  weist  auf  Surnia  Noctua. 

Kiyh]  (tt;(')ßoQog,  Mistelfresser  b.  Aristoteles). 

Aristot.  96.  Turdus  viscivorus. 

Soran.  I.  94. 


169 


KooGvcpog. 

I.  51.  bei  Pica.  Ist  Merula.  (Aristotel.  p.  99.) 

Krjooa  äyQia , Wildente. 

I.  51.  Nahrung  bei  Pica.  — Aristoteles  I.  102. 

NvxrsQig  cfr.  FXav 

"ÖQvig  (xaror/Mhog)  Haushuhn. 

I.  94.  Junge  Hühner  für  die  Amme.  — II.  3^-  Pett  zu  Mutterzäpfchen. 

II eQÖii  = Perdix  graeca  oder  saxatilis  (Aristotel.  I.  104). 

I.  51.  bei  Pica.  — II.  41. 

IlEQtoreQd,  Taube. 

I.  94.  Junge  Taube  für  die  Amme. 

Waooa,  auch  cpatza , (pdxp  = Columba  palumbus,  Ringeltaube. 

II.  41.  Brustfleisch  als  Nahrung  aapy.tov  duo  ctt/j&ou ?. 

Aristot.  1.  c. 

orQOvdoy.d f.n]Xog:  Strirthio. 

II.  84.  Das  Ei  mit  Polyp,  uteri  verglichen. 

yijv,  anser. 

I.  46.  Fett.  II.  38  zu  Pessis  b.  Gravidis. 

t[>ov  Xey.Ldog.  1.  94.  — wov  p'otprj-rov,  I.  115. 

tuoü  epu&pov,  Eigelb  I.  124.  — ujov  aitaXov  I.  51-  49' 

I.  122.  Geschwüre  mit  Eiweiss  (~<u  Xeu-zuT  tö>v  tucüv), 

3.  Reptilia. 

""Ocpeig,  Schlangen. 

II.  64.  mit  der  linken  Hand  gefasst. 

Plin.  XXVIII.  § 33.  Serpentis  aegre  praeter  quam  laeva  manu  extrahi. 

4.  Pisces. 

AdßQa.%,  Labrax  lupus? 

(Aristotel.  I.  135)  I.  94. 

Xenokrates  XII. 

TqlyXa  (Mullus). 

I.  51  hei  Pica. 

Xenokrat.  XV.  Diosc..  II.  24.  — Aristotel.  I.  141. 

5.  Hexapoda. 

Kdvi}a,Qig , Mylabris  spec. 

(Blanchard,  Zoolog.  m6d.  II.  554.) 


170 


I.  71-  Euryphon  räth  bei  Retentio  mensium  Zäpfchen  mit  Kanthariden 
und  Honig. 

Nicander,  Theriaca  755. 

Plin.  XXIX.  § 93 — 95.  Diosc.  II.  65  et  de  venenis  Cap.  I.  Celsus,  Lib.  V. 
Scribon.  Largus  189.  — Galen  XII  363  (de  simpl.  medic.). 

Cael.  Aurel.  Chron.  V.  3.  — Alex.  Trall.  II.  535  (bei  Podagra). 

Kobert,  Studien  I.  105  (wichtiger  Artikel !). 

Koqis,  cimex,  acanthia  lectularia. 

II.  29.  Zerquetschte  Wanzen  bei  Hysterie.  Diosc.  II.  36  bei  Hysterie. 
Plin.  XXIX.  61.  — Galen  XII.  363.  hält  sie  selbst  zur  Entfernung  der 

Blutegel  entbehrlich.  — Lenz,  Zoologie  d.  alten  Griechen,  p.  546. 

K^qug  TVQQtjviy.og,  Wachs. 

I 104.  mit  Oel  extern. 

Odyss.  XII.  48. 

Bleh,  mel. 

I.  T23.  bei  Husten.  I.  120.  bei  Aphthen. 

Oribas  I.  605,  Anmerkung  v.  Daremberg  ! 

6.  Crustacea  (Decapoden). 

KctQig. 

I.  51.  bei  Pica  als  Nahrung. 

Marcellus  v.  Sida  v.  32.  „-/.al  $av9ai  xapt'Sec“. 

Aristoleles  I.  152;  Aubert  deutet  das  Wort  auf  Palaemon  Squilla  und 
Squilla  Mantis,  die  beide  im  Mittelmeer  gemein  sind. 

Kdqaßog. 

I.  51.  bei  Pica. 

Aubert  1.  c.  nimmt  den  xapaßo?  als  die  Languste  (Palinurus  vulgaris)  einen 
gewöhnlichen  Bewohner  des  Mittelmeers. 

Marcellus  v.  Sida  v.  34  „xapaßo?  o'xpuoEi?“  rauh. 

Hippocrat.  de  victu  (Littre  VI.  550) : to  ujpov  xapaßou  Siayiupee!.  — 

Oppian,  Halieutica  I.  26  r.  xdpaßoc  d^urrayrjc. 


” Oorqea . 


7.  Mollusca. 


I.  41.  Die  Zunahme  dez  Schalthiere  soll  mit  den  Mondsphasen  Zusammen- 
hängen. — Welche  Muschel  hier  gemeint  ist,  lässt  sich  nicht  entscheiden. 
Aristotel.  1.  c.  I.  180. 

Plim.  XXXII.  59.  Grandescunt  sideris  ratione  maxume,  ut  in  natura 
aquatilium  diximus, 

Oribas  I.  142.  Zunahme  der  Mollusken  mit  dem  Monde  (Athenäus). 


Krjqv%. 

I.  51.  Nahrung  bei  Pica 

Xenokrates  XXI.  Die  Keryx  sind  härter  als  Porphyra. 

Aubert  (Aristoteles  1.  c.)  rechnet  das  Thier  zu  der  Trochoidea  oder  Bucci- 
noidea;  Art  nicht  bestimmbar.  Galen  Nil.  344  (Schale). 

Ko^lia. 

I.  no.  Schnecken  auf  den  Nabel  nach  Abfall  des  Strangs.  Aubert  1.  c. 
deutet  auf  Helix  pomatia,  die  in  Morea  häufig  ist.  — Diosc.  II.  11. 
Galen  XII.  353.  — Oribas  I.  143  nach  Athenaeus  (u.  Note  586). 


171 


IIuQCfVQa. 

I.  CI.  bei  Pica  als  Speise  (Murex  species  ?). 

Diosc.  II.  II.  Galen  VI.  734-  Oribas  J-  *42  (Athenaeus). 

II efooQig. 

I.  51.  bei  Pica. 

Plin.  XXXII.  147.  Oribas  I.  137  (Athenaeus).  _ t , , 

Xenokrates  XXVI:  „TtEXcop'tSs;,  ij  [aeXcuviSsc,  -zdUta-rat  at  sp-cpepEi;  carpEOt;  . 


8.  Vermes. 


BdeA/a,  hirudo. 

II.  11.  II.  23.  bei  Metritis.  — 

Diosc.  de  Venenis  cap.  32. 

Ueber  die  Blutegel  im  Alterthum  sehe  man 
Archiv  f.  klin.  Med.  Band  47. 


meine  Arbeit  im  Deutschen 


9.  Cephalopoden. 

üohjTcovg , Octopus  vulgaris  (Aristoteles  I.  150). 

I.  10.  Der  Muttermund  der  Weiber,  die  geboren  haben,  bekommt  die 

Konsistenz  eines  Polypen-Kopfes. 

II.  85.  Der  Prolaps  mit  dem  Kopfe  des  Polypen  verglichen. 


10.  Porifera. 

Znöyyog,  Spongia  equina,  mollissima,  Zimocca. 

I.  11 8.  Bähung  mit  Schwämmen.  II.  28.  Zum  Abwischen  des  Gesichts. 

II.  41.  aTEOYydptov.  — II.  48.  mit  Oxycrat  auf  das  Hypogastrium. 

II.  86.  auoYyia. 

Cael.  Aurel.  Chron.  II.  13.  Asche  des  Schwamms. 

Rufus  445.  Schwammstein.  — Dioscor.  V.  137. 

Galen  XII.  376.  — Plinius  bes.  in  Lib.  IX.  XXXI.  XXXII. 

Oribas  II.  334.  II.  711.  Schwammstein. 

Aristoteles  I.  182—183. 

Schröder,  Arzneischatz  I.  746  (Lapis  spongiae.). 


III.  Fossilien  etc.1). 

’ Aocpalxog , Judenpech,  Bitumen. 

Räucherung  damit  I.  71.  Dion.  Riechmittel  bei  Hysterie  II.  29. 

Mantias  reicht  ihn  hier  in  Wein.  II.  29  (p.  325). 

D.  I.  99.  die  jüdaeische  Art  sei  die  beste,  er  soll  stark  purpurn  glänzen, 
kräftig  riechen  und  schwer  sein;  komme  auch  bei  Agrigent  vor. 

"Alg. 

Sal.  II.  16.  Weintraube  mit  Nitron  und  Salz.  — II.  88.  Anwendung  bei 
^ Prolapsus,  ebenfalls  mit  Nitron.  I.  82.  bei  Neugeborenen  (dXtap.6?). 


l)  Literatur:  Quenstedt,  Handbuch  d.  Mineralogie.  1863.  2.  Aufl. 

Lenz,  Mineralogie  d.  alt.  Griechen  und  Homer.  1861. 
Theophrast,  -Jispi,  Ädfinv.  Ed.  Wimmer.  Paris  1866. 


172 


'A cpQüvirQov , Natron  causticum. 

I.  82.  beim  'AXtop-ö?  des  Neugeborenen. 

II.  32.  bei  Tympanites  uteri.  D.  I.  130. 

BlöIos  yfjs,  Terra  sigillata. 

I.  67.  bei  der  Geburt  bereit  zu  halten. 

Quenstedt,  Mineralogie  379. 

Tfj  xi/.itöha,  Thonerde. 

I.  60.  Bestandteil  des  Pesson. 

Theophrast.  IX.  62.  — D.  V.  175.  — Oribas  II.  704.  — Galen  XII.  182. 

T/J  oa/iüa,  Thonerde. 

II.  44.  Bei  poü?  der  Weiber. 

Theophr.  IX.  62.  D.  V.  171.  Oribas  1.  c.  — Galen  1.  c.  178. 

Tvxpojdrjs. 

I.  90.  Als  Milchfehler.  Theophr.  IX.  64. 

Gelov,  Sulfur. 

I.  65.  Unter  den  Abortivis  in  Verbindung  mit  Leukojon,  Kardamos  etc. 
D.  V.  123. 

Kad/uia,  Galmei. 

I.  122.  Anwendung  bei  Hautleiden. 

Diosc.  V.  84. 

Kloots,  Pumex. 

I.  76  (p.  247.13).  Applikation  auf  die  Mamma. 

D.  V.  124.  Theoph.  II.  14.  III.  20.  22. 

Kovia  (ai axrrj). 

II.  88.  bei  Prolapsus  (=  Lixivia). 

^hd-ccQyvQOv,  Bleiglätte. 

I.  122.  bei  Hautleiden. 

D.  V.  102.  de  Venenis  27. 

Mölvßdov  (auch  uöhßdog). 

I.  71.  mechanische  Anwendung. 

I.  110.  Applikation  auf  d.  Nabel.  II.  46.  Unterlage  bei  Gonorrhoe. 

II.  88.  nXopatt  poUßSou  bei  Prolapsus. 

D.  V.  95.  96.  (cfr.  Kobert,  Ueb.  d.  Zustand  d.  Arzneikunde  vor  18  Jahr- 
hundert. Halle  1887). 

Nltqov , Soda. 

I.  61.  I.  122.  II.  16.  II.  32.  II.  88. 

D.  V.  129. 

Harless,  Ueb.  d.  Nitron  d.  Alten.  Janus  I.  1845. 

HvQhTjg,  Schwefelkies. 

I.  77.  ad  mammam;  Antigalacticum. 

D.  V.  142. 


173 


-idi'Qog,  Ferrum. 

I.  80.  ua3T)$  5s  üXr];  xprjxaxwxaxos  s 


EOTIV  0 ai( 


tBrjpOf,  zum  Trennen  des  Nabel- 


strangs. 


Znodta,  Cinis. 

I Asche  von  verbrannten  Eulen  etc. 

2nodög,  Zinkoxyd. 

II.  4t.  Hämorrhagie.  II.  85.  Anwendung  nach  Straton  bei  Prolapsus. 
D.  V.  iripcpoXul. 

iSr ifi/iu,  Grauspiessglanz. 

II.  88.  bei  Prolaps. 

D.  V.  49.  Stibium.  Plin.  XXXIII.  102.  Quenstedt  694. 

^Tvm^Qta,  Alumen. 

I.  61  (2  mal).  I.  76.  Mamma. 

D.  V.  122.  Plin.  XXXV.  52. 

Xoäy.hi]S,  Kupfererz. 

II.  41.  Metrorrhagie. 

D.  V.  1 1 5 . Quenstedt  712. 

' ’^hf-iv&LOV , Cerussa. 

I.  61.  Abortiv.  I.  122.  bei  Exanthemen. 

L>.  V.  103,  de  Venenis  22. 


Verlag  von  J.  F.  Lehmann  in  München. 


Lehmanns  mediein.  Handatlanten 

Band  V: 

Atlas  der  Hautkrankheiten. 

Mit  90  farbigen  Tafeln  und  17  schwarzen  Abbildungen. 

Herausgegeben  von  Dr.  Karl  Kopp, 

Privatdocent  an  der  Universität  München. 

Preis  elegant  gebunde?i  Mark  10. — . 


Urtheile  der  Presse: 

Allgemeine  med.  Centralzeitung  Nr.  86.  1893. 

Für  keinen  Zweig  der  Mediein  ist  die  Nothwendigkeit  bildlicher  Darstellung 
im  höheren  Grade  vorhanden,  als  für  die  Dermatologie.  Bei  der  grossen  Zahl  von 
Dermatosen  ist  es  ja  unmöglich,  dass  der  Studirende  während  seiner  nur  zu  kurzen 
Lehrzeit  jede  einzelne  Hautaffection  auch  nur  einmal  zu  sehen  bekommt,  geschweige 
denn  Gelegenheit  hat,  sich  eingehend  mit  ihr  vertraut  zu  machen.  Nun  ist  es  ja 
klar,  dass  Wortbeschreibungen  von  einer  Hautaffection  nur  eine  höchst  unvoll- 
kommene Vorstellung  vermitteln  können,  es  muss  vielmehr  bildliche  Anschauung 
und  verbale  Erläuterung  Zusammenwirken,  um  dem  Studirenden  die  charakteristischen 
Eigenschaften  der  Affection  vorzuführen.  Aus  diesem  Grunde  füllt  ein  billiger 
Atlas  der  Hautkrankheiten  eine  wesentliche  Lücke  der  medicinischen  Literatur  aus. 
Von  noch  grösserer  Wichtigkeit  ist  ein  solches  Buch  vielleicht  für  den  praktischen 
Arzt,  der  nur  einen  Theil  der  Affectionen  der  Haut  während  seiner  Studienzeit 
durch  eigene  Anschauung  kennen  gelernt  hat,  und  doch  in  der  Lage  sein  muss, 
die  seiner  Behandlung  zugeführten  Hautleiden  einigermassen  richtig  zu  beurtheilen. 
Aus  diesem  Grunde  gebührt  dem  Verfasser  des  vorliegenden  Buches  Anerkennung 
dafür,  dass  er  sich  der  gewiss  nicht  geringen  Mühe  der  Zusammenstellung  des  vor- 
liegenden Atlas  unterzogen  hat;  nicht  minderen  Dank  hat  sich  die  geehrte  Verlags- 
buchhandlung verdient,  von  der  einerseits  die  Idee  zur  Herausgabe  des  Buches  aus- 
ging, und  die  anderseits  es  verstand,  durch  den  billigen  Preis  das  Buch  jedem 
Arzte  zugänglich  zu  machen.  Was  die  Ausführung  der  Tafeln  anbetrifft,  so  genügt 
sie  allen  Anforderungen ; dass  manche  Abbildungen  etwas  schematisch  gehalten  sind, 
ist  unserer  Ansicht  nach  kein  Fehler,  sondern  erhöht  vielmehr  die  Brauchbarkeit 
•des  Atlas  als  Lehrmittel,  der  hiermit  allen  Interessenten  aufs  Wärmste  empfohlen  sei. 

Prager  mediein.  Wochenschrift  1893.  Nr.  93. 

Der  den  Bildern  beigegebene  Text  erhebt  sich  weit  über  eine  blosse  Er- 
läuterung , und  stellt  in  seiner  prägnanten  Kürze  ein  gutes  Repetitorium  der  be- 
treffenden Hautkrankheiten  dar. 

Archiv  für  Dermatologie  und  Syphilis  1894.  H.  3. 

Das  Streben  des  Verfassers  das  ganze  Gebiet  gründlich  zu  behandeln  und 
zweckentsprechende  Abbildungen  zu  bringen,  und  das  des  Verlegers,  um  den  ge- 
ringen Preis  das  möglichst  Beste  zu  liefern , sind  gewiss  im  höchsten  Grade  anzu- 
erkennen. Der  Studirende  und  Arzt  wird  mit  ihrer  Hilfe  leichter  über  manche 
Schwierigkeiten  hinweg  kommen,  die  ihm  ein  Krankheitsbild  bei  der  Deutung  be- 
reitet, oder  die  sich  ihm  bei  der  Vorstellung  nach  einer  Beschreibung  entgegen- 
stellen. Aus  diesen  Gründen  können  wir  das  Buch  sowohl  dem  Studirenden  als 
auch  dem  Arzte  bestens  empfehlen. 


Verlag  von  J.  F.  Lehmann  in  München. 

Lehmanns  mediein.  Handatlanten 


Band  VI: 

Atlas  der  Geschlechtskrankheiten. 

Mit  52  farbigen  Tafeln  und  4 schwarzen  Abbildungen. 
Herausgegeben  von  Dr.  Karl  Kopp, 

Privatdocent  an  der  Universität  München. 

Preis  elegant  gebunden  Mark  7. — . 


Petersburger  medizin.  Wochenschrift  1894,  Nr.  IQ-  Her  Atlas  stellt  in 
53  farbigen  und  4 schwarzen  Abbildungen,  die  verschiedenen  lokalen  Erscheinungen 
der  venerischen  Erkrankungen  und  die  mannigfachen  luetischen  Exantheme  dar.  Die 
mit  grosser  Sorgfalt  ausgeführten  Zeichnungen  sind  sehr  instruktiv  und  bieten  dem 
Studirenden  sowohl  als  dem  Arzte  volle  Möglichkeit  sich  in  zweifelhaften  Fällen 
Auskunft  zu  verschaffen.  Ein  kurzer  Text  erklärt  jede  Abbildung  und  eine  Ein- 
leitung behandelt  die  in  Betracht  kommenden  Krankheitsformen. 

Der  ärztliche  Praktiker.  Ina  Anschluss  an  den  Atlas  der  Hautkrankheiten 
ist-rasch  der  der  Geschlechtskrankheiten  von  demselben  Verfasser  mit  gleichen  Vor- 
zügen vollendet  worden.  56  farbige  und  4 schwarze  Abbildungen  bringen  die 
charakteristischen  Typen  der  syphilitischen  Hauteffloreszenzen  zur  Darstellung,  be- 
gleitet von  einem  kurzen  beschreibenden  Text.  Nicht  ohne  triftigen  Grund  schickt 
der  Autor  den  Abbildungen  und  deren  Beschreibungen  einen  gedrängten  Ueber- 
sichtsartikel  über  den  gegenwärtigen  Stand  der  Venereologie  voraus.  Denn  gar 
manche  Anschauungen  haben  sich  durch  die  Forschung  inzwischen  geändert,  manche 
sind  bis  auf  den  heutigen  Tag  noch  streitig  geblieben.  Die  beiden  Atlanten  bilden 
einen  für  die  Differenzirung  der  oft  frappant  ähnlichen  Bilder  spezifischer  Natur 
unentbehrlichen  Rathgeber.  1 A.  S. 

Zeitschrift  für  ärztliche  Landpraxis  1894,  Nr.  1.  Im  Anschluss  an  den 
Atlas  der  Hautkrankheiten  (besprochen  in  der  Dezembernummer  1893,  S.  384)  ist 
der  vorliegende  Atlas  der  Geschlechtskrankheiten  erschienen.  Auch  dieser  Band 
wird  dem  Praktiker  äusserst  willkommen  sein,  und  im  vollen  Masse  die  Absicht 
des  Verf.  erfüllen,  eine  zu  jedem  der  zahlreichen  Lehrbücher  passende,  jedermann 
zugängliche  illustrative  Ergänzung  darzustellen  und  ein  zweckmässiges  Unterstützungs- 
mittel für  den  Unterricht  und  das  Privatstudium  abzugeben.  S. 

Medico.  Der  vorliegende  6.  Band  der  Lehmann’schen  medizinischen  Hand- 
atlanten, die  wir  bereits  bei  früherer  Gelegenheit  der  Beachtung  ärztlicher  Kreise 
empfohlen  haben,  bringt  eine  Zusammenstellung  von  Chromotafeln  aus  dem  Gebiete 
der  venerischen  Erkrankungen.  Die  Abbildungen  sind  im  Allgemeinen  recht  gut 
gelungen  und  sehr  instructiv;  die  wenigen  Zeilen,  die  als  Text  den  Bildern  beige- 
geben sind,  reichen  vollkommen  aus,  da  die  Abbildungen  selbst  sprechen  und  weit- 
läufigere Erklärungen  überflüssig  machen.  Der  Atlas  bildet  ein  zweckmässiges  Unter- 
stützungsmittel für  den  Unterricht  sowohl,  wie  für  das  Privatstudium  und  dürfte  dem 
Arzte  als  Ergänzungswerk  zum  Lehrbuch  der  geschlechtlichen  Krankheiten  will- 
kommen sein.  Der  Preis  desselben  beträgt  M.  7. — . 


Verlag  von  J.  F.  Lehmann  in  München 


Lehmanns  mediein.  Handatlanten 

Band  IV: 

Atlas  der  KratiAlieiten  der  InodiöWe,  des  Rachens  nnd  der  Nase. 

In  69  meist  farbigen  Bildern  mit  erklärendem  Text.  Von  Dr.  L.  Grünwald. 

Preis  elegant  gebunden  Mark  6. — 

Der  Atlas  beabsichtigt,  eine  Schule  der  semiostischen  Diagnostik 
zu  geben.  Daher  sind  die  Bilder  derart  bearbeitet,  dass  die  einfache  Schilderung 
der  aus  denselben  ersichtlichen  Befunde  dem  Beschauer  die  Möglichkeit  einer 
Diagnose  bieten  soll.  Dem  entsprechend  ist  auch  der  Text  nichts  weiter,  als  die 
Verzeichnung  dieser  Befunde,  ergänzt,  wo  nothwendig,  durch  anamnestische  u.  s.  w. 
Daten.  Wenn  demnach  die  Bilder  dem  Praktiker  bei  der  Diagnosenstellung  be- 
hilflich sein  können,  lehrt  anderseits  der  Text  den  Anfänger,  wie  er  einen  Befund 
zu  erheben  und  zu  deuten  hat. 

Von  den  Krankheiten  der  Mund-  und  Rachenhöhle  sind  die  praktisch 
wichtigen  sämmtlich  dargestellt,  wobei  noch  eine  Anzahl  seltenerer  Krankheiten 
nicht  vergessen  sind.  Die  Bilder  stellen  möglichst  Typen  der  betreffenden  Krank- 
heiten im  Anschluss  an  einzelne  beobachtete  Fälle  dar. 

Bei  den  rhinoskopischen  Bildern  wird  ausserdem  besonders  die  Schulung 
des  hier  so  schwierigen  Sehens  in  der  Perspective  berücksichtigt. 

Mü?ichener  medizinische  Wochenschrift  1894,  Nr.  7.  G.  hat  von  der  Leh- 
mann’sehen  Verlagsbuchhandlung  den  Auftrag  übernommen,  einen  Handatlas  der 
Mund-,  Rachen-  und  Nasen-Krankheiten  herzustellen , welcher  in  knappester  Form 
das  für  den  Studirenden  Wissenswertheste  zur  Darstellung  bringen  soll.  Wie  das 
vorliegende  Büchelchen  beweist,  ist  ihm  dies  in  anerkennenswerther  Weise  gelungen. 
Die  meist  farbigen  Bilder  sind  naturgetreu  ausgeführt  und  geben  dem  Beschauer 
einen  guten  Begriff  von  den  bezüglichen  Erkrankungen.  Für  das  richtige  Ver- 
ständnis sorgt  eine  jedem  Falle  beigefügte  kurze  Beschreibung.  Mit  der  Auswahl 
der  Bilder  muss  man  sich  durchaus  einverstanden  erklären , wenn  man  bedenkt, 
welch’  enge  Grenzen  dem  Verfasser  gesteckt  waren.  Die  Farbe  der  Abbildungen 
lässt  bei  manchen  die  Beleuchtung  mit  Sonnenlicht  oder  wenigstens  einem  weissen 
künstlichen  Lichte  vermuthen,  was  besser  besonders  erwähnt  worden  wäre. 

Der  kleine  Atlas  verdient  den  Studirenden  angelegentlichst  empfohlen  zu 
werden,  zumal  der  Preis  ein  sehr  mässiger  ist.  F.r  wird  es  ihnen  erleichtern,  die 
in  Kursen  und  Polikliniken  beim  Lebenden  gesehenen  Bilder  dauernd  festzuhallen. 

Killan-F  reiburg. 


Geburtshülfe  und  Frauenkrankheiten. 

Amatm,  Dr.  J.  A.  jun. , Ueber  Neubildungen  der  Cervical  portion  des  Uterus. 
92  Seiten  mit  12  Tafeln.  1892.  M 6. — . 

Arbeiten  a.  d.  k.  Universitäts-Frauenklinik  zu  München.  Herausgegeben 
von  Geheimrath  Prof.  Dr.  F.  v.  Winckel.  (Münchener  mediein.  Ab- 
handlungen, IV.  Reihe.) 

Heft  X : Ueber  Descensus  und  Prolapsus  uteri  in  ätiologischer,  symptomato- 
logischer  und  therapeut.  Beziehung.  Von  Dr.  Paul  Leverkühn. 
35  Seiten.  1.  • 

Heft  2:  Die  puerperalen  Todesfälle  der  Münchener  Frauenklinik  1887 /91.  Von 
Dr.  Max  Madien  er.  9(-  1-  • 

Heft  3:  Narkosen  mit  Chloroformium  medicinale  Pictet.  Von  Dr.  O.  Hohen- 
e m s e r.  1 • • 

Heft  4:  Ueber  mehreiige  Graaf’sche  Follikel  beim  Menschen.  Mit  5 

bildungen.  Von  Dr.  R Klien.  J • • 

Heft  5:  Ueber  Drillingsgeburlen.  Von  Dr.  S.  Mirabran.  Jt  1.  • 


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